Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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(Vierter Gesang.)

 61.
                          Doch hatt' indeß zum Stolz des edlen Paars
Ein andrer Held sich jetzt den Thoren
Der Dänenstadt genaht: der biedre Sänger war's,
Den beide schon als für die Welt verloren
Wehmüthig jüngst beklagt. Zwar riß in jener Nacht
Die Wuth des Meers ihn fort, doch auf dem wilden Pfade
Der Wogen hatt' ihn bald zum dänischen Gestade
Vom Sturm gejagt, die hohe Fluth gebracht.
 
62.
Verzweifelnd saß er dort am schroffen Felsenrisse
Und rang die Hände wund und sah mit nassem Blick
In's weite Meer hinaus und spähte nach dem Schiffe,
Worauf verzagend jetzt sein einz'ges, letztes Glück
Dem Tod entgegensah. Noch wagt sein Herz zu hoffen.
Doch ach, bald wälzte schon im Wogenspiel das Meer
Dem Strande Leichen zu, und hart vom Blitz getroffen
Schwamm rings zerstreut des Schiffes Rest daher.
 
63.
Sie ist dahin, so ruft mit heißen Thränen
Der Arme jetzt, ach meine Lieb' entsank
In's kalte Grab! O du mein zartes Sehnen,
So bist du todt? verhallt, du süßer Klang?
Entblättert welkt der duft'ge Kranz des Schönen,
Der freundlich sich um meine Tage schlang,
Und jeder Traum, den mir mein Herz gegeben,
Er ist verblüht, und ewig kalt mein Leben!
 
64.
O wilder Sturm! Treulose Wogenfluth!
Verhaßtes Meer! Euch rührten alle Blüthen
Des reinsten Lebens nicht! In eurem Schooße ruht
Des Friedens heil'ges Bild, und ach, noch könnt ihr wüthen
Vom wilden Kampf empört? Doch nein, ihr sinkt hinab,
Der Hauch der Stille weht, und leise Wellen schlagen
Nun seufzend noch empor und klagen
Vergebens jetzt um meiner Liebe Grab.
 
65.
O süßer Traum, o Quell der zarten Leiden,
Du bist versiegt! Du bunter Dämmerglanz
Der Phantasie, dein luft'ger Zaubertanz
Umschwebt mich jetzt nicht mehr! Lebt wohl, ihr meine Freuden!
Erstarre, weiches Herz! Verwelke, frischer Kranz
Des blühenden Gefühls! Von Allem muß ich scheiden,
Was liebend ich gepflegt, und kalte Nacht umzieht
Den düstern Geist, dem jeder Stern entflieht.
 
66.
Was steigst du dort, du Strahl des jungen Lebens,
Am glühnden Himmel auf? Was spielst du, lauer Hauch,
Um meine Brust? Was säuselt, blühnder Strauch,
Dein Duft zu mir empor? Weh mir, ihr lockt vergebens
Den Sohn des schwarzen Grams! Weh mir! Was Farb' und Duft
Und Glanz dem Leben gab, was alle leisen Töne
Der Schöpfung mir enthüllt, das Heilige, das Schöne,
Ach Alles schläft verwelkt in dunkler Gruft!
 
67.
Hier will ich, fern der Welt, mir eine Hütte bauen,
Hier soll mein Blick mit immer neuem Gram
In's weite Reich der wilden Woge schauen,
Die mir mein Glück, mein Herz, mein Leben nahm,
Und Blüthen will ich stets in's Meer herniederstreuen,
Des feuchten Grabes Schmuck, und nimmer soll mein Herz
Sich selbst ein andres Glück als jenes, das der Schmerz,
Das mir die Thräne giebt, verzeihen!
 
68.
So ruft er weinend aus und irrt am Meeresstrand,
Ein stilles Plätzchen zu entdecken,
Wo seine Wohnung sey. Da schimmert's durch die Hecken,
Die wild verwirrt den flachern Rand
Der Fluth umziehn, wie Gold; er drängt sich durch die Ranken
Und sieht sein Saitenspiel, das einem blühnden Strauch
Der Sturmwind zugeführt, bald leicht vom zarten Hauch
Der Luft, und bald vom Kuß der flücht'gen Welle schwanken.
 
