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50. Kapitel

Heinrichs Trommeltauben hatten drei Bruten hintereinander aufgebracht, und er erkannte, daß er sich die für ihn passende Liebhaberei ausgesucht hatte.

Die Entwicklung der Jungen, ihr schnelles Wachstum, die Spannung, die der Züchter empfindet, wenn die Nachzucht beginnt, ihre Qualitäten oder ihre Fehler zu zeigen, das übte einen hohen Reiz auf ihn aus.

Onkel Anton freute sich, denn er war der Meinung, daß nichts so gut geeignet wäre, ein Leben in der freien Natur zu ersetzen, als Leben und Werden auf dem eigenen Hof zu beobachten und, wie es der Züchter tut, zu beeinflussen.

Regine war anderer Meinung. Sie fand, daß ein Mann, der im Begriff stand, sich auf die Ehe vorzubereiten, nicht gerade zur selben Zeit eine Liebhaberzucht anfangen sollte.

Es kam vor, daß Heinrich auf dem Taubenboden den Beginn des Mittagessens versäumte. Regine machte ihren Bruder darauf aufmerksam, daß er solches oder ähnliches, wenn er erst verheiratet sei, lassen müßte, sonst wäre die Ehe bald getrübt.

Heinrich sah seine Schwester an und meinte: »Ich will mich natürlich bemühen, die Hausordnung einzuhalten, wenn's mir auch schwerfällt. Aber ich kann nicht glauben, daß Wera kein Verständnis dafür hat, daß ich lange Zeit ein ungebundenes Leben geführt habe.«

Onkel Anton aß schweigend weiter ...

*

»Wo bleibt Onkel eigentlich den ganzen Tag?« so fragte Heinrich eines Abends seine Schwester.

»Er ist in die Stadt gefahren, um sich Material für ein neues Vogelbauer und noch ein paar Kleinigkeiten zu holen. Ich wundere mich, daß er noch nicht zurück ist.«

Windholz war gerade dabei, seinen Tauben noch ein paar Abendkörner zu streuen, da bog der Onkel auf den Hof. Er trug einige Pakete in der linken Hand, die rechte hielt er vor der Brust, denn er hatte anscheinend noch etwas unter dem Überzieher. Er winkte seinem Neffen mit dem Kopf und verschwand im Hause.

Windholz gab seinen Trommeltauben frisches Wasser, dann folgte er dem Onkel. Als er die Treppe hinaufging, hörte er den Alten in seiner Stube sprechen, das wunderte ihn.

Nachdem er den Onkel begrüßt hatte, sagte er: »Ich habe gar nicht gewußt, daß du Selbstgespräche führst, Onkel – –«

»Ich sprach nicht mit mir, Heinrich. Es ist doch noch jemand im Zimmer außer uns beiden.«

Ja, die Vögel – – wollte Windholz eben sagen, da hörte er hinter sich einen hellen Laut, der ihn sich umwenden ließ.

Dort saß auf dem Dachsfell vor dem Bett ein kleiner Hund. Er war noch ganz jung, sozusagen ein Hundekind, wenige Monate alt. Die Rasse war unverkennbar, es war ein Schnauzer.

Der kleine Kerl mußte erst vor kurzer Zeit kupiert worden sein, denn die Ränder der spitz aufragenden Ohren zeigten noch Schorf. Der Welpe war kräftig, hatte glänzendes, harsches Haar, wie es sein soll, und niedlich war die kleine Schnauze mit dem sprossenden Bart. Er hielt den Kopf schief und sah Windholz aus den dunklen Augen kindlich, aber auch sehr intelligent an.

