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19. Kapitel.

Drei Tage später ritt ein sehr langer Reiterzug von den Bergen des Puercosflusses nach Osten, den Höhen entgegen, zwischen denen ein Arm des Saladoflusses dahinströmte. Der Trupp bestand aus den fünfhundert Apachen, an deren Spitze sich Bärenauge, Gerard und der Kleine André befanden, der letztere als Führer.

Die Leute ritten einer hinter dem anderen; darum glich der Zug einer riesigen, fünfhundertgliedrigen Schlange, die sich durch das Terrain dahinwand.

Die Gegend war teils bewaldet, teils von offenen Präriestellen durchzogen. Gelangten die Vordersten des Zuges an eine solche Stelle, so machten sie stets halt, um sie genau zu überblicken.

So eben auch jetzt, als Bärenauge sein Pferd anhielt, um den Blick über eine weite Grasebene streifen zu lassen, die sich vor ihnen öffnete.

»Der Häuptling der Apachen sieht keinen Feind«, sagte er. – »Wir können getrost weiter!« stimmte André bei.

Da schüttelte Gerard den Kopf.

»Wie lange reiten wir noch zum Lager?« fragte er den Kleinen. – »Bei Sonnenuntergang werden wir es erreichen«, lautete die Antwort. – »Und jetzt ist es Mittag? Hm! Sagtest du nicht, daß die Komantschen Späher ausgesandt hätten?« – »Ich habe sie selbst gesehen.« – »So steht zu erwarten, daß dies Lager auch jetzt beobachtet wird.« – »Jedenfalls.« – »Vielleicht ist bereits ein Komantschentrupp eingetroffen, um es zu belagern und zu erstürmen. Was meinst du, André?« – »Das ist sehr leicht möglich.« – »Nun, in diesen beiden Fällen wird der Feind die Augen offenhalten und uns nahen sehen, wenn wir durch die offene Prärie reiten.« – »So meinst du, daß wir sie längs des Waldes umreiten sollen?« – »Ja.« – »Das ist ein großer Umweg.« – »Er führt uns aber sicherer zum Ziel. Übrigens können wir ja schärfer reiten.« – »Mein weißer Bruder hat ganz recht«, entgegnete Bärenauge.

Bei diesen Worten lenkte er mit der ihm eigenen Entschlossenheit nach links ein, anstatt hinaus auf die offene Prärie zu reiten. Die anderen folgten.

Auf dieser linken Seite zog sich der Urwald in einer beinahe geraden Linie dem Osten entgegen. Die Apachen lenkten unter die Bäume hinein und ritten nun längs des Randes so rasch wie möglich vorwärts. Kein Mensch sprach ein Wort, kein Pferd ließ einen Laut hören. Nur das dumpfe Stampfen der Hufe auf dem weichen Boden war zu vernehmen.

So mochte man bis gegen vier Uhr geritten sein, als Bärenauge plötzlich sein Pferd anhielt und den Boden scharf betrachtete.

»Was erblickt mein roter Bruder?« fragte Gerard. – »Die Spur eines Fußes«, antwortete der Apache.

Bärenauge sprang vom Pferd und bückte sich nieder. Gerard tat dasselbe.

»Sieht mein weißer Bruder die Halme des Grases, die sich noch nicht wieder aufgerichtet haben?« fragte der Häuptling. – »Ich sehe sie. Hier ist ein Mensch gegangen.« – »Vor ungefähr zwei Stunden«, fügte André hinzu, der auch abgestiegen war. »Wohin führt die Spur?« – »Hier am Rand des Waldes entlang. Meine Brüder mögen mir folgen.«

Mit diesen Worten ergriff der Häuptling die Zügel seines Pferdes und schritt zu Fuß der Fährte nach.

Nach einiger Zeit fanden sich eine zweite, eine dritte und endlich noch mehrere dazu. Zuletzt hob Bärenauge die Spitze eines Pfeiles auf, die er aufmerksam betrachtete.

»Uff!« sagte er. »Die Komantschen sind in der Nähe. Sie sind auf die Jagd gegangen, denn dies ist die Spitze eines Jagdpfeiles. Es sind mehr als zehn Fährten; diese Jäger hatten also für viele Leute Fleisch zu schaffen. Meine Brüder müssen vorsichtig sein.«

Jetzt konnte man beinahe mit Gewißheit sagen, daß man einige hundert Komantschen vor sich habe. Darum wurde der Weg mit außerordentlicher Vorsicht fortgesetzt.

