Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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d. Danaos und die Danaiden.

Mit Danaos und den Danaiden kehrt der Stamm der Io und des Epaphos aus Aegypten wieder nach seiner Heimath Argos zurück, dieses ist der angeblich historische Sinn der folgenden Sage, welche insofern die unmittelbare Fortsetzung der Iosage ist. Doch kann es uns bei näherer Prüfung nicht entgehen daß auch hier die älteren Elemente des Mythos einheimisch argivischen Ursprungs und der Natur der argivischen Landschaft entlehnt sind, die Beziehung auf Aegypten also erst in jenem Zeitalter hinzugefügt sein kann, in welcher die Anfänge der griechischen Völkerkunde und Geschichtschreibung liegen, wahrscheinlich in Folge der schon gegebenen Identificirung der Io mit der Isis.

Danaos ist der erdichtete Repräsentant der Danaer, welches bei Homer der gewöhnliche Name für die Bevölkerung der argivischen Landschaft ist. Seine engere Bedeutung ist die des Gründers von Argos, sowohl der Stadt als der Burg Larisa, da Phoroneus nur den ersten Heerd gestiftet hatte (S. 37). Seinen Namen hat man durch δανὸς d. i. dürre, trocken erklären wollen, als ob Danaos ein Sinnbild der Dürre und Trockenheit des Bodens von Argos wäreO. Müller Proleg. 185. Man sagte namentlich δανὰ ξύλα d. h. trocknes Holz und erklärte dieses bald durch δὰν d. i. δὴν d. h. τὰ διὰ τὸν χρόνον ξηρά, bald durch δαίω d. i. καίω, also i. q. τὰ καύσιμα, Od. 15, 322, Arist. Pac, 1134, Et. M. Hes., wie Skiros und Kranaos allerdings eine ähnliche Bedeutung in Salamis und Athen hatten. Doch wurde dieses Wort gewöhnlich nur von trockenem Holze gebraucht, auch ist die erste Silbe lang, während sie in den Wörtern Δαναοὶ Δαναὸς Δανάη kurz ist, ein etymologisches Bedenken welches auch die Erklärung dieser Namen durch δὴν und δηναιὸς im Sinne eines hohen Alterthums verbietetSo erklärt der apokryphische Prolog zur Danae des Euripides den Namen Danae durch ὁϑούνεκα πολὺς παρῆλϑεν εἰς γονὴν παίδων χρόνος, also von δήν, δηναιός d. i. in der Ilias 5, 407; 6, 131 langlebig, später aber alt, uralt, Aesch. Pr. 794 αἱ Φορκίδες δηναιαὶ κόραι von den Graeen, 912 δηναιῶν ϑρόνων von Kronos, Kallim. Iov. 60 δηναιοὶ ἀοιδοί, Lykophr. 145 δηναιᾶς ἁλός.. Auch ist 46 die Dürre des argivischen Bodens in Wahrheit nur eine vorübergehende, denn sowohl die Stadt als das Land, namentlich das Gebirge, waren reich an Brunnen und Quellen, welche von der Landessage noch dazu ausdrücklich dem Danaos und seinen Töchtern zugeschrieben wurden. Von Danaos hieß es deswegen gewöhnlich daß er die ersten Brunnen in Argos gegraben habe, deren es dort viele und leicht zugängliche gab; auch wurden mehrere unter ihnen nach Art des griechischen Quellencultus heilig gehalten und selbst die bürgerlichen Corporationen scheinen sich zum Theil an diesen Cultus angelehnt zu habenHesiod in dem öfters angeführten Verse: Ἄργος ἄνυδρον ἐὸν (für δίψιον) Δαναὸς ποίησεν ἔνυδρον, wo Andre lasen Δανααὶ ϑέσαν, weil man in Argos eben so wohl die Danaiden als den Danaos für die Urheberinnen dieses Ueberflusses hielt, vgl. Str. 8, 370 u. 371 und Serv. V. A. 7, 286 apud quos magna erat societas inter eos qui uno puteo utebantur, denn auch die Brunnen hatten ihre Nymphen, s. Bd. 1, 430, [1322]. Nach