69.
Er hebt es rasch empor, sein feuchtes Auge ruht
Wehmüthig lang auf seinem schönen Funde.
O Dank dir, ruft er aus, du mitleidsvolle Fluth,
Die mir des Lebens trübste Stunde
Mit süßem Trost gemischt! Hier, wo du mild genaht,
Du Freundliche, hier will ich wohnen,
Und zitternd soll der Klang, der leis' um deinen Pfad
Mit leichten Schwingen irrt, für deinen Dienst dir lohnen!
 
70.
Und bald begann er jetzt am Meer
Aus blühendem Gesträuch ein Laubendach zu bauen,
Und Blumen pflanzt' er dann, wie auf den bunten Auen
Der späte Lenz sie gab, um seine Hütte her:
Das Veilchen, das so oft ihr seidnes Haar bekränzte,
Die Rose, die der Thau zur schönsten Braut erkor,
Den duft'gen Kelch des Mais, der Lilie Silberflor,
Und Alles, was im Schooß der frischen Wiese glänzte.
 
71.
Und wenn am goldnen Himmelssaum
Die Sonne sich erhob, und Luft und Woge glühten,
Dann flocht er einen Kranz von seinen schönsten Blüthen
Und gab der Fluth ihn hin. Und wenn auf leichtem Schaum
Die zarten Blumen abwärts trieben
Vom linden Wellentanz geraubt,
Dann sang er leis': O schwimmt zu meiner Lieben,
Ihr Duftenden, und kränzt ihr schlummernd Haupt!
 
72.
Oft stieg Erinnerung wehmüthig zu ihm nieder
Und löste seinen Gram in stille Thränen auf,
Und weicher tönten dann die sanften Harfenlieder,
Und gläub'ger hob sein Blick zum Himmel sich hinauf.
Dann sah er oft bei flücht'gem Mondenscheine
Im süßen Wahn durch Wies' und Haine,
Wie Silber rein und leicht wie Westeswehn,
Das sel'ge Bild der holden Freundin gehn.
 
73.
So saß er einst, im Spiel der zarten Träume,
Als schon die Dämmerung des sechsten Tages sank,
Im duft'gen Hain. Gleich schwindendem Gesang
Durchflüsterte die dunklen Bäume
Der Lüfte linder Hauch, mit stillem Glanze schien
Der Sterne goldnes Licht durch's rege Blättergrün,
Und friedlich über Wies' und Welle
Lag wie ein sel'ger Geist des Mondes Silberhelle.
 
74.
Da zuckt' ein heller Strahl erzitternd durch den Wald,
Im flücht'gen Glanz schien jedes Blatt zu grünen,
Und sieh, die himmlische Gestalt,
Die schon Cäcilien und Adalbert erschienen,
Stand leuchtend vor ihm da. Auf seinem Antlitz lag
Der Staunende, vom Licht, das sie umringte,
Als wie vom Blitz versehrt; doch hold und freundlich winkte
Dem Zagenden das sel'ge Bild und sprach:
 
75.
Steh auf, die Freunde zu erretten,
Um deren Tod du klagst! Von seinen lichten Höhn
Hat Gott mit gnäd'gem Blick dein treues Herz gesehn
Und lohnt, wie Gott nur lohnt. Zieh hin und brich die Ketten,
Die deine Lieb' umziehn! Mit seiner heil'gen Macht
Begabt der Herr dich jetzt, das Große zu vollenden,
Und seine Diener wird er senden,
Dir hell voranzugehn durch's Graun der wüsten Nacht.
 
76.
So sprach das Bild und schwand. Von staunendem Entzücken
Erbebte laut des kühnen Sängers Herz.
Wohl beut die Lieb' ihm ew'gen Schmerz;
Doch jene, die er liebt, zu retten, zu beglücken,
Das wiegt ihm jede glühnde Lust
Erfüllter Sehnsucht auf; und fest, in treuer Brust
Verheißt er Gott und ihr, sein Leben
Für sie und für den Mann, der sie ihm raubt, zu geben.
 
77.
Nur an der Liebe süßem Wahn,
An holden Träumen nur will sein Gemüth sich weiden,
Anbetend will er nur der Heiligen sich nahn,
Will kämpfen nur für sie und leiden
Und sie nur glücklich sehn; ihr zarter Reiz allein,
Nicht ihres Reizes Dank soll sein Verlangen krönen,
Und nur die keusche Lust am Schönen,
Sie soll sein Wunsch, sein Lohn, sein Glück, sein Himmel seyn.
 
