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3. Der Zug gegen Troja und gegen die Amazonen.
Vom Zuge gegen Troja erzählt schon die Ilias wiederholt und ausführlich. Der Anlaß ist die Befreiung der Hesione, wofür Laomedon die Rosse versprochen hatte, die Zeus ihm für den Ganymed schenkte (1, 392), Laomedon aber später dem Helfer in der Noth verweigerte (Il. 5, 638 ff.; 20, 144). Herakles kommt mit sechs Schiffen und andern Helden, zerstört Ilion und fährt dann wieder heimwärts. Da wird er auf dem hohen Meere durch die List der Hera, die sie mit Hülfe des Schlafes und des Boreas ausführt, durch schreckliche Stürme nach Kos verschlagen, bis Zeus aus seinem Schlafe erwacht, gegen die schuldige Hera schrecklich wüthet und seinen Sohn aus großer Noth befreit und nach Argos zurückführt (Il. 14, 250 ff.; 15, 18 ff.).
Die spätere Erzählung hat sich insofern sehr verändert, als sie zur Vorbereitung des durch die Ilias gefeierten Zugs der Griechen gegen Troja den Aeakos und die Aeakiden auch bei diesem ersten betheiligt. Auch dehnte sie den Feldzug viel weiter aus, indem sie als eine Art Vorgeschichte einen Zug gegen die Amazonen hinzufügte und bei der Rückkehr andre Abenteuer, auch die Gigantomachie einschaltete.
So erzählt namentlich Pindar, der unermüdliche Sänger des Lobes der Aeakiden, daß ihr Stammvater, der fromme Aeakos, mit Apollo und Poseidon an der Mauer von Troja gebaut habe, 233 wobei gleich ein Zeichen die Zerstörung dieser Mauer durch seine Nachkommen verkündigt (Ol. 8, 30). Ferner weiß er von der Theilnahme des Telamon am Zuge gegen Laomedon, gegen die Amazonen und selbst an der Gigantomachie, s. N. 3, 36 ff.; 4, 22, I. 5 (6), 24 ff., wo die schöne, nach den Scholien aus den großen Eoeen entlehnte Erzählung hinzugefügt wird, nach welcher Herakles auch den Ruhm des großen Aias im voraus verkündigte. Als er den Telamon zur Fahrt nach Troja abholt, trifft er diesen beim Schmause, stellt sich auf seine Löwenhaut, läßt sich vom Telamon die goldene Schale des Weihetranks reichen und betet zu seinem Vater Zeus daß er dem Freunde einen Sohn schenken möge von so unverwüstlicher Kraft wie sein Löwenfell und von gleichem Muthe, worauf Zeus einen Adler (αἰετὸν) als Gewähr sendet, daher das Kind den Namen Aias bekommenApollon. 1, 1289 Schol., Theokr. 13, 38, wo es von Herakles und Telamon heißt, οἳ μίαν ἄμφω ἑταῖροι ἀεὶ δαίνυντο τράπεζαν. Vgl. Tz. Lyk. 455–61..
