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14. Kapitel

Noch manche Jagdgeschichte wurde vom Stapel gelassen, ehe Horn am Ziel war.

Die Herren verabschiedeten sich, und bald darauf trat Duros neuer Herr aus dem kleinen ländlichen Bahnhof. Dort stand der alte Kersten mit seinem Korbwägelchen. Davor, wie schon so manches Jahr, der Apfelschimmel Peter. Allerdings, er wurde mit zunehmendem Alter immer weißer, da die Apfelung, wie bei den meisten Apfelschimmeln, nach und nach zurücktrat. Der Gaul wandte seinen Kopf und begrüßte Horn als alten Bekannten mit einer Andeutung von Wiehern, noch bevor Kersten seinen Gruß laut und freundlich geknarrt hatte. Dann war alles, Mann, Hunde und Gewehre, verstaut, und der Rumpelkasten fuhr.

Der Peter war kein alltägliches Pferd. Er sah gut aus, wenn er auch den Kopf etwas schief hielt. Wenn Kersten, der manchmal etwas reichlich Bier und Korn zu sich nahm, längere Strecken zu fahren hatte, dann schlief er ein. Etwas zurückgelehnt saß er auf dem Kutschbock, und obwohl er mitunter wackelte und schwankte, irgend etwas hielt ihn auf dem Bock, so daß er noch niemals heruntergefallen war. Bis auf das eine Mal.

Peter ging, sowie er merkte, daß sein Herr schlief, nicht mehr im Zuckeltrab, sondern nur noch im Schritt. Er hielt stets die rechte Straßenseite und ließ sich durch kein entgegenkommendes Pferd beirren. Den Weg kannte er genau, und an Straßenkreuzungen spielohrte er voll Aufmerksamkeit.

Doch eines Tages fuhr der alte Kersten eine andere Strecke als sonst, und obwohl er sich fest vorgenommen hatte wach zu bleiben, druselte er ein, denn er war wieder mal schrecklich alkoholisiert.

Er wurde unsanft geweckt. Es gab auf einmal einen mächtigen Stoß, Holz splitterte krachend, und Kersten sauste in den Straßengraben, wo er mit gebrochener linker Hand, mehreren gebrochenen Rippen und einem verstauchten Knie liegenblieb. Der Wagen hatte eine zerbrochene Deichsel.

Peter allein blieb unbeschädigt. Das hatte er auch verdient, denn ihm war es zu verdanken, wenn Mensch, Pferd und Wagen nicht ein einziger Brei waren. Der Gaul hatte dicht vor einem heranbrausenden Zug eine scharfe Schwenkung zur Seite gemacht.

Es war einer der ungesicherten Bahnübergänge, der dem schlummernden Kersten beinahe zum Verhängnis geworden wäre.

Heute war keine Gefahr. Kersten, ebenso wie jeder andere Mensch, kam nicht zum Schlafen, wenn er in Gesellschaft Georg Horns war.

Die gesamten ländlichen Verhältnisse wurden während der Fahrt erörtert, und zwar so, daß die Heiraten, Sterbefälle, Viehverkäufe und Roggen- sowie Kartoffelpreise laut in den schönen Herbsttag hinaustönten. Als dies Gebiet genügend behandelt worden war, kam das Thema Jagd an die Reihe. Der alte Kersten gab Horn mitunter den einen oder anderen Wink, den der nicht am Ort wohnende Pächter gut gebrauchen konnte. Es fand sich immer ein stiller Teilhaber an der Jagd, dem nicht beizukommen war, wenn der Jagdpächter nur hin und wieder im Revier erschien.

Die Wagenfahrt dauerte zwei Stunden, dann war man in dem kleinen Walddörfchen, in Liebenwalde, angelangt.

Mutter Kersten hatte das Mittagessen fertig, Horn konnte sich gleich an den Tisch setzen, für die Hunde war auch gesorgt, und ehe eine Stunde vergangen war, zogen Duro und sein neuer Herr hinaus.

Jeder war auf seine Art neugierig. Horn hatte Instinkt für den Hund. Seiner Meinung nach mußte dieser Rauhbart gut sein, so wie er aussah und sich benahm. Doch nichts vermag so zu täuschen wie ein schöner Hund, was seine inneren Eigenschaften anbelangt.

Duro war sich im Kernpunkt über seinen neuen Herrn klar. Erstens war er der Herr vieler Hunde, er konnte also niemals in dem engen Sinne sein Herr werden, wie es der Oberförster gewesen war. Und dann war da etwas, das nur der sichere Instinkt des Tieres schnell erfassen konnte, das mit Menschen umzugehen gewohnt war. Dieses Etwas sagte klar und deutlich: »Vorsicht!«

Als nach diesem Jagdtage beide, Herr und Hund, jagdlich einer vom anderen nur das Beste denken konnte, empfand Duro unvermindert, daß ihm dieser neue Herr niemals das sein könnte, was ihm der Oberförster gewesen war. Auch nicht das, was Wäschepaul war, noch das, was Windholz hätte sein können. Nähere Bezeichnungen suchte Duro nicht, ihm genügte es zu wissen, daß er seinen neuen Herrn nicht lieben konnte.


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