Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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c. Hellas und die Aeakiden.

Sagen von ehrwürdigem Alterthum und von unvermischt hellenischer Abstammung, da hier einmal wieder keine ausländischen Einflüsse stattgefunden haben. Dazu sind die Aeakiden, namentlich Achill und der große Aias, das höhere ideale Element im Heldengesange von dem Kriege vor Troja, die Tapferen, die Starken, die Ritterlichen schlechthin, die Alles durch ihren Muth zwangen und unsterblichen Ruhm einem kurzen Leben vorzogen, wie sie diesen Ruhm denn auch in reichlichstem Maaße gefunden habenPindar Isthm. 6, 24 οὐδ' ἔστιν οὕτω βάρβαρος οὔτε παλίγγλωσσος πόλις, ἅτις οὐ Πηλέος ἀίει κλέος ἥρωος, εὐδαίμονος γαμβροῦ ϑεῶν, οὐδ' ἅτις Αἴαντος Τελαμωνιάδα καὶ πατρός. Vgl. Hesiod oben S. 387, [Anmerkung 1355] u. b. Polyb. 5, 2, 6 οἵους Ἡσίοδος παρεισάγει τοὺς Αἰακίδας, πολέμῳ κεχαρηότας ἠύτε δαιτί, das Epigramm des Pyrrhos b. Plut. Pyrrh. 26 u. Paus. 1, 13, 2 αἰχμηταὶ καὶ νῦν καὶ πάρος Αἰακίδαι (Ennius meinte freilich mit Beziehung auf denselben König: stolidum genus Aeacidarum, bellipotentes sunt magis quam sapientipotentes, Cic. de divin. 2, 56, 116), endlich Aristot. rhet. 3, 17 ὃ ἔλεγε Γοργίας ὅτι οὐχ ὑπολείπει αὐτὸν ὁ λόγος· εἰ γὰρ Ἀχιλλέα λέγει Πηλέα ἐπαινεῖ, εἶτα Αἰακόν, εἶτα τὸν ϑεόν, ὁμοίως δὲ καὶ ἀνδρίαν.. Besonders ist das Lob ihres Heldenmuthes und ihrer Heldenstärke ein erbliches in der griechischen Poesie, obwohl Achilleus wenn er von den Waffen ausruht auch vom Ruhme der Vorfahren zu der Laute zu singen weiß und Aeakos, der Stammvater, durch ganz Griechenland wegen seiner Frömmigkeit berühmt war.

Die allgemeine Grundlage dieser Sage scheint ein alter Cultus des Zeus zu sein, in Gegenden welche Hellas hießen und von Völkerstämmen, welche sich wahrscheinlich mit Beziehung auf jenen Cultus Hellenen nannten und unter Königen und edlen Geschlechtern lebten, die sich vom Stamme des Aeakos, des Sohnes jenes Zeus der Hellenen ableiteten. Viele, unter ihnen Aristoteles, hielten die Landschaft Hellopia bei Dodona und den Quellen des Acheloos für das älteste HellasAristot. Meteor. 1, 14 von der Deukalionischen Fluth, es habe dieselbe stattgefunden περὶ τὸν Ἑλληνικὸν μάλιστα τόπον καὶ τούτου περὶ τὴν Ἑλλάδα τὴν ἀρχαίαν, αὔτη δ' ἐστὶν ἡ περὶ Δωδώνην καὶ τὸν Ἀχελῷον. Schol. Il. 21, 194 ἡ ἀρχαιοτάτη Ἑλλὰς περὶ Δωδώνην καὶ Σελλοὺς ἔκειτο, ὅϑεν ὁ Ἀχελῷος ἐκρέων etc. Vgl. Bd. 1, 96. Die Deukalionssage scheint erst später dahin übertragen zu sein., vielleicht nicht mit 392 Recht, doch wissen wir aus Il. 16, 233 daß Achilleus den Zeus von Dodona, den pelasgischen, als seinen Stammgott verehrte, so daß dieser Stamm und sein Gott also jedenfalls mit den ältesten Erinnerungen der griechischen Nation zusammenhing. Ferner begegnen wir einer Landschaft Hellas, der ältesten uns bekannten, und dem Stamme der Hellenen im südlichen Thessalien, in der Nachbarschaft von Phthia, wo Peleus und Achill ihr erbliches Reich hatten, letzterer vor Troja der Führer aller Völker von Pharsalos bis Trachis, welche sich Myrmidonen und Hellenen und Achaeer nanntenIl. 2, 681 ff.; 9, 395. 447. 478; 16, 595, Od. 11, 495 ff. u. A. Thuk. 1, 3 Ὅμηρος Ἕλληνας οὐδαμοῦ τοὺς ξύμπαντας ὠνόμασεν οὐδ' ἄλλους ἢ τοὺς μετ' Ἀχιλλέως ἐκ τῆς Φϑιώτιδος, οἵπερ καὶ πρῶτοι Ἕλληνες ἦσαν. Vgl. Str. 9, 431–434.. Endlich wurde auf Aegina, welche Insel später für das Stammland der Aeakiden gehalten wurde, Zeus als Ἑλλάνιος oder Πανελλήνιος verehrt d. h. als der von allen Hellenen angebetete Zeus der Bergeshöhen und des Wetters, welcher gleich dem Zeus ἀκραῖος auf dem obersten Pelion bald ein zürnender bald ein gnädiger war, je nachdem er seinen Hellenen den befruchtenden Regen spendete oder entzog. Sowohl in Thessalien als auf Aegina erscheint neben dem Namen der Hellenen der der Myrmidonen, welcher in Thessalien von einem Stammvater Myrmidon, einem Sohne des in eine Ameise (μύρμηξ) verwandelten Zeus abgeleitetClem. Al. Pr. p. 34 P., Arnob. 4, 26, wo die Mutter des Myrmidon Eurymedusa und T. des Kleitor, Clem. Ro. Homil. 5, 13, wo sie T. des Acheloos heißt, und wirklich gab es einen Acheloos in der Gegend von Lamia, Str. 434. Den Myrmidon kennen auch Hellanikos b. Athen. 10, 9 u. Apollod. 1, 7, 3., auf Aegina aber dadurch begründet wurde daß Zeus seinem Sohne Aeakos, dem ersten Könige von Aegina, sein Volk aus den Ameisen der Insel erschaffen habeHesiod b. Schol. Pind. N. 3, 21, Hygin f. 52, Ovid M. 7, 517 ff. u. A. Ohne Zweifel gab der Name der Myrmidonen den ersten Anlaß zu dieser Fabel. Doch schildert sie zugleich den Charakter der aeginetischen Bevölkerung, Ovid vs. 655 mores quos ante gerebant nunc quoque habent, parcumque genus patiensque laborum quaesitique tenax et qui quaesita reservent. Anders Str. 8, 375.. Was endlich den Namen der Hellenen betrifft so scheint sich derselbe im nördlichen Griechenland vorzüglich mit der Sage von Deukalion 393 und seinem Sohne Hellen verbreitet zu haben, welcher letztere bald als König von jenem alten Hellas bald als der der opuntischen Lokrer gedacht wurdeBd. 1, 65, [117] vgl. Str. 432 von einer zerstörten Stadt Hellas im Oberlande des Enipeus, deren Einwohner sich nach Melitaea (früher Pyrrha) gezogen, wo man auf dem Markte das Grab des Hellen und der Pyrrha zeigte., im südlichen mit der von dem frommen Könige Aeakos und seiner Fürbitte beim Zeus für alle Hellenen, in beiden Richtungen unter dem besondern Einfluß des delphischen Orakels.