Polybios b. Str. 1, 23 wurde Danaos eben wegen dieser Anlage von Brunnen der König von Argos, vgl. Plin. 7, 195 puteos Danaus (invenit) ex Aegypto advectus in Graeciam quae vocabatur Ἄργος δίψιον. Argos die Stadt des Danaos und der Danaiden b. Pind. N. 10, 1 u. Eurip. Or. 876.. Im Lande aber und im Grenzgebirge von Arkadien war der Quellencultus mit dem der Landesgötter eng verbunden, der Hera, des Poseidon, der Artemis, der AthenaDiese nach Kallim. lav. Pall. 45 ff. Vom Dienste der Artemis in der Gegend der Inachosquellen s. oben S. 35, [Anmerkung 90].; daher man ohne Zweifel die funfzig Danaiden für einen Gesammtausdruck dieser zahlreichen Quellen der Stadt und des Landes erklären darf, da sie von der Sage sehr bestimmt als die Nymphen des Danaerlandes charakterisirt werden. Im Sommer nun pflegten die meisten von diesen Quellen bei anhaltender Dürre zu versiegen und in Folge davon auch die größeren Flüsse, namentlich der Inachos und KephisosS. 36, [Anmerkung 92]. Vgl. die Beschreibung b. Stat. Theb. 4, 699 ff. wie die Nymphen im Auftrage des Bacchus die argivischen Flüsse austrocknen: Protinus Inachios hausit sitis ignea campos, diffugere undae, squalent fontesque locusque u. s. w., daher der alte Ausdruck δίψιον Ἄργος und jene Fabel von dem Zorne PoseidonsApollod. ἀνύδρου τῆς χώρας ὑπαρχούσης, ἐπειδὴ καὶ τὰς πηγὰς ἐξήρανε Ποσειδῶν μηνίων Ἰνάχῳ.; dahingegen Danaos und die Danaiden dieses durstende Argos zu einem wohlbewässerten 47 gemacht haben sollen und namentlich Amymone, die niemals versiegende Quelle bei Lerna, einer ganz besonderen Gunst Poseidons sich erfreute. In der nassen Jahreszeit aber hatte man eher über das entgegengesetzte Uebel zu klagen, da die Flüsse dann heftig und stürmisch wurden und Ueberschwemmungen verursachten, wie namentlich die Gegend bei Argos und Myken bei mangelnder Cultur an Versumpfung gelitten haben sollAristot. Meteor. 1, 14 p. 352, 9 Bkk. vgl. Schol. Eur. Or. 920, wo Inachos als erster König von Argos λιμναζόμενον τὸ περὶ τὸν Ἴναχον πεδίον trocken legt.. Ein Umstand durch den sich zugleich die wahre Bedeutung des Aegyptos und der Aegyptiaden in diesem Mythos ergiebt, welche ihre Namen allerdings der historischen Voraussetzung einer Abkunft und Einwanderung aus Aegypten verdanken, in Wahrheit aber wie Danaos und die Danaiden auf jenen eigenthümlichen Wechsel von Dürre und Ueberschwemmung in der argivischen Landschaft sich zu beziehen scheinen. Es sind die Bäche und Flüsse der Landschaft, welche als SturzbächeEinen χαραδρώδης ποταμὸς nennt Strabo 8, 370 den Inachos. Dasselbe sagt der Name Χάραδρος von dem andern Flusse bei Argos. in der nassen Jahreszeit üppig und muthwillig dahinströmten, also wohl für zudringliche Freier der Landesnymphen angesehen werden konnten, während diese sie im Sommer tödteten und ihnen die Köpfe abschnitten d. h. das Wasser an der Quelle entzogen. Denn die Köpfe der Flüsse sind ihre Quellen (1, 428, [1317]) und es ist eine sehr deutliche Hinweisung auf diesen Sinn wenn die Landessage erzählte, die Danaiden hätten die Köpfe der Aegyptiaden in dem lernaeischen Wiesengrunde versenkt, weil nehmlich dieser Ort immer Ueberfluß an Wasser, ja des Guten zu viel hatte, wie darauf auch die Fabel von der lernaeischen Wasserschlange deutet. Also