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Gleich nach Vollendung des Jüngsten Gerichts hatte Michelangelo das Werk sich von der Seele schaffen wollen, dessen langsam fortschleichende Arbeit Condivi nicht mit Unrecht die Tragödie des Grabdenkmals nennt. Kaum aber zeigte er diesen Willen, als der Papst ihn auch jetzt nicht freigab. Paul der Dritte hatte dem Vatikan eine neue Kapelle zugefügt, nach seinem Namen die Capella Paolina genannt, und Michelangelo war dazu ausersehen, sie mit Fresken zu schmücken.
Darüber kam es jetzt zwischen ihm und dem Herzoge von Urbino zu Unterhandlungen peinlichster Art. Der Herzog hatte ein Recht, die Ausführung längst bezahlter Arbeit zu verlangen. Er haßte die Farneses und wollte gerade ihretwegen nicht vernachlässigt sein. Um mit jedem Mittel zu wirken, brachte man von seiner Seite die Sache ins Publikum. Michelangelo wurde in Italien ein Betrüger genannt, der von Anfang an die Absicht gehegt, das Geld zu nehmen und nichts dafür zu arbeiten, und ein Druck ward auf ihn ausgeübt, bis er dem Papste sagen ließ, es sei ihm unmöglich, die Gemälde in der Kapelle auszuführen. Man male nicht mit den Händen allein, sondern auch mit dem Kopfe. Wer den Geist nicht frei habe, ruiniere sich. Man überhäufe ihn mit Beschuldigungen, als habe er Christus steinigen helfen. Schon vom Papste Clemens sei er bei der Abfassung des letzten Kontraktes durch Winkelzüge zu Dingen vermocht, die er gar nicht gewollt, und zur Anerkennung von Zugeständnissen, die er gar nicht gemacht. Zwänge man ihn jetzt zu malen, so könne nichts als schlechtes Zeug daraus werden.
Erklärte sich Michelangelo jedoch durch den unter Clemens aufgesetzten Kontrakt für benachteiligt, so war er selber nicht ganz ohne Schuld dabei. Gerade solche Naturen, welche im gewöhnlichen Leben die Redlichkeit und Uneigennützigkeit selbst sind und die zu stolz wären, auch nur mit einem Worte der Lüge dem eigenen Vorteile zu dienen, lassen sich bei Geschäftssachen, um der Beförderung dessen willen, was sie für das Beste halten, zuweilen zu Auslassungen bereit finden, bei denen sie mehr ihr reines Gewissen als die objektive Wahrheit respektieren. Clemens hatte nicht zugeben wollen, daß neben den Arbeiten in San Lorenzo die für das Grabmal Giulios betrieben würden: um dem Papste die Einwilligung dennoch abzunötigen, war Michelangelo darauf eingegangen, den Empfang größerer Geldbeträge von seiten der Roveres zuzugestehen, als er in Wahrheit erhalten hatte (nur damit er ihnen in höherem Grade verpflichtet erschiene), und die Aufnahme dieser Summen in den neuen Kontrakt zu gestatten. Von den Roveres wurde das jetzt benutzt. Sie beriefen sich auf Michelangelos Unterschrift und wollten die fingierten Summen für wirkliche angenommen wissen.
Das Zweite, worüber er sich zu beklagen hatte, war der Umstand, daß die ihm zur Unterzeichnung vorgelegte Abschrift des Kontraktes mit dem Schriftstücke nicht gestimmt habe, das bei den Verhandlungen in seiner Gegenwart aufgesetzt worden sei. Sein am Macello bei Corvi gelegenes Haus sei als Garantie für die zur Vollendung des Grabmales von ihm auszugebenden Gelder darin angeführt. Niemals wäre ihm aber dergleichen eingefallen.
Dies kam jetzt zur Sprache. Das Ende der Verhandlungen war, daß Michelangelo gerechtfertigt dastand, und Urbino sich als zufriedengestellt erklärte, wenn am Denkmal nichts von Michelangelos eigener Hand ausgeführt werde als der Moses. Das Haus am Macello bei Corvi wurde von aller Belastung losgesprochen.
So konnte Michelangelo denn die Gemälde in der Paolina beruhigter in Angriff nehmen, und er beendete sie innerhalb von acht bis neun Jahren; zwei große, figurenreiche Kompositionen, die Kreuzigung Petri und die Bekehrung Pauli darstellend; heute, nachdem sie lange Zeit durch den abgelagerten Staub der Jahrhunderte verdunkelt gewesen, hat man sie gereinigt und restauriert, so handwerksmäßig aber dabei behandelt, daß vielleicht kein echter Pinselstrich Michelangelos mehr zu erkennen ist. Alte Stiche zeigen die beiden Gemälde ebensogut als diese so mißhandelten Originale. Es sind umfangreiche Kompositionen, dadurch auffallend, daß viele Gruppen, weit auseinanderstehend, zu keiner rechten Einheit gelangen. Die Figuren sind sehr zahlreich, und auch in den Gewölken fehlt es daran nicht. Von aller Wirkung, die diese Arbeiten vor Zeiten vielleicht getan, blieb nichts übrig als der erschütternde Anblick des mit dem Kopfe zu unterst ans Kreuz genagelten Petrus. Die Halsbewegung, mit der er, ohne daß es ihm gelänge, den Kopf umdrehen und aufrichten möchte, hat etwas eindringlich Wahres. Man fühlt die in achtlose Anstrengung und das Leiden. Wie die Farben waren, erkennen wir nicht mehr. Aufsehen scheinen diese Gemälde, wie Michelangelos frühere Werke, bei ihrer Aufdeckung nicht gemacht zu haben.
Diese Kreuzigung Petri ist es, die Vittoria in ihrem Briefe meinte, als sie Michelangelos allzu feurige Korrespondenz mit der Bemerkung abschnitt, er werde morgens nicht zur rechten Zeit an seine Arbeit gehen können und müsse so dem Statthalter Christi auf Erden untreu werden.
Die Arbeit machte ihm in der Tat Mühe. Es bedürfe, sagte er selbst, eines rüstigeren Körpers zur Freskomalerei, wo man mit nassem Kalke zu tun und eine große Fläche vor sich habe, vor der man auf den Gerüsten herumklettern müsse. Schon bei der Arbeit am Jüngsten Gericht war ihm zugestoßen, daß er aus ziemlicher Höhe vom Gerüste herunterstürzend sich am Beine beschädigte. Wütend darüber und von Schmerzen geplagt, hält er sich in seinem Hause eingeschlossen und will keinen Arzt einlassen, bis ein Florentiner Doktor, Baccio Rontini, ein sehr geschickter Mann und sein großer Verehrer, durchs Fenster in das Haus einsteigt, von Stube zu Stube vordringt und endlich zu dem alten Meister gelangt, den er in voller Verzweiflung vorfindet. Baccio blieb bei Michelangelo, bis er geheilt war, ohne ihn auch nur einen Augenblick allein zu lassen. Dies war 1541 geschehen. Im Jahr 44 lag Michelangelo abermals schwer krank im Hause seines Freundes Luigi del Riccio (der Papst ließ alle Tage fragen, und die Kardinäle kamen selber, um ihm ihren Besuch zu machen). Diese Gemälde sind die letzten Malereien, die er geschaffen hat.