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1. | |
Schon hatte jetzt um ihren weiten Thron Die stille Mitternacht den schwarzen Flor gefaltet, Und zürnend wälzte sich der nahen Stürme Drohn Dumpfhallend durch die Luft; Unholden gleich gestaltet, Mit schwerem Fittig zog der Wolken finstre Brut Am Himmel her, dem ehrnen Donnerwagen Ein nächtliches Gespann, und zuckend flog die Gluth Als Botin schon voran, den Aufruhr anzusagen. |
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2. |
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Rasch durch die Haiden flohn die muntern Rosse fort, Als böten sie dem Sturm die Wette. Schon nahn die Helden sich der wald'gen Bergeskette, Die fern die Ebne kränzt, und spähen hier und dort Nach einem sichern Zufluchtsort, Der vor dem nahen Zorn des Wolkenkampfs sie rette; Und in ein Klippenthal, das wie ein schwarzes Grab Sich tief und schaurig senkt, führt jetzt der Pfad hinab. |
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3. |
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Kaum ist die Schlucht erreicht, so bricht mit raschen Schwingen Der wilde Sturm lautbrausend schon herein. Vor seinem Nahn erschrickt der tausendjähr'ge Hain, Von Blitzen flammt die Nacht, und Gluth und Wasser ringen In dunkler Luft, gewalt'ge Ströme dringen Von allen Höhn herab, und schwere Donner dräun Dumpfrasselnd rings umher, ein unsichtbares Leben Durchtobt den finstern Wald, und Berg' und Felsen beben. |
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4. |
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Den starken Fittig fühlt des Sturms unbänd'ge Kraft Im tiefen Thal gehemmt; er reißt mit raschem Grimme Sich durch die Schluchten fort und rafft Zu Boden, was ihn hemmt, und heult mit lauter Stimme Um alle Felsen her. Bald hebt zur kühnen Schlacht Der Wald sein Haupt empor, bald sinkt den Ungewittern Er krachend hin. Im Dickicht springt mit Zittern Das scheue Wild empor und irrt durch's Graun der Nacht. |
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5. |
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Mühselig ziehn im Sturm und Regen Mit ihrer zarten Schützlingin Durch's tiefe Thal die deutschen Helden hin; Sie spähn umsonst nach sicher Wegen: Bald sinkt der Rosse Fuß in's bodenlose Moor, Bald ritzen scharfe Felsenecken Den unbewehrten Huf, bald ziehn verworrne Hecken Ihr dorniges Geflecht dem rauhen Pfade vor. |
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6. |
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Sie steigen ab. Durch's dichte Dunkel schreitet Der Paladin voran und bricht mit Schwertesschlag Sich eine Bahn, doch sein Gefährte leitet Cäcilien hindurch und führt die Rosse nach. Bald täuscht sich der, bald der, denn Rath und Ruf verwehen Im Sturmgeheul, und nur von Zeit zu Zeit Vergönnt ein heller Blitz, der rasch die Nacht zerstreut, Des Pfades Graun, doch nicht zum Trost, zu sehen. |
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7. |
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Und immer feuriger entglüht Der rothe Strahl, die Donner rasten nimmer, Und pfeifend fährt der Sturm mit gellendem Gewimmer Durch Reinald's Saitenspiel und heult ein gräßlich Lied. Kaum kann das Fräulein noch des Pfades Müh' ertragen; Doch folgt sie still und ohne Klagen, Wenn mancher Stachel auch die zarte Ferse ritzt, Und schwach nur ihr Gewand vor Näss' und Sturm sie schützt |
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8. |
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Wohl hätte jetzt die Nacht der Dämmrung weichen müssen, Doch siegend hielt sie noch das heitre Licht zurück; Mit Zögern nur erhob der Tag den scheuen Blick, Die Wolken, die der Sturm in manches Bild zerrissen, Umfloß ein grauer Schein, noch scholl das heische Wehn Der Wind' im düstern Thal, noch strömt' es kalt hernieder, Und bleicher Nebel hing mit kämpfendem Gefieder Um's finstre Haupt der schroffen Felsenhöhn. |
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9. |
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Allmählig tauchte jetzt aus schwachem Dämmerscheine Der Wüste grauses Bild, doch formlos noch, hervor; Tief senkte sich das Thal, und in's Gewölk verlor Die Stirn der Berge sich; vom ragenden Gesteine Erhoben schwarze Tannenhaine Der Wipfel öde Nacht im wilden Sturm empor; Und traurig dehnten rings sich unwirthbare Haiden, Mit dürrem Grau den Fuß der Felsen zu bekleiden. |
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10. |
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Hier kündete kein Pfad des Menschen milde Spur, Nur Stürme hatten hier auf rauher Bahn gewaltet, Und Wolf und Bär und Schlang' und Geier nur Behausten das Geklüft. Zu Trümmern umgestaltet Sank mancher Felsen schon in's tiefe Thal hinab, Schon mancher Wald erhob sich auf dem frühern Grab, Und traurig kränkelte das kaum erblühte Leben, Vom öden Wust des ältern Schmucks umgeben. |
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11. |
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Rings lag zerrissen vom Orcan Verwittertes Gestein mit feuchtem Moos umwoben, Und Bäche wühlten rings mit Toben Durch Felsen und Gestrüpp sich eine neue Bahn; Im wilden Moor verflochten alte Tannen Zu kühnen Gruppen sich, und durch das Dickicht schien Des dichten Efeus ew'ges Grün Ein undurchdringlich Netz dem Wandrer auszuspannen. |
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12. |
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Hoch am Gebirg, wo schauriger der Sturm Um' s dunkle Haupt der schlanken Fichten wehte, Sah jetzt der deutsche Held, der rings den Wald durchspähte, Ein altes Mauerwerk. Noch hob ein mächt'ger Thurm, Gleich einem Riesengeist aus grauen Heldenzeiten, Der Zinnen morschen Kranz aus ödem Schutt empor, Und nahe schien ein ehrnes Thor Zur wüsten Dämmerung der Hallen hinzuleiten. |
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13. |
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Ein Jeder hofft erfreut vor Sturm und Regenguß Ein sichres Obdach dort zu finden, Und mühevoll durch Strauch und Klippen winden Die Wandrer sich hinauf. Am steilen Pfade muß Ohnmächtig oft das zarte Fräulein rasten, Oft bebt ihr banger Fuß am schmalen Felsensteg; Doch wenn auch Müh' und Schmerz und Furcht ihr Herz belasten, Ein Blick auf Adalbert nimmt jedes Leid hinweg. |
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14. |
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Jetzt langt am trotzigen Gemäuer Das matte Häuflein an. Mit ernstem Dunkel ragt Der Wald umher, und nimmer tagt Die graue Dämmrung hier; hoch flattern Aar und Geier Laut krächzend um den Thurm, mit scheuem Flug verläßt Das Käuzlein seine Gruft und schwirrt um Helm und Degen, Vom Licht geblendet, her, und aus dem Felsennest Zischt Schlang' und Molch den Nahenden entgegen. |
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15. |
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Doch bald entflieht die Brut vom scharfen Stahl verbannt, Und muthig nahn der Thür, die zu der Warte leitet, Die Helden sich. Mit blankem Schwerte schreitet Der Paladin voran und führt an sichrer Hand Das Fräulein nach. Auch Reinald's Arm bereitet Zum Kampfe sich, er lehnt an eine morsche Wand Sein treues Saitenspiel und folgt mit festem Willen, Mag Frieden oder Streit der finstre Thurm verhüllen. |
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16. |
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Sie treten ein. Ein falbes Zwielicht graut Um Mauer und Gewölb' und schweigend liegt die Halle; Nur stehlen fern mit bangem Schalle Sich Seufzer durch den Raum. Noch schaut Umsonst ihr Blick umher, denn flücht'ge Schatten trügen Ihr mattes Auge noch. Sie schreiten still heran; Da sehn am dunkeln Ort sie einen fremden Mann, Ein Bild des schwarzen Grams, am harten Boden liegen. |
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17. |
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Am Felsen wund geritzt troff blutig Brust und Haupt, Sein Blick war starr, sein todtes Auge trocken, Am Boden ringelten die dunkelblonden Locken Sich ordnungslos umher, verworren und bestaubt, Schwerathmend schien mit letzter Kraft sein Leben Aus tiefer Brust gewaltsam fortzustreben, Und mühsam nur, als er die Nahenden erblickt, Entrang dies Wort sich ihm, in Seufzern oft erstickt: |
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18. |
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Seyd mir gegrüßt, ihr Todesboten! Hier ist mein Haupt, o zögert nicht! Mein süßes Glück, es schlummert bei den Todten, Ihm folg' ich gern! Wohlan, vollzieht die blut'ge Pflicht. Ich bin's, dem Harald's Gier den Vaterthron genommen, Ich, dessen Blut sein wilder Haß begehrt. Was zagt ihr noch? Wohl führt' ich einst ein Schwert, Jetzt heiß' ich freundlich euch willkommen. |
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19. |
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O weh, du zartes Morgenroth Der Hoffnung, süßer Mai der Liebe! Wie ward so bald dein goldner Himmel trübe! Du sel'ges Bild der Lust! so bist du kalt und todt? Dir wollt' ich Glanz und Ruhm erstreiten, Und ach, kaum find' ich jetzt für dich ein stilles Grab! Weh mir! Du solltest nie zum Throne mich begleiten, Drum folg' ich gern dir in die Gruft hinab. |
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20. |
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So ruft er und entblößt dem Schwerte Die wunde Brust, und sieh, die erste Thräne rinnt Aus seinem Aug' hervor. Der Held und sein Gefährte Stehn staunend vor ihm da. Dich täuscht dein Wahn, beginnt Der Paladin, nicht fordern wir dein Leben; Der dich verfolgt, den fliehn auch wir, Uns kettet gleiche Noth. Mit Freuden biet' ich dir Zum Schutz und Trutz mein Schwert, doch Trost kann Gott nur geben. |
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21. |
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Er spricht's. Der fremde Jüngling starrt Ihn düster an. Wohl kann nur Gott mich trösten, Das Grab und Gott. – Des Lebens Bande lösten Sich längst für mich; was künftig meiner harrt, Das acht' ich nicht. – Mein Muth ist todt, zerstoben Ist meine Kraft; Vertraun und kühner Sinn Und Ruhm und Thatendrang, die sonst mein Herz erhoben, Ach, Alles sank mit dir, geliebtes Bild, dahin! |
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22. |
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Wie friedlich schlummerst du, du schönste der Gestalten, Die je im Traum der Ahnung mir erschien! Dein Athem sehnt sich noch in deiner Brust zu walten, Noch wollen Wang' und Mund in zarter Röthe blühn, Das Leben scheint dich liebend festzuhalten, Und warm sein letzter Kuß im Antlitz dir zu glühn; Doch zagend muß mein Blick von dir hinweg sich wenden, Dein Leben ist nur Traum, und jeder Traum muß enden. |
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23. |
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Er rief's und weinte laut und neigte schluchzend dann Sein Haupt zurück. Der weiche Sänger sann Schon lang' auf Hülf' und Trost. Einst hatt' ein weiser Meister, Den er im fernen Land durch manches Lied geehrt, Ihm alle Tugenden der flücht'gen Pflanzengeister, Der Steine seltne Kraft, der Mischung Kunst gelehrt, Und oft schon ward durch sein geheimes Wissen Der offnen Gruft ihr sichrer Raub entrissen. |
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24. |
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Auch jetzt vertraut er ihm und betet still zu Gott Und spricht: Die Grenz' ist schmal, die Seyn und Nichtsein scheidet, Und oft schon hat dem finstern Feind zum Spott Das Leben in's Gewand des Todes sich gekleidet. Du sagst, noch blühe frisch und schön Die Hülle deiner Braut? Nicht rath' ich dir zu hoffen; Doch manches schwere Ziel hat schon die Kunst getroffen, Und Gott ist groß, drum laß die Schlummernde mich sehn. |
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25. |
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Er spricht's. Der Jüngling springt mit plötzlichem Entzücken Vom Boden auf. Der Hoffnung schwächster Schein Nimmt siegend schon sein ganzes Wesen ein: Lust lacht um seinen Mund und glänzt in seinen Blicken Und hebt sein Herz hoch auf. O Gott, du sendest Tag In meine Gruft! Du hörtest auf mein Rufen! So jauchzt er laut und fliegt die Wendelstufen Im alten Thurm empor und zieht den Sänger nach. |
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26. |
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Der Held und seine Freundin bleiben Am Fuß der Treppe stehn und wünschen Heil und Glück Auf Reinald's Hand herab. Und horch, ein freud'ges Treiben Beginnt im obern Thurm, und mit verklärtem Blick Kehrt Reinald jetzt in banger Hast zurück; Erstaunen, Lust und Angst betäuben Sein Ohr, er hört sie nicht und eilt dem Blitze gleich Durch Hall' und Thür und schwindet im Gesträuch. |
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27. |
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Sie schaun ihm forschend nach; und sieh, mit mancher Pflanze, Die mild im duft'gen Schooß lebend'ge Kraft verschließt, Kehrt er zurück. In freudigen Thränen fließt Sein Aug' und senkt mit ungewohntem Glanze Sich auf Cäcilien, schon will ein fröhlich Wort Gewaltsam ihm entfliehn; doch hastig stürzt er fort Die Stieg' empor und ruft: O bleibt! laßt euch beschwören! Nur jetzt noch naht euch nicht! Bald sollt ihr Alles hören. |
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28. |
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Erstaunt verziehn sie noch; da schallt es hell herab: Sie lebt, sie lebt! Das finstre Grab Gab seinen Raub zurück! Kaum rastet jetzt noch länger Des Ritters Ungeduld, da naht Mit schnellem Schritt der treue Sänger. In seinem Auge lacht die schön gelungne That, Doch zagend, daß die Lust des Fräuleins Herz zu mächtig Erschüttre, spricht er prüfend und bedächtig: |
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29. |
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Du siehst, wie heitrer Glanz das Auge mir verklärt, Wie meine Wangen sich in freud'ge Röthe kleiden, Dir gilt dies Herz voll Lust! Ach, alle meine Freuden Sind ja die deinen nur, dein Kummer nur beschwert Mein Herz allein! Sey stark! Oft hat in düstern Tagen Dein heil'ger Muth dem nächtlichen Geschick Unwandelbar getrotzt, o lerne jetzt das Glück, Das unverhofft dir naht, ertragen! |
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30. |
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Ich weiß es ja, wie sehr du sie geliebt, Die freundlich durch den Lenz der Jugend dich begleitet, Die Arglist dir geraubt, die Gott dir wiedergibt! O bebe nicht! sie ist dir nah, sie breitet Die Arme nach dir aus, die freud'ge Hoffnung schmiegt Sich tröstend an ihr Herz und nimmt dem frühern Grame, Dem Tode selbst sein Gift, sie lebt, dein theurer Name Hat jeden düstern Geist der schwarzen Nacht besiegt. |
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31. |
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Er spricht's. Von rascher Lust erbeben Des Fräuleins Knie. O Strahl der Seligkeit, So ruft sie aus, o Glück, o süßes Leben In todter Brust, o holde Adelheid, Dich soll ich wiedersehn? Wo ist sie? Komm, o führe Mich hin zu ihr! O komm! Nach ihren Blicken sehnt Zu lang sich schon mein Herz und zittert bang und wähnt, Daß es durch Zögerung noch einmal sie verliere. |
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32. |
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Sie ruft's, sie eilt empor, sie öffnet das Gemach. Da ruhte sanft im ersten heitern Lichte, Das siegend jetzt der junge Tag Aus Wolkenduft gesandt, mit hellem Angesichte Der Schwester zartes Bild. Sie fliegt hinzu, sie sinkt An's Lager hin, ihr brünst'ger Arm umschlingt Die Langverlorene, wehmüth'ge Thränen brechen Hervor, sie seufzt tief auf und sucht umsonst zu sprechen. |
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33. |
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Mit lautem Wonneruf erhebt Sich Adelheid. Gewaltsam ringt die Freude In ihrer Brust, sie lacht, sie weint im süßen Leide Der raschen Lust, ihr voller Busen bebt Und athmet schnell. Doch sieh, schon löst der Sturm allmählig In weiche Ruh sich auf, die zarte Trösterin Der schönen Brust, die Wehmuth, naht, und selig Und friedlich sinkt ihr Blick auf ihre Schwester hin. |
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34. |
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So zittert im Krystall der Quelle, Die ein entrollter Stein zum raschen Spiel bewegt, Der Rose blühndes Bild. Noch ringen Well' und Welle, Stets wandelt sich der Kelch, im irren Silber regt Sich wunderbar sein Glanz; doch immer schwächre Kreise Verschmilzt die Fluth, schon ist der Kampf gestillt, Die reine Tiefe lacht, und freundlich schwimmt und leise Im ruhig klaren Born das unbewegte Bild. |
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35. |
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Mit fest verschlungnem Arm umschließen Die holden Jungfraun sich, ihr trunk'nes Auge scheint Tief in des Andern Blick sein Leben zu ergießen, Mund ruht an Mund, ihr Busen klopft vereint, Verschwistert weht ihr Hauch, zusammenrinnend grüßen Die heißen Thränen sich, die Beider Auge weint, Und halberstickte Laute drängen Sich aus der freud'gen Brust, die Schmerz und Lust beengen. |
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36. |
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Die stillgefaltnen Hände legt Der Ritter auf sein Herz und blickt mit nasser Wange Zur Sonn' empor. Der fromme Sänger schlägt Die Harfe zitternd an und ehrt mit leisem Klange Den heil'gen Augenblick. Doch unbeweglich kniet Der fremde Held, er betet nicht, er sieht Nur still zu Gott empor, Gedank' und Will' entschwinden Der trunknen Brust, er kann nur schweigen und empfinden. |
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37. |
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Doch als die erste Fluth der raschen Lust verrauscht, Und Jeder für den Sturm, der ihm im Busen wehte, Den milden Hauch des Friedens eingetauscht, Da hob von ihrer Lagerstäte Sich Adelheid empor. Schon war die letzte Spur Der Krankheit fast vertilgt, des Auges Schmachten nur Und nur das bleichre Roth der sanftgefärbten Wangen Bezeugten noch die Nacht, die eben sie umfangen. |
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38. |
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So glänzt der frische Schnee, der ferne Berg' umzieht, Mild angehaucht von leiser Röthe, Wenn zart des Abends Saum im Rosenschimmer glüht; So strahlt auf buntem Blumenbeete, Wo mancher Rosenkelch im linden Weste bebt, Das Silberlicht des Thaus; so webt Ein flüchtig heller Glanz sich um die duft'gen Ranken, Die schwer von blühndem Schmuck in's Quellgeriesel sanken. |
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39. |
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Schon steht sie freundlich da. Mit holden Worten naht Dem Sänger sie zuerst: Du traulicher Gespiele, So spricht sie sanft, der auf dem heitern Pfad Der frühen Jugend schon die kindlichen Gefühle Der Lust mit uns getheilt, jetzt führt die süße Pflicht Des Dankes mich zu dir. Du weißt es zu erklären, Was schweigend oft in meinem Auge spricht, Und wirst den stolzen Prunk der Worte gern entbehren. |
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40. |
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Und du, so fährt sie fort und blickt mit zarter Gluth Den fremden Jüngling an, du, der so treu mich liebte, Den ich so lang durch kalten Schein betrübte, Verzeih mir meinen Stolz, er ist mein schönstes Gut. Nicht läßt mein Herz sich gern ergründen, Im weiblichen Gemüth regiert wie Frühlingswehn Der reine Hauch der Zucht. Süß ist es, zu empfinden, Doch schwer, Empfindung zu gestehn. |
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Du hast mit treuem Sinn nach meiner Huld gerungen Und nur mein Glück, nicht meinen Dank begehrt, Hast schweigend dein Gefühl und deinen Schmerz bezwungen, Dir weicht mein freies Herz, du bist des