im Wesentlichen derselbe Zusammenhang wie in jenem Märchen von Tegea in Arkadien, wo erst Skephros d. h. der Dörrling den Leimon d. h. den Feuchtling verleumdet, dann Leimon den Skephros tödtet und endlich selbst von der Artemis getödtet wird (1, 363), für welche letztere man nur die jungfräulichen Nymphen ihrer Umgebung zu setzen braucht, wie für den Leimon die Aegyptiaden, so hat man dieselbe Fabel. Nur daß in dieser den funfzig Danaiden zu Liebe, welche Zahl wie die der funfzig Nereiden und ähnlicher Gruppen zu verstehen ist, auch funfzig Aegyptiaden erdichtet sind, nachdem sie in Folge der Herleitung aus dem fremden Lande zu Söhnen des Aegyptos 48 geworden waren d. h. des großen Stromes in Aegypten, welcher die Einbildung der Griechen vorzüglich durch seine Abnahme und seine Ueberschwemmungen, je nach den verschiedenen Jahreszeiten, beschäftigte.

Danaos galt in Argos namentlich für den Stifter des sehr alten, am Markte gelegenen Heiligthumes des lykischen Apollo, dessen Wolf das gewöhnliche Sinnbild der Münzen von Argos ist, und eben diese Stiftung scheint ihm vorzugsweise den Charakter eines Einwanderers aus der Fremde und eines Schutzflehenden verliehen zu haben, in welchem er bei Aeschylos und überhaupt in der Danaidensage erscheint. Der einheimische König, welcher ihn gastlich aufgenommen, ist bei Aeschylos ein Sohn des Pelasgos, in der argivischen Ortsüberlieferung aber heißt er Gelanor, welches Wort von angeblich karischer Abstammung einen königlichen Mann bedeutetPaus. 2, 19, 3 vgl. Plut. Pyrrh. 32, Apollod. 2, 1, 4, Schol. Il. 1, 42, Eustath. 37, 32, Steph. B. v. Σουάγγελα – καλοῦσι γὰρ οἱ Κᾶρες σοῦαν τὸν τάφον, γέλαν δὲ τὸν βασιλέα. Doch findet sich das Wort auch in griechischen Ueberlieferungen, vgl. die Γελεόντες und Ζεὺς Γελεὼν in Attika (Roß Demen p. IX) und Gela, Gelas, Gelon in Sicilien.. Dieselbe Ueberlieferung erzählte daß Danaos, der Brunnengräber aus der Fremde, und Gelanor, ein Sohn des Sthenelas, welcher des Krotopos Sohn genannt wurdeP. 2, 16, 1. Krotopos galt für den Vater der Psamathe, der Mutter des argivischen Linos, welche Fabel gleichfalls auf den Dienst des lykischen Apoll zurückweist, 1, 362, [1111]., vor dem Volk ihre Ansprüche verhandelt und die Entscheidung auf den folgenden Tag verschoben hatten. Da sei am frühen Morgen ein Wolf in die vor den Thoren weidende Heerde gestürzt und habe deren Leitstier (βοῦς ἡγεμών) erwürgt, ein Vorgang welchen ein altes Bildwerk beim Tempel des lykischen Apollo vergegenwärtigteP. 2, 19, 6. Artemis warf auf demselben mit einem Steine nach dem Stiere. Sie ist die beständige Gefährtin ihres Bruders. Den Stier deuteten Andre auf Poseidon, Serv. V. A. 4, 377.. Der Wolf bedeutete den Flüchtling aus der Fremde, der Leitstier seiner Heerde den einheimischen König, welcher nach diesem Zeichen dem Fremdling weichen mußte. Der lykische Apollo war es welcher durch jenes Zeichen für ihn entschieden hatte, denn der Wolf galt für ein Sinnbild seiner Gnade und aller Schutzbedürftigen (1, 195). Deshalb, so hieß es in der Stadt, habe Danaos diesem Apollo jenes sehr angesehene Heiligthum gestiftet. In demselben befand sich ein altes Schnitzbild mit den 49 herkömmlichen aegyptisirenden Zügen, welches die Gedanken vollends auf Aegypten richtete.

