Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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e. Proetos und die Proetiden.

Der Sohn des Lynkeus und der Hypermnestra ist Abas. Diesem gebiert eine arkadische NympheNach Apollodor Ὠκαλεία ἡ Μεντινέως, Schol. Eur. Or. 953. Das Balgen der Zwillinge im Mutterleibe wiederholt sich in der Sage vom Krisos und Panopeus, Tz. Lyk. 939 vgl. Leipz. Ber. 6, 121. In Argos wurde diese Tradition durch örtliche Denkmäler und Gebräuche unterstützt, Paus. 2, 25, 6, Hes. Δαυλίς, ἑορτὴ ἐν Ἄργει, μίμημα τῆς Προίτου πρὸς Ἀκρίσιον μάχης. die feindlichen Brüder Akrisios und Proetos, welche sich schon im Mutterleibe 55 balgten. Als sie herangewachsen waren, unterlag im fortdauernden Streite Proetos. Er flüchtet darauf nach Lykien, zum Könige Iobates oder Amphianax, vermählt sich mit seiner Tochter und wird von ihm durch eine Heeresfolge von Lykiern in seine argivische Herrschaft wieder eingesetzt: wobei etwas Geschichtliches zu Grunde zu liegen scheint, denn die Einwirkung jener Gegenden auf Argos und Korinth ist unverkennbar und wird in der Sage von Bellerophon noch bestimmter hervortreten. Nun beherrscht Proetos als sehr mächtiger König in seinem Tiryns, wo die Kyklopen ihm eine unüberwindlich feste Burg baueten, das argivische Land und KorinthIl. 6, 158 ὅς ῥ' ἐκ δήμου ἔλασσεν, ἐπεὶ πολὺ φέρτερος ἦεν, Ἀργείων, Ζεὺς γάρ οἱ ὑπὸ σκήπτρῳ ἐδάμασσεν. Die Herrschaft über Korinth erhellt aus der Bellerophonssage. Auch Sikyon und ein guter Theil von Arkadien scheint zu dieser alten argivischen Herrschaft gehört zu haben., während des Akrisios nur noch in der Sage von der Danae und ihrem Sohne Perseus gedacht wird. Beide alte Burgen, die von Larisa, in welcher der mythische Akrisios d. h. der König der Höhe haust, und die von TirynsCurtius Pelop. 2, 385 ff. Die Burg von Tiryns hieß eigentlich Λίκυμα. Der alte Dualismus der Burgen von Argos und von Tiryns tritt auch Il. 2, 559 hervor, οἱ δ' Ἄργος τ' εἶχον Τίρυνϑά τε τειχιόεσσαν. Ueber die bauenden Kyklopen, von denen man auch in Myken erzählte, Bd. 1, 490, [1524]. Der Name Προῖτος wiederholt sich in den Προιτίδες πύλαι zu Theben, Unger Theb. Parad. 297. Nach Eust. 631, 56 ist Προῖτος i. q. προιτητικός d. h. ὁρμητίας., in welcher Proetos d. h. der Kampflustige herrscht, sind in ihren Trümmern erhalten und erklären durch ihre Lage von selbst die Sage von den unaufhörlichen Kämpfen der Brüder. Tiryns liegt auf einem niedrigen Hügel nicht weit von der Küste und von Nauplia, wo Nauplios und Palamedes zu Hause sind. Es scheint den Hafen der alten Königsburg und der Stadt Tiryns d. h. der Ummauerten (τύρρις, turris) gebildet zu haben, die ohne Zweifel auch auf der See mächtig war. Nur die Rücksicht auf die Nähe jenes trefflichen Hafens und auf den Verkehr zur See kann zur Wahl jenes Hügels veranlaßt haben.