Nach solchen Vorgängen erzählen die Späteren, indem sie bald bei dem Aufenthalte des Helden in Lydien bald bei der Aufgabe den Gürtel der Hippolyte zu holen bald bei der Argonautensage anknüpften, daß Herakles zu dem Zuge gegen die Amazonen viele Freunde und Helden, Telamon Peleus Theseus u. A. angeworben und mit einem Schiffe die kühne Fahrt unternommen habeEurip. Herc. f. 408 ff., Apollod. 2, 5, 9. Theseus bekam bei diesem Zuge die Antiope, oder die Liebe der Antiope zum Theseus führte zur Eroberung von Themiskyra, wie die Nosten des Agias erzählten, Paus. 1, 2. 1. Auch Phidias ließ den attischen Helden an diesem Zuge theilnehmen, Paus. 5, 11, 2 vgl. Eur. Heraklid. 217, Schol. Pind. N. 3, 64. Auch von Epicharm gab es einen Ἡρακλῆς ἐπὶ τὸν ζωστῆρα.. Zuerst landet er auf der Insel Paros, wo damals die Söhne des Minos herrschten, Eurymedon, Chryses, Nephalion, Philolaos, durch welche zwei Gefährten des Herakles umkamen; daher dieser jene vier alsbald erschlug, die übrigen Parier aber so lange belagerte bis sie sich ergaben und zwei Ersatzmänner stellten, Alkaeos und Sthenelos, Söhne des Androgeos und Enkel des Minos, welche Herakles später auf Thasos ansiedelteHistorisch ist die Colonisation der Insel Thasos von Paros, Thuk. 4, 104, Str. 10, 487. Bei Diod. 5, 79 erhält Alkaeos die Insel Paros durch Rhadamanthys, s. oben S. 130.. Darauf gelangt er nach Mysien zu den Mariandynen, hilft ihrem Könige Lykos, dem Sohne des Daskylos, im Kriege gegen Amykos und die Bebryker und erobert das Gebiet der späteren 234 Herakleia PontikeVgl. Apollon. 2, 775 ff. Schol. Prachtvolle Kolossalstatue des H. auf dem Markte von Herakleia, Memnon fr. 52, sein Tempel auf der Burg, ib. 25, bei dein Vorgeb. Acherusion der Aufgang mit dem Kerberos, Schol. Apollon. 2, 354, Schol. Nik. Alexiph. 13 u. A.. Endlich erreicht der Zug die Mündung des Flusses Thermodon, an welchem die Amazonenstadt Themiskyra gelegenDas Oertliche b. Ritter Asien 9, 1, 95 ff.. Schon ist die Amazonenkönigin Hippolyte im Begriff den Gürtel des Ares dem Helden freiwillig zu überlassen. Da verbreitet Hera das Gerücht daß die Königin in Gefahr sei, worauf alle Amazonen bewaffnet und zu Pferde gegen das Schiff der Griechen stürmen und ein heftiger Kampf entbrennt, in welchem Herakles die Hippolyte und viele ihrer Gefährtinnen, andre Helden andre Amazonen tödten. Denn die späteren Dichter gaben sich alle Mühe hinter den vielen Amazonenbildern und Amazonengruppen der Künstler ihrerseits nicht zurückzubleiben, worüber immer neue Namen und neue Schlachten erdichtet wurdenEs gab verschiedene Ἀμαζονικὰ von jüngeren Dichtern, doch ist es eben so schwierig ihren Inhalt zu bestimmen als die Bedeutung derartiger Vasenbilder, wenn sie ohne Namen sind. Eine ausführliche Erzählung von dieser Amazonenschlacht bei Diod. 4, 16, Vasenbilder b. Gerhard A. V. t. 104, Bullet. Arch. Napol. 1853 t. 10, Welcker b. Gerhard D. u. F. 1856 t. 88–90 S. 177 ff. Namen von Amazonen b. Diod. l. c. u. O. Jahn Einl. z. Münchn. Vasens. p. CXVIII..