Ein andrer Umstand trug wohl noch mehr dazu bei. In Lindos, der argivischen, an der östlichen Küste von Rhodos gelegenen Colonie, wo man einen lebhaften Verkehr mit Phoenikien und Aegypten unterhielt, gab es ein altes Heiligthum der lindischen Athena (Ἀϑηνᾶ Λινδία) mit einem gleichartigen Schnitzbilde, auch dieses eine Stiftung des Danaos und der DanaidenHerod. 2, 182, Str. 14, 655, Diod. 5, 58.. Daher die Sage daß Athena dem Danaos zuerst den Gedanken der Flucht über See eingegeben habe, indem sie ihn zum Bau eines Funfzigruderers anleitete, des ersten, der sich auf dem Mittelmeere blicken ließApollod. 2, 1, 4, Plin. 7, 206.. Auf demselben kommt er mit seinen funfzig Töchtern zuerst nach Lindos, stiftet dort jenes Heiligthum und schifft von dort weiter nach Argos. Drei Danaiden sollen sogar in Lindos geblieben sein, vermuthlich weil Danaos auch hier wie in Argos in der Umgebung seiner Töchter verehrt wurde.

Die Danaiden erscheinen in der Sage zugleich als jungfräulich widerstrebende und als die Mütter der Danaer, was offenbar wieder mit ihrem Charakter als Quellnymphen zusammenhängt. Mit den Aegyptiaden kämpfen sie gleich AmazonenSo namentlich in der Danais, wo der Kampf schon am Nil entbrannte, b. Clem. Str. 4 p. 618 καὶ τότ' ἄρ' ὡπλίζοντο ϑοῶς Δαναοῖο ϑύγατρες, πρόσϑεν ἐυρρεῖος ποταμοῦ Νείλοιο ἄνακτος. Vgl. Aesch. Suppl. 287., mit denen sie Aeschylos vergleicht. Ihnen und dem Vater ist die Ehe mit den zudringlichen Vettern so verhaßt daß sie sich ihrer durch Mord entledigen, eine Gräuelthat welche die ältere Dichtung sogar verherrlichte. Dann aber giebt der Vater sie den einheimischen Jünglingen, welche im Laufe gesiegt hatten, und durch diese wurden sie Mütter der Danaer, da das Volk früher Pelasger genannt worden warHygin f. 170 extr., Eurip. fr. 230 vom Danaos: Πελασγιώτας δ' ὠνομασμένους τὸ πρὶν Δαναοὺς καλεῖσϑαι νόμον ἔϑηκ' ἀν' Ἑλλάδα.. Hypermnestra, die einzige welche den ihr vermählten Aegyptiaden verschont, deutet schon durch ihren Namen auf Liebe und FreienὙπερμνήστρα von μνάομαι. Sie galt für die Stifterin eines Bildes der Aphrodite und für die zweite Priesterin der Ehegöttin Hera. Noch eine Schwester heißt Μνέστρα.. Auch sollen die Danaiden insgemein den pelasgischen Frauen des Landes zuerst die Weihe der 50 Thesmophorien überliefert haben, welche nun auch für aegyptisch giltHerod. 2, 171 vgl. Bd. 1, 607., aber in Wahrheit ein ächt griechischer Cultus war und die Geheimnisse der Ehe betraf. Wie gesagt, auch dieses hängt nothwendig mit dem Cultus der Quellen und Quellnymphen zusammen. Diese wurden gewöhnlich als reine Jungfrauen gedacht, vollends wenn sie die Umgebung der Artemis oder der kriegerischen Pallas bildeten, aber auch als Beförderinnen der Ehe und des KindersegensBd. 1, 1, 430 und 1, 567..

