Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunter Gesang.

1.
                    Indeß vom Himmel nun der dichte Wolkenflor
In's Thal hernieder hängt, und still die Lüfte thauen,
Entriegelt sich vor mir der Erde Felsenthor
Und läßt in's alte Reich der ew'gen Nacht mich schauen.
Tief unten leuchten dort die Bilder zarter Frauen,
Aus stillen Klüften schallt's wie Harfenklang empor,
Und kühn bewegt es mich, von neuen Wunderdingen
Aus unbekannter Welt ein seltsam Lied zu singen.
 
2.
Dort, wo im nächtlichen Gebiet
Das Leben sich entspinnt, wo tief in Felsenspalten
Ein köstlich Blumenreich, dem Tage fern, entblüht,
Und fremd und wunderbar die Stoffe sich gestalten,
Wo auf verborgner Bahn lichtscheue Stürme walten,
Und seinen eignen Pfad der rasche Strom nicht sieht,
Dort hielt das Schwesternpaar und ihren Spielgenossen
Swanwithens Zauberbann gefangen und verschlossen.
 
3.
So flüchtig schwingt sich kaum das Licht auf zarter Luft
Und kaum der Geist sich fort auf Wünschen und Gedanken,
Als Jene tiefer stets und tiefer in die Kluft
Besinnungslos hinab durch Nacht und Klippen sanken.
Doch siehe, nach und nach begann
Ein unsichtbarer Drang dem Sturz zu widerstreben,
Auf Wellen schienen sie sanftgleitend hinzuschweben,
Bis unverletzt ihr Fuß den sichern Grund gewann.
 
4.
Nicht herrschte hier die Nacht mit formlos todtem Dunkel,
Nein, wie das Dämmergrau mit Sternen sich durchwebt,
So war die weite Kluft von irrem Lichtgefunkel
Gar wunderbar durchflimmert und belebt;
Und bunt erleuchtete mit tausend flücht'gen Farben,
Die leis' und luftig bald in ferner Dämmrung starben,
Bald hell aufloderten, dem Regenbogen gleich,
Ein milder Zauberschein das schwarze Felsenreich.
 
5.
Unendlich dehnten rings die unterird'schen Hallen
Und unerforscht sich aus: Dort stieg ein Fels empor,
Ein andrer drohte dort, ein andrer war gefallen,
Der glich dem Säulengang und der dem Riesenthor;
Hier häufte sich der Schutt gleich ausgebrannten Schlacken,
Dort reifte neugeformt die Erde zum Gestein,
Und Gänge wanden rings sich in's Geklüft hinein,
Und Schlünde senkten sich bewehrt mit Felsenzacken.
 
6.
Wohl hatte nie dies Grab den Sonnenstrahl gesehn,
Und doch schien räthselhaft das Leben hier zu hausen,
Denn nah und fern erscholl's wie rascher Ströme Brausen,
Wie flüchtig lohnde Gluth und dumpfes Sturmgestöhn;
Auch hallte hier und dort wie von metallnem Klange
Das weite Felsenhaus, und durch das Nebelmeer
Stahl leis' und schaurig oft ein fremder Laut sich her,
Gleich ernstem Zauberspruch und lust'gem Rundgesange.
 
7.
Als Jen' allmählig nun vom Taumel aufgewacht
Und zagend ihren Blick erhoben,
Da wähnt ein Jeder noch, er ruh' in finstrer Nacht
Im fieberhaften Schlaf, vom grausen Traum umwoben.
Noch einmal schließen sie der Augen trübes Licht,
Den Schrecken zu entfliehn, die ihrem Blick sich bieten,
Bis endlich hoffnungslos aus dumpfem Geistesbrüten
Erinnerung mit grellem Schimmer bricht.
 
8.
Sie weinen nicht, es schwellen keine Klagen
Ihr mattes Herz. Wie kann die todte Gluth
Noch einmal hell empor in raschen Flammen schlagen?
So fehlt auch ihrer Brust zum Leide selbst der Muth.
Ihr stummer Blick durchirrt die ungeheuren Oeden
Und hängt am Boden bald und bald an schroffen Höhn,
Kein Auge mag den Freund im gleichen Leide sehn,
Und Jeder zagt, der Andre möge reden.
 