Alte Sagen und Bilder dieses Zeuscultes, wie sie sich in verschiedenen Sitzen jener Bevölkerung verschiedentlich gestaltet hatten, mögen zu den Dichtungen vom Aeakos, vom Peleus, vom Achill und Aias, den durch alle Welt berühmten Heroen dieses Stammes geführt haben. Später wurden sie nach Art der genealogisirenden Mythendichtung auf ein bestimmtes Schema von persönlicher Abstammung und örtlicher Verzweigung zurückgeführt, dem man nur einen untergeordneten Werth beimessen darf. Läßt sich der ursprüngliche Sinn dieser Sagen auch nicht immer nachweisen, so leuchtet doch so viel ein daß auch hier der Aufschluß über das Aelteste in dem Kreise jenes Zeusdienstes und der damit zusammenhängenden Mythendichtung zu suchen ist.

Aeakos, der Sohn des Zeus und der von ihm nach Oenone entführten Aegina, einer Tochter des Asopos, ist wesentlich der durch seine Frömmigkeit und Gerechtigkeit berühmte Priesterkönig, der durch sein Gebet der durstenden Erde und den schmachtenden Hellenen Regen verschaffte und nach seinem Tode einer der Richter in der Unterwelt wurdeΒασιλεὺς χειρὶ καὶ βουλαῖς ἄριστος Pind. N. 8, 8, Ἑλλήνων ὁσιώτατος Plut. Thes. 10, εὐσεβέστατος ἁπάντων Apollod. 3, 12, 6. Wahrscheinlich hängt auch der Name mit dieser flehenden Fürbitte zusammen, welche in der Erzählung immer am meisten hervorgehoben wird, vgl. Schol. Pind. N. 5, 17, Schol. Ar. Eq. 1253 u. A., Αἰακὸς von αἰάζω d. i. στένειν, ϑρηνεῖν, vgl. αἴαγμα, αἰαγμὸς, αἰακὴ ἀπὸ τοῦ αἰάζω Arkad. 107, das letztere freilich bedenklich, doch kann Αἰακὸς nicht wohl von αἶα γαῖα abgeleitet werden. Also eigentlich ein Fürbitter, wie Ἀμφιάραος.. Aegina, nach welcher die Insel ihren gewöhnlichen Namen angenommen, ist zu einer Tochter des Asopos von Phlius und Sikyon geworden, nachdem die genealogisirende Dichtung diesen Fluß zu einem Stammvater vieler Geschlechter gemacht hatteBd. 1, 428, [1320]. Die Ortssage erklärte die Kohlen im Asopos durch den Blitz, durch welchen Zeus den verfolgenden Asopos heimgeschickt habe, Apollod. l. c. Zeus und Aegina als Weihgeschenk der Phliasier zu Olympia und Delphi, Paus. 5, 22, 4; 10, 13, 3, Vasenbilder u. A. b. Panofka Zeus u. Aegina, B. 1836, Gerhard apul. Vasenb. t. 6, Braun Ant. Marmorw. 1, 6. Eigentlich bedeutet Αἴγινα einen felsigen Strand, woran das Meer brandet, daher der Name auf der Insel Ios wiederkehrt, Plut. v. Homer. 3, Bd. 1, 444, [1366].. Eine weitere Folge davon 394 war die Sage daß Zeus die schöne Nymphe als Adler durch die Lüfte entführt habe, nur gesehen von Sisyphos auf Akrokorinth, der diesen Raub dem Vater verrieth und dafür zum Lohne auf seiner Burg die Quelle Peirene entspringen sah, aber seinen Verrath hernach durch die bekannte Strafe in der Unterwelt büssen mußte (S. 76). Auf der nach ihr benannten Insel gebiert Aegina vom Zeus den Aeakos, welcher, als die Hellenen bei schwerer Dürre von Ost und West zu ihm kamen, auf den höchsten Berg der Insel, wo Zeus Hellanios verehrt wurde, hinaufstieg und mit seinen reinen Händen zu ihm um Erbarmen flehte, worauf alsbald Gewölk sich zusammenzog und ein reichlicher Regen niederströmteClem. Al. Str. 6 p. 753, wo Aeakos den Zeus anfleht οἰκτεῖραι τετρυμένην τὴν Ἑλλάδα. Vgl. Isocr. Euagor. 15 σωϑέντες δὲ καὶ τυχόντες ὧν εδεήϑησαν ἱερὸν ἐν Αἰγίνῃ κατεστήσαντο κοινὸν τῶν Ἑλλήνων οὗπερ ἐκεῖνος ἐποιήσατο τὴν εὐχήν d. h. oben auf jenem Berge s. Bd. 1, 115, [269].. Das Heiligthum des Aeakos (τὸ Αἰάκειον) in der Stadt Aegina bewahrte noch zur Zeit des Pausanias ein Bildwerk, wo man die Abgesandten aller Hellenen sah, wie sie sich auf Befehl der Pythia an Aeakos gewandt hattenPaus. 2, 29, 6. Die Noth, in welcher Aeakos geholfen, wurde in Attika durch den Mord des Androgeos, im Peloponnes durch eine blutige That des Pelops motivirt, Apollod. 3, 12, 6, Diod. 4, 61. Schon b. Pindar N. 8, 11 kommen Gesandte aus Athen und Sparta..