Die vollständige Sage, welche ein älteres episches Gedicht unter dem Titel der Danais behandelt hatte, worauf verschiedene Lyriker und Tragiker einzelne Acte daraus bearbeitetenArchilochos dichtete von der Fehde zwischen Lynkeus und Danaos, Malal. 4, 68, Aeschylos und Phrynichos dichteten Danaiden, Theodektes einen Lynkeus. Zu der Erzählung bei Apollodor vgl. Schol. Il. 1, 42, Eustath. 37, 20, Zenob. 2, 6, Hygin f. 168–170, Schol. Eur. Hek. 869., ist folgende.

Epaphos, der Sohn des Zeus und der Io, König von Aegypten, hatte eine Tochter Libya, das ist das libysche Festland am Mittelmeere, nach älterem Sprachgebrauch mit Inbegriff des Nildelta. Sie gebiert vom Poseidon die beiden Söhne Agenor und Belos. Jener verbreitet den Stamm der Io über Phoenikien, Kilikien und ThebenDaher b. Eurip. Phoen. 677 der Chor der phoenikischen Frauen den Epaphos, τὸν προμάτορος Ἰοῦς ποτ' ἔκγονον, um seinen Schutz in Theben bittet., Belos bleibt in Aegypten und wird dort König. Mit der Anchirrhoe d. h. der Starkströmenden, einer Tochter des Nil, zeugt auch er zwei Söhne, den Aegyptos und DanaosNach Euripides auch den Kepheus und Phineus. Die Lesart Ἀγχιρρόη ist der andern Ἀγχινόη vorzuziehn.. Diesen setzt er über Libyen, den Aegyptos über Arabien, von wo aus er das Land der Schwarzfüßler unterwirft und nach sich Aegypten nennt. Aegyptos hat von vielen Weibern funfzig Söhne, Danaos eben so viele TöchterPherekydes b. Schol. Apollon. 3, 1186 kennt nur eine Frau des Aegyptos und des Danaos, welche letztere er Μελία nennt, vgl. oben S. 36, [Anmerkung 93]. Nach Hippostratos fr. hist. 4, 432 hieß die Mutter der Aegyptiaden Εὐρυρρόη, die der Danaiden Εὐρώπη, beide Töchter des Nil.. Nun aber bedrängt Aegyptos auch den eignen Bruder und die Aegyptiaden die Danaiden, daher Danaos mit Hülfe der Athena den Funfzigruderer erbaut und auf diesem mit seinen Töchtern entflieht, über Rhodos nach Argos. Aeschylos schildert in seinen 51 Schutzflehenden seine Ankunft und die Angst der kaum gelandeten Mädchen, die wohlwollende Aufnahme des einheimischen Königs, eines Sohnes des Autochthonen Pelasgos, der in ihnen den Stamm der argivischen Io erkennt, die Verfolgung der feindlichen Aegyptiaden, welche den Danaiden bis Argos nachsetzen, den Schutz des pelasgischen Königs und den Einzug des Danaos und seiner Töchter in die Stadt ihrer Zukunft.