9.
Ach, was lebend'ger sonst das Herz
Im Glück erfreut, was trübe Seelen lichtet,
Verwandte Lust und gleicher Schmerz,
Das ist's, was jetzt sie ganz zerschmettert und vernichtet.
Wie hart sein Loos auch sey, wohl trüg' es Jeder gern
Und möchte freudig wohl zum Tode sich bereiten,
Wenn Freund und Schwester nur von diesen Klüften fern
Am heitern Licht des Lebens sich erfreuten.
 
10.
Doch als sie lange nun geharrt in stummer Qual,
Da hob Cäcilie zuerst aus niederm Staube
Den Geist empor. Stets mächt'ger wuchs der Glaube
In ihrer Brust, stets heller ward der Strahl
In ihrem frommen Blick. So fliegen Feuerfunken
Weit über Berg und Thal, vom Sturm herangeweht,
Hellleuchtend durch die Nacht. Und auf die Knie gesunken
Begann sie so das brünstige Gebet:
 
11.
Dir trau' ich, Gott! Du hast dich mir verkündet
In jeder Noth und stets mein Flehn erfüllt,
Du bist auch hier mir nah, wo alles Leben schwindet,
Du wachst, wo Alles schläft, in ew'ge Nacht gehüllt.
Du hebst die Hand empor und läßt die Stimme schallen,
Und zagend flieht das Meer, die Veste bebt, es fallen
Die Felsen in den Staub, du schwebst auf Frühlingswehn,
Und aus dem Grabe muß die junge Welt erstehn.
 
12.
Hast du mich selber nicht zu deinem Werk gesendet,
Nicht gnädig mich bewahrt auf grauser Todesbahn,
Nicht Flamm' und Meereswuth von meinem Haupt gewendet,
Nicht mächtig mir das Thor des Kerkers aufgethan?
Drum zag' ich nimmermehr, bis ich die That vollendet.
Der Pfad, den du mich führst, der muß dem Ziele nahn,
Und läg' ich tiefer noch an diamantnen Ketten,
Du bist mein Schutz, mein Gott, ich weiß, du wirst mich retten.
 
13.
O seyd getrost, die ihr den dunkeln Pfad
Zu eurem Mißgeschick mit mir vereint gegangen!
Wohl mag auf kurze Zeit der Stolze stehn und prangen,
Doch in den Schwachen auch, die er zu Boden trat,
Erwacht die Kraft des Herrn. Nicht ziemt uns Klag' und Bangen,
Denn selbst aus Flammen preist der Fromme Gottes Rath,
Und auch die trübe Nacht, die stumm uns jetzt umbrütet,
Ist seiner Hände Werk und tagt, wenn er's gebietet.
 
14.
So ruft sie aus und stärkt mit gläubigem Vertraun
Der Freunde tief betrübte Seelen:
Ein neuer Muth beginnt ihr mattes Herz zu stählen,
Und wie die Hoffnung naht, entflieht das nächt'ge Graun.
Ihr Blick erträgt es schon, die unterird'schen Höhlen,
Der Felsen drohnden Bau, die Tiefen anzuschaun;
Denn wer es kühnlich wagt, sein Unglück zu ergründen,
Dem wird zur Hälfte schon das dumpfe Zagen schwinden.
 
15.
In einen grausen Schlund verlor Ihr Auge sich zuerst:
Bald dehnten, bald verengten
Die rauhen Wände sich, bald sprang der Fels hervor,
Bald wich er schroff zurück, die starren Klüfte senkten
Sich steiler stets hinab, und düstre Klippen drängten
In graulicher Gestalt stets ferner sich empor,
Und schwächer glimmten stets die Lichter in den Tiefen,
Bis sie zuletzt verschwebt in grauer Nacht entschliefen.
 