Man durfte sich ganz auf die gefundene Spur verlassen. Sie führte deutlich genug nach der Richtung, wo der Feind zu finden war.

So mochte es noch eine halbe Stunde vor Untergang der Sonne sein, als der Zug wieder stockte. Die drei Anführer hatten ihre Pferde pariert.

Sie befanden sich jetzt am Ausgang des Waldes. Vor ihnen breitete sich eine Art kleiner Hochebene aus, von deren Mitte ein Bach herniederfloß. Da droben sah man Zelte stehen und angepflockte Tiere.

»Das Lager!« sagte André. – »Aber eingeschlossen«, fügte Gerard hinzu.

Und er hatte recht. Unten nämlich weideten mehrere hundert Mustangs im saftigen Gras, und ringsum waren bewaffnete Indianer zu erblicken, die die Hochebene umgaben. Letztere hatte ein schwarzes, verbranntes Aussehen, es stand da kein Grashalm mehr.

»Die Komantschen!« sagte Gerard. – »Sie haben das Gras angebrannt«, fügte Bärenauge hinzu, »damit die Pferde unserer Brüder kein Futter finden können und zugrunde gehen!«

Es war klar, daß die Geldkarawane von den Wilden belagert wurde. Mehrere Leichen, die man liegen sah, bewiesen, daß bereits Kämpfe stattgefunden hatten. Die Zahl der Belagerer konnte derjenigen der Apachen gleichen, nämlich fünfhundert, vielleicht auch noch mehr.

Jetzt galt es, sich zu beraten. Bärenauge zog seine Leute in den Wald zurück, wo sie nicht bemerkt und überrascht werden konnten. Dort setzte man sich nieder, um das Kalumet anzustecken, ohne das der Indianer keine wichtige Besprechung unternimmt. Einige kluge Apachen waren fortgeschickt worden. Bis zu ihrer Rückkehr war man zu warten gezwungen.

Endlich, nach Verlauf von über einer Stunde, kamen sie wieder.

»Was habt ihr gesehen?« fragte der Häuptling. – »Zehnmal sechsmal zehn Komantschen mit ihren Pferden.« – »Uff! Und wieviel Weiße?« – »Es waren hier viermal zehn und acht.« – Donnerwetter«, meinte André, »so sind bereits zwölf gefallen.« – »Es werden ihrer in dieser Nacht noch mehr fallen«, sagte einer der Kundschafter. – »Weshalb?« fragte Gerard. – »Weil die Söhne der Komantschen gegen Morgen das Lager stürmen wollen.« – »Woher weißt du das?« – »Ich habe es gehört.« – »Von wem?« – »Von zwei Kriegern, die unter den Bäumen standen, mich aber nicht sahen.« – »Es ist gut! Man wird ihnen den Sturm versalzen.« – »Es scheint, die Kameraden sind bereits sechs Tage belagert«, meinte André. – »Hatten sie Vorräte?« – »Nicht viel.« – »So ist schleunige Hilfe höchst nötig. Was sagt mein roter Bruder?« – »Sobald die Komantschen unsere weißen Brüder überfallen, werden die Apachen jene Hunde von hinten anfassen und töten.« – »Sollte das klug sein?« – »Kennt mein weißer Bruder etwas Besseres?« – »Ich denke, daß man sie gar nicht zum Angriff kommen lassen darf. Wenn wir sie in diesem Fall auch besiegen, so werden doch viele unserer Brüder fallen.« – »Was denkt mein Bruder sonst?« – »Wir warten, bis es völlig dunkel ist. Dann geben wir unsere Pferde in Obhut und umzingeln den Feind. Auf ein Zeichen machen wir uns dann über ihn her, ohne Flinten, ohne Geschrei, ganz still, nur mit Tomahawk und Messer. Auf diese Weise ist die eine Hälfte getötet, ehe die andere es merkt.«

Bärenauge dachte einige Augenblicke lang nach und erwiderte:

»Mein weißer Bruder hat das beste geraten. Was soll das Zeichen sein?« – »Ein Feuerbrand, der im Lager unserer Freunde emporgeworfen wird.« – »Wie können sie dieses Zeichen geben, da sie doch nicht wissen, daß wir hier sind?« – »Sie werden es von mir erfahren.« – »Uff! Mein Bruder will sich zu ihnen hindurchschleichen?« – »Ja«, antwortete Gerard. – »Das ist zu gefährlich!« warnte André. – »Pah! Für mich nicht!« entgegnete Gerard. – »Mein weißer Bruder ist wie die Schlange, die des Nachts kein Mensch sieht und hört, bis sie sticht«, stimmte der Apachenhäuptling bei.