Zeichnung: Hans Hyan

Als Heinrich sich bückte, sprang der kleine Kerl bellend, aber wedelnd auf den ihm fremden Mann zu und zeigte ein lebhaftes Wesen, das ganz ohne Scheu war. Windholz nahm das Kerlchen, das gleich an seinen Fingern zu knabbern begann, hoch und sagte: »Der ist ja reizend, wo hast du den denn her?«

»Na, gefällt er dir denn?«

»Aber sehr, der wird bestimmt sehr schön ...«

»Na, denn is es deiner, ich schenke ihn dir.«

Heinrich hatte nicht beabsichtigt, sich noch einmal einen Schnauzer anzuschaffen, aber der Onkel hatte ihn überrumpelt. Ein Hundefreund kann solch einem kleinen, lebendigen Geschenk nur schwer widerstehen, und so wurde auch Windholz seinem Vorsatz, nach Pfeffer keinen Hund mehr anzuschaffen, untreu.

»Sechse waren es im ganzen«, erzählte der Onkel, »drei Rüden und drei Hündinnen. Dieser hier war nicht der stärkste, aber er hatte die meiste Courage und war am lebhaftesten, außerdem besaß er das härteste Haar. In der Farbe waren sie alle gleich, Pfeffer und Salz, wie Pfeffer. Na, denn woll'n wir man runtergehen und ihn Regine vorstellen, bin neugierig, was die sagen wird ...«

»Was soll sie denn sagen, freuen wird sie sich ...«, meinte Windholz.

»Heinrich, mein Junge, du kennst die Frauen nicht«, sprach der Onkel.

Unten in der Küche wartete ihrer eine Überraschung, Wera war da. Der Tisch war schon gedeckt, und die Bratkartoffeln dufteten, als die beiden Männer eintraten. Windholz setzte den kleinen Hund auf den Boden und sagte: »Das ist unser neuer Hausgenosse, Onkel Anton hat ihn mir mitgebracht.«

Die Frauen sahen sich an. Regine kniff die Lippen zusammen und warf dem Onkel einen Blick zu, der sprechend genug war. Wera bückte sich, strich dem kleinen Hund einmal über Kopf und Rücken, sagte: »Der ist niedlich« und erhob sich wieder. Sich an Heinrich wendend, meinte sie, während sie Brot schnitt: »Das ist doch ein Schnauzer, nicht? Was willst du denn mit ihm? Du kannst doch nicht mehr wandern wegen deines Beines.«

»Nee, will ich ja auch nicht. Aber ich mag gern Hunde und bringe ihnen auch gern was bei.«

»So, und ich dachte, das würde nun aufhören, wo wir doch bald heiraten wollen!«

Hier mischte sich Regine ein. Sie sagte, indem sie Onkel Anton vorwurfsvoll ansah: »War das nun nötig, Onkel? Mir scheint beinahe, du hast dir was dabei gedacht.«

»Was soll ich denn dabei gedacht haben?« antwortete der Onkel bedächtig. »Ich wollte Heinrich eine Freude machen, weiter nichts. Ich bin sehr in seiner Schuld, denn wegen des eigenartigen Eschenzweiges, den mir Heinrich mitgebracht hat, ging Pfeffer verloren.«

Da schlug Wera ihre blauen Augen auf, die jetzt hart erschienen, sah erst den Onkel, dann den Bräutigam an und sagte: »Wer bei euch nicht Bescheid weiß, der könnte meinen, Pfeffer wäre ein Verwandter, ein Mensch gewesen, schließlich war er ja aber nur ein Hund.«

Nun sah Heinrich sie gleichfalls voll an, und seine grauen, durchdringenden Augen blickten dem Mädchen forschend ins Gesicht.

»Sieh mal, Wera, erstens hat mein Entschluß, dich zu heiraten, und überhaupt mein Gefühl für dich nichts mit Hunden zu tun, und wenn ich eine ganze Meute hielte. Zweitens aber war Pfeffer, wenn auch nur ein Hund, doch mein Freund.«

»Und dieser da«, sie zeigte auf den junger Schnauzer, der tolpatschig, aber voller Lebendigkeit mit Flocki spielte, »wird das auch dein Freund?«

»Ich hoffe – –«, antwortete Heinrich.


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