Man erzählte vom Aeakos auch in Thessalien, und zwar scheint er auch hier für einen Diener des Zeus gegolten zu habenSteph. B. Δῖα (oder Δῖον) πόλις Θεσσαλίας, Αἰακοῦ κτίσμα.. Doch ist die vollständigere Sage jedenfalls aeginetischen Ursprungs, namentlich die genealogische Combination, durch welche Peleus und Telamon zu Söhnen des Aeakos und der Endeïs, also zu Brüdern geworden sind, da die Ilias nur den Achill als Aeakiden kennt und von einer Verwandtschaft zwischen Achill und Aias nichts weiß und noch der Genealog Pherekydes den Telamon und Peleus, die Väter des Aias und des Achill, wohl für Freunde, aber nicht für Brüder gelten lassen wollteApollod. 3, 12, 6. Pherekydes nannte den Telamon einen Sohn des Aktaeos, des Repräsentanten der attischen Akte, und der Glauke, einer T. des Kychreus, des Autochthonen von Salamis.. So war 395 man sich auch rücksichtlich ihrer Mutter Endeïs nicht einig, ob darunter die Tochter des Kentauren Chiron auf dem thessalischen Pelion zu verstehen sei oder eine Tochter des Skiron, nach welchem die Skironischen Felsen in der Nähe von Salamis und Megara benannt wurdenT. des Chiron nach Schol. Pind. N. 5, 12, Schol. Il. 16, 14, Hygin f. 14 u. A. T. des Skiron nach Plut. Thes. 10, Paus. 2, 29, 7, Apollod. l. c.; wie andrerseits die Nymphe Aegina, die Mutter des Aeakos, in Thessalien für die Gemahlin des Aktor und Mutter des Menoetios galt, den Hesiod sogar einen Bruder des Peleus genannt hatteEustath. Il. 112, 44 vgl. Pind. Ol. 9, 69, Schol. v. 107 und Apollod. 1, 7, 3. Aktor d. i. der Führer, der König, daher der Name in verschiedenen Genealogieen genannt wird, galt für einen Sohn des Myrmidon., so verschieden spielten auch hier die örtlichen Ueberlieferungen durcheinander. Genug alle diese Helden des troischen Sagenkreises, Achill und Aias der Telamonier, die Helden von Phthia und Salamis, auch Patroklus der Sohn des Menoetios und der lokrische Aias der Sohn des Oïleus, die Helden von Opus, bildeten später eine engverbundene Gruppe, sei es daß wirklich eine alte Stammverwandtschaft zwischen gewissen Geschlechtern dieser Gegenden bestand, sei es daß die combinirende Dichtung die durch alte epische Tradition Verbundenen später auch zu Verwandten gemacht hat. Eine Consequenz aber des gemeinschaftlichen Ausgangspunktes von Aegina war es daß Peleus und Telamon, die beiden Söhne der Aegina, ihre angebliche Heimath in Folge eines außerordentlichen Anlasses aufgeben mußten. Es ist dieses ein von beiden Brüdern gegen ihren dritten Bruder Phokos begangenes Verbrechen, von welchem schon die Alkmaeonis wußteSchol. Eur. Androm. 678 vgl. Hesiod th. 1003 und Pind. N. 5, 12. Die Nereide verwandelt sich in eine φώκη, daher der Name Φῶκος, den man natürlich auch mit dem der Phoker combinirte, obwohl der Eponym von diesen eigentlich für einen Enkel des Sisyphos galt, Apollod. 3, 12, 6, Schol. Il. 16, 14, Schol. Pind. N. 5, 25, Antonin. Lib. 38, Paus. 2, 29, 2; 10, 1, 1; 4, 7 vgl. 2, 4, 3.. Die Nereide Psamathe hatte ihn dem Aeakos geboren, und er war so gut und lieb und so geschickt in allen Leibesübungen, daß der Vater ihn mehr als seine beiden älteren Söhne liebte und diese deshalb einen tödtlichen Haß gegen den jüngeren Bruder faßten. Also erschlugen sie ihn und mußten nun, vom Zorne des Vaters bedroht, ihr Glück in der Fremde suchen. So gelangte Telamon nach Salamis, Peleus nach Phthia.

Der Name Πηλεὺς bedeutet wahrscheinlich dasselbe was 396 Πάλλας, also einen Schwinger, den Schwinger der furchtbaren Todeslanze vom Pelion, welche vom Peleus auf seinen Sohn Achilles übergegangen istIl. 16, 141 τὸ μὲν οὐ δύνατ' ἄλλος Ἀχαιῶν πάλλειν, ἀλλά μιν οἷος ἐπίσταται πῆλαι Ἀχιλλεύς Πηλιάδα μελίην, τὴν πατρὶ φίλῳ πόρε Χείρων Πηλίου ἐκ κορυφῆς, φόνον ἔμμεναι ἡρώεσσιν. Πηλεὺς von πῆλαι, gegen welche Ableitung aber Pott Z. f. vgl. Spr. 8, 177 Bedenken äußert. und ein eben so wesentliches Attribut dieser beiden Aeakiden bildet als der ungeheure Schild des großen Aias. Auch ist Peleus mit einem wunderbaren Messer ausgerüstet, einer Gabe des Hephaestos, welches seine Feinde im Kuhmist verstecken, er aber findet es mit Hülfe des Chiron wieder, des guten Berggeistes vom Pelion, seines stets bereitwilligen Freundes und wird dann sowohl der wilden Kentauren des Gebirges als seiner Feinde Herr: das sind märchenhafte Züge einer alterthümlichen UeberlieferungZuerst bei Hesiod, Schol. Pind. N. 4, 95. Der Kuhmist, Apollod. 3, 13, 3 τὴν μάχαιραν ἐν τῇ τῶν βοῶν κόπρῳ κρύψας ἐπανέρχεται, erinnert an den Stall des Augeias, vgl. oben S. 200. Auch dieses Messer soll von Peleus auf Achill und von diesem auf Neoptolemos übergegangen sein, Tzetz. Lyk. 328., welche ursprünglich wohl auch noch einen anderen Sinn als den der gewöhnlichen Sage hattenApollod. l. c., Tzetz. Lyk. 175 p. 444, zum Theil nach Pherekydes.. Nach dieser erscheint der aus Aegina flüchtige Peleus zuerst in Phthia beim Eurytion, einem Sohne des Aktor, desselben Aktor wie es scheint welcher sonst als Vater des Menoetios genannt wurde. Eurytion giebt ihm den dritten Theil seines Gebietes und seine Tochter Antigone, die vom Peleus die schöne Polydora gebiert, die Geliebte des Flußgottes Spercheios und Mutter des Menesthios, welcher neben Achill über die Myrmidonen gebietetIl. 