Danaos findet das Land durch den Zorn Poseidons vertrocknet und sendet deshalb seine Töchter aus um Wasser zu suchen. Eine von ihnen, Amymone d. h. die Tadellose wirft ihren Speer nach einem Hirsche, trifft aber einen im Gebüsche schlafenden Satyr. Dieser verfolgt sie mit seiner Brunst, sie ruft zum Poseidon, welcher alsbald erscheint, den Satyr verjagt und von der schönen Danaide durch Hingebung belohnt wird, worauf er aus Liebe zu ihr den nie versiegenden Quell von Lerna entspringen läßt, welcher gleichfalls den Namen Amymone führteHygin f. 169 id in quo loco factum est Neptunus dicitur fuscina percussisse terram et inde aquam produxisse, qui Lernaeus fons dictus est et Amymonium flumen. Eustath. Il. 461, 5 ἐξ ἧς καὶ ἀμυμώνια ἐν Ἄργει ὕδατα, denn es waren drei Sprudel, vgl. Bd. 1, 458. Auch die Quelle Φυσάδεια, welche einer andern Danaide den Namen gegeben hatte, befand sich in jener Gegend. Sie scheint mit dem s. g. Quell des Amphiaraos identisch gewesen zu sein, Kallim. lav. Pall. 47, Paus. 2, 37, 5, Meineke Anal. Al. 54.. Aeschylos hatte diese Fabel in einem Satyrdrama bearbeitet und auch sonst hatte sie Dichtern und Künstlern zu anmuthigen Compositionen Anlaß gegebenBöttiger Amalth. 2, 277–301, O. Jahn Vasenb. 34–40, Archäol. Aufs. 29, R. Rochette peint. d. Pomp. t. 2.. Die Frucht aber dieser Liebe Poseidons war Nauplios, der arglistige Seemann von Nauplia, welcher viele Schiffe durch falsche Feuerzeichen auf Klippen lockte, sich selbst dadurch sehr bereicherte und viele Menschen umbrachte, bis er nach einem sehr langen Leben, denn man erzählte von ihm noch unter den Abenteuern der Rückkehr von Troja, zuletzt selbst auf dieselbe Weise umgekommen istApollod. l. c. vgl. Alkidam. decl. p. 670 ed. Bekk. und die Erzählung vom Telephos, den Nauplios auf die Seite schaffen soll, Apollod. 3, 9, 1, P. 8, 48, 5. Als Sohn des Poseidon und Gründer von Nauplia kennen ihn Eurip. Iph. A. 198, Str. 8, 368, P. 2, 38, 2; 4, 35, 2. Οἴαξ spielte eine Rolle im Palamedes des Euripides, vgl. Eur. Or. 432, Pacuv. Dulor. fr. 17 p. 68 Ribb.. Seine Söhne waren der erfindungsreiche Palamedes, Oiax der Steuermann und Nausimedon der Schiffsherr.

52 Von den Aegyptiaden erzählte die Sage bald daß sie den Danaos und die Danaiden auch in Argos belagert und bedroht hätten, bald daß sie freundlich um Versöhnung und Vermählung baten. Immer ist der Haß des Danaos ein unversöhnlicher. Daher gab er ihnen zwar die Töchter und bestimmte die Paare, ein willkommner Anlaß für die Dichter ausdrucksvolle Namen für so viele Mädchen und Jünglinge zu erfindenVerzeichnisse solcher Namen b. Apollodor u. Hygin f. 170. Die der Danaiden sind großentheils die von Nymphen, die der Aegyptiaden drücken häufig Uebermuth und kriegerischen Ungestüm aus. Sogar in thessalischen Genealogieen wurden Danaiden anstatt der Nymphen des Landes genannt, Pherekyd. b. Schol. Apollon. 1, 1212, Antonin. Lib. 32.. Aber er gab seinen Töchtern zugleich Dolche für die Brautnacht, nachdem sich die Freier beim Hochzeitsschmause weidlich bezecht hatten. Alle fielen durch die Dolche ihrer Verlobten, bis auf den einzigen Lynkeus, eine furchtbare That, welche aber oft von den Dichtern gepriesen wurdeEurip. Herc. f. 1017 ὁ φόνος – τότε μὲν περισαμότατος καὶ ἄριστος Ἑλλάδι τῶν Δαναοῦ παίδων. Danaos mit gezücktem Schwerdte unter seinen Töchtern im Porticus des Palatinischen Apoll zu Rom, Prop. 2, 31, 1–4, Ovid Am. 2, 2, 3, A. A. 1, 73, Trist. 