16.
Zum Mittelpunkt hinab, wo mit gewalt'gem Zwang
Der kräftige Magnet das Rund der Erde bindet,
Schien unerforscht und unergründet
Der dunkle Schlund gesenkt. Gleich dumpfem Donnerklang,
Der schwer und mühsam sich durch dichte Wolken windet,
Ertönte jeder Stein, der in die Tiefe sank,
Und aus dem Abgrund schien ein sinnetödtend Grauen
Hohläugig und verlarvt den Späher anzuschauen.
 
17.
Erschrocken mieden sie den steilen Klippenrand
Und folgten jetzt dem nächsten Gange,
Der eng sich in's Gestein mit mancher Krümme wand.
Oft scholl um ihren Fuß das Erz mit hellem Klange,
Gespenstisch waltete, gleich dämmerndem Gesange,
Ein wunderbar Getön durch's wüste Felsenland,
Und leuchtend flimmerten mit tausendfarb'gem Scheine
Um ihren dunkeln Pfad viel seltne Edelsteine.
 
18.
Doch bald begann ein schönrer Glanz
Den Pfad, der breiter jetzt sich dehnte, zu erhellen:
Die Farben spielten rings mit mannichfalt'gen Wellen,
Und Licht und Schatten schwamm in gaukelhaftem Tanz.
Und wie im Abendschein am himmlischen Gefilde
Das flüchtige Gewölk sich scheidet und verwebt,
So lösten wunderbar, bald nahend, bald verschwebt,
Sich aus dem Glanzgedüft gar liebliche Gebilde.
 
19.
Bald läßt ein stiller Teich mit wald'gem Rand sich sehen,
Wo weiße Schwäne ziehn und leichte Nachen schwanken;
Doch sieh, die Well' entblüht zu dichtverschlungnen Ranken,
Zu Blättern wird der Schaum, die Fluth zu Rebenhöhn,
Dann dehnt der grüne Kreis zu fürstlichen Gebäuden,
Zu hohen Tempeln sich, auf deren glattem Dach
Ein lust'ger Anger glänzt, wo nah am hellen Bach
Gar friedlich Löw' und Wolf mit zarten Lämmern weiden.
 
20.
Jetzt endigt sich der Gang in einen weiten Raum,
Wo kühn und neu die reichsten Wunder prangen.
Wohl wähnt der Geist sich hier vom schönsten Morgentraum
Auf junger Frühlingsau umsäuselt und umfangen,
Oft wendet sich verletzt vom lichten Glanz der Blick
Und kehrt verlangend doch von neuem stets zurück,
Und gläubig wähnt die fromme Seele,
Hier sey das Paradies, wovon die Schrift erzähle.
 
21.
Die weite Felsenhalle schien
Dem luft'gen Garten gleich mit zierlich ebnen Gängen,
Wo tausend Blumen rings auf breiten Beeten blühn,
Und unter dichtem Laub sich reife Früchte drängen,
Wo um die grüne Nacht sich Laubengitter ziehn,
Und Reben tief in's Gras wie bunte Schleier hängen,
Bald wie ein zart Gewächs der Quell vom Boden steigt,
Bald durch das weiche Grün gleich irren Ranken schleicht.
 
22.
Was sonst die flücht'ge Zeit, was Land und Himmel scheidet,
War freundlich hier in einem Raum gesellt,
Und jedes Bild erschien in dieser Zauberwelt
Aus edlerm Stoff gewebt, in hellern Glanz gekleidet.
Denn alles Köstliche, was uns die Tiefe beut,
Was oft mit Müh' und Tod des Menschen Gier vergolten,
Das hatte wandelbar, wie Laun' und Lust es wollten,
Die träumerische Kunst leichtspielend hier verstreut.
 
23.
Hier wölbten aus Beryll sich dichtverschlungne Lauben,
Und Rosen blühten dort aus leuchtendem Rubin,
Topas und Amethyst, vereint zu vollen Trauben,
Verbargen halbenthüllt sich im smaragdnen Grün.
Oft schien das Köstlichste dem Blicke sich zu rauben,
Das Reizendste verschämt im Dunkel oft zu blühn,
Und in dem Blumenkelch, der kaum sich halb entfaltet,
Lag oft der Diamant, zum Tröpfchen Thaus gestaltet.
 