16, 173 ff. Der angebliche Vater war Βῶρος ὁ Περιήρους. Auch Hesiod hatte davon erzählt und Pherekydes die Polydora eine Schwester des Achill genannt, Schol. 175. Andre nannten Aktor anstatt des Eurytion, Diod. 4, 72. Ueber die verschiedenen Frauen und die Tochter des Peleus s. Vater im Archiv f. Philol. u. Pädag. 17, 181 ff.. Dann geht Peleus mit seinem Schwiegervater auf die Jagd des kalydonischen Ebers, bei welcher er ihn unfreiwillig tödtetAristid. 2 p. 168 πέπονϑας ταυτὸν τῷ Πινδάρου Πηλεῖ, ὃς τῆς τε ϑήρας διήμαρτε καὶ τὸν Εὐρυτίωνα φίλτατον ὄντα ἑαυτῷ προσδιέφϑειρε. τὸ δ' αὐτὸ κἀν τοῖς ὕστερον οἶμαι Ἀδράστῳ τῷ Γορδίου φασὶ συμβῆναι. Die kalydonische Jagd nennt Apollodor. Andre wissen nur von einer gewöhnlichen Jagd, s. Antonin. Lib. 38, Schol. Aristid. 3 p. 463 Ddf. Pindar hatte den Peleus auch an dem troischen und dem Amazonenzuge des Herakles und an der Argonautenfahrt theilnehmen lassen, Schol. Eur. Androm. 781., 397 daher er auch Phthia wieder verläßt und weiter nach Iolkos zum Akastos, dem Sohne des Pelias flüchtet, wo er von neuem gereinigt wird und einen bleibenden Aufenthalt nimmt, wie er denn auch als Theilnehmer des Argonautenzugs und der Leichenspiele des Pelias genannt wurde, auf diesen als Ringer, der sich mit der Atalante gemessenS. oben S. 339 und Philostr. gymn. 3, wo Peleus in den Spielen der Argonauten auf Lemnos Alle im Ringen besiegt und zugleich der erste Sieger im Pentathlos ist. Wahrscheinlich bestimmte das Wortspiel πάλη und Πηλεὺς zu solchen Dichtungen.. In Iolkos bereitet ihm die verschmähte Liebe der Frau des Akastos neue Abenteuer, welche zu seiner größten Verherrlichung führen sollten. Sie verleumdet ihn bei der verlassenen Antigone in Phthia, die sich darüber das Leben nimmt, und beim Akastos (bei diesem wie Stheneboea den Bellerophon beim Proetos), worauf derselbe auf einer Jagd im Pelion durch List seinen Tod herbeizuführen sucht. Denn immer wurde Peleus unter den berühmtesten Jägern der Vorzeit genannt, und der Volksgesang scheint sich auch in dieser Hinsicht viel mit ihm beschäftigt zu habenPeleus auf der Hirschjagd als Gegenstück zu der Eberjagd des Meleager b. Gerhard A. V. t. 327. Vgl. Xenoph. de venat. z. A., Philostr. Her. 9, Apollod. l. c.. So soll er auch auf dieser Jagd alle übrigen Theilnehmer durch die Zahl der von ihm erlegten Thiere, die er durch die ihnen ausgeschnittenen Zungen nachwies, beschämt, dann aber sich zum Schlafe niedergelegt haben, worauf Akastos sein Messer im Kuhmist versteckte und ihn in dem wilden Gebirge allein ließ. Denn die Götter hatten ihn zum Lohne für seine Mäßigung durch Hephaestos mit jenem Messer von so wunderbarer Kraft ausrüsten lassen, daß Peleus dadurch in allen Gefahren der Jagd und des Handgemenges Sieger bleiben mußte; Akastos aber versteckte es in der Absicht daß Peleus danach suchend den wilden Kentauren in die Hände fallen solle. Und wirklich geschah dieses und es wäre sein Tod gewesen, wenn nicht Chiron seinem lieben Freunde zu Hülfe gekommen und ihm wieder zu seinem Messer verholfen hätte, mit welchem der Held nun nicht allein jener Ungethüme des Gebirges Herr wird, sondern auch nach Iolkos zurückkehrend König und Königin tödtet und darauf selbst über die Stadt und ihre Herrschaft verfügtHesiod hatte ausführlich von diesen Abenteuern erzählt, s. Porphyr z. Il. 6, 164. 165 b. Valcken. z. Ammon, p. 242 Ἡσίοδος τὰ περὶ τοῦ Πηλέως καὶ τῆς Ἀκάστου γυναικὸς διὰ μικρὸν ὑπεξελϑών. Auch Pindar kommt wiederholt darauf zurück, N. 3, 33 γέγαϑε Πηλεὺς ἄναξ ὑπέραλλον αἰχμὰν ταμών, ὃς καὶ Ἰαωλκὸν εἶλε μόνος ἄνευ στρατιᾶς, 4, 54 ff. (wo die Schol. v. 95 ein längeres Bruchstück aus der Erzählung Hesiods bewahrt haben); 5, 26 ff. Vgl. überdies Apollod. 3, 13, 3, Schol. Apollon. 1, 224, Schol. Pind. N. 4, 88, Antonin. Lib. 38, und über das oft erwähnte Messer des Peleus Aristoph. Nub. 1063 Schol., Zenob. 5, 20, Serv. V. A. 9, 505. Nach Pherekydes b. Schol. Pind. N. 3, 55 nahm er Iolkos mit Hülfe Jasons und der Dioskuren, vgl. Apollod. 3, 13, 7, Nicol. Damasc. fr. 56 (Hist. Gr. fr. 3, 389) und Suid. v. Ἀταλάντη. Von Euripides gab es einen Peleus, welcher vermuthlich dieselben Abenteuer und den traurigen Ausgang der treuen Antigone behandelte..