3, 1, 60.. Hypermnestra wollte lieber schwach heißen als eine blutige Mörderin, worüber sie für alle Zeiten berühmt und die Mutter der Könige von Argos geworden istAesch. Pr. 866 vgl. Pind. N. 10, 6, Horat. Od. 3, 11, 33 ff., Ovid Her. 14. Aeschylos scheint in den Θαλαμοποιοῖς und den Δαναίδες den Mord der Aegyptiaden und den Triumph der Liebe durch Hypermnestra auf die Bühne gebracht zu haben. Nach Einigen schonte diese des Lynkeus weil er ihrer Jungfräulichkeit geschont hatte, Apollod. l. c, Schol. Il. 4, 171, Schol. Pind. N. 10, 10, nach Horat. l. c. und Schol. Eur. Hek. 869 nachdem er ihr Gatte geworden war.. Der Vater zürnte darüber sehr und warf sie in ein finsteres Gefängniß. Die andern Danaiden vergruben die Köpfe der Aegyptiaden in dem feuchten Wiesengrunde von LernaPaus. 2, 24, 3. Daher das Sprichwort Λέρνη κακῶν, Zenob. 4, 86., die Leiber aber bestatteten sie vor den Thoren der Stadt. Auch billigten die Götter ihre That, denn Athena und Hermes reinigten sie auf Befehl des Zeus von dem vergossenen Blute.

Lynkeus soll nach Lyrkeia entkommen sein, welcher Name in der Gegend der Inachosquellen vielleicht mit dem seinigen zusammenhängtWenigstens versichert Paus. 2, 25, 4 daß Λύρκεια früher Λύγκεια geheißen habe, worauf O. Müller de Lynceis Gott. 1837 seine Erklärung des argivischen Lynkeus durch die weite Aussicht von jenem Berge gründet. Es gab aber auch einen Fluß Λύρκειος d. i. der Inachos in der Nähe seiner Quellen, s. oben S. 35, [Anmerkung 90]. Nimmt man an daß dieser nicht ganz versiegte, während dieses beim untern Inachos der Fall war, so würde sich dadurch, wenn anders jene Namen wirklich identisch sind, die Sage von dem Entkommen des Lynkeus wohl erklären.. Seine glückliche Rettung durch die Flucht 53 wurde in Argos alljährlich durch ein Fest »der Feuerzeichen« gefeiert, durch welche sich der Sage nach Hypermnestra und Lynkeus, jene auf der Burg von Argos dieser zu Lyrkeia verständigt hatten. Später gelang ihm die Rückkehr und die Verbindung mit der liebenden Hypermnestra, nachdem Danaos diese vor ein öffentliches Gericht gestellt und dasselbe sie freigesprochen hattePaus. 2, 19, 6; 20, 5; 21, 1. Nach Archilochos b. Malal. 4, 68 kam es sogar zum Kriege zwischen Lynkeus und Danaos. Nach Schol. Eur. Hek. 869 rächte er den Mord seiner Brüder durch den Tod des Danaos und der Danaiden.. Lynkeus, der Nachfolger des Danaos, war in den Traditionen von Argos überdies bekannt als Stifter des ritterlichen Wettkampfes im Dienste der argivischen Hera, bei welchem sich der altepische Ruhm des rosseliebenden Argos (Ἄργος ἵππιον, ἱππόβοτον) im höchsten Glanze geltend machte. Der Preis dieser Spiele war nicht ein Kranz, sondern ein Schild, angeblich weil Lynkeus bei der Stiftung seinen Sohn Abas mit dem Schilde des Danaos beschenkte, den dieser in seiner Jugend getragen und später in das Heiligthum der Hera geweiht hatteHygin f. 170. 273, vgl. Boeckh expl. Pind. Ol. 7 p. 175 u. Bd. 1, 131.; daher der Name des Wettkampfes »der Schild in Argos«. Auch wird Lynkeus als Stammvater des nachfolgenden Geschlechts, darunter des Perseus und des Herakles, nicht selten mit Auszeichnung genanntHesiod sc. Herc. 327 Λυγκῆος γενεὴ von Herakles und Iolaos, Apollon. 1, 125 Λυγκήιον Ἄργος, vgl. Steph. B. v. Ἄργος..