Bei der Rückkehr von diesem Zuge also landen die Helden bei Troja, über welche Stadt der Zorn des Apollon und Poseidon ein großes Unglück verhängt hatte. Laomedon hatte ihnen den bedungenen Lohn für die Burgmauer geweigert, dafür sendet Apollon eine Pest, Poseidon ein Seeungeheuer, das aus der Fluth aufsteigt und alle Menschen und Heerden verschlingt. Das Orakel verspricht Erlösung, wenn Laomedon seine Tochter Hesione dem Ungeheuer zur Speise gebe, worauf der König seine Tochter opfert (wie Kepheus die Andromeda), indem er sie an einen Felsen in der Nähe des Meeres anbinden läßtHier knüpft das Märchen von der Egesta an, mit welcher ihr Vater Hippotes, ein edler Trojaner, nach Sicilien flüchtet, weil er für sie das Schicksal der Hesione fürchtet. In Sicilien gebiert sie von dem in einen Hund verwandelten Flußgott Krimisos den Egestos, den Gründer von Egesta oder Segesta, Serv. V. A. 1, 550; 5, 30. Die Verwandlung des Flusses in einen Hund ist semitischen Ursprungs, s. Ritter Asien 9, 2, 918.. Herakles sieht das Mädchen und verspricht sie zu retten, wenn Laomedon ihm jene Wunderpferde geben wolle. Der bedrängte König giebt sein Wort und Herakles besteht den Kampf unter dem Schutze eines hohen Dammes, den Athena und die Troer für ihn 235 aufgeworfen hattenWenigstens ist dies der Sinn des τεῖχος ἀμφίχυτον Il. 20, 144 ff., welche Verse ein späterer Zusatz sind., nach der späteren Erzählung so, daß er gerüstet in den Schlund des Drachens hineinspringt und ihm von innen den Bauch aufschneidet. Ja er soll drei Tage darin verweilt und durch die Gluth der Eingeweide alle Haare seines Hauptes verloren habenHellanikos b. Schol. Il. 20, 146, Lykophr. 33–38 Tzetz., Sext. Emp. adv. Math. 1, 255. Herakles in den Rachen des Meerungeheuers tretend und die befreite Hesione in bildlicher Darstellung s. Wieseler Z. f. A. W. 1851 n. 40. 41. Ausführliche Beschreibung des Abenteuers, welches hier und anderswo beim Argonautenzuge eingeschaltet wird, b. Valer. Fl. 2, 451 ff.. Ein Märchen welches auch in bildlichen Darstellungen überliefert ist und in den Erzählungen andrer Völker von dem Monde oder der Sonne, welche ein Drache zu verschlingen drohtEin Bild der Verfinsterung, Grimm D. M. 668. Vgl. oben S. 71., seine natürliche Erklärung findet. Der treulose Laomedon weigert sich dann den versprochenen Lohn zu zahlen, worauf Herakles Rache drohend nach Argos schifft um zunächst den Gürtel der Hippolyte zu überbringen. Unterwegs berührt er Ainos, wo er vom Poltys gastlich aufgenommen wurde, aber dessen Bruder, den übermüthigen Sarpedon, einen Sohn des Poseidon, in welchem die Stürme und Wogen des dortigen Strandes personificirt sindVgl. oben S. 132. Apollodor 2, 5, 9 u. die tab. Farnes. 78–86 erzählen von diesen Abenteuern., mit seinen Pfeilen erschießt. Ferner landet er auf Thasos, bändigt die dortigen Thraker und übergiebt die Insel den vorhin erwähnten beiden Söhnen des Androgeos aus Paros, welche wahrscheinlich neben ihm als Ktisten verehrt wurdenVgl. oben S. 127. 233.. Von Thasos kommt er nach Torone auf der Sithonischen Halbinsel und tödtet hier Polygonos und Telegonos, die übermüthigen Söhne des Meergottes Proteus, welche ihn zum Ringen herausgefordertVgl. Bd. 1, 477, [1485]. Man scheint dem aegyptischen Proteus zu Liebe an eine submarine Verbindung zwischen der Halbinsel Pallene und Aegypten geglaubt zu haben, Lykophr. 124 Tzetz. Auch Sithon und seine Tochter Pallene fordern zum Ringen heraus und soll namentlich Bacchus die Pallene auf diese Weise erworben haben, Lykophr. 583. 1161, Nonn. 48, 90 ff., Konon 10, wobei der Anklang von Παλλήνη und πάλη im Spiele ist. Doch lehrt die Ueberlieferung der Vasenbilder daß der Ringkampf des Herakles mit Triton oder einem tritonartigen Meeresgott alt ist, s. Gerhard A. V. t. 111, 2, 94 ff.. Endlich gelangt er nach Myken und übergiebt hier den Gürtel der Amazonenkönigin.