398 Doch war ihm eine noch viel größere Verherrlichung zugedacht, die Vermählung mit der Thetis, durch welche er Vater des Achilleus wurde: eine der berühmtesten Sagen des Alterthums, von welcher viele Dichter gesungen hatten, für deren Verlust die alterthümlichen Vasenbilder und andre Bildwerke einigermaßen entschädigen. Nach Ilias 24, 59 hat Hera die Thetis aufgezogen und dem Peleus zum ehelichen Gemahl gegeben, weil dieser den Göttern lieb war, aber gegen den Willen der mächtigen Nereide, da Thetis Il. 18, 432 ff. über Zwang klagtVgl. Apollon. 4, 790 ff., wo Hera vollends als die eigentliche Anstifterin der Ehe zwischen Peleus, des ἄριστος ἐπιχϑονίων, und der Thetis geschildert wird.. Die späteren Sagen erzählten daß Zeus und Poseidon um die mächtigste der Nereiden gefreit hatten, bis Themis oder Prometheus den Willen des Schicksals offenbarte daß ein Sohn der Thetis vom Zeus der Herr des Himmels werden müsse, worauf die Götter ihre Vermählung mit Peleus beschließenPind. I. 7, 26 ff., Apollod. 3, 13, 5, Schol. Il. 1, 519, Bd. 1, 78. 434.. Doch ergiebt sich die Göttin dem sterblichen Manne nur gezwungen, wobei Peleus wieder von seinem engverbundenen Freunde berathen wird, dem Kentauren Chiron, neben welchem Peleus in einem Orte Thessaliens sogar mit Menschenopfern verehrt worden sein sollClem. Al. Protr. p. 37 P., wo aus einem sonst nicht bekannten Schriftsteller die Nachricht erhalten ist, ἐν Πέλλῃ τῆς Θετταλίας Ἀχαιὸν ἄνϑρωπον Πηλεὶ καὶ Χείρωνι καταϑύεσϑαι, wofür Panofka Berl. Mtsber. 1857 S. 479 scharfsinnig vermuthet ἀχαιίνην d. h. ἔλαφον, vgl. Schol. Apollon. 4, 175, Hesych s. v., Lob. Proleg. 215, durch welches Wort vielleicht auch die Hyperboreerin Ἀξαιία b. Paus. 5, 7, 4 sich erklären ließe. Doch ist es selten und Clemens spricht in dem Zusammenhange nur von Menschenopfern. Aus Clemens wiederholt Cyrill dieselbe Nachricht mit einigen Varianten, Hist. Gr. fr. 4, 454.. Also belauert er die Nereide in einer Grotte am Meere, wie Menelaos den Proteus, und bezwingt sie trotz aller Verwandlungen und vieler Schrecknisse von Schlangen und wilden Thieren; man zeigte den Ort wo dieses geschehen war an dem Sepiasstrande der magnetischen 399 Halbinsel unter dem Pelion, und verehrte dort wie an vielen anderen Punkten der griechischen Küste Thetis im Kreise der andern NereidenHerod. 7, 191. Vgl. Pind. N. 3, 35 ποντίαν Θέτιν κατέμαρψεν ἐγκονητί, 4, 62 πῦρ δὲ παγκρατὲς ϑρασυμαχάνων τε λεόντων ὄνυχας ὀξυτάτους ἀκμὰν τε δεινοτάτων σχάσαις ὀδόντων ἔγαμεν ὑψιϑρόνων μίαν Νηρείδων, Soph. b. Schol. Pind. N. 3, 60, wo Thetis sich in Löwe und Schlange, Feuer und Wasser verwandelt, Eurip. Androm. 1257 ff., Ovid M. 11, 229 ff. u. A. Auch viele Vasenbilder, welche bald die Verfolgung bald den Kampf darstellen, mit und ohne Verwandlungen, s. Overbeck 172 ff., Leipz. Ber. 1852 t. 6. S. 96, Roulez choix de vases p. pl. 12. Bei den Späteren verwandelt sich Thetis εἰς σηπίαν, wegen der Σηπιὰς ἀκτή, Schol. Ap. 1; 582, Tzetz. Lyk. 178.. Dann wird in der bedeutungsvollen Höhle des Chiron auf dem Gipfel des Pelion das Beilager gefeiert, zu welchem wie bei dem des Kadmos und der Harmonia alle Götter erschienen und Geschenke brachten, während Apollo und die Musen von der Zukunft seines Sohnes sangen. Damals schenkte Chiron dem Peleus seine berühmte Lanze, eine Esche vom Pelion, Poseidon die Rosse, alle Götter die Waffen, mit denen Achill vor Troja kämpfteIl. 16, 143 ff. 867; 17, 194. 443; 18, 84; 19, 390; 23, 277; 24, 62. Hesiod dichtete ἐπιϑαλάμια εἰς Πηλέα καὶ Θέτιν. Vgl. Pindar N. 3, 56; 5, 22 ff., Eurip. Iphig. A. 704. 1040 ff., Catull 64. Vasenbilder und andre Bildwerke b. Overbeck 197 ff. Höchst merkwürdig ist die figurenreiche Darstellung auf der Vase des Klitias u. Ergotimos (S. 293, [Anmerkung 1066]) in der Archäol. Ztg. 1850 t. 23. 24, b. Overbeck t. 9, 1.. Aber auch Eris erschien, nicht geladen doch um so verderblicher, denn sie warf bei diesem Feste jenen Apfel unter die Göttinnen, welcher die Aufschrift »der Schönsten« trug und dadurch zu dem Urtheile des Paris und weiter zu dem Raube der Helena und zu dem Trojanischen Kriege führteIn diesem Sinne erzählten namentlich die Kyprien von der Hochzeit, Schol. Il. 16, 140.. Dann führte Peleus sein Gemahl nach dem schönen Enipeusthale in die Gegend von Pharsalos, wo man später das Thetideion zeigte, in welchem Thetis als Gattin des Peleus gewohnt habeDieses Thetideion wird wiederholt erwähnt in Euripides Andromache. Vgl. Str. 9, 431, Schol. Pind. N. 4, 81 u. A.. Dort verlebte auch Achilleus seine Jugend, obwohl die Mutter nicht selten mit ihm an den vertrauten Meeresstrand unter dem Pelion zu ihren Schwestern den Nereiden ging oder zum alten Vater Nereus in die Tiefe des Meeres, wo sie ihrem Kinde schöne Märchen und alte Göttergeschichten erzählteIl. 1, 396 vgl. 16, 574, wo Thetis als bleibende Gemahlin des Peleus gedacht wird.. Peleus aber blieb der Liebling der Götter wie er es nach Il. 24, 534 ff. von seiner 400 Geburt an gewesen war, ein mächtiger und reicher König seiner tapferen Myrmidonen, Hellenen und Achaeer und mit allen guten Gaben gesegnet, nur daß Thetis ihm blos den einen Sohn und diesen ach! zu so frühem Tode gebar.