Auch zwischen Aegyptos und Danaos soll durch ein Schiedsgericht der Besten unter den Argivern und Aegyptern entschieden sein, auf derselben Stätte des Gipfels der Burg Larisa, wo die Argiver in ähnlichen Fällen zu Gericht saßenEur. Or. 871 ff. m. d. Schol., nach denen diese Stätte Ἁλιαία, später Ἡλιαία hieß, offenbar von ἁλία d. i. ἐκκλησία. Diese vielen Gerichtsverhandlungen deuten auf frühzeitige Entwicklung des demokratischen Princips in Argos, wie wir davon auch sonst unterrichtet sind, Paus. 2, 19, 2.. Endlich wurden auch die übrigen Danaiden vermählt, indem der Vater für die werbenden Freier einen Wettkampf der Leibesübung ausschrieb, wie in viel späteren Zeiten Kleisthenes, der Tyrann von Sikyon, für seine Tochter auf demselben Wege einen Mann suchte. Danaos stellte die Schaar seiner Töchter am Morgen an das Ziel der Rennbahn und hatte noch vor Mittag für jede einen 54 sieggekrönten Freier, daher diese Spiele fortan mit dem Gesange des Hymenaeos gefeiert wurdenPind. P. 9, 111 ff. vgl. Hygin f. 273, Aristot. Pepl. b. Schneidewin Philol. 1, 11. Auch für den Stifter der Sthenien galt Danaos, Plut. d. mus. 26.. Aus dieser Vermählung der Danaiden mit den raschesten Jünglingen des Landes sind alle edlen Geschlechter der Danaer entsprossen.

Höchst wahrscheinlich wurden die Danaiden in Argos auch als wasserschöpfende Nymphen dargestellt; wenigstens glaubt man derartige Bilder, deren verschiedene erhalten sind, auf die Danaiden beziehen zu dürfenO. Jahn Archäol. Aufs. 25 ff.. Auch scheint es ein altes Bildwerk gegeben zu haben, auf welchem dieselben Danaiden in ein durchlöchertes Faß Wasser schöpften, wodurch vermuthlich zunächst die Natur solcher Quellen ausgedrückt werden sollte, deren Strömung im Sommer zu versiegen pflegte. Doch war ein solches Wasserschöpfen mit dem Siebe oder in ein durchlöchertes Faß oder mit zerbrochenen Krügen zugleich ein beliebtes Bild für jedes ziel- und fruchtlose Bemühn, in welchem Sinne es also auf die Strafen der Unterwelt übertragen wurde, namentlich für solche welche während ihres Lebens ihre Seligkeit in jener Welt verscherzt hattenPlato Gorg. 493 B, de rep. 2 p. 363 D, vgl. Zenob. 2, 6, Suid. εἰς τὸν τετρημένον u. εἰς τετρημένον, Schol. Eur. Or. l. c. u. A. b. O. Jahn Leipz. Verh. 8, 276 mit t. 2.. Daher die Danaiden in der Unterwelt, deren Strafe man gewöhnlich durch jenen gräulichen Mord ihrer Verlobten erklärte, während Hypermnestra im Gegensatze zu ihnen fort und fort als die treue Liebende, die noch im Tode mit ihrem Lynkeus Vereinigte gepriesen wurdeHygin f. 168 vgl. Paus. 2, 21, 2 u. die Bilder in Delphi, P. 10, 10, 2, der Könige und Heroen von Danaos bis Herakles, darunter Hypermnestra ἅτε καϑαρὰ χεῖρας μόνη τῶν ἀδελφῶν..


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