236 Darauf folgt der Zerstörungszug gegen Troja in der Begleitung des Telamon, Peleus, des Oïkles, Vaters des Amphiaraos und andrer Helden auf achtzehn Funfzigruderern; denn solche Züge pflegten bei fortschreitender Vermischung der verschiedenen Sagenkreise immer mehr Theilnehmer zu bekommenApollod. 2, 6, 4, Diod. 4, 32, Hygin f. 89 u. A.. Als die Helden gelandet sind und gegen Troja hinaufstürmen, überfällt Laomedon die Wache der Schiffe unter Oïkles, der dabei sein Leben verliertAuch Argeios, ein Sohn des Likymnios, bleibt bei diesem Kampfe, daher eine feierliche Bestattung der Leichen folgte, der Sage nach die erste Feierlichkeit der Art, s. Schol. Il. 1, 52, obwohl Andre dieses bei der Erstürmung von Oechalia anreihen, Apollod. 2, 7, 7. Der Kampf des Herakles und Telamon gegen Laomedon im Giebelfelde des Athenatempels auf Aegina.. Darauf wird die Mauer berannt, wo Telamon zuerst durchbricht, Herakles erst als der zweite: worüber der Held dermaßen ergrimmt daß er sein Schwerdt gegen den Freund zieht. Dieser besänftigt ihn dadurch daß er schnell Steine zusammenrafft und einen Altar des Herakles KallinikosNach Hellanikos b. Tzetz. Lyk. 469 des H. Alexikakos, was Buttmann Mythol. 2, 147 vorzieht. Doch ist H. Kallinikos zugleich Alexikakos. d. h. des Siegers schlechthin errichtet. Endlich fällt Laomedon mit allen Söhnen bis auf den Podarkes den Pfeilen seines Bogens, Hesione aber wird als schönster Siegespreis dem Telamon gegebenSoph. Ai. 434. 1300, Xenoph. d. venat. 1, 9., der sie mit sich nach Salamis führt, wo sie von ihm die Mutter des Teukros wird. Als man ihr erlaubt von den Gefangenen mit sich zu nehmen wen sie wolle, wählt sie ihren noch unmündigen Bruder Podarkes, der darüber seinen Namen Priamos bekommen haben sollἀπὸ τοῦ πρίασϑαι, nach Apollodor u. Hygin. Bei Diod. 4, 32. 42. 49 setzt Herakles den Priamos gleich zum Könige ein, weil er sein Recht gegen den Vater vertreten. Bei Virg. A. 8, 157 ff. macht Priamos seiner Schwester Hesione einen Besuch auf Salamis., denn die Schwester mußte ihm erst durch einen Scheinkauf, indem sie ihre goldene Kopfbinde für ihn gab, wieder zur Freiheit verhelfen. Dann folgt auf der Rückkehr der von Hera verhängte Sturm und die Landung auf der von Meropern bewohnten Insel Kos, wo man die Helden, da man sie für Seeräuber hält, nicht landen lassen will, worüber es von neuem zu Sturm und Krieg kommtPind. N. 4, 25, Schol. vs. 40, wo Chalkiope eine ähnliche Rolle spielt wie Iole in der Dichtung von Oechalia. Vgl. Pherekydes b. Schol. Il. 14, 255 und von der Flucht und Bedrängniß des Herakles auf Kos Schol. Theokr. 7, 131 u. Plut. Qu. Gr. 58. Chalkodon b. Apollod. 2, 7, 1, Chalkon b. Theokr. 7, 6. Herakles wurde auf Kos als Ἄλεξις d. h. Schutz und Hort verehrt, s. Aristid. Herc. p. 60, welcher hinzusetzt: καὶ αὐτοῖς ἕστηκεν Ἡρακλῆς ἐκ ϑεοπροπίου ἐπηρμένος τῷ νώτῳ τὸ ῥόπαλον ὡς κύριος ὢν καὶ τὸν οὐρανὸν εἰς συμμετρίαν ἄγειν. Also ist für τὸ ῥόπαλον zu lesen τὸν πόλον. Auf Münzen von Kos sieht man Herakles mit dem kleinen Thessalos auf dem Arme.. In demselben erschlägt 237 Herakles den Eurypylos, einen Sohn des Poseidon, und seine Söhne; doch war es ein harter Kampf, in welchem der Held, von Chalkodon verwundet, sogar anfangs fliehen mußte und sein Leben verloren haben würde, wenn Zeus ihn nicht in der Noth gerettet hätte. Die Tochter des Eurypylos Chalkiope gebiert vom Herakles den Thessalos, dessen Söhne die Ilias 2, 679 unter den Führern vor Troja nennt. Als Herakles mit diesem Kampfe fertig ist, kommt Athena um ihn zur Schlacht der Götter mit den Giganten abzuholen, die ohne seinen Beistand nicht beendigt werden konnte (1, 58).