Die Frau des Proetos ist die leidenschaftliche Königstochter aus Lykien Stheneboea oder Anteia, die Potiphar der argivischen Sage. Von seinen Töchtern, den Proetiden, erzählte Hesiod daß sie sehr schön gewesen, so daß alle Hellenen (Πανέλληνες, Strabo 8, 370) um sie freiten. Sie aber waren hochfahrend und gottlos, daher sie die Weihe des Dionysos verschmähten, wie Hesiod, oder das alte Bild und das einfach ehrwürdige Heiligthum 56 der Hera verspotteten, denn das Haus ihres Vaters sei viel reicher und prächtiger, wie Akusilaos und Pherekydes erzähltenSchol. Od. 15, 225. Gewöhnlich werden nur zwei Proetiden genannt, Λυσίππη und Ἰφιάνασσα, wofür Aelian V. H. 3, 42 Ἐλέγη und Κελαινὴ nennt. Die dritte, die verstorbene, heißt Ἰφινόη.. Dafür werden sie mit garstiger Krankheit und schwerer Raserei bestraft, in welcher sie in den Bergen und Wäldern von Argos und Arkadien, ja durch die ganze Halbinsel umherirrten, immer einsam und rastlos. Nach Hesiod strafte Aphrodite sie mit Mannstollheit und Aussatz, worüber ihnen die Haare ausfielenHesiod in den Katalogen p. 261 ed. Göttl. Vgl. Aelian l. c., nach Andern hielten sie sich für Kühe, so daß sie brüllend durch das Land liefenVirg. Ecl. 6, 48 Proetides implerunt falsis mugitibus agros, vgl. Serv.. Der Vater wendet sich an den berühmten Propheten und Priester Melampus, den Sohn des Amythaon im neleischen Pylos, daß er seine Töchter heile. Melampus kommt und fordert als Lohn den dritten Theil der Herrschaft, was dem Proetos zu viel war. So wird das Uebel immer schlimmer, ja auch die andern Frauen des Landes werden angesteckt, so daß sie ihre Männer verließen und ihre Rinder tödteten, worauf Melampus abermals angegangen wird und nun ein zweites Drittheil für seinen Bruder Bias fordertSo Apollodor und schon Herod. 9, 34 kennt dieselbe Sage, nur daß Melampus bei ihm zuerst die Hälfte, und dann noch ein Drittel für seinen Bruder fordert. Wieder etwas anders Schol. Pind. N. 9, 30. Vgl. Schol. Od. u. Eustath. 288, 28; 1480, 5.. Proetos muß sich dazu entschließen und nun versammelt Melampus die kräftigsten Jünglinge und jagt mit ihnen unter Geschrei und begeisterten Tänzenμετ' ἀλαλαγμοῦ καί τινος ἐνϑέου χορείας, Apollod. die Proetiden aus den Bergen auf bis in die Gegend von Sikyon. Während dieser Jagd stirbt die älteste der drei Proetiden, die übrigen beiden aber werden gereinigt und darüber vernünftigDie Heilung wurde nach Schol. Od. dadurch bewirkt, daß Melampus διά τε ἱκεσιῶν καὶ ϑυσιῶν die Hera versöhnte. T. der Hera an der Grenze von Sikyon u. T. der Peitho zu Sikyon, beide von Proetos, Paus. 2, 7, 7; 12, 1. Nach Andern bewirkte Aesculap die Heilung, der in der Gegend verehrte, Schol. Pind. P. 3, 96, Sext. Emp. adv. Math. 1, 261., worauf Proetos die eine dem Melampus, die andere dem Bias zum Weibe giebt. So ist das berühmte Geschlecht der Amythaoniden, aus welchem Adrastos und der kriegerische Seher Amphiaraos sammt andern Helden der Thebais stammten, nach Argos gekommen. Neben ihnen werden in den 57 thebanischen Sagen aber auch Helden vom Stamme des Proetos als Theilnehmer am Zuge der Sieben genannt, namentlich Kapaneus und Eteoklos.

