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»Knes Mithel, schön guten Morgen!
Füttre reichlich mir die Rosse,
Sollst mich führen aus dem Lande,
Denn es schrieb mein Herr und Gatte,
Daß ich sein daheim nicht warte.
Will ein golden Kleid dir schenken,
Wenn dir's Wert genug nicht hätte,
Schenk' ich dir die goldne Kette,
Die wohl schwer achttausend Gulden.«
Nicht dies Wort die Gräfin endet,
Als ins Haus der Graf sich wendet;
Kniet die Gräfin auf den Boden,
Hält die Händ' empor gehoben:
»Gnade, Gnad', o Herr und Gatte!«
Ihre weiße Hand berührt er,
Sie mit sich zur Kammer führt er,
In der Kammer hin sie schreiten
Und mit herben Worten streiten.
»Nenn ihn, nenn ihn mir, o Gattin!
Will dich strafen nicht noch schelten,
Ihm nur soll's das Leben gelten!«
Drauf die Gräfin ihm erwidert:
»Gott nur kennt ihn, Gott nur nennt ihn!
Nächtlich kam er, nächtlich schied er. –
Komme, komm nun, meine Amme,
Bringe mir mein junges Söhnlein,
Das kaum alt erst zweithalb Jahre,
Daß ich nochmals es gewahre.«
Amme bringt das junge Söhnlein,
Und die Gräfin an sich schließt es
Und von Herzen kost und küßt es,
Faßt dann in den seidnen Beutel,
Bringt draus eine goldne Kette:
»Amme, nimm die goldne Kette,
Die wohl schwer achttausend Gulden.
Säuge treu mir mein lieb Söhnlein;
Wird dich nicht dein Dienstherr zahlen,
Wird der ew'ge Gott dich zahlen.«
In der Kammer hin sie schreiten
Und mit herben Worten streiten.
Er erfaßt sie um den Gürtel,
Schleudert sie zum Strom durchs Fenster.
Eh' sie in den Strom gefallen,
Läßt sie noch dies Wort erschallen:
»Was ich noch dich bitte, Amme,
Hüte treu mir mein lieb Söhnlein,
Wird dich nicht dein Dienstherr zahlen,
Wird der ew'ge Gott dich zahlen!«
Sieht der Graf ihr nach durchs Fenster:
»Ach, ihr schönen, weißen Hände,
Stets der Arbeit gern beflissen,
Ach, ihr schönen, weißen Glieder,
Sollt zum Fraß jetzt Fischen taugen!
Ach, ihr schönen, schwarzen Augen,
Die im Strom ihr schwimmt und schimmert
Und um mich euch nimmer kümmert!« |