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3. Kapitel

So hatte der kleine Duro indirekt dazu beigetragen, einen Menschen auf die richtige Bahn zurückzubringen.

Er war auf der Oberförsterei mit Freude empfangen worden. Der Oberförster hatte lange nicht mehr mit einem jungen Hund gearbeitet. Aber er dachte mit dem Jägerwort: »Alte Jäger und junge Hunde und junge Jäger und alte Hunde, die jagen am besten.«

Zeichnung: Hans Hyan

Als der Wagen mit der Kiste, die das Etikett trug: »Vorsicht, lebender Hund«, in den Hof einbog, stand die ganze Familie erwartungsvoll auf der Treppe vor dem Haus. Der Stalljunge und der Kutscher hoben das enge Gefängnis herunter, und der Oberförster öffnete die Kiste an der dazu vorgesehenen Stelle.

Da saß der kleine Kerl ruhig und vernünftig, und anstatt nun, wie viele andere Hunde getan haben würden, von der quälend engen Fahrt eingeschüchtert, herauszurennen, sich zu verkriechen oder zu knurren, gab Duro dem Oberförster treuherzig und tolpatschig die Pfote. Diese rührende Gebärde, dazu die nach hinten gezogenen, tief herabhängenden Behänge im Verein mit den wunderbaren goldbraunen Augen verfehlten ihre Wirkung nicht. Die ganze Familie war bezaubert von dem Ausdruck zutraulicher Ruhe des noch so jungen Hundes.

Aus der Kiste gehoben, bewegte er sich auf dem großen Hofe so sicher, als sähe er ihn nach kurzer Abwesenheit wieder. Beim Laufen hielt er die Hinterkarre Hinterkarre = Keulen und Hinterläufe. schief, wie es junge Jagdhunde tun, so daß die Hinterpfoten nicht in der Fährte der Vorderpfoten spurten. Dann aber nahm ihn die Hausfrau in ihre mütterliche Obhut, das heißt, sie fütterte ihn.

Schon am nächsten Tage durfte er den Oberförster ins Revier begleiten, damit er seine Anlagen zeigen könne. Lebhaft und temperamentvoll war er, das sah man vom ersten Augenblick an. Alles interessierte ihn, Insekten, Vögel und Frösche.

Der erfahrene Jäger ließ den Junghund laufen, wie er wollte. Da gab es kein Schreien und Wettern, wenn der Halbwüchsige sich mal entfernte. Er kam schon von selbst zurück, weil er sich, so jung wie er war, nicht recht sicher fühlte, sobald er sich allein sah. Wenn der Herr aber wirklich mahnen mußte, genügte ein kurzer Pfiff, und Duro kam mit schlagenden Behängen Behänge = Schlappohren. im Galopp zurück.

Über die Beweglichkeit und die körperliche Leistungsfähigkeit war sich der Oberförster schnell im klaren. Hier war alles in Ordnung. Das quadratische Gebäude, die einwandfrei gewinkelte Hinterhand, die starken Knochen, die festen Schultern und die gut geschlossenen sogenannten Katzenpfoten, alles das zeigte den Jagdhund, der zum mindesten körperlich zu den größten Hoffnungen berechtigte. Daß er intelligent war, verriet sein reges, dabei aber gehaltenes Wesen, man hatte gar nicht nötig, erst in die wunderbaren Augen mit dem menschlichen Ausdruck zu blicken.

Nun sollte sich die Hauptsache zeigen, das, was den schönsten, bestgeformten und klügsten Jagdhund erst zum Gebrauchshund fähig sein läßt: die Qualität der Nase!

Der feine Geruchsinn ist die wesentlichste Eigenschaft des Jagdhundes, daher ist die erste Frage jedes Jägers, wenn es sich um einen Gebrauchshund handelt: Hat er Nase?

Zeichnung: Hans Hyan

Der Oberförster folgte den kraftvollen, wenn auch, noch etwas ungelenken Bewegungen seines neuen Hundes mit Aufmerksamkeit. Bisher hatte der Kleine nur gespielt, würde er – –, da war es plötzlich, als risse den Junghund eine Leine zurück! Er stand in geduckter Haltung, die eine Vorderpfote erhoben und den Kopf, mit leichter Drehung zur Seite, fest auf einen Punkt gerichtet. Die Behänge waren angehoben, die kupierte Rute stand bewegungslos, mit einem Wort: Duro, noch kein halbes Jahr alt, stand fest vor. Aber dann, er war ja doch noch ein Jüngling, sprang er ein. Zwei Haubenlerchen standen mit leichtem Zwitschern auf, und der junge Unband verfolgte sie mit Elan. Sein Herrchen liebelte ihn sehr, denn er freute sich. Das Vorstehen muß angewölft sein, durch Dressur ist es nur zu vervollkommnen. Jedenfalls wird ein Jagdhund, der nicht aus Naturveranlagung vorsteht, trotz größter Bemühungen seines Dresseurs immer nur Mangelhaftes leisten.

Schon beim nächsten Schlage, einem Stoppelfeld, erkannte der Oberförster, daß ihm der Zufall einen hochveranlagten Hund geschenkt hatte. Denn kaum waren Herr und Hund einige Schritte auf der Stoppel vorangekommen, als Duro den Kopf in den Wind hob und mit hoher Nase ein paarmal hin und her zog, um dann wieder fest vorzustehen.

Der Oberförster folgte ihm. »So recht, mein Hund, langsam, langsam –.« Doch nur wenige Schritt zog der junge Hund nach, dann brach die unbeherrschte Jugend durch, Duro sprang ein, und knatternd stand ein neun Köpfe starkes Volk Rebhühner auf.

Wieder lobte der Herr seinen angehenden Vorstehhund. Der Oberförster hatte sich besonders darüber gefreut, daß der Junghund mit hoher Nase und nicht am Boden schnüffelnd den Hühnern nachgezogen war. Auch auf dem Heimweg war es auffallend, daß der Hund den Fang immer im Winde hatte und ihn nur selten zur Erde nahm.

Junge Jagdhunde, die ihre Nase nicht vom Boden losbringen, sind nie feinnasig und werden immer nur grobe Arbeit leisten.

So zog der schon ergraute Waidmann frohen Herzens heimwärts, denn nichts erfreut einen guten Jäger mehr, als wenn er einen guten Hund gefunden hat.


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