Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Im Tode Wahrheit.

            Es steht, es steht ein weißes Schloß,
Der junge Burgherr wallt durchs Schloß,
Er ruft zu sich nun seinen Knecht,
Gehorsamen, getreuen Knecht:
»Mein Knecht, mein Knecht, nun ungesäumt
Vernimm, was mir heut nacht geträumt,
Daß mir zu eigen Täubchen zwei,
Entflogen sind mir alle zwei,
Zur Kirch' am Berg das eine zog,
Und nimmermehr zurück mir flog,
Zum Dorf im Tal das andre zog,
Zu meinem Lieb Marjetka flog.
Nun sattle flink der Pferde zwei,
Mir eines, dir das andre sei.«

Er schwingt sich auf das Rösselein,
Wie ein gefiedert Vögelein,
Er reitet fort und immer fort
Zum Dorf im Tal zur Liebsten dort.
Es steht am Tore trauersam
Die SupaninDie Župane, eine Art slawischer Dorfschulzen, waren ursprünglich die Aufbieter des Volkes zu irgend einer gemeinschaftlichen Unternehmung (etym. vielleicht von Zoopan, der rufende Herr). Nach dem Verfalle der demokratischen Regierungsform der alten Slawen blieben die Župane die Überbringer obrigkeitlicher Befehle, sie sagten Abgaben und Frondienste an und waren die Vermittler bei Aushebung der jungen Mannschaft zu Kriegsdiensten. (Vgl. Linhart a. a. O).) Die Würde der Kneze (s. »Von der ungetreuen Gräfin«) (kleinere Fürsten, regierende Grafen) war den Krainern weniger, vielleicht nur an den Grafen von Cilli bekannt, die den größten Teil ihres Landes besaßen. und scheint voll Gram.
»O sprecht, was ist Euch, Supanin,
Daß heut so traurig Euer Sinn?
Und ist Marjetika daheim,
Hat sie gefahn das Täubelein?«
»Die läuft wohl keinem Täubchen nach,
Die ringt am Todbett im Gemach!«

Er tritt ins lichte Kämmerlein,
Da liegt sie krank und ächzt gar schwer.
Ein seidnes Säckchen öffnet er
Und zieht hervor ein edles KrautAuch der deutsche Volksglaube kennt ein Kraut mit ähnlichen magischen Wirkungen. Eine in Hoffmanns von Fallersleben Fundgruben (I, 326) mitgeteilte Krankheits- und Heilmittelkunde aus dem 14. Jahrh. sagt darüber folgendes: »Ein krut heizet uerbena, daz ist für manig dinch gut vnde nutze. von dem selben krute saget vns macer, si habe groze kraft an ir. Swer si neme mit wurtze mit alle vnde behielde si in der rechten hand und ge zu dem siechen, daz er der wurtz nicht wurde geware vnde spreche zu im: versihest du dich zu lebene, vnde wie gehabes du dich? Sprichet der sieche: wol; zwar er geniset. Sprichet er: ich gehabe mich ubel; des sichtums kumt er nimmer vf. Spricht er: ichn mac nu nicht baz gehaben mich, oder sprichet er: ich gehabte mich gerne wol; er muz aber michel arbeit liden in dem selben leger.«:
»Dies sei, Marjetka, dir vertraut;
Sollst du genesen, Liebchen mein,
Schnell wird davon dir besser sein,
Doch sollst du sterben, Liebchen mein,
Schnell wird davon dir schlimmer sein.«

Er schwingt sich auf das Rösselein,
Wie ein gefiedert Vögelein,
Er reitet fort und immer fort
Bis zu dem weißen Schlosse dort.
Da nahm er weder Speis' noch Trank,
Bis wieder er zu Roß sich schwang.
Die Supanin am Schwellenrain
Wischt sich die schwarzen Äugelein.
»Was wischt Ihr, so betrübt von Sinn,
Die schwarzen Äuglein, Supanin?«
»Wie soll ich nicht in Tränen sein?
Gestorben ist Marjetka mein.«

Er geht hinauf ins Kämmerlein.
Marjetka liegt im Totenschrein,
Ein Rosenstrauß im Arm ihr liegt,
Ein goldner Kranz ihr Haupt umschmiegt.
Er nimmt vom Arm den Strauß hinweg,
Er nimmt vom Haupt den Kranz hinweg:
»Nicht ziemt, Marjetka, dieser dir,
Zwei Söhnlein ja gebarst du mir,
Der eine soll einst Priester sein,
Die Mutter vom Fegfeuer befrein.«


 << zurück weiter >>