Die drei Töchter des Proetos bedeuten höchst wahrscheinlich wieder den Mond und seine unablässigen Wandlungen, deren Phasen die Alten so viel beschäftigtenSophokles b. Plut. Demetr. 45 ὥσπερ σελήνης δ' ὄψις εὐφρόνας δύο στῆναι δύναιτ' ἂν οὔποτ' ἐν μορφῇ μιᾷ, ἀλλ' ἐξ ἀδήλου πρῶτον ἔρχεται νέα πρόσωπα καλλύνουσα καὶ πληρουμένη, χῶτανπερ αὐτῆς εὐγενεστάτη φανῇ, πάλιν διαρρεῖ καπὶ μηδὲν ἔρχεται. Vgl. Plin. 2, 41–43 u. Welcker Gr. G. 1, 555.. Das Abnehmen des Mondes und seine Irrbahn bis zum völligen Verschwinden, endlich der neue Aufgang mit dem vollen Lichte erschienen wie eine Krankheit und Raserei, welche bald wie in dem verwandten Mythos der Io durch den Zorn der Hera motivirt wird oder der ihr nahestehenden Aphrodite, bald durch den des Dionysos, auf welchen das bacchantische Umherschweifen durch Berge und Wälder führteHes. Ἀγράνια ἑορτὴ ἐν Ἄργει ἐπὶ μιᾷ τῶν Προίτου ϑυγατέρων, vgl. Ἀγριάνια νεκύσια παρὰ Ἀργείοις u. die bacchischen Agrionien Bd. 1, 540. Wahrscheinlich betrafen jene Gebräuche die verstorbene Proetide, Apollod. κατὰ δὲ τὸν διωγμὸν ἡ περσβυτάτη τῶν ϑυγετέρων Ἰφινόν μετήλλαξεν. Dem Zorne des Dionysos schreibt auch Diod. 4, 68 die Krankheit zu.. Die Jagd der Jünglinge macht ganz den Eindruck einer alten Ceremonie, mit welcher man den verschwundenen Mond aus seinem Versteck wieder aufjagen wolltePlut. d. fac. in o. 1. 29 vgl. Bd. 1, 104, [235]; 358, [1095].. Nach der Sühnung und Herstellung, von welcher man in verschiedenen Gegenden erzählte, wurden der Sage nach vom Proetos unter andern Göttern namentlich der Artemis Heiligthümer gestiftet, zwei in Arkadien, nehmlich das der Artemis Κορία, welcher Beiname sich auf die Heilung der Mädchen bezog, und das in dieser Fabel besonders oft erwähnte Heiligthum der Artemis Ἡμέρα oder Ἡμερασία, d. h. der Besänftigenden zu Lusoi in der Gegend von KlitorKallim. in Dian. 234 ἄλλον μὲν Κορίης, ὅτι οἱ συνελέξαο κούρας οὔρεα πλαζομένας Ἀζήνια, τὸν δ' ἐνὶ Λουσοῖς Ἡμέρῃ, οὕνεκα ϑυμὸν ἀπ' ἄγριον εἴλεο παίδων, vgl. Paus. 8, 18, 3, nach welchem Melampus die Proetiden aus einer Höhle, welche wahrscheinlich die des Klosters Megaspilaeon ist, durch geheime Opfer und Weihungen nach Lusoi hinabführte, welchen Namen man durch die reinigenden Waschungen erklärte, vgl. Steph. B. v. Λουσία u. Curtius Pelop. 1, 397, wo auch von den beiden Quellen zu Lusoi und bei Klitor. Des T. zu Lusoi gedenkt Polyb. 4, 18. 25; 9, 34. Auf die Reinigung der Proetiden in demselben bezieht sich das Vasenbild b. Müller D. A. K. 1, 2, 11. Weihungen der Mädchen an die Artemis in den Krisen der mannbaren Jahre waren allgemein, Hippokr. b. Kuehn Med. Gr. 22, 528. Auch am Anigros in Triphylien erzählte man von der Reinigung der Proetiden, Str. 8, 347., wo gleichfalls eine Heilquelle des Melampus gezeigt 58 wurde. Ein drittes ist das Artemision auf einer Anhöhe oberhalb Oenoë, schon auf argivischem Gebiete, aber nicht weit von der Grenze des Gebiets von MantineaHes. ἀκρουχεῖ Ἄκρον ἔχει (eine Glosse aus Sophokles), Ἄκρον δὲ ὄρος τῆς Ἀργείας, ἐφ' οὗ Ἀρτέμιδος ἱερὸν ἱδρύσατο Μελάμπους καϑάρας τὰς Προιτίδας, vgl. Steph. B. Οἴνη oder Οἰνώη, daher Οἰνωᾶτις Ἄρτεμις ἡ ἐν Οἰνώῃ τῆς Ἀργείας ἱδρυμένη ὑπὸ Προίτου. Es ist das Oenoë in der Nähe der Inachosquellen s. oben S. 35, [Anmerkung 90]. Vermuthlich wurden neben dieser Artemis die Chariten verehrt und zwar unter dem Namen der Χάριτες Προιτίδες, s. Hes., wo zu lesen ἤγουν Προῖτος ταῖς Χάρισιν und v. Προιτίδες Χάριτες.. Ja es scheint derselbe Mythos mit wenig veränderten Grundzügen auch in andern Gegenden von Griechenland erzählt zu sein, namentlich in Lokris, wo man eine Tochter des Proetos und der Anteia Namens Μαῖρα d. h. die Strahlende kannte, welche jungfräulich geblieben und mit der Artemis gejagt habe, bis sie vom Zeus die Mutter des Lokros und darüber von der Artemis erschossen wurdeSchol. Od. 11, 325 nach Pherekydes, vgl. Paus. 10, 30, 3, wo diese Μαῖρα ist eine T. Προίτου τοῦ Θερσάνδρου, ὁ δὲ Σισύφου.. Dieser Lokros wurde neben Zethos und Amphion als Gründer von Theben genannt.


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