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Die beiden Männer hatten sich an einem alten, baufälligen Schafstall niedergelassen, und Windholz war der Erzählung voller Interesse gefolgt.
»Man soll gar nicht glauben«, meinte er, »was man über Hunde alles sagen kann. Da gibt es beinahe mehr Originale als unter den Menschen.«
Noch auf dem Nachhauseweg sollte er ein solches Original kennenlernen.
Hinter dem Zaun des letzten Hauses fuhr ein Terrierbastard mit der unsinnigen Wut auf die Männer und ihre Hunde los, die solche Tiere, die viel eingesperrt sind, mitunter zeigen.
Duros Rückenhaare stellten sich starr auf, doch ging er, ohne weiter Notiz von dem giftigen Gebelfer zu nehmen, an dem Hof vorüber; Pfeffer aber fuhr mit Wutgebell an den Zaun, und sein Herr mußte ihn gewaltsam fortziehen.
Windholz meinte im Weitergehen: »Das ist bestimmt kein Original, sondern so eine Giftkröte, die um so mutiger wird, je dichter der Zaun ist, hinter dem sie entlangrast.«
»Da haben Sie, wenngleich das im allgemeinen zutrifft, in diesem besonderen Falle unrecht. Dieser Hund ist ein Original, wenn auch im schlechtesten Sinne. Er ist ein Mörder.
Nicht einer von den Hunden, deren Beißereien mitunter tödlich ausgehen, oder die scharfe Würger sind. Nein, er trachtet allem Lebendigen nach dem Leben, wenn er nur einigermaßen imstande ist, es zu überwältigen.«
Windholz erfuhr nun alles Nähere über diesen Hund. Vom Äußeren eines Terriers hatte er nur die weiße, schwarzgefleckte Zeichnung. Er war etwas größer und wuchtiger gebaut als der Foxterrier. Der Kopf kurz, dick und häßlich, das Auge stur, und tückisch das Wesen.
Sein Besitzer war ein schon älterer Mann. Er nährte sich von einer kleinen Rente und dem Verkauf von Weidenkätzchen, vom Kiebitzeiersuchen und ähnlichem, das verboten war. Der Mann lebte auf dem kleinen Anwesen ganz allein mit diesem Hund. Angehörige hatte er wohl, aber sie waren von ihm fortgezogen.
Die Haustiere, ein paar Hühner nebst Hahn, vier Kaninchen und eine Katze, waren nach und nach dem »Mörder« zum Opfer gefallen. Er hatte trotz der Gegenmaßnahmen seines Herrn eines dieser Tiere nach dem anderen erwürgt.
Einige Tauben hatten den Hof ursprünglich auch geziert. Mit denen hatte Fox seine liebe Not gehabt, denn sie konnten ja fliegen. Doch nach und nach überlistete er sie bei der Futtersuche oder an der Tränke. Einzig allein der alte Täuber hielt ihm stand. Er war zu klug und aufmerksam und kannte das Leben. Doch eines Tages hätte er auch ihn beinahe erwischt. Seine Schwanzfedern blieben zwischen den schnappenden Kiefern, die diesen Hof veröden ließen. Da überwand der Täuber die allen Tauben eigene Liebe zu dem heimischen Schlage, er verließ den Hof, um einem Taubenfreund zuzufliegen. Da er ein recht guter Vertreter der Rasse der Luxtauben war, fand er sofort Aufnahme. Sein neuer Besitzer kaufte eine Täubin derselben Rasse dazu und zog noch manches feine Tier von diesem Paar.
Nun könnte man fragen: Warum schlug der Besitzer den Terrier nicht tot? Die Antwort darauf wird manchem unverständlich bleiben. Der Alte liebte den Hund. Ohne nach den tieferen Wurzeln eines solchen Gefühls zu forschen, muß man sagen: Der alte Mann war ebensowenig anziehend in seinem Wesen wie sein Hund. Er blickte scheel auf alles, was nicht das Seine war, und machte sich nach und nach die ganze Ortschaft zum Feinde.
Als seine Tochter, eine Witwe mit einem Jungen und einem kleinen Mädchen, von ihm fortzog, riß das letzte schwache Band, das den Alten mit den Menschen verknüpfte.
Fox hatte eines Tages das kleine Mädchen angefallen und furchtbar zugerichtet. Nur dadurch, daß das Brüderchen, ein Junge von acht Jahren, das Beil ergriff, das in unmittelbarer Nähe am Holzklotz stand, und der Bestie damit auf den Kopf schlug, rettete es dem Kinde das Leben. Fox fiel auf die Seite und erholte sich erst im Laufe des Nachmittags wieder. Infolge dieses Dramas hatte sich die düstere Armseligkeit des Hausherrn im vollen Lichte gezeigt.
Anstatt dem Jungen ewig dankbar zu sein, daß er tapfer und entschlossen das Schwesterchen vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, prügelte er den Kleinen braun und blau, weil er die »arme, stumme Kreatur« beinahe totgeschlagen hätte.