24.
Ein breiter Bach mit tausendfarb'gem Rand
Goß, klar und tief, mit lieblich leisem Wallen
Sich durch ein Bett von leuchtenden Krystallen,
Vom Grün umrankt, bestreut mit goldnem Sand.
Und unten dämmerte zu wunderbaren Hallen
Verschlungen und verwirrt ein neues Zauberland,
Worin das Köstlichste, was je die Tiefe hegte,
Im leichten Glanz der Fluth sich spielend hob und regte.
 
25.
Von unsichtbarer Kraft beschwingt
Begann das Wasser oft zur Luft empor zu schwellen,
Und bunt zerrannen dann die Bilder in den Wellen,
Wie sich der rasche Tanz durch tausend Pfade schlingt;
Doch oben schimmerte mit seinen Silberzweigen
Der strahlenreiche Quell, von farb'gem Licht umwallt,
Und schuf mit flücht'ger Kunst im Sinken und im Steigen
Manch schnell verrauschend Bild und manche Glanzgestalt.
 
26.
Jetzt glich er hochgeschwellt dem blätterreichen Baume,
Der reich begabt mit bunten Früchten prangt,
Jetzt wölbt er traulich sich zum engen Hüttenraume,
Um den mit grünem Netz der irre Wein sich rankt,
Jetzt dehnt er sich zu dichten Laubengängen,
Zu Grotten jetzt sich aus, vor deren hohem Thor,
Gleich leichtbewegtem Silberflor,
Mit rieselndem Geräusch die feuchten Schleier hängen.
 
27.
Geschwätzig floß er dann im Ufer wieder fort,
Durch Wiesen bald und bald durch lichte Haine,
Und üppig rankten sich um seinen hellen Bord
Zu irren Lauben oft die blühenden Gesteine,
Und freundlich zitterte das holde Schattenbild
Und schien in tiefer Fluth viel irrer noch zu schweben,
Und von der Welle zart umhüllt
Verklärte sich der Stein zum warmen Blüthenleben.
 
28.
Kein Strahl erleuchtete das stille Felsenhaus,
Vielfarbig breiteten verwobne Feuerdüfte
Von unterird'scher Gluth sich an der Wölbung aus
Und wallten auf und ab, wie leicht bewegte Lüfte.
Auch glich die Helle hier dem ird'schen Tage nicht;
Nein, wie mit wechselndem Geflimmer
Die Steine leuchteten, so zitterte der Schimmer
Bald grün und röthlich bald und bald mit goldnem Licht.
 
29.
Es lag die schöne Flur gehüllt in todtes Schweigen,
Kein bunter Schmetterling, kein Bienlein ließ sich sehn,
Kein Vogel schaukelte sich singend auf den Zweigen,
Nie regte sich das Grün mit säuselndem Getön,
Kein Wipfel wollte sich vertraulich niederneigen,
Kein Blatt bewegte sich von leiser Lüfte Wehn
Und Alles schien in diesen Zauberräumen
Die Wunder, die man sah, dem Blick nur vorzuträumen.
 
30.
Der Quell allein, der glatt vorüberwallt,
Ließ rieselnd durch die Luft sein helles Silber klingen:
Bald glich es holdem Spiel und stillen Klagen bald
Zu lachen schien es bald und lieblich bald zu singen.
So schlüpfte lind und leicht mit wandelbaren Schwingen,
Jetzt lauter schwellend, jetzt verhallt,
Der flücht'ge Wohllaut hin, und leis' und schmeichelnd riefen
Den Klängen in der Luft die Kläng' aus klaren Tiefen.
 
31.
Erstaunt durchwandelten den holden Zauberhain
Mit ihrem Freund die zarten Frauen,
Da ließ auf grüner Flur sich eine Halle schauen
Aus klingendem Metall und leuchtendem Gestein.
Sie hemmen ihren Schritt, dann nahn sie und vertrauen
Auf Gottes Schutz und wagen sich hinein.
Doch als sie jetzt den scheuen Blick erheben,
Durchzittert sie ein bänglich süßes Beben.
 