Achilleus, der Sohn dieses Paares, ist durch die griechische Heldendichtung in ihren besten Zeiten in solchem Grade zum epischen Helden geworden, daß eine Vermuthung über eine andre und frühere Bedeutung als diese epische kaum an ihrer Stelle ist. Auch giebt der Name trotz vieler etymologischen Vermuthungen keinen sicheren AufschlußEinige haben Ἀχιλλεὺς und Ἀχελῷος für verschiedene Sprossen derselben Wurzel erklärt, was sich in mancher Hinsicht empfiehlt, in andrer bedenklich bleibt, s. Welcker ep. Cycl. 2, 37, Rückert Trojas Ursprung 144 ff. G. Curtius Grundz. d. Etym. 1, 95 erklärt Ἀχι-λεύς durch Ἐχέλαος Volkshalter, Pott Z. f. vgl. Spr. 9, 211 Ἀχ-ιλεύς durch »Betrüber der Ilier« ἀπὸ τοῦ εἶναι ἄχος τοῖς Ἰλιεῦσιν, wie schon Kallimachos erklärte b. Cramer Anecd. Oxon. 4, 403, 27.. Wohl aber hat sich die Sage und Dichtung bemüht zu dem aus der Bias und den übrigen Gedichten des troischen Sagenkreises so wohl bekannten Bilde eine entsprechende Jugendgeschichte zu erfinden, die nach dem Geiste der Zeiten verschieden ausfiel. Nach der Bias pflegte der alte Phoenix seiner kindlichen Jahre, derselbe welcher ihm vom Vater nach Troja als Rath und Beistand mitgegeben wurde. Vom Chiron läßt dasselbe Gedicht ihn die Heilkunde für Wunden lernen, sein Haupthaar aber, welches er später dem todten Freunde darbrachte, vom Peleus dem heimathlichen Flußgotte Spercheios geweiht werden; ein Beweis mehr daß die ältere Tradition sich die Pflege und das Gedeihn seiner jungen Jahre wie die jedes andern griechischen Jünglings dachteIl. 9, 485 ff.; 11, 832; 23, 140 ff.. Dahingegen man später allerlei Wunderbares und eine frühe Trennung der unsterblichen Mutter von dem sterblichen Vater hinzufügte. Schon das alte Gedicht vom Könige Aegimios erzählte daß Thetis ihre vom Peleus gebornen Kinder in ein Becken mit siedendem Wasser geworfen habe, um zu erfahren ob sie sterblich oder unsterblich seien, und daß auf diese Weise mehrere umgekommen seien, bis Peleus den Achill gerettet habe, aber darüber mit seiner Mutter zerfallen sei: wofür Andre dichteten daß diese ihn wie die eleusinische Demeter den Sohn des Keleos Nachts ins Feuer gelegt, Tags mit Ambrosia gesalbt habe, um ihn auf diese Weise unsterblich zu machen, bis Peleus einst in der Nacht sein Kind in den Flammen sah und durch seine Angst das Werk 401 unterbrach und Thetis verscheuchteApollon. 4, 865 ff., Schol. v. 816, Apollod. l. c. Nach Lykophr. 178 waren vor dem Achill sechs andre Knaben im Feuer umgekommen. Noch später ist die Dichtung von der Eintauchung in die Styx, s. Statius Achill. 1, 269 ff. und die Bildwerke b. Overbeck 284.. Darauf bringt Peleus den Achill zum Chiron, der den Knaben mit dem Gedärm von Löwen und dem Mark von Ebern und Bären großzieht, ihm den Namen Achilleus giebt, den die Alten nach ihrer spielenden Weise erklärenNach Apollod. 3, 13, 6 hieß er früher Αἰγύρων d. h. der Schreier und wurde dann Ἀχιλλεὺς genannt ὅτι τὰ χείλη μαστοῖς οὐ προσήνεγκε, weil er seine Lippe an keine Brust gelegt, vgl. Tertull. de pall. 4 quandoquidem labiis vacuerat ab uberum gustu. Euphorion b. Et. M. v. Ἀχιλλεὺς erklärte den Namen, weil er vom Chiron zu den Myrmidonen zurückgekehrt sei χιλοῖο πάμπαν ἄπαστος, ohne bis dahin gewöhnliche Kost genossen zu haben, Meineke Anal. Al. 98, ein Dichter bei Tzetz. Lyk. 460, er habe früher Πυρίσοος d. h. der aus dem Feuer Gerettete geheißen, sei aber dann Achilleus genannt worden weil das Feuer ihn der einen Lippe (χεῖλος) beraubt habe., und darauf in der Jagd und Heilkunst oder, wie die Späteren dichteten und malten, in allen ritterlichen und musischen Künsten unterrichtete. Unter den angeblichen Gedichten des Hesiod befand sich eins, Χείρωνος ὑποϑῆκαι betitelt d. h. die Sprüche des Chiron, wo gewisse Grundzüge der Gottesfurcht, Tugend und Weisheit nach griechischer Lebenserfahrung in der Form einer Lehre des weisen Kentauren an seinen Zögling eingekleidet warenVgl. Pindar P. 6, 21 ff., Eurip. Iphig. A. 926 ff., Stat. Achill. 2, 443 ff., Schneidewin de Pittheo Troezen. 5–9.; wie man sich denn später in den philosophischen Schulen bemühte, den Achill der heranwachsenden Jugend als ein Muster der Tapferkeit und der vollendeten Liebenswürdigkeit anzuempfehlen, in welchem Sinne der Zögling des Chiron namentlich von Gorgias und vom Herakles des Antisthenes gepriesen wurdeDer Herakles des Antisthenes sagte von ihm: μέγας γὰρ καὶ καλὸς καὶ ὡραῖος· οὐκ ἂν αὐτοῦ ἠράσϑη δειλὸς ἐραστής, vgl. Schneidewin l. c. p. 6 und über den Achill des Gorgias Foß de Gorg. Leont. p. 77. Herakles und Achill beim Chiron zusammentreffend auch b. Ovid F. 5, 381 ff.. Dahingegen sich die Dichter und Künstler darin gefielen entweder das idyllische Zusammenleben des Heldenknaben mit Chiron und den ihn umgebenden Waldfrauen, der Philyra und Chariklo, weiter auszumalenBei Apollon. 1, 553 schaut Achill auf dem Arme der Philyra den abfahrenden Argonauten zu, während Chiron ihnen Glück auf die Reise wünscht. Vgl. 4, 812 und Pind. N. 3, 43 Φιλύρας ἐν δόμοις. Eine romantische Ausführung der Geschichte des Peleus und Achill nach Art der späteren Redekünstler b. Philostr. Her. 729 sqq. oder die 402 kindlichen Uebungen seiner Kraft zu schildern, wie er bald daheim in der Höhle des Kentauren den Speer schwang und spielend große Dinge verrichtete, bald draußen im Walde Löwen und Eber tödtete und ihre noch zuckenden Leiber zu seinem Lehrer trug, sechsjährig zuerst und die ganze Zeit hindurch; es staunten über ihn Artemis und Athena, wenn er ohne Hunde und ohne Netze selbst der flüchtigsten Hirsche Meister wurde, so groß war die Schnelligkeit seiner FüßePind. N. 3, 43–52, wo das ἑξέτης τὸ πρῶτον den Anfang seines Unterrichts beim Chiron ausdrückt, da auch Hesiod so gedichtet hatte, s. Quintil. 1, 1, 15. Ueber die Jagdübungen vgl. Soph. b. Eust. Il. 877, 59 τὸν Ἀχιλλέα τραφῆναι φησὶν ἐν τῷ Πηλίῳ πᾶν μῆλον (d. i. ϑηρίον) ϑηρῶντα.. Auch die Vasenbilder und sonstige Kunstdarstellungen beschäftigen sich gerne mit seiner Jugend; vorzüglich findet sich in verschiedenen Wiederholungen, besonders auf Pompejanischen Wandgemälden eine Gruppe von ausgezeichneter Schönheit, wo der Kentaur den jungen Heros im Spiele der Lyra unterrichtetTernite 1, 5. 6, Zahn 2, 23; 3, 25. 32. 33. Wahrscheinlich liegt ein Meisterwerk zu Grunde, vgl. Plin. 36, 29 nec minor quaestio est in Septis Olympum et Pana, Chironem cum Achille qui fecerint. Mehr bei Overbeck a. a. O. 282 ff.. Oder man ließ ihn seine Mutter und den alten Nereus und die Nereiden besuchen oder vor dem Zuge gegen Troja Abschied von ihnen nehmenAchill als Knabe vom Hermes zu Nereus und den Nereiden geführt, Vase aus Nocera, Bullet. Nap. N. S. 5 t. 2, mit den Namen Thetis, Kymothoe, Psamathe. Achill sich beim Nereus verabschiedend b. Welcker A. D. 3, 401 ff. t. 25.. Denn hatte sich Thetis auch von dem sterblichen Gemahle getrennt, so konnte sie doch von dem Sohne nicht lassen, sondern immer umgab und begleitete sie ihn schützend und vorsorgend, sie und ihre Schwestern, der Chor der Nereiden, durch das Leben bis zu seinem Tode und zur endlichen Verklärung durch welche die Getrennten wieder vereinigt wurden, auch Peleus der Vater und Neoptolemos der Sohn des Achill: ein Reiz für den Volksglauben und zur Märchendichtung an mancher Küste und an mancher StrommündungBd. 1, 435, [1340]. Der verklärte Peleus mit der Thetis wiedervereinigt, Eurip. Androm. 1257..

