Anastasius Grün
Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

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Gregors Schwester Alenka.

        Dort liegt vor mir ein Pfad gebahnt,
Der führt tief in das Türkenland,
Das Auge da gar weit mir sieht
Tief in das türkische Gebiet;
Es wallt den Pfad heran ein Knecht,
Des Türkenkaisers junger Knecht.
Alenka steht am Schwellenrain,
Alenka, Gregors Schwesterlein.

»Laß dich befragen, junger Knecht,
Des Türkenkaisers junger Knecht,
Ob du nichts zu Gesicht bekamst,
Ob du auch Kunde nicht vernahmst,
Mag's Gutes oder Schlimmes sein,
Von Gregor, meinem Brüderlein?«

Antwortet drauf der junge Knecht,
Des Türkenkaisers junger Knecht:
»Von Gregor weiß ich Kunde nicht,
Von Gregor man auch nirgends spricht,
Ich selber sah niemals den Mann,
Drum ich ihn auch nicht kennen kann.«

Es spricht darauf Alenka fein,
Alenka, Gregors Schwesterlein:
»Ein langes Oberkleid ihn hüllt,
So lang, daß bis zur Fers' es quillt,
Mit Blumen ist es ausgestickt,
Mit Seidenschnüren ist's geschmückt,
Ein rotes Käppchen ihn bedeckt,
Drei Federn sind darein gesteckt,
Drei Kranichsfedern mögen's sein.
Er führt ein blankes Säbelein,
So blank als wie der Sonnenschein
Und wie Schermesser scharf und fein;
Inmitten eine Schlange liegt,
Und Feuer aus der Spitze fliegt,
In Schlangenblut ist es gestählt,
Die Türken hat sich's auserwählt.«

Antwortet drauf der junge Knecht,
Des Türkenkaisers junger Knecht:
»Tot schlugen Türken solchen Mann,
Der dein Gregor vielleicht sein kann.«

Was tat darauf Alenka fein,
Alenka, Gregors Schwesterlein?
Sie läuft ins helle Kämmerlein,
In lang' Gewand den Leib sie hüllt,
So lang, daß bis zur Fers' es quillt,
Mit Blumen ist es ausgestickt,
Mit Seidenschnüren ist's geschmückt.
Sie hat sich ganz so angelegt,
Wie sich ihr Bruder Gregor trägt.
Ein rotes Käppchen sie bedeckt,
Ins Käppchen sie drei Federn steckt,
Drei Kranichfedern mögen's sein,
Schnallt um ein blankes Säbelein,
So blank als wie der Sonnenschein
Und wie Schermesser scharf und fein,
Inmitten eine Schlange liegt,
Und Feuer aus der Spitze fliegt,
Mit Schlangenblut ist es gestählt,
Die Türken hat sich's auserwählt.
Sie geht zum lichten Stall hinein,
Da sattelt sie ein Rösselein,
Das schnellste, flinkste Rösselein;
Drauf in die Bügel sie sich schwingt,
Ihm hurtig auf den Rücken springt;
Wie Vogelflug so saust sie fort
Bis fern ins Türkenlager dort.

Sie sprengt im Lager kreuz und quer,
Ihr Säbel trifft die Türken schwer,
Daß hinter ihr sie sinken her,
Wie Korn wohl hinter Schnittern knickt,
Wie Gras wohl hinter Mähdern nickt,
Wenn Gott ein gutes Jahr geschickt.

Der Türkenzar am Fenster stand,
Und dieses Wort hat er entsandt:
»Ihr schnöden Türken rühmtet euch,
Ihr gabt Gregorn den Todesstreich,
Und dennoch seh' ich ihn zugleich
Durchs Lager sprengen kreuz und quer,
Sein Säbel trifft die Türken schwer,
Daß hinter ihm sie sinken her,
Wie Korn wohl hinter Schnittern knickt,
Wie Gras wohl hinter Mähdern nickt,
Wenn Gott ein gutes Jahr geschickt!«

Was tat darauf Alenka fein,
Alenka, Gregors Schwesterlein?
Sie zeigt schön schwarze Zöpfchen zwei,
Sie zeigt schön weiße Brüstlein zwei:
»Hat solche deine Kaiserin?
Hat solche deine Kaiserin?«


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