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43.

Am folgenden Tage, der auf einen Freitag fiel, wollte er nicht verfehlen, nach den »Süßen Wassern« zu fahren, denn das war für ihn unbedingt das letzte der letzten Male, denn sein Mietsvertrag über das Caique und die Ruderer lief am selben Abend ab; auch stand der Umzug aller Botschafter nach Konstantinopel für die nächste Woche in Aussicht; die Saison am Bosporus ging zu Ende.

Kein Freitag des ganzen Sommers war leuchtender und milder als dieser letzte.

Aus Gewohnheit, vielleicht auch aus wirklicher Anhänglichkeit ließ André sein Caique unter den Fenstern des Yali der drei Freundinnen vorüberfahren, und er war höchst überrascht, das kleine weiße Zeichen an der gewohnten Stelle zu sehen. Wollten sie denn wirklich kommen? ...

Bei den »Süßen Wassern« waren die Wiesen allerdings nicht so dicht von Zuschauern besetzt wie sonst, aber die meisten der eleganten Caiques fanden sich nach und nach ein, besetzt von den Schönen des Harems, und André erhielt im Vorbeifahren noch einmal als Abschiedsgrüße so manches freundliche Lächeln.

Lange wartete er, nach allen Seiten umherblickend, aber seine Freundinnen kamen nicht, und der Tag neigte sich zu Ende; auch waren bereits viele der Caiques fortgefahren.

Auch er wollte sich entfernen, als er in der Ferne ein schönes Caique auftauchen sah, das die ihm so bekannten Farben Blau und Gold trug, und als es näher kam, erblickte er darin außer den Ruderern nur eine einzige schlanke Frau, den Kopf mit einem weißen Yachmak bedeckt, durch den man die Augen erkennen konnte. Die Caiques kreuzten sich, und die Frau blickte ihn scharf an; kein Zweifel! Es war Djenane. Er bebte förmlich bei dieser unerwarteten Erscheinung; aber er durfte sich nicht verraten, der beiderseitigen Ruderer wegen, und so fuhren sie unbeweglich und ohne ein Zeichen auszuwechseln, aneinander vorbei.

Bald darauf ließ André sein Caique wenden, um nochmals mit Djenane zu kreuzen, sobald sie zurückkäme. Es war fast niemand mehr auf dem Wasser, als diese zweite Begegnung stattfand, die noch schneller vorüberging als die erste.

Die Sonne war bereits tief gesunken, als beide Caiques sich fast zu gleicher Zeit zum Rückzug wandten. André blieb mit dem seinigen etwa hundert Meter zurück; er sah aus der Ferne, wie Djenane am Marmorkai ihres Yali ausstieg und in ihr Haus ging.

Als er seinen Weg fortsetzte, sagte er zu sich:

Welche Absicht hatte sie dabei, daß sie ganz allein nach den »Süßen Wassern« fuhr, und zwar im Yachmak? Vielleicht um ihre Augen zu zeigen und deren Ausdruck im Gedächtnis ihres Freundes zu verewigen? – Durch diese ihm erwiesene Aufmerksamkeit angenehm berührt, fiel ihm plötzlich eine Stelle aus seinem Buche »Medje« ein, worin er etwas Aehnliches erzählte: von einem im Augenblick der Trennung in einer Barke ausgewechselten Abschiedsblick. – »Ach! Das war sehr liebenswürdig von ihr,« sagte er sich, – »aber wieder ein wenig ›Literatur‹; sie wollte Nedjibe nachahmen. – Das wird sie jedoch nicht hindern, in den nächsten Tagen die Arme wieder ihrem Hamdi zu öffnen!« ...

Als André in seine Wohnung nach Therapia zurückgekehrt war, kamen seine Ruderer, um ihm ihre Abschiedsselams darzubringen; sie hatten ihre gewöhnliche eigene Kleidung angelegt; das feine Gazehemd und die schöne kapuzinerrote Samtweste, auch den langen Samtteppich brachten sie zurück.

André sah die Kleidungsstücke wehmütig an, deren Goldstickerei durch den Gebrauch ebenso gelitten hatte wie die Samtstoffe. Was sollte er damit machen? Sie zu verbrennen wäre vielleicht nicht weniger traurig als sie nach seiner Heimat mitzunehmen, um später einmal beim Wiederfinden dieser »Reliquien« sich sagen zu können: »Das war die Livree meiner Caique-Leute, einstmals, zur glückseligen Zeit, als ich am Bosporus wohnte ...« – Und er ließ sie im Boote.

Er lehnte sich zum offenen Fenster hinaus und sah der Abfahrt seines Caiques zu, das die Ruderer nach Konstantinopel fuhren, um es anderweitig zu vermieten. Lange blickte er dem schlanken, weißen Fahrzeuge nach, das ihm so lieb gewesen war; und als es endlich im Abendnebel seinen Blicken entschwand, galt ihm dies als Vorbild seines eigenen Abschieds vom Orient.


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