Telamon, der Vater des großen Aias, ist gleichfalls erst durch das jüngere Epos und die attische Tragödie mehr hervorgezogen worden. Seinem Namen nach ist er der Dulder, der 403 TrägerΤελαμὼν von der Wurzel τελ ταλ, daher die Τελαμῶνες in der Architectur, wie Ἄτλαντες. Telamonische Faustschläge sagte man sprichwörtlich, Hesych Τελαμώνιοι κονδύλοι, vgl. den Komiker b. Athen, 6, 34., denn die gewaltige Kraft des Sohnes ist ein Erbe seines Vaters. Seine Heimath ist nach der gewöhnlichen, durch attischen Einfluß bestimmten Erzählung die Insel Salamis, wohin er nach dem Morde des Phokos von Aegina seine Zuflucht nimmtSoph. Ai. 134. 596, Eurip. fr. 534 (Macrob. S. 5, 18, 17), wo Telamon als Theilnehmer der kalydonischen Jagd geschildert wird, ein goldner Adler auf seinem Schilde, sein Haupt mit Trauben bekränzt, Σαλαμῖνα κοσμῶν πατρίδα τὴν εὐάμπελον. Vgl. Apollon. 1, 90 ff., Paus. 1, 35, 2; 2, 29, 7 u. A. Telamon war in Athen nicht weniger populär als Aias, vgl. die Skolien b. Athen. 15, 50 u. Hesych Τελαμῶνα ᾄδειν.. Der dortige König und Autochthon Kychreus hinterläßt ihm das Reich. Sein Weib ist Eriboea oder Periboea, eine Tochter des Pelopiden Alkathoos aus MegaraἘρίβοια bei Pindar und Sophokles, Περίβοια bei Xenoph. Kyneg. 1, 9, Apollodor u. A., zu welchem Staate die Insel Salamis in älterer Zeit gehörte. Dann kommt Herakles um ihn zum Zuge gegen Troja abzuholen und betet bei der Einkehr zum Vater Zeus, daß er dem engverbundenen Freunde einen Sohn schenken möge. Zum Zeichen der Erhörung erscheint ein Adler, daher der Name AiasS. oben S. 233. Der Name wurde oft mit dem Digamma ausgesprochen Αἴϝας, etr. aivas. In Italien schrieb man früher Aiiax.. Oder, wie Andre, namentlich Aeschylos dichteten, Herakles erschien kurz nach der Geburt des Aias, nahm das Kind beim Gebete auf seinen Arm und hüllte es in seine Löwenhaut, daher Aias an seinem ganzen Leibe bis auf eine kleine Stelle an der Achsel unverwundbar gewordenSchol. Soph. Ai. 833, Schol. Il. 14, 404; 23, 821, Lykophr. 455 ff.. Von Troja brachte Telamon als Ehrenpreis der Beute Hesione, die Tochter des Laomedon nach Salamis, wo sie den Teukros von ihm gebar, den bekannten Halbbruder des AiasS. oben S. 236. Τεῦκρος Τελαμώνιος Il. 13, 170. Auch am Argonautenzuge und an dem Zuge des Herakles gegen Elis soll Telamon sich betheiligt haben, daher man auch zu Pheneos ein Grab des Telamon zeigte, Paus. 8, 15, 3, Schol. Pind. Ol. 11, 39..

So ist auch bei den Ueberlieferungen von diesem Helden, dem tapfersten vor Troja nächst dem Achill, zwischen denen des alten Epos und denen der jüngeren Zeit, wo attische Ansprüche und die Tragödie einwirkten, wohl zu unterscheiden. Die Ilias kennt ihn wie gesagt noch nicht als Aeakiden, wohl aber 404 als den Besten nach AchillIl. 2, 768; 13, 321 ff.; 17, 279, Od. 11, 469. 556. Eben so Alkaeos fr. 48 Κρονίδα βασίληος γένος Αἴαν, τὸν ἄριστον πέδ' Ἀχίλλεα und das Skolion l. c. παῖ Τελαμῶνος Αἶαν αἰχμητά, λέγουσί σε ἐς Τροίαν ἄριστον ἐλϑεῖν Δαναῶν μετ' Ἀχιλλέα. Vgl. Soph. Ai. 1340, Horat. S. 2, 3, 193., dem er gleich ist an Muth und Kraft, nur daß Achill ein Idealbild des behenden Kriegers ist und dabei von anmuthiger Sitte und lebhafter Empfindung für Zorn und Leidenschaft, aber auch für Liebe, Freundschaft, Dichtung und alle zarteren Lebenstriebe, während am Aias Alles riesig ist und wuchtig, er selbst bedächtig und kurz angebunden, so daß er sich ganz zum heroischen Vorbilde des schwergerüsteten Phalangiten eignete. Er ist von gewaltigen Gliedern (πελώριος Il. 7, 211), breiter und höher als alle Uebrigen (3, 226 ff.), von unerschütterlicher Kraft und Mannheit, der πύργος Ἀχαιῶν mit seinem ungeheuren Schilde, den er wie einen Thurm vor sich herträgt und der so wesentlich zu ihm und zu seinem Andenken gehörte daß sein nach Athen verpflanzter Sohn, der Erbe seines Schildes, Eurysakes d. h. Breitschild, ein Heiligthum in Athen Eurysakeion genannt wurde und Salamis seine Münzen mit diesem weltberühmten Schilde schmückteBröndsted Reisen u. Unters. 2, 312–314.. Viele Worte macht er nicht, aber immer ist er unerschrockenen Gemüthes (ἄγλωσσος μέν, ἦτορ δ' ἄλκιμος Pindar) und im Kampfe voran, in allen kritischen Momenten der Schlacht ihre Stütze, und wenn er weichen muß grimmig wie ein Löwe, den die Hunde und Wächter der Nacht mit Spießen und Bränden von der fetten Heerde zurücktreiben, oder zäh wie ein Esel, der sich in ein üppiges Kornfeld gedrängt hat und trotz aller Schläge eifriger Knaben nicht wieder herauszubringen ist (Il. 11, 545–565). Dahingegen der Charakter des späteren Aias wesentlich dadurch bestimmt wird daß er so gut wie Achill Aeakide, also ein Sprößling des Zeus ist (Soph. Ai. 389. 