Der Kleine André versuchte, noch einige Einwände zu erheben, doch vergebens. Gerard dachte zwar an Resedillas Bitte, sich in keine unnötige Gefahr zu begeben, aber er war so gewandt im Anschleichen, daß er fast gar keine Gefahr bei diesem Unternehmen sah.

Als es vollständig dunkel geworden war, ging er ans Werk, gebot jedoch vorher, daß man versuchen solle, sich der Pferde der Feinde zu bemächtigen.

Droben auf der kleinen Anhöhe lagen die Belagerten um ein Feuer.

Der Anführer, General Hannert, stocherte mit einem Ast in der Glut herum, halblaute Flüche in den Bart murmelnd. Einige Offiziere saßen bei ihm, aber schweigend. Sie sahen aus, als wenn der Hunger ihnen den Mund verschließe.

Weiter seitwärts saßen Soldaten und Westmänner beisammen, und noch weiter entfernt sah man die Posten stehen, die das Lager vor einem Überfall zu bewahren hatten. Unweit des Feuers lagen viele Packsättel, und dabei standen Körbe, in denen man, wenn man sie geöffnet, kleine Beutel gefunden hätte, die mit klingender Münze gefüllt waren.

Der übrige noch freie Raum war mit angepflockten Tieren angefüllt, die vergebens der den Boden deckenden Grasasche einen Halm zu entreißen versuchten. Es herrschte eine traurige Stille über diesem Lager.

Da endlich hörte man eine Unterbrechung:

»Goddam!« sagte der General laut. »Was ist nur mit diesem André geschehen?« – »Ob man ihn unterwegs weggefangen hat?« – »Möglich! Dann aber sind wir verloren!« – »Wir noch nicht, General.« – »Aber unsere Fracht, unser Geld.« – »Warten wir noch bis morgen!« – »Bis morgen? Pah, da fallen unsere Tiere um, wenn sie uns tragen sollen!« – »Aber was sonst, General?« – »Ich kenne nur ein Mittel: Morgen früh werden die roten Schufte uns einen abermaligen Besuch machen wollen. Wir aber kommen ihnen zuvor.« – »Wir besuchen sie?« – »Ja.« – »Und schlagen uns durch?« – »Ja.« – »Ohne das anvertraute Geld?« – »Nein, sondern mit demselben.« – »Aber unsere Tiere sind zu schwach.« – »Wir holen uns da unten bei den Komantschen andere. Mein Plan ist nämlich der: Es nimmt jeder einen Teil des Geldes an sich. Wir bilden eine Phalanx und schlagen uns bis zu den Pferden der Komantschen durch. Erreichen wir diese, so sind wir gerettet.« – »Ein verzweifelter Plan.« – »Wer weiß einen besseren?« – »Ich!«

Aller Augen wandten sich nach der Seite, von der diese Antwort erschollen war. Dort stand ein hoher, starker Mann mit dichtem Vollbart, beide Hände auf die Büchse gestützt. Niemand kannte ihn. Es war ein Weißer. Wie war er hergekommen? Durch die Posten der Komantschen und ihre eigenen?

Die Männer alle waren förmlich erschrocken, als sie ihn erblickten. Der General faßte sich am schnellsten. Er musterte den Fremden und fragte ihn:

»Herr, wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher?« – »Der Kleine André schickt mich«, antwortete der Gefragte. »Ich habe mich durch alle Posten geschlichen, bis hierher.« – »Donnerwetter, das bringt nur ein echter, tüchtiger Jäger fertig!« sagte der General im Ton der Bewunderung. »Sie sind nicht bemerkt worden?« – »Weder von den Komantschen, noch von Ihren Leuten«, entgegnete der Mann. – »Dann haben Sie ein Meisterstück gemacht. Wer sind Sie?« – »Der, den Sie erwarten.« – »Der, den ich erwarte? Ah, ich erwarte allerdings einen, der ganz und gar der Kerl ist, sich durch alle Vorposten der Welt hindurchzuschleichen!« – »Wie heißt der Mann?« – »Es ist der Schwarze Gerard.« – »Der bin ich, General.«

Diese Worte wurden in einem höchst einfachen, bescheidenen Ton gesprochen, aber sie hatten doch eine ganz besondere Wirkung. Der General sprang auf, und auch die anderen schnellten, freudig überrascht, vom Boden empor und traten näher.

