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Die Zärtlichkeiten des jungen Beis, die ihr allmählich immer angenehmer wurden, hatten ihre Auflehnungspläne nach und nach eingeschläfert. Sich ihre Seele vorbehaltend, hatte sie ihren Körper dem schönen Gebieter hingegeben, obgleich dieser nichts war als ein verwöhntes großes Kind, das seine Eigenliebe unter vieler weltmännischer Anmut und schmeichlerischem Wesen verbarg.
Bewahrte sie ihre Seele noch immer für André Lhéry auf? Sie wußte es selbst nicht genau, denn mit der Zeit hatte ihr das Kindische dieses Traumes nicht entgehen können; sie dachte von Tag zu Tag weniger an ihn.
An ihr neues Kloster hatte sie sich bereits ziemlich gewöhnt, und das Leben würde ihr mithin ganz erträglich geworden sein, wenn nicht Hamdi, am Ende des zweiten Jahres der Ehe, auch noch Durdane geheiratet hätte, was ihn zum Gatten zweier Frauen machte, ein Verhältnis das gegenwärtig in der Türkei ganz ungewöhnlich ist.
Um jeden widerwärtigen Zwischenfall zu vermeiden, hatte sie einfach die Erlaubnis erbeten und auch erhalten, sich auf zwei Monate nach Khassim-Pascha, zu ihrer Großmutter, zurückzuziehen, um sich zu beruhigen und sich über die neue Sachlage Klarheit zu verschaffen.
Eines Abends war sie also in aller Stille abgereist, zu allem anderen eher entschlossen, als in dieses Haus zurückzukehren, um hier die Rolle einer Odaliske zu übernehmen, wozu man sie nach und nach erniedrigen wollte.
Zeyneb und Mélek waren beide ebenfalls nach Khassim-Pascha zurückgekommen. Mélek war nach mehreren, unter Qualen und Tränen durchlebten Monaten endlich von einem unwürdigen, rohen Manne geschieden worden. Zeyneb wurde nach achtzehnmonatigem kläglichen Zusammenleben mit einem kranken, gebrechlichen Manne, der ihr in jeder Beziehung zuwider gewesen, endlich durch dessen Tod frei.
Die drei Freundinnen, in ihrer ersten Jugend und fast zu gleicher Zeit in allen ihren Hoffnungen getäuscht und lebensmüde, schlossen sich nun in der gemeinsamen Trauer um so inniger aneinander.
Die Nachricht von der Ankunft André Lhérys in Konstantinopel, welche die türkischen Journale brachten, setzte sie in größtes Erstaunen; mit einem Schlage war ihr bisheriger Gott von seinem hohen Fußgestell herabgestürzt. – Wie? André Lhéry war ein ganz alltäglicher Mensch, der eine unbedeutende Stellung bei einer Botschaft bekleidete? Er gehörte also einem bestimmten Stande an? und vor allem: er hatte ein gewisses Alter?! ... Und alsbald machte Mélek sich ein Vergnügen daraus, ihrer Cousine den Helden ihrer Träume als einen kahlköpfigen, mit einem ansehnlichen Bauch begabten, steinalten Greis zu schildern.
Einige Tage später erzählte ihnen eine der englischen Botschaft angehörende Freundin, die Gelegenheit gehabt, mit Lhéry zusammenzukommen, über ihn.
»André Lhéry ist im allgemeinen ein unausstehlicher Mensch, der jedesmal, wenn er den Mund öffnet, sich den Anschein gibt, als erwiese er einem damit eine Gnade. In Gesellschaften langweilt er sich und zeigt es unverhohlen. Aber kahlköpfig oder abgelebt ist er nicht, noch weniger mit einem Bauch begabt. Nein, gewiß nicht! Dagegen muß ich ihn in Schutz nehmen!«
»Nun, und sein Alter?«
»Ein Alter hat er überhaupt nicht. Das wechselt um zwanzig Jahre von einer Stunde zur andern. Mit der äußersten Pflege seiner Persönlichkeit gelingt es ihm noch, sich den Anschein der Jugend zu geben, besonders, wenn es einem gelingt, ihn zu belustigen, denn er hat ein herzliches, fast kindliches Lachen. Auch Augen eines Kindes hat er zuweilen; ich hatte Gelegenheit, ihn in solchen Fällen zu beobachten. Sonst aber ist er hochmütig, von sich eingenommen und schwebt halb im Monde. – Er hat sich seiner Sonderbarkeiten wegen hier schon einen recht ungünstigen Ruf gemacht!«
Ungeachtet dieser Angaben hatten sich die drei Freundinnen nach reiflicher Ueberlegung entschlossen, das höchst gewagte Abenteuer, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, zu unternehmen, schon um die zur Verzweiflung treibende Einförmigkeit ihres täglichen Lebens zu unterbrechen.
Im Grunde ihrer Seelen verblieb trotzalledem viel von der Verehrung aus jener Zeit, wo er für sie ein Wesen war, das in den Wolken schwebte. Ueberdies sagten sie sich, um ihrem gefahrvollen Vorhaben vor sich selbst einen vernünftigen Beweggrund zu geben: »Wir wollen ihn bitten, ein Buch zu schreiben, zugunsten der türkischen Frauen der Gegenwart. Auf diese Weise können wir vielleicht Tausenden unserer Mitschwestern nützlich werden, die man unterdrückt hat wie uns!« ...