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Etwa um dieselbe Zeit wie Frau Heller verließ auch Gent die Gesellschaft.
Vergebens hatte er sich nach Frau Regine umgesehen und voll Unruhe war er durch die Festräume geeilt. Da er sie nirgends fand, so glaubte er, sie hätte sich in irgendeinen Winkel zurückgezogen, um von jedermann unbehelligt zu sein.
Er stahl sich heimlich fort – ihn hielt es nicht länger. In beklommener Stimmung begab er sich heim und suchte sofort sein Bett auf. Aber Schlaf fand er keinen; so schwer und müde ihm die Glieder auch waren. Er wälzte sich in seinen Kissen und während er in die Dunkelheit starrte, war es ihm, als ob auf. Decke und Wänden beängstigende Schatten ihr Wesen trieben. Auch glaubte er auf einmal seltsame Geräusche zu hören, die ganz leise und in bestimmten Pausen auftraten.
Er richtete sich auf und horchte angespannt. Dann zündete er sich ein Licht an. Wieder drangen verdächtige Laute an sein Ohr. Er sprang aus dem Bette, nahm das Licht und leuchtete in allen Ecken herum. Er zwang sich zu einem Lachen, um seine Stimme zu hören. Ich Narr! murmelte er und legte sich wieder. Aber das Licht ließ er brennen.
Plötzlich vernahm er von der Straße her das unheimliche Knurren eines Hundes, das zuweilen in ein gedämpftes Bellen überging. Eine Angst, die er nie in seinem Leben gekannt hatte, packte ihn. Was ist mit mir ... bin ich des Teufels ...? fuhr er sich ingrimmig an.
Jetzt hielt er den Atem an ... nein ... nein ... das war keine Täuschung, an seiner Tür wurde ungestüm geklingelt. Mit einem Satz war er aus dem Bett: »Christine!« Die Haushälterin war auch wach geworden.
Von neuem drang der Ton der Glocke gellend durch das Haus. Er warf den Schlafrock um sich und schlüpfte in die Hausschuhe. So stürzte er zur Tür.
»Wer da?« schrie er.
»Heller!«
Ein Ruck und die Tür war geöffnet.
Er leuchtete mit zitternder Hand in Hellers verzerrte Züge und taumelte einen Schritt zurück. Sie sprachen kein Wort, während sie in das Zimmer gingen.
Als Gent den Leuchter auf den Tisch gesetzt hatte, trat Heller ganz dicht auf ihn zu.
»Wo ist meine Frau?« schrie er heiser.
»Ihre Fr...?«
Gent blickte ihn fassungslos an, er begriff ihn nicht.
Auf Hellers Züge trat ein entsetzliches Lächeln. »Sie wollen es leugnen,« stammelte er ganz leise, »Sie wollen leugnen, daß sie bei Ihnen ist?«
Mit einem Schlage hatte Gent seine Ruhe wieder.
»Sie sind von Sinnen,« entgegnete er mit fester Stimme, »sonst ...«
Heller ließ ihn nicht aussprechen.
»So haben Sie ihr fortgeholfen,« kreischte er, »das kommt auf eins heraus, Sie sagen mir's ...«
Gent richtete seine gedrungene Gestalt empor.
»Den Ton verbitte ich mir,« sagte er nachdrücklich, »oder ich müßte Sie ersuchen, auf der Stelle das Zimmer zu verlassen.«
Kollege Heller sah ihn scheu und zweifelnd an.
»Nämlich ... sie ist fort!« stieß er irren Tones hervor. »Ich bitte,« setzte er hinzu, »denken Sie sich in meine Lage! Fort ist sie ... hören Sie denn nicht, fort!«
Gent war es durch Mark und Bein gegangen, ihm war's, als begriffe er jetzt erst das Gehörte.
»Ihr Wort, Herr Kollege, Ihr Wort, Sie haben nicht das Geringste mit ihr vor, sagen Sie es, sagen Sie es zu meiner Beruhigung.«
Gent blickte ihn eine Weile bekümmert an, ehe er entgegnete: »Ich leugne nicht, daß ich für Ihre Frau Gemahlin mehr als für andere Frauen empfinde, nein, das leugne ich nicht – aber darauf mein Wort, daß zwischen uns nichts derartiges sich abgespielt hat; daß ich keine Ahnung habe, wohin sie sich gewandt hat, gewiß ich ...«
Heller, unterbrach ihn.
»So glaube ich Ihnen. Ich will auch kein Bekenntnis ... nein, das will ich unter keinen Umständen ...«
Er ließ sich auf einen Sessel nieder und erzählte in abgerissenen Sätzen, was sich ereignet, wie er atemlos nach Hause gestürzt und von da ohne Besinnung zu ihm gerast sei.
Eine Minute lang schwieg er. Seine Stirn zog sich in kleine Fältchen zusammen, dann sprang er auf, und während er sich an der Stuhllehne festklammerte, schrie er: »Die ist ja gemein, niederträchtig und gemein. Wissen Sie, daß sie mich mit ihrer Bosheit fast um den Verstand gebracht hat ... lassen Sie mich,« kreischte er wie wahnsinnig, »was liegt mir daran ... was liegt mir daran ... es muß heraus ... es würgt mich ... die kennt keine Rücksicht, gemein ist sie gemein und eitel ... bodenlos eitel ... Sie glauben das nicht ... o die verstellt sich ... die muß auf die Bretter ... die ... seine Stimme schnappte über ... er ließ sich nicht beruhigen und mehr gurgelnd als sprechend: »sie hat sich von dem Frauenzimmer von Bonne aufputschen, von so 'ner albernen Person gegen mich ... mich hetzen lassen ... hören Sie doch nur ... so ein gewissenloses Weib ... ohne einen Funken von Liebe für mich und das Kind ... so eine ...«
Er hielt erschöpft inne und verbarg mit den Händen sein Gesicht. So verharrte er eine kurze Weile.
Gent hatte ihm befremdet zugehört. Er war selber außer Fassung und fand für den Jammernden und Anklagenden kein Trostwort.
»Ich muß jetzt fort,« sagte Heller unvermittelt. »Ich kann keinen Moment länger bleiben ... ich muß fort.«
Damit stürzte er so eilig davon, daß die Haushälterin Mühe hatte, ihm nachzukommen, um das Haus aufzuschließen.
Er ging jedoch nicht in seine vereinsamte Wohnung zurück, eilte vielmehr in das Café Bellevue. Das fand er bereits geschlossen.
»Pech!« murmelte er wütend und steckte sich eine Zigarette an.
Einen Moment dachte er an die Szene bei Gent, dann überkam ihn eine tiefe Sehnsucht nach Regine. Er fühlte, wie es ihm feucht in den Augen wurde, und diese Rührung war ihm geradezu eine Wohltat.
Eine schlaflose Nacht brachte Gent zu.