»Wie? Was? Sie sind Gerard?« fragte der erstere. – »Ja, ich bin es.« – »Gott sei Dank. Willkommen, Master! Wir befinden uns in einer nichts weniger als angenehmen Lage; aber Ihr Erscheinen bringt mir die Hoffnung, daß wir gerettet werden. Der Kleine André hat sie getroffen?« – »Gewiß.« – »Im Fort Guadeloupe?« – »Ja.« – »Er ist in der Nähe?« – »Ja. Wir stecken seit einigen Stunden da unten im Wald.« – »Warum ist er nicht mitgekommen?« – »Hm, General, das Schleichen durch sechshundert Komantschen, die sich auf dem Kriegspfad befinden, ist nicht jedermanns Sache. Übrigens war es auf alle Fälle besser, er blieb bei den Apachen zurück.« – »Bei den Apachen? Sie haben Apachen bei sich?« – »Ja. Volle fünfhundert.«

Da blickte der General mit freudeglänzenden Augen im Kreis umher und sagte:

»Kinder, Gott sei Dank; jetzt sind wir gerettet!« – »Ich hoffe es«, meinte Gerard. »Ich habe bereits mit Bärenauge die geeigneten Maßregeln getroffen, Sie von den Komantschen zu befreien.« – »Wer führt die Apachen an? Bärenauge selbst?« – »Ja.« – »Oh, da ist das Gelingen sicher! Wo Bärenauge seine Hand im Spiel hat, da kann von einem Mißerfolg gar keine Rede sein. Aber wie sind Sie zu ihm gekommen?« – »Wir sind schon längst Freunde. Übrigens hat er mit Juarez einen Vertrag abgeschlossen, infolgedessen er die Komantschen und Franzosen als Feinde betrachtet.« – »Also er lauert mit fünfhundert Mann unten im Wald? Was für Maßregeln haben Sie mit ihm verabredet?« – »Er wird sich bereits jetzt nicht mehr im Wald befinden, sondern mit seinen Leuten aufgebrochen sein, um die Komantschen zu umzingeln.« – »Ah, jetzt bereits? Wäre der Anbruch des Morgens nicht eine passendere Zeit gewesen?« – »Nein. Das Morgengrauen wollen jedenfalls die Komantschen benützen, um Sie zu überfallen. Das würde Ihrerseits dann doch einige Opfer kosten, denn wir würden den Feind zwar überraschen, aber ihn auch kampfbereit finden. Jetzt sitzen sie ahnungslos bei ihren Feuern und erwarten von außen her keine Störung. Als ich ihre Linie durchschlich, bemerkte ich, daß sie zwar nach dieser Höhe hin, also nach innen, Wachen aufgestellt haben, nicht aber jenseits nach dem Wald und der Prärie zu. Die Apachen schleichen sich an sie heran und fallen, sobald ich mit einem Feuerbrand das Zeichen gebe, über sie her. Ein jeder wählt seinen Mann. Es genügt eine einzige Minute, um fünfhundert Komantschen das Leben zu nehmen, und für die übrigen werden zwei weitere Minuten hinreichen.« – »Ah, das ist gut! Wir werden helfen!« – »Ich bitte Sie, dies zu unterlassen, da es für unsere Verbündeten gefährlich werden könnte. Ich weiß nicht, ob Sie und Ihre Soldaten imstande sein werden, im Dunkel der Nacht einen Apachen von einem Komantschen zu unterscheiden. Ein Irrtum könnte hier sehr verhängnisvoll werden.«

Da nahm ein alter Jäger, der in der Nähe stand, das Wort:

»Oho! Man wird doch einen Komantschen erkennen! Sollten wir etwa ruhig zusehen, daß diese Kerle von anderen den Lohn empfangen, den sie an uns verdient haben? Mir juckt es in allen Fingern, gehörig mitzutun!«

Gerard nickte und antwortete:

»Ich habe nur von den Soldaten, nicht aber von den Jägern gesprochen. Diese letzteren mögen mithelfen, denn sie werden genau wissen, was ein Apache oder Komantsche ist. Darüber brauche ich mir keine Sorge zu machen.« – »Gut! Wann soll die Geschichte losgehen?« fragte der Alte. – »Vor Ablauf einer Stunde nicht. Der Kreis, den der Feind um die Höhe bildet, ist sehr ausgedehnt, und Ihr werdet nur zu gut wissen, welche Geduld und Sorgfalt erforderlich sind, um unbemerkt so nahe an den Mann zu kommen, daß man ihn beim ersten Zeichen sofort erreichen kann. Eine Übereilung könnte uns doch nur Schaden bringen. Ich mache den Vorschlag, nur erfahrene Jäger gegen die Komantschen als Posten aufzustellen. Sie mögen mit losbrechen, sobald unten der Kampf beginnt.« – »So mag es sein«, entschied der General. »Ich werde sogleich die nötigen Befehle geben, und dann wollen wir über das andere sprechen.«

Er zog diejenigen Posten, die Soldaten waren, ein und stellte erfahrene Jäger an ihre Stelle. Dann wurde wieder am Lagerfeuer Platz genommen.

Die Ankunft Gerards hatte das ganze Lager mit neuem Mut erfüllt, und als er jetzt neben dem General saß, um ihm Rede und Antwort zu stehen, kamen die Männer alle herbei, um zu hören, was er diesem letzteren zu berichten hatte.

»Was haben«, sagte dieser, »die Apachen zu tun beschlossen, wenn sie die Komantschen besiegt haben?« – »Sie werden Ihren Transport begleiten«, antwortete Gerard. – »Das ist mir natürlich sehr erwünscht; aber sie werden Geduld haben müssen, denn wir können diesen Ort nicht eher verlassen, als bis sich unsere Tiere wieder erholt haben. Sie haben mehrere Tage lang zwar Wasser, aber kein Futter gehabt.« – »Lassen Sie sich das nicht anfechten. Wir müssen sofort aufbrechen, vielleicht noch heute nacht, aber es ist...« – »Heute nacht! Unmöglich!« unterbrach ihn der General. – »Die Schwachheit Ihrer Pferde und Maultiere ist kein Hindernis. Ich habe dafür gesorgt, daß uns die Pferde der Komantschen in die Hände fallen; das ist mehr als hinreichend. Sie lassen einfach Ihre Tiere in der Prärie zurück. Wir müssen aus Vorsicht immer annehmen, daß unsere Spuren bemerkt worden sind. Fünfhundert lassen auch bei der größten Sorgfalt eine Fährte zurück. Wir können sehr leicht bereits Verfolger hinter uns haben; wir dürfen sie hier nicht erwarten.« – »Wir gehen nach Fort Guadeloupe, um das Geld dort niederzulegen?« – »Nein. Dieser ursprüngliche Plan hat nicht Stich gehalten. Wir werden das Geld direkt zu Juarez bringen.« – »Das ist außerordentlich gefährlich. Welchen Weg wir da auch einzuschlagen haben, er wird immer ein bedeutender Umweg sein oder geradezu durch das Gebiet der Komantschen führen. Dies aber könnten wir nur mit sehr guten und frischen Pferden wagen.« – »Für letztere ist gesorgt. Es werden uns verbündete Apachen am südlichen Arm des roten Flusses mit frischen Tieren erwarten.« – »Das ist sehr vorteilhaft. Wir könnten dann das feindliche Gebiet im Galopp durcheilen und das Land der Mescalero-Apachen erreichen, ehe sich die Komantschen entschlossen hätten, einen Angriff auf uns zu machen.«

Der Plan wurde besprochen und einstimmig angenommen. Unterdessen verging die Zeit. Es war mehr als eine Stunde verflossen, und so forderte Gerard die Leute auf, sich bereitzuhalten. Gleich darauf ergriff er einen harzigen Ast, hielt denselben in das Feuer und warf ihn, als er in Flammen stand, so hoch wie möglich in die Luft. Der Ast schien dabei verlöschen zu wollen, als er aber die Wurfhöhe erreicht hatte und einige Augenblicke bewegungslos in der Luft zu schweben schien, prasselten die Flammen auf, weithin sichtbar durch die Nacht, so daß dieses Zeichen nicht unbemerkt bleiben konnte.

Der Erfolg war allerdings ein augenblicklicher; denn kaum hatte der emporgeworfene Ast den Boden wieder berührt, so erschallte unten ringsum ein Geheul, wie es in dieser fürchterlichen, haarsträubenden Weise nur von Indianerkehlen ausgestoßen werden kann.