78.
Begeistert springt er auf, und feurig nach dem Ziele
Der That verlangt sein Herz, nicht sorgt sein gläub'ger Muth
Um Waffen jetzt zur Wehr und Hut:
Er greift mit frommem Sinn nach seinem Harfenspiele.
Hell tönt, von flücht'ger Hand berührt,
Von Lieb' und Gott das Gold der Saiten,
Und durch den dunkeln Wald beginnt er fortzuschreiten
Mit freudigem Vertraun, wohin sein Fuß ihn führt.
 
79.
Doch als er kaum sich in den dichten Gängen
Des wildern Hains verlor, da wogt' ein reges Meer
Von leisen, wunderbaren Klängen
Um seinen Pfad wie Geisterlispeln her,
Ein süßer Hauch durchfloß des Haines stille Hallen,
Aufdämmernd wiegte sich der Wohllaut auf dem Duft
Und schien wie Frühlingswehn durch's weite Reich der Luft
Mit leichten Schwingen fortzuwallen.
 
80.
Und wie auf sanfter Fluth der luft'ge Schaum zerspringt,
So schlossen plötzlich alle Blüthen
Die zarten Blätter auf, und farb'ge Funken glühten
In ihrem weichen Schooß und hoben leicht beschwingt
Sich aus dem bunten Kelch; in zauberischen Tänzen
Durchwogte flücht'ger Glanz den sanft erhellten Hain,
Und in den Lüften schien mit wunderbarem Schein
Ein geist'ges Blumenreich erzitternd aufzuglänzen.
 
81.
Und durch der Blätter dunkles Grün
Und durch das weiche Moos der frischen Wiesenquelle
Sieht Reinalds Blick den Schwarm der Elfen ziehn.
Bald wiegt er auf dem Schaum der raschen Wasserfälle
Bald auf den Halmen sich, bald nahn und bald entfliehn
Die Gaukelnden, und tausendfarb'ge Helle
Umflimmert ihren Pfad, und rastlos zitternd lacht
Gleich Sternen in der Fluth der Schimmer durch die Nacht.
 
82.
Jetzt irrt der bunte Schwarm verworren durch die Laube
Des wilden Hains in ordnungslosem Glanz,
Jetzt schaukeln sie vereint, gleich farb'gen Feuertrauben,
Am zarten Zweige sich, jetzt webt ein lichter Kranz
Sich um der Blume Rand, jetzt tauchen
Sie in die Blüthen sich, und irres Feuer sprüht
Des Kelchs belebter Thau; und horch, wie Weste hauchen,
Wie ferne Wellen fliehn, so flüstert ihr Gesang:
 
83.
            Wir sind nach milder Elfenweise
            Als Leitgestirn der dunkeln Reise
            Dem frommen Wanderer genaht.
            Auf, tummelt euch auf luft'gem Gleise,
            Ihr Blumengeister, kündet leise
            Durch Wald und Thal den irren Pfad!
            Vertraue du dem Zauberkreise,
            Und glücklich endest du die That!
 
84.
So singt das Geistervolk und gaukelt bunt und fröhlich
Um Reinalds Pfade her. Der folgt durch Nacht und Hain
Der leichten Schaar, und süße Träumerein
Umflattern seine Brust und wiegen still und selig
Auf seiner Harfe sich. Doch als mit hellem Schein
Der Frühe Rosenlicht allmählig
Am blauen Himmel tagt, da sinkt zur blühnden Trift
Der Elfentanz zurück, gleich leisem Thaugedüft.
 
85.
Und hoch auf schroffen Felsenhöhen,
Wo in ein weites Thal das Auge niedersinkt,
Sieht staunend sich der Sänger stehen,
Und fern im Morgenlichte blickt
Die Burg der Dänenstadt, der Ahnung Zauber winkt
Dem Zweifelnden durch's Thal dahin zu gehen,
Den hohen Thürmen zu; und kühn vom steilen Rand
Der Felsen klimmt er jetzt hinab in's ebne Land.
 
86.
Beschwerlich ist der Pfad: bald ritzen Dornenranken
Ihm Händ' und Angesicht mit scharfem Stachel wund,
Bald hemmt der Wiesen feuchter Grund
Den irren Fuß, und Gras und Büsche wanken
Bei seinem leichten Schritt; noch manchen Fels erklimmt
Und manchen wilden Strom durchschwimmt
Der Unermüdliche, und bei der glühnden Schwüle
Des hohen Mittags erst gelangt er matt zum Ziele.
 