32.
Dort saß im köstlichen Gewand
Ein Zwerglein feierlich auf reich geziertem Throne:
Sein Häuptlein war geschmückt mit einer goldnen Krone,
Und einen Scepter trug's gebietend in der Hand;
Es blickte still und ernst, doch war von holder Milde
Ein sanfter Schein um sein Gesicht verstreut,
Und seltsam zeigten sich im zierlichen Gebilde
Bedächt'ge Kraft und kühne Herrlichkeit.
 
33.
Seyd mir gegrüßt in meinen stillen Hallen!
Begann der Zwerg, ihr dürft getrost mir nahn.
Laßt's ohne Zagen euch in meinem Reich gefallen,
Auch ich bin Gottes Werk und wandl' auf seiner Bahn.
Schon längst war eure Noth vom Geist mir angedeutet,
Drum hab' ich selbst auf grauser Niederfahrt
Vor grimmig jähem Tod euch zauberisch bewahrt
Und euch auf dunkelm Pfad zu meinem Thron geleitet.
 
34.
Erhebt den Geist und traut auf Gott den Herrn!
Nicht ewig hält euch diese Kluft gefangen.
Wohl mag auf kurze Zeit im Sieg die Hölle prangen;
Doch bleibt der frechen That die Rache nimmer fern.
Leicht könnt' ich diesen Fels mit meinem Stab zerschlagen,
Mit einem Worte leicht euch aus der Gruft befrein;
Doch würde dann nur neue Noth euch dräun,
Und nur, wann Gott gebeut, darf euch die Rettung tagen.
 
35.
Doch sollen euch indeß, so lang ihr bei mir säumt,
In grauser Einsamkeit die Stunden nicht entgleiten.
Ich selber will euch jetzt durch diese Klüfte leiten,
Wo still und unbelauscht des Lebens Wurzel keimt,
Und will mit hellem Wort euch alle Räthsel deuten,
Wovon die Weisesten so manchen Traum geträumt;
Wonach im eitlen Wahn umsonst die Stolzen ringen,
Das soll auf leichtem Pfad der Demuth jetzt gelingen.
 
36.
Wie in der rothen Gluth der Salamander wohnt,
Wie wandelbar in grauen Nebelhallen
Auf donnerndem Gewölk der Geist der Lüfte thront,
Und still die Nixe webt in flüssigen Krystallen:
So hat auch hier der Herr der Welt
Der Zwerge künstlich Volk zu seinem Dienst bestellt
Und über alle Bergesgeister
Mich, seinen treuen Knecht, zum Herrn gesetzt und Meister.
 
37.
Des Erzes reicher Schatz, das köstliche Gestein,
Das tausendfach verzweigt sich durch die Erde breitet,
Der leuchtende Krystall, des Goldes edler Schein,
Das Alles wird von uns gewartet und bereitet.
Auch fördern wir das träge Glück
Der frommen Menschen gern und leiten ohne Schaden
Durch wüste Nacht auf unbekannten Pfaden
Den längst verlornen Mann an's helle Licht zurück.
 
38.
Denn feindlich hausen auch in diesen tiefen SchlündenDenn friedlich hausen auch in diesen tiefen Schlünden – Dieser Unterschied zwischen guten und bösen Berggeistern wird von mehrern Schriftstellern älterer Zeiten berührt. S. Olai Magn. L. VI. C. 10. Georg. Agricolae Bermannus s. dial. de re metallica p. 432–433. ed. Froben.
Unholde mancher Art, die Gottes Zorn verbannt.
Die schweifen still umher, unsel'gen Raub zu finden:
Den stürzen sie hinab von schroffer Felsenwand,
Den tödten sie mit gift'gen Winden,
Durch grause Larven Den, und Den durch raschen Brand.
Doch wen nach Gott verlangt und nicht nach ird'schen Schätzen,
Den kann der freche Schwarm der Hölle nicht verletzen.
 
39.
So sprach der Zwerg und stieg vom Thron herab
Und ging voran, die Wanderer zu leiten.
Es öffnete der Fels sich seinem Zauberstab,
Und Gänge zeigten sich vertheilt nach allen Seiten.
Hier sah man silberhell und gelblich dort und grün
Und roth und golden dort des Erzes Zweige blühn,
Und sattsam schimmerte mit selbsterzeugtem Scheine
Manch wunderbar Gebild aus köstlichem Gesteine.
 
40.
Wo um den Mittelpunct der Erdenball sich dreht,
Begann der Zwerg, da schwebt, von eigner Kraft gehoben,
Dem harten Kerne gleich, von weicher Frucht umwoben,
Mit nie erschöpfter Kraft der bindende Magnet.
Er kettet mächtig alles Leben
Am sichern Boden fest und hält den Erdengrund,
Und weil er rund sich wölbt, muß auch gewölbt und rund
In gleicher Ferne stets das Erdreich ihn umgeben.
 
41.
Doch hier und dort, wo mit gewalt'ger WuthDoch hier und dort, wo mit gewalt'ger Wuth – Die Sagen von Magnetenbergen, die aus den arabischen Mährchen bekannt sind, waren auch bei den scandinavischen Völkern verbreitet. Nach Olaus Magn. L. II. C. 26. befanden sich dergleichen im äußersten Norden.
Der Erde tiefstes Herz das wilde Meer zerrissen,
Da steigt er hoch empor aus seinen Finsternissen,
Ein rauher Fels, umtobt von stets ergrimmter Fluth.
Dort sucht der Steuermann umsonst das Schiff zu leiten,
Es stürmt dahin von dunkler Nacht gefaßt,
Am Klippenrand zerkrachen Kiel und Mast,
Und Trümmer wälzen sich zerstreut nach allen Seiten.
 
42.
Ein jeder Stoff, den Meer und Erde kennt,
Muß sich zuerst in diesem Stein erzeugen;
Dann rankt er sich empor in vielverschlungnen Zweigen
Und sucht auf irrem Pfad sein freundlich Element.
So strebt auch hier auf nachtumhüllten Wegen
Das mannichfalt'ge Erz dem Sonnenlicht entgegen,
Und still entkeimt und reift der edlen Steine Glanz
Der duft'gen Flur zum zarten Frühlingskranz.
 
43.
Noch schlummern sie im träumerischen Leben,
So lang den zarten Geist die Schale noch umhüllt;
Doch wann sie einst zum Licht der Sonne sich erheben,
Dann steigt manch freundliches Gebild
Aus ihrem Kern empor, mit glänzenden Saphiren
Wird im Cyanenschmuck das bunte Feld sich zieren,
Zur glühnden Rose wird der leuchtende Rubin,
Zur keuschen Lilie der Diamant entblühn.
 
44.
Der helle Glanz, der in dem Steine waltet
Und ängstlich hin und her im engen Kerker bebt,
Ist frei und geistig dann, wann sich der Kelch entfaltet,
Zum lieblichen Gedüft zerronnen und verschwebt.
Sehnsüchtig drängt er dann sich durch den grünen Schleier
Der zarten Knospe schon hervor
Und hebt zum reinsten Licht, zum ew'gen Sonnenfeuer,
Das einst ihn in den Stein verbannte, sich empor.
 
45.
Und dennoch sucht der Mensch mit gierigem Gemüthe
In tiefer Erdenkluft, wo manche Noth ihm dräut,
Den todten Glanz, der als lebend'ge Blüthe,
Dufthauchend, zartbeseelt sich ihm so willig beut!
Fühlt nicht, wie du, die Blume Lust und Schmerzen?
Scheint sie nicht gern für dich zu prangen, zu vergehn?
Und dennoch kannst du stolz das duft'ge Kind verschmähn
Und trägst für blühnden Schmuck den kalten Stein am Herzen?
 
46.
Zwar ewig glänzt der Stein und altert unversehrt,
Indeß nach kurzem Blühn die Blumen sich entfärben,
Denn nur Beseeltes kann ersterben,
Da stets durch eigne Kraft das Leben sich zerstört;
Doch sie betrübt es nicht, vom holden Licht zu scheiden,
Wenn einmal nur der Lenz sie freundlich angelacht,
Und nie vertauschten sie für ew'ge Farbenpracht
Des Lebens süßen Schmerz und seine kurzen Freuden.
 
47.
So führte sie der Zwerg durch sein verborgnes Land.
Da that mit rothem Schein sich eine neue Halle
Vor ihren Blicken auf: Der steilen Felsenwand
Entstürzten Ströme dort mit ungestümem Falle,
Und Hämmer regten sich mit mächt'gem Schwung und Schalle,
Und Winde sausten dort und raschbeschwingter Brand,
Und zischend mischte sich das Wasser mit den Gluthen,
Und brausend waltete der Sturm in Flamm' und Fluthen.
 
48.
Um einen großen Herd war in geschäft'ger Hast
Der Zwerge künstlich Volk zum Werke dort vereinigt:
Der schürt die Gluth, Der treibt des Hammers Last,
Der lenkt des Erzes Fluß, das Jener schmelzt und reinigt,
Der schließt den flücht'gen Sturm mit zauberischem Zwang
In enge Röhren ein, Der hält den Strom zusammen
Und lehrt ihn seine Bahn; und durch Gebraus und Flammen
Erschallte räthselhaft ihr heller Rundgesang:
 
49.
Wir Zwerge ziehn den heil'gen Kreis und weben
Dem Tage fern, was einst zu Tage soll.
Von hier entkeimt, hieher entsinkt das Leben,
Und Jedes giebt dem Andern seinen Zoll.
Geburt und Tod muß auf und nieder schweben,
So bleibt die Zahl der Schöpfung ewig voll.
Gluth lodre, brause Strom, und rauscht, ihr Winde,
Daß mit dem Seyn sich die Gestalt verbinde!
 
50.
So sang der zauberische Kreis
Und regt' und tummelte sich rasch auf allen Seiten,
Und schien geheimnißvoll mit nimmer müdem Fleiß
Ein seltsam Werk gar künstlich zu bereiten.
Vom Herde wirbelten viel Dünste sich empor,
Die wie ein schwebend Meer an hoher Wölbung wallten,
Und wunderbar zerrann der dichte Zauberflor
In bunte Farben oft und irrende Gestalten.
 
51.
Doch aus der Gluth erhob sich rascher stets der Dampf,
Gewaltsam schien's im Nebelmeer zu ringen,
Zwieträchtig regte sich der Formen dunkler Kampf,
Und jede war bemüht die andre zu verschlingen.
Doch als nun jedes Bild in's alte Nichts zerfiel,
Zerstörend und zerstört verschmolz in stiller Welle
Zu einem Glanz der Farben Wechselspiel,
Und mild und reizend schwamm die Luft in grüner Helle.
 
52.
Als so die Zwergenschaar das Zauberwerk vollbracht,
Da ließen sie den Zorn der wilden Flamme schweigen
Und schlossen Sturm und Fluth in einen Felsenschacht
Und tanzten um den Herd im vielverschlungnen Reigen.
Und Jeder schien am schönen Glanz
Sein Auge zu erfreun und seine Kunst zu preisen,
Und lieblich sangen sie nach fremden Zauberweisen
Ein seltsam Lied zu gaukelhaftem Tanz:
 
53.
            Walle, walle
Durch die Halle,
Eins aus Vielen, Eins für Alle,
Walle, schöner Zauberflor!
Schwimm' und schwebe,
Wall' und webe,
Daß die Erd' in Wollust bebe,
Geist des Lebens, schweb' empor!
 
54.
In den Zweigen
Wird sich's zeigen,
Wird zum Himmel grünend steigen,
Was der Zwerge Kunst vollbracht,
Und hernieder
Strebt es wieder,
Senkt die vielverschlungnen Glieder
In die alte Felsennacht.
 
55.
Nimmer siegend,
Nie erliegend,
Kämpft, in jede Form sich schmiegend,
Stoff mit Stoff im harten Streit.
Wird den Müden
Rast beschieden,
Dann zerstört durch ihren Frieden
Sich des Lebens Einigkeit.
 
56.
Grimmig halten
Die Gewalten
Sich umschlungen, und gestalten
Bittern Haß zu stiller Huld.
Kraft muß sprühen,
Segen blühen
Aus den wilden Kampfesmühen,
Ew'ges Heil aus ew'ger Schuld.
 
57.
            So sang das Zwergenvolk, und staunend sahn die Frauen
Und ihr Genoß das Zauberwesen an
Und zitterten in Lust und süßem Grauen,
Als so der Zwerg, der sie geführt, begann:
Wohl mögt ihr still entzückt das holde Wunder schauen,
Das aus entzweitem Drang einträchtig sich entspann;
Denn was am heimlichsten der Erdengeist bereitet,
Das ward vor eurem Blick gewebt und ausgebreitet.
 
58.
Die Kräfte, welche, stets von wildem Haß entzweit,
Gewaltig doch das Wohl der Erde gründen,
Der Erde fester Stoff, die Luft mit Wolk' und Winden,
Die ungezähmte Fluth, des Feuers reger Streit,
Die alle müssen sich zu einer Kraft verbinden
Und thätig seyn im Zwang erzürnter Einigkeit:
So wird aus ihrem Bund der flücht'ge Geist entfaltet,
Der mit lebendiger Kraft durch alle Wesen waltet.
 
59.
Beweglich rinnt er dann aus dieser Felsenkluft
Durch tausend Röhren fort und strömt in alles Leben;
Durch ihn ergrünt der Hain, die Wiese schwimmt im Duft,
Die Blume muß entblühn, die junge Saat sich heben;
Er trägt den Schmetterling, den Vogel durch die Luft
Und läßt den schnellen Fisch auf glatter Woge schweben,
Und, wunderbar beseelt von seinem Wehn, erfüllt
Mit edlen Kräften sich des Menschen schönes Bild.
 
60.
Jetzt will ich euch in jene Höhlen führen,
Wo, unsrer Kraft mit Zürnen unterthan,
Im rohen Streben sich die Elemente rühren
In tiefer Nacht, auf unwillkommner Bahn.
Erhebt den Geist und folgt mir ohne Grausen,
Wenn aus den Tiefen auch der ungeheure Brand
Die grünen Flammen hebt, und Stürm' und Wellen brausen,
Leicht bändigt ihren Zorn des Meisters starke Hand.
 
61.
So spricht der Zwerg und führt auf dunkelm Pfade
Sie weiter fort durch's wüste Felsenhaus.
Da dehnt zuerst ein finsteres Gestade
Unendlich, unerforscht, vor ihrem Blick sich aus.
Dort wogt die starke Fluth mit mitternächt'gen Wellen
Und schäumt und schwillt und schlägt mit mächt'gem Schlag
Den harten Strand, und alle Klüfte gellen
Den zürnenden Gesang der wilden Jungfrau nach.
 
62.
Kein Sturm ertönt in diesen dunkeln Hallen,
Von innrer Kraft gewaltig aufgeregt,
Entströmt und naht die Fluth nach eigenem Gefallen
Und höhnt das Meer, das fremde Ketten trägt;
Und wenn sie beid' auch einst aus einem Quell entsprangen
Und Schwestern sind durch Kraft, durch Sitten und Gestalt,
So nahn sie doch sich stets mit feindlicher Gewalt
Und sind seit Ewigkeit im wilden Streit befangen.
 
63.
Denn täglich stürzt, von Kampfeslust erfüllt,
Das Meer hinab in's unterird'sche Grauen,
Daß aus der flachen Fluth die tiefen Klippen schauen,
Und weit umher das Ufer sich enthüllt;
Doch siegt es nie, denn grimmig widerstreitet
Die nächt'ge Wog' und drängt in's heimische Gebiet
Den Feind zurück, der laut aufrauschend flieht
Und rasch emporgeschwellt sein Ufer überschreitet.
 
64.
In einem schmalen Kahn, der sich am Felsenrand
Beweglich schaukelte im raschen Wellenreigen,
Ließ jetzt der Zwerge Fürst die Wandrer niedersteigen
Und nahm dann selbst das Ruder in die Hand.
Wohl zitterten die zarten Frauen
Im engen Kahn, vom wilden Meer umspült;
Doch bald begannen sie dem Führer zu vertrauen,
Der mit geprüfter Kunst das sichre Steuer hielt.

 << zurück weiter >>