Gerard sprang vom Feuer hinweg und nach der Postenlinie hin. Dort standen die Jäger im Anschlag, die Büchsen schußbereit in der Hand und die Bowiemesser zwischen den Zähnen.

»Jetzt drauf!« rief er. »Wenn Ihr mir helfen wollt, so ist jetzt der richtige Augenblick dazu!«

Im Nu huschten die Leute, die vor Begier brannten, sich mit den Komantschen zu messen, die Höhe hinab. Gerard aber kehrte zum Feuer zurück, wo der General stand. Hier sollte der Sammelplatz der Krieger sein, und hier konnte er am leichtesten gefunden werden.

Während des Geheules hörte man einzelne Schüsse krachen. Todesschreie erschollen. Gerard horchte mit größter Spannung in die Nacht hinaus. Der General bemerkte dies.

»Sie haben Sorge, daß die Komantschen siegen werden?« fragte er. – »Nicht im geringsten«, antwortete der Gefragte. »Es ist ganz unmöglich, daß sie einen Vorteil erkämpfen werden; ich hege im Gegenteil die Überzeugung, daß sie vollständig vernichtet werden. Wenn ich so angestrengt lausche, so ist es nur, um zu hören, ob es eine Stampede gibt.« – »Ah, was ist eine Stampede?« – »Man versteht unter diesem Wort das Durchbrechen, Durchgehen oder Vorüberstampfen einer Pferdeherde. Es ist mir wichtig, zu hören, ob die Pferde der Komantschen an den Lassos hängenbleiben oder nicht.« – »Ah, diese Lassos sind fest?« – »Ja, aber dennoch kommt es vor, daß Pferde, vom Geschrei des Kampfes erschreckt, sich losreißen. Überdies könnte ja ein Trupp der Feinde sich bis zu den Pferden durchschlagen und mit diesen zu entfliehen suchen. Glücklicherweise habe ich bis jetzt noch keinen einzigen Huftritt gehört.« – »Haben Sie nicht eine Anzahl der Apachen angewiesen, sich der Pferde der Komantschen zu bemächtigen?« – »Allerdings. Und wie es scheint, ist ihnen dies auch gelungen. Denn fände das Gegenteil statt, so wäre ... ah!«

Dieser letzte Ausdruck galt einer Gestalt, die soeben am Feuer erschien. Es war Bärenauge. Den blutigen Tomahawk im Gürtel, das Messer in der Rechten und mehrere frische Skalpe in der Linken, sah er im Schein der flackernden Flamme aus wie die Verkörperung des Geistes der Prärie, der der Indianersage nach mit bluttriefenden Waffen und rauchenden Kopfhäuten über die wilde Savanne jagt.

Er warf einen kurzen Blick auf den General und wandte sich dann an Gerard.

»Mein weißer Bruder hatte einen sehr guten Plan entworfen.« – »Ihr habt gesiegt?« fragte Gerard. – »Uff!« antwortete der Häuptling verächtlich. »Es ist für die Krieger der Apachen eine Unmöglichkeit, nicht zu siegen. Aber sie hatten den Feind so gut umstellt, daß ihnen kein einziger entkommen ist.« – »So sind sie alle tot?« – »Alle!« – »Und die Pferde?« – »Sie stehen noch da, wie wir sie gefunden haben.« – »Das ist ein Glück! Wir können sie gegen die herabgekommenen Packpferde umtauschen und noch in dieser Nacht den Rückweg antreten.« – »Wer ist das Bleichgesicht an deiner Seite?« – »General Hannert. Und hier liegt das Geld, das er unserem Freund, dem Präsidenten Juarez bringt.« – »Er ist ein tapferer Mann; er hat den Komantschen widerstanden, bis wir kamen. Ich werde die Pfeife des Friedens mit ihm rauchen und sein Bruder sein.«

Jetzt kamen die Apachen herbei, mit Skalpen und Beute behangen. Es ist besser, diese Szene nicht auszumalen. Der wahre Christ muß unbedingt die Politik verdammen, die eine ganze Nation dadurch zum Untergang zu bringen trachtet, daß sie die einzelnen Stämme gegeneinander aufhetzt und unter Waffen bringt. Es genügt, zu sagen, daß der Sieg ein vollständiger war. Die vorher so bedrängten Amerikaner waren mit ihren Schätzen gerettet und zogen, von den Apachen begleitet, weiter.


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