641), ferner nicht mehr blos ein salaminischer, sondern ein attischer Landesheros, endlich ein tragischer Held, wie wir ihn namentlich durch den Aias des Sophokles kennenWelcker kl. Schr. 2, 264–355.. Ein attischer Held war er geworden seitdem Salamis aus dem Besitze von Megara in den von Athen übergegangen war; bei welcher Gelegenheit die Ilias durch einen von Solon eingeschobenen Vers die Ansprüche Athens hatte unterstützen müssenSolon schaltete im Schiffskataloge Il. 2, 557 nach Αἴας δ' ἐκ Σαλαμῖνος ἄγεν δυοκαίδεκα νῆας den Vers ein στῆσε δ' ἄγων ἵν' Ἀϑηναῖων ἵσταντο φάλαγγες. In Megara dagegen las man: Αίας δ' ἐκ Σαλαμῖνος ἄγεν νέας ἔκ τε Πολίχνης ἔκ τ' Αἰγειρούσσης Νισαίης τε Τριπόδων τε, lauter kleine megarische Ortschaften, Plut. Sol. 10, Str. 9, 394.. Ja der 405 salaminische Aias wurde durch Kleisthenes sogar zu einem attischen Stammesheroen und in der Zeit der Perserkriege schienen Aias und die Aeakiden von Aegina sich in der Tapferkeit der nach ihm benannten Phyle und in den Streitern von Salamis von neuem zu offenbarenHerod. 5, 66; 8, 64. 121, Plut. Them. 15, Sympos. 1, 10, 3.. Dazu kam der Einfluß der attischen Tragödie, für welche das Schicksal des Aias nach dem Streite über die Waffen des Achill, auch das seines Halbbruders, des Teukros, und seines Sohnes Eurysakes von der gefangenen Königstochter aus Phrygien, der Tekmessa, ein beliebter Gegenstand war. Früher hatte es geheißen, Athena habe bei jenem Streite zu Gunsten des Odysseus gegen Aias entschieden, vermuthlich aus keinem andern Grunde als weil der herkömmliche Verlauf des trojanischen Kriegs die Klugheit des Odysseus zuletzt für wichtiger hielt als die Tapferkeit des Achilles und Aias. Jetzt mußte Aias als unterliegender auch der schuldige sein; daher derselbe Held, welchen die Ilias verständig nennt und als gottesfürchtig schildertIl. 7, 289 sagt Hektor zu ihm: ἐπεί τοι δῶκε ϑεὸς μέγεϑος τε βίην τε καὶ πινυτήν, περὶ δ' ἔγχει Ἀχαιῶν φέρτατος ἐσσί. Beispiele seiner Gottesfurcht Il. 7, 194; 17, 645. Dagegen Soph. Ai. 756 ff., nun zu einem Frevler gegen die Götter überhaupt und gegen Athena insbesondre wurde, wofür diese ihn mit Wahnsinn straft und in diesem Wahnsinn sich mit solcher Schmach beladen läßt daß er nicht länger leben mochte, eine Auffassung welche nach Sophokles die allgemeine wurde. Ja dieser Held ist darüber bei den späteren, namentlich den römischen Dichtern vollends zu einem prahlerischen und jähzornigen Kriegsmann geworden, dessen Fehler von selbst zu seinem Untergange führten, Odysseus ihm gegenüber freilich auch zu einem zungenfertigen Advocaten, welcher mehr durch seine Schlauheit und Beredtsamkeit als durch die Gerechtigkeit seiner Sache den Sieg davon trugPacuvius v. 36 cum recordor eius ferocem et torvam confidentiam. 37 feroci ingenio, torvus, praegrandi grandu. Attius v. 158 pervico Aiax animo atque evocabili. Theokr. 15, 138 Αἴας ὁ μέγας βαρυμάνιος ἥρως. Ovid M. 13, 1–381..

Wer mag des Achill gedenken ohne den Patroklos mitzunennen, den edlen und tapfern Sohn des Menoetios, ohne den 406 der Pelide nicht länger leben mochte? Auch galt er für einen nahen Verwandten des Achill; hatte Hesiod doch seinen Vater einen Bruder des Peleus genannt (S. 395). Seine Heimath war das lokrische Opus, von wo ihn der Vater als Knaben, nachdem er beim Würfelspiel einen Kameraden unversehens erschlagen hatte, nach Phthia zum Peleus brachte, wo er nun mit dem Achilles gemeinschaftlich erzogen wurdeIl. 23, 85 ff., Hellanikos b. Schol. Il. 12, 1, Apollod. 3, 13, 8.. Ihre Freundschaft wurde eine so innige daß spätere Dichter, namentlich Aeschylos sich dieselbe nach der Sitte ihrer Zeit als einen Liebesbund auf Tod und Leben gedacht habenAesch. b. Athen. 13, 75. 79. Vgl. Plato Symp. 180 A. Zenodot und Aristarch strichen Il. 16, 97–100, weil diese Verse auf dasselbe erotische Verhältniß zu deuten schienen.. Ein Landsmann des Patroklus ist ferner der lokrische Aias, ein Sohn des Oïleus, der eigentliche Stammesheld der Lokrer, daher die Münzen von Opus seine kriegerische Gestalt zeigenVgl. O. Jahn Archäol. Aufs. 167.. Er ist der kleinere Aias neben dem großen, der leichtbewaffnete neben dem schwerbewaffneten, da die Lokrer in der Ilias überhaupt leichtbewaffnet sindIl. 13, 701 ff. vgl. 2, 527 ff. Dieser Aias wurde von den opuntischen und italischen Lokrern als Hort der Schlachten angerufen; man ließ in der Schlachtreihe sogar einen Platz für ihn offen, Konon 18, Paus. 3, 19, 11. Mehr über ihn bei Bröndsted die Bronzen von Siris 50 ff. Auch die Abstammung des Oïleus führt zurück auf Opus, Eustath. Il. 277, 18.. Bei der Zerstörung von Troja machte er sich durch den Frevel gegen Athena und ihre Schutzflehende Kassandra bekannt, den er auf der Rückkehr von Troja mit seinem Leben büßte. Endlich Teukros, in welchem sich das Blut der Aeakiden mit dem der Dardaniden kreuzte, denn die troische Hesione hatte ihn dem Telamon auf Salamis geboren: der beste Bogenschütze unter den Griechen, den sein Halbbruder Aias in der Schlacht mit seinem Schilde zu decken pflegt (Il. 8, 266 ff.; 12, 370 ff.), nach dem Tode desselben der Schutz seines Sohnes Eurysakes, nach der Rückkehr in Salamis von dem alten Telamon zurückgewiesen, weil er ohne seinen Bruder heimzukehren wagte, und dadurch neuen Abenteuern preisgegeben.


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