87.
Kaum hatte jetzt das Heldenpaar
Den heißen Kampf vollbracht, da kommt er am Gegitter
Der Schranken an, er drängt sich durch die Schaar
Des dichten Volks, und sieh, der deutsche Ritter
Tritt jetzt, mit Staub bedeckt, im offnen Helm hervor.
Laut schlägt des Sängers Herz, die freud'gen Blicke künden
Sein muthiges Vertraun, er folgt und sieht in's Thor
Des Kerkers nach der Burg den tapfern Freund verschwinden.
 
88.
Er naht dem Kriegerschwarm, der um die Pforten wacht,
Und grüßt ihn unverzagt und rührt die goldnen Saiten
Und singt ein Lied aus grauen Zeiten
Von alter Heldenkraft, von Sieg und Ruhm und Schlacht.
Die Wächter horchen auf, die kühnen Augen blitzen
Begeistert bei'm Gesang, und freundlich winkend steht
Vom Mahl ihr Hauptmann auf und reicht ihm süßen Meth
In heller Schaale dar und heißt ihn niedersitzen.
 
89.
Und fröhlich, daß die List gelang,
Beginnt er mächt'ger stets die Saiten anzuschlagen,
Vertraun und Noth und heil'ge Liebe tragen
Sein Herz im Lied empor, begeistert schwebt der Klang
Auf goldnem Fittig auf, und kühne Bilder tagen
Aus irrer Dämmerung im siegenden Gesang.
Stumm wird das Volk und drängt im dichtern Kreise
Sich um den Sänger her und athmet tief und leise.
 
90.
Da sieht von seines Schlosses Höhn
Der Fürst, der immer noch ein sichres Ziel zu finden
Vergebens sich bemüht, den deutschen Harfner stehn,
Fremd scheint ihm seine Tracht, und Mien' und Blick verkünden
Ihm Muth und leichten Sinn. Ihn reizt dein Gold vielleicht,
Er hat hier nichts zu hoffen, zu verlieren,
Er zieht zur Heimath fort, der dunkle Kerker schweigt. –
Es sey, so ruft er rasch und läßt ihn vor sich führen.
 
91.
Gar sittig naht der edle Knecht
Und läßt auf seine Knie sich vor dem König nieder;
Doch der erhebt mit gnäd'gem Blick ihn wieder
Und forscht nach Namen und Geschlecht,
Nach Stand und Vaterland. In heller Röthe lodert
Des deutschen Mannes Angesicht:
Noch nie betrog sein Wort; doch jetzt, da Gott es fodert,
Beginnt er schlau mit kecker Zuversicht:
 
92.
Ich heiße Gram, der Knecht der Minne,
Aus Angeln stamm' ich her, die Freiheit ist mein Stand,
Die Harfe meine Kunst. Mit jugendlichem Sinne
Verließ ich früh mein Vaterland
Und zog nach fröhlichem Gewinne
Durch manches Reich umher. Jetzt kehr' ich weitgenannt
Zur Heimath bald zurück, doch im Vorüberreisen
Begehrt' ich dich zu sehn, den alle Skalden preisen.
 
93.
Er spricht's. Der König schweigt und prüft den fremden Gast
Mit scharfem Blick. Ihm scheint, er dürf' ihm trauen,
Und gnädig läßt er jetzt der Hallen Glanz ihn schauen,
Er führt im schimmernden Palast
Den Staunenden umher und breitet alle Schätze
Der Krone vor ihm aus, daß an dem hellen Schein
Der königlichen Pracht, an Gold und Edelstein
Der Habsucht trunkner Blick sich letze.
 
94.
Du siehst, beginnt er jetzt, ich habe Gold genug,
Dem treuen Mann weit über Wunsch zu lohnen;
Doch grimmig ist mein Zorn, nie lernt' ich den verschonen,
Der schlau mit frevelndem Betrug
Mein fürstlich Ohr getäuscht. Du hast zu Lethra's Thoren
In guter Stunde dich genaht,
Groß ist der Lohn und leicht die That,
Wozu mein Wille dich erkoren.
 
95.
Tief unter'm Schloß, im dunkeln Kerker liegt
Ein fremdes Frevlerpaar mit hartem Erz gebunden.
Längst hätten beide schon den würd'gen Tod gefunden,
Verlangte Vorsicht nicht, der selbst der Fürst sich schmiegt,
Daß still und heimlich ihr Verderben
Und unergründlich sey. Dich wählte Harald's Huld
Zur Säule seines Throns; zu reif schon ist die Schuld
Der argen Brut, noch heute muß sie sterben.
 
96.
Nimm diesen Trank, den einst mit weiser Hand
Ein Zauberweib gemischt; in farb'gen Glanz gekleidet,
Schwimmt rascher Tod darin. Wohlan, des Bechers Rand
Benetz' ein Tröpfchen nur, und unaufhaltsam scheidet
Das Leben aus der Brust. Dies Eisen öffnet dir
Des Kerkers Schloß, kein Wächter wird dich sehen
In dunkler Nacht, und wenn die That geschehen,
Dann komm zurück und nimm den reichen Lohn von mir.
 
97.
Doch länger darfst du dann in Lethra nicht verweilen:
Schon steht ein schnelles Roß am Thore dir gezäumt.
Still mußt du dann und ungesäumt
Hinweg in ferne Länder eilen,
Weit über's Meer dahin. Ja tausendfaches Weh
Mag ewig dich bedrohn, und fort dein Name schwinden
Aus deines Enkels Lied, wagt deine Zung' es je,
Was ich dir jetzt befahl, verräthrisch zu verkünden.
 
98.
Er spricht's. Von freud'gem Staunen schwillt
Des Sängers Herz, ein sel'ges Lächeln breitet
Um seinen Mund sich aus, er sieht, daß Gott ihn leitet,
Da seinen kühnsten Wunsch der Todfeind selbst erfüllt.
Kaum kann sein Mund den Ruf der lauten Freude halten;
Doch zeitig fühlt er noch, daß sich sein Herz vergißt,
Und ruhig drängt in seine frühern Falten
Er sein Gesicht zurück und spricht mit kühner List:
 
99.
Wohl hat das Glück auf goldnem Pfade
Nach Lethra mich geführt; stets segn' ich diesen Tag,
Der deine Huld mir gab. Doch machte deine Gnade
Noch einen Wunsch, o König, in mir wach:
Treu folgten mir zum dänischen Gestade
Ein biedrer Freund, ein treues Liebchen nach,
Und nimmer trüge wohl ihr Herz das bittre Leiden,
Vermöcht' ich heimlich je aus ihrem Arm zu scheiden.
 
100.
Drum laß, sobald die Nacht mit tieferm Dunkel graut,
Vor Lethra's Thor drei rasche Rosse stehen.
Schnell flieh ich dann mit Freund und Braut,
Nie soll der Dänenstrand den Sänger wiedersehen.
Bei HeimdallBei Heimdall schwör' ich dir – Heimdall, den Odin mit neun Riesenjungfrauen am Erdenrande zeugte (s. Lied der Hindla, Stanze 33. 34. in Gräter's Nord. Bl.), war der Wächter der Natur und der Götter und wohnte am Rande des Himmels. Mit einer solchen Wohnung scheinen die alten nordischen Völker die Idee einer großen Weisheit verbunden zu haben. Edda Fab. 16. Fabel von Wafthrudner No. 37. Lied von Hymer Str. 5 in Gräter's Nord. Blumen. schwör' ich dir, der an den heil'gen Höhen
Des blauen Himmels wohnt und alles überschaut:
Kein sterblich Ohr soll je aus meinem Mund' erfahren,
Daß die durch mich erblaßt, die Harald's Feinde waren.
 
101.
Der Fürst gewährt's und heißt ihn in der Burg verziehn
Und läßt ihm Speis' und Trank in goldnen Schaalen reichen.
Wie schien dem Sänger jetzt der träge Tag zu schleichen,
Wie zögernd ihm das Roth der Dämmrung aufzublühn.
Erwartung, Furcht und Schmerz und Seligkeit verwoben
Sich wunderbar im kämpfenden Gemüth.
Nie hatte so sein Herz begeistert sich erhoben,
Und heißre Liebe nie in seiner Brust geglüht.
 
102.
Jetzt sank die Nacht. Gewitterwolken zogen
Sich um den Rand des düstern Himmels her,
Die Sterne blinkten matt, und ferne Blitze flogen,
Todt lag in schwüler Ruh der Lüfte weites Meer.
Still ward's im hohen Schloß und auf den breiten Gassen,
Verklungen schwieg der Helden spätes Mahl.
Ermüdet hatte längst, weil Harald so befahl,
Die Wächterschaar das Kerkerthor verlassen.
 
103.
Da gürtet Reinald sich mit einem breiten Schwert,
Das ihm der Fürst geschenkt zum Schutz der dunklen Reise,
Und lauschend tastet er und leise
Die Stufen sich hinab; oft steht er still und kehrt
Besorglich oft zurück, wenn sich im weiten Kreise
Der Höf' ein Lüftchen regt, und seine Rechte fährt
Oft kühn dem Stahle zu, wenn durch die finstern Hallen
Vom fernen Blitz schnellfliehnde Schatten wallen.
 
104.
Schon naht er sich dem Thor, schon kracht
Das rost'ge Schloß, die ehrnen Thüren knarren
Schwerfällig auf, von rauhen Felsen starren
Die Wände rings, und wogend strömt die Nacht
Der offnen Pforte zu und hüllt den bleichen Schimmer
Der Stern' in Finsterniß. Kühn naht dem Schreckensort
Der deutsche Mann und tappt durch morsche Trümmer
Und über Kies und Grand im dichten Dunkel fort.
 
105.
Doch stiehlt sich bald aus öden Weiten
Ein fernes Licht daher, bekannte Töne leiten
Den Retter jetzt zum Ziel, und sieh, auf hartem Stein
Saß dort Cäcilie bei schwachem Lampenschein,
Dem süßen Traume gleich, der durch die Dämmrungshülle
Mit ros'gem Glanz sich hebt; ihr sanfter Blick verhieß
Entsagung, Lieb' und Ruh, sie koste leis' und süß;
Und ihr zu Füßen saß ihr Freund in frommer Stille.
 
106.
Da läßt der Selige, von heil'ger Lust erfüllt,
Sein helles Saitenspiel durch's Graun der Nacht erklingen.
Erweckt von freud'gem Staunen springen
Die Horchenden empor und sehn des Freundes Bild
Durch graue Dämmrung nahn. O Schatten, treu und mild,
So ruft das Fräulein aus, sankst du mit leisen Schwingen
Von lichten Höhn in unser finstres Grab,
Ein Engel Gottes, uns zum süßen Trost herab?
 
107.
Doch als sie kaum das Wort geendet,
Da sinkt der Sänger schon vor seiner Herrscherin,
Erst schweigend, weinend dann, auf seine Knie dahin.
O Heil'ge, ruft er aus, wohl hat mich Gott gesendet,
Doch noch hat Kraft und Muth zu deinem Schutz mein Arm;
Von Thränen nur um dich ist dieser Blick so trübe,
Noch schlägt lebendig stets und warm
Für dich in meiner Brust ein Herz voll ew'ger Liebe.
 
108.
O zürne nicht, nicht komm' ich listig her,
Durch edlen Schein dein Herz zu mir zu lenken.
Wohl ist mein Kummer groß, doch dich, dich lieb' ich mehr,
Nicht darf ich dich, du Reine, kränken
Durch innern Kampf. Nur ein Verlangen kennt
Mein Busen noch: o laß mich nimmer scheiden
Von deinem Pfad, ich will ja freudig leiden,
Ist deine Nähe nur, dein Anblick mir vergönnt.
 
109.
O nein, ich kann von dir nicht lassen!
Wohl fühlt' ich's jüngst. Mein Herz, das ewig glüht,
Muß stets ein Bild, ein Liebes-Bild umfassen,
Es kann nicht fühllos ruhn. Doch auf! die Zeit entflieht,
Mit jedem Augenblick kann auch die Rettung schwinden;
Geöffnet steht das Thor, die Rosse sind bereit;
Der frühe Morgen muß schon weit
Von Lethra's Mauern uns in sichrer Freistatt finden.
 
110.
Er spricht's. Der Ritter jauchzt im Sturm der Lust und sinkt
An seines Retters Brust, und Freud' und Dank verklären
Sein Antlitz. Großes Herz, so ruft er laut und schlingt
Sich fester um ihn her und netzt mit heißen Zähren
Des Freundes Brust, großmüth'ges zartes Herz,
Darf ich den Blick zu dir erheben,
Der so mich jetzt beschämt? Was kann für deinen Schmerz
Ich Armer dir und was für deine That dir geben?
 
111.
O laß uns Freunde seyn! Uns kettet gleicher Gram.
O nein, du darfst mit mir nicht grollen.
Ach, wenn ich auch dein Glück, dein einz'ges Glück dir nahm:
Auch ich bin reich an Schmerz. O komm, wir beide wollen
Es nicht mehr seyn! Das Herz, das heilig liebt,
Muß durch die Liebe stets sich bessern und verschönen,
Und göttlich ist das reine Sehnen,
Das immer keuscher wird, je mehr die Lieb' ihm giebt.
 
112.
So soll auch uns der sel'ge Traum erscheinen,
Den uns der Himmel beut. Entfernt von ird'schem Wahn
Soll feste Treue stets uns brüderlich vereinen,
Weil wir dasselbe Bild mit heil'ger Gluth umfahn.
Wir beide wollen jetzt sie schützen, für sie leiden,
Für sie zum Tode gehn, wir beid' im bittern Schmerz
Ihr tröstend nahn, an ihrem Glück uns weiden!
Nur die Begierd' ist arm, doch ewig reich das Herz.
 
113.
Er ruft's, schon will er fliehn, da fällt auf seine Waffen,
Die Skiold ihm zugesandt, sein Blick.
Er starrt und seufzt und bebt, und Arm' und Knie erschlaffen,
Und auf den Felsen sinkt er trauernd jetzt zurück.
Doch bald ermannt er sich, er trocknet seine Zähren
Und steht empor. Nie soll die Ritterpflicht,
Die jetzt ihn mahnt, ein feiger Schmerz entehren,
Drum hebt er kühn den ernsten Blick und spricht:
 
114.
O flieht, o eilt hinweg! Ich kann euch nicht begleiten,
Die Ehre ruft, der bittre Feind begehrt
Erneuten Kampf, noch einmal muß ich streiten,
Ich fliehe nicht, er ist des Kampfes werth.
Wohl wär' es süß, könnt' ich mit eignem Schwert,
Geliebte, dich befrein und selbst zurück dich leiten!
Der Himmel will es nicht, du selbst verlangst von mir
Kein Werk der Schmach. Lebt wohl! ich bleibe hier.
 
115.
Wohl scheiden wir vielleicht auf immer,
Ich kann ja doch mich nicht dem dunklen Loos' entziehn,
Das frühen Tod mir gab. O süßer Sternenschimmer
Der Liebe, Strahl der Nacht, der tröstend mir erschien,
So scheidest du schon jetzt? Leb wohl, vergiß mich nimmer,
Du heil'ges Bild! O eilt! die Stunden fliehn,
Nichts frommt der Schmerz, und keine Thränen stillen
Der Trennung Leid. Lebt wohl! Wir stehn in Gottes Willen.
 
116.
Er spricht's und schweigt. Der Sänger blickt
Ihn trauernd an; doch bald beginnt er zu erzählen,
Wie mit verräthrischen Befehlen
Des Königs blut'ger Sinn zum Kerker ihn geschickt.
Du siehst es, ruft er aus, so will der Däne siegen,
Zur Flucht ermahnt dich jetzt dein eignes Ritterwort.
Zwar jetzt mißlang, doch morgen glückt der Mord,
Und schmählich mußt du dann und ohne Kampf erliegen.
 
117.
Er räth umsonst, der Ritter hört ihn nicht.
Vor feigem Trug soll nie mein Herz erbeben,
So ruft er kühn, der Herr beschützt mein Leben,
Ich trau' auf ihn, nie brech' ich Ritterpflicht
Um schnöde Furcht! Wohlan, er mag sie senden,
Der schwache Mann, die Diener, die ihn schänden
Mit ew'ger Schmach; noch fühl ich Kraft und Muth,
Und klagend seh er dann, des Blutes Preis sey Blut!
 
118.
Du siehst's, ich red' umsonst, ruft jetzt der treue Sänger
Mit banger Ungeduld dem zarten Fräulein zu.
O Gott, die Nacht verrinnt! Bald tagt's! Nicht darf sich länger
Die Flucht verziehn. O komm, entwaffne du
Des Freundes starren Sinn! dir wird er gern sich beugen,
Auf deinen Lippen weilt mit schmeichlerischem Ton
Der Worte süße Kraft. Du liebst ihn; darfst du schweigen,
Wenn Schmerz und Tod dem theuren Freunde drohn?
 
119.
Ihn lenkt sein Herz, ich darf ihn nicht verführen,
Beginnt Cäcilie, die mit gelaßnem Blick
Dem Kampfe zugesehn, du wirst auch mich nicht rühren,
Ich selber bleib' im Kerker jetzt zurück.
Sey muthig, Adalbert, uns wird der Herr bewahren,
Ich scheide nicht, denn uns hat Gott vermählt.
Der Geist, den gläub'ger Muth mit heil'ger Kraft beseelt,
Der zittert nie vor irdischen Gefahren.
 
120.
Leb wohl, du treues Herz, o du mein biedrer Freund!
Wie soll ich dich, du zarte Seele, nennen?
Leb wohl, du kamst umsonst! O zürne nicht! wir können
Nicht mit dir gehn. Was trauerst du, was weint
Dein Aug' um uns? Die Erde mag uns trennen,
Sind alle Gute doch im Himmel einst vereint!
Dich kann ich wohl, doch nimmer uns beklagen;
Was Gottes Will' uns gab, das laß uns muthig tragen!
 
121.
O frevle nicht, so fällt mit banger Qual
Der Sänger ein, was nennst du Gottes Willen?
Sah ich nicht selbst den Himmel sich enthüllen,
Stieg freundlich nicht mit lichtem Strahl
Sein Engel mir herab? Befahl
Der sel'ge Geist mir nicht die Botschaft zu erfüllen,
Wozu mich Gott ersehn? Hat nicht durch Wald und Nacht
Ein himmlisches Geleit zum Ziele mich gebracht?
 
122.
Und schnell erzählt er jetzt, wie er dem Meer entkommen,
Wie ihm sein Saitenspiel die Fluth zurückgeschenkt,
Wie sich das Luftgebild zu ihm herabgesenkt,
Und welches Wort sein Ohr vernommen,
Und welchen Trost sein Herz, wie dann die Elfenschaar
Ihn leuchtend durch die Nacht geleitet,
Und wie die Vorsicht wunderbar,
Die That ihm zu vertraun, des Feindes Herz geleitet.
 
123.
Da staunt das Paar, und in dem Luftgesicht,
Das ihn gesandt, die Freunde zu erlösen,
Erkennen beide jetzt das wunderbare Wesen,
Das einst ihr Loos bestimmt. Wohlan, der Himmel spricht,
So ruft der Held, ich kann nicht länger streiten.
Auf, laßt uns fliehn! Wohl wird mein Nam' ein Raub
Der Schande seyn; doch nimmer darf der Staub
Mit kühnem Sinn den Rath des Ew'gen deuten.
 
124.
Doch sagt mein Herz mir, einst erscheint
Ein Tag des neuen Ruhms. Verderblich kehr' ich wieder,
Zerschmetternd stürzt mein Arm den falschen Götzen nieder,
Dem dieses Volk sich schmiegt, und schlägt den stolzen Feind,
Der seine Tempel schützt. Auf, laßt uns fliehn, die Lüfte
Der Freiheit wehn so mild! O komm, mein süßes Glück!
Dein Reiz erhellte mir des Kerkers dunkle Grüfte,
Jetzt führ' ich fröhlich dich zum goldnen Licht zurück!
 
125.
Und hurtig hüllt er jetzt das Eisen
Um seine Glieder her, nicht will er wehrlos fliehn.
Ihm ward zum bittern Kampf der ehrne Schmuck verliehn;
Dies Schwert, bald soll es jetzt dem stolzen Feind beweisen,
Nicht sey er feig entflohn. Und sieh, in heller Pracht
Steht schon der Ritter da, das Fräulein schmiegt erröthend
Sich an des Helden Arm, sie gehn, und gläubig betend
Folgt leis' und leicht der Sänger durch die Nacht.
 
126.
Vorschauend ziehn sie durch die Gassen
Der todten Stadt, schon nahn sie sich dem Thor.
Kein Gitter ist herabgelassen,
Kein Wächter tritt mit rauhem Wort hervor,
Drei Rosse wiehern schon den Nahenden entgegen
Und stampfen laut den Grund, das Häuflein schwingt sich auf,
Und muthig sprengt's im raschen Lauf
Den fernen Bergen zu auf ungebahnten Wegen.

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