Die Mutter, noch ganz außer sich durch das Unglück mit dem Töchterchen, stellte infolge dieser neuen Ungerechtigkeit des Vaters den Alten vor die Entscheidung: Entweder verschwindet der Köter, oder ich gehe mit den Kindern weg.
»Der alte Mann«, fuhr der Oberförster fort, »bei dem offenbar wie bei seinem Hunde nicht alles ganz richtig war, entschied sich für Fox. Seitdem lebt er nun mit diesem Vieh allein. Das Tollste aber ist, daß dieser fürchterliche Hund seinen eigenen Herrn schon mehrfach angefallen hat, ohne daß dieser von seiner Affenliebe gelassen hätte.
Krähen, die doch zu den wachsamsten Vögeln gehören, die man sich denken kann – jeder Jäger weiß, wie schwer es ist, in freiem Felde eine Krähe anzupirschen –, diese intelligenten Vögel beschleicht Fox mit so zäher Ausdauer und Geschicklichkeit, daß es ihm schon oft geglückt ist, ihrer habhaft zu werden.
Mäuse greift er und verschlingt sie, ohne mehr als zwei- oder dreimal zu kauen. Jeden Frosch, den er kriegen kann, beißt er tot, wenn er ihn auch nicht frißt. Selbst Kröten greift er immer wieder, obwohl die Berührung einer Kröte mit den Schleimhäuten des Fanges und des Rachens starke Reizungen und Schwellungen verursacht, so daß die Hunde Schaum vor dem Fang haben.
Daß keine Katze, ob jung oder alt, vor diesem Hund sicher ist, versteht sich von selbst, auch in jeder Hinsicht gute Hunde würgen Katzen. Fox geht aber auch Hunden gegenüber auf Mord aus. Er hat schon eine ganze Reihe von Hunden abgewürgt, die teils kleiner oder ebenso groß wie er, in zwei Fällen aber beträchtlich größer waren.
Mit außerordentlicher Falschheit nähert er sich dem Hund, um im gegebenen Augenblick dem Getäuschten an die Kehle zu fahren. Doch was diesen Köter zum Abnormen stempelt, das ist, daß er Hündinnen genau so abwürgt wie Rüden, ja sogar Welpen hat er in mehreren Fällen umgebracht.«
Windholz hatte schweigend zugehört.
»Warum ist denn dieses Biest noch am Leben?« fragte er nun.
»Das ist ein Rätsel, doch auch wieder erklärlich. Der Alte nimmt seinen Fox sehr in acht, und dann fürchten sich auch die Leute vor der Bestie. Er weicht außerhalb des Gehöftes jeder menschlichen Annäherung aus, und Hunde meiden ihn mit der instinktiven Furcht vor dem Krankhaften.
Einmal soll allerdings ein Giftbrocken über den Zaun geflogen sein, den Fox auch angenommen hat. Sein Herr rettete ihn aber mit mehreren Litern roher Milch. Ich selbst habe immer auf ihn acht gehabt, doch ist er mir nie schußgerecht gekommen. Na, und über den Zaun weg kann ich ihn ja nicht gut unter Feuer nehmen.«
So schloß der Oberförster seine Schilderung dieses schaurigen Hundes.
Windholz ging stumm neben dem alten Herrn, ihn hatte ein Gedanke erfaßt, und er kam nicht davon los, obwohl er sich bemühte, ihn fallenzulassen.
»Na, Herr Musikus, Sie sind ja so still geworden, ist Ihnen die Erzählung von dem Mordterrier so auf die Nerven gegangen?«
»Ja, ich glaube, ich wüßte ein Mittel, diesen Hund aus der Welt zu schaffen.«
»Mann, damit würden Sie sich ganz Buchenhain zu ewigem Dank verpflichten. Wie heißt Ihr Mittel?«
Windholz lächelte grimmig, als er nur mit einem Wort antwortete:
»Pfeffer!«
Der Oberförster schwieg betroffen. Doch dann erhob er energischen Einspruch. »Nein, lieber Windholz, ein Hund mit so gutem Charakter wie Ihr Schnauzer muß einer solchen Bestie unterliegen, und es wäre bei dem Wert Ihres Pfeffer ganz unverantwortlich, wenn Sie ihn der Gefahr aussetzen wollten.«
»Herr Oberförster, Sie kennen meinen Hund nicht genügend, um ihn ganz beurteilen zu können. Pfeffer hat nämlich bei seinen vielen Vorzügen einen Kardinalfehler, er ist ein schrecklicher Raufer. Alle bösen Triebe, die bei anderen Hunden verteilt sind, haben sich bei ihm in die eine Ecke seines Wesens zurückgezogen, in seine Unverträglichkeit Hunden gegenüber.
Von dieser Feindschaft gegen sein Geschlecht nimmt er nur einzelne Individuen aus, denen ist er mit unverbrüchlicher Treue ergeben und setzt sich bei Beißereien für sie ein.
Sonst aber ist er ein verdammter Stänker und hat schon Hunderte von Beißereien hinter sich. Er ist selbst dann noch erfolgreich, wenn er gegen mehrere steht, solch ein großer Techniker ist er im Kampf gegen seinesgleichen, und so viel Courage hat er.«