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Schöne Vida stand am Meeresstrande,
Wusch da ihres Wiegenkinds Gewande,
Kam ein schwarzer Mohr durchs Meer, das helle,
Hielt den Nachen an und sprach zur Stelle:
»Warum bist du, Vida, nicht so blühend,
Nicht so blühend mehr und wangenglühend,
Wie du warst, noch ist nicht dessen lange?«
Schöne Vida ihm antwortet bange:
»Wie doch wär' ich blühend, wangenglühend,
In so schwerer Unglückslast mich mühend!
Ach, daheim mein Söhnlein liegt, das kranke,
Torenrat tat mir's gar schlecht zu Danke,
Da ich mir zum Mann nahm einen Alten!
Habe wenig frohen Sinns behalten,
Weint des Tags mir vor der kranke Junge,
Hustet nachts mir vor des Alten Lunge.«
Drauf der schwarze Mohr ihr dieses sagte:
»Wenn's dem Kranich nicht daheim behagte,
Zieht er übers Meer; du aber eile
Fort mit mir, daß so dein Herzleid heile.
Schöne Vida, höre, dich zu holen
Hat mir Spaniens Königin befohlen,
Sollst dort Amme sein dem Königleine,
Ihrem Sohne, unserm Kaiserleine;
Wirst es säugen, wirst sein Wieglein wiegen,
Wirst es locken und sein Bettlein betten,
Singst in Schlaf es ein durch schöne Lieder,
Plagst mit schwerer Arbeit nie dich wieder.«
In das Schifflein sich schön Vida senkte.
Wie es abstieß und vom Ufer lenkte,
Wie das Schifflein durch die Wogen jagte,
Weinte Vida bitterlich und klagte:
»Wessen hab' ich Arme mich vermessen,
Ach und wem daheim vertraut indessen
Meinen kranken Säugling, den verwaisten,
Meinen Mann, den armen und ergreisten?«
Sonntagsmorgen drei von hinnen schwanden.
Bis die beiden bei der Fürstin landen.
Schöne Vida harrt in aller Frühe
An dem Fenster, bis die Sonn' erglühe.
Und zu stillen ihres Herzens Klagen
Tat sie so die gelbe Sonne fragen:
»Sonne, helle Sonne, gib mir Kunde,
Wie mein Söhnlein sich gehabt zur Stunde?«
»Wie doch soll dein Söhnlein sich gehaben,
Hielten ihm die Kerze gestern abend!
Und dein Mann ist fort vom Haus gezogen,
Und er sucht dich, fährt durch Meereswogen,
Und er sucht dich, und er weint gar kläglich,
Bersten will sein Herz vor Gram unsäglich.«
Kommt des Nachts der weiße Mond gezogen,
Schöne Vida steht am Fensterbogen,
Und zu stillen ihres Herzens Klagen
Tat sie so den weißen Mond befragen:
»Mond, du heller Mond, o gib mir Kunde,
Wie mein Söhnlein sich gehabt zur Stunde?«
»Wie doch soll dein Söhnlein sich gehaben,
Heute ward das arme Kind begraben;
Und dein Vater ist vom Haus gezogen,
Und er sucht dich, fährt durch Meereswogen,
Und er sucht dich, und er weint gar kläglich,
Bersten will sein Herz vor Gram unsäglich.«
Schöne Vida bitter weint' und klagte;
Trat zu ihr die Königin und fragte:
»Was ist dir geschehen, Vida, sage,
Daß du weinest in so bittrer Klage?«
Zu der Fürstin Vida spricht im Harme:
»Ach, wie sollt' ich weinen nicht, ich Arme!
Als das Goldgeschirr am Fensterbogen
Ich gescheuert, fiel mir's in die Wogen,
Fiel der Becher mir, der goldesschwere,
Von des Fensters Höh' zum tiefen Meere!«
Und die Königin spricht Trost und Gnade:
»Nicht in Tränen drob dein Antlitz bade,
Kaufen will ich einen andern Becher
Und für dich beim König sein Fürsprecher;
Zu dem Königlein geh, zu dem kleinen,
Daß es dir vertreibe Schmerz und Weinen.«
Kauft die Königin wohl einen Becher,
Ist für sie beim König wohl Fürsprecher;
Vida steht am Fenster alle Tage,
Weint um Vater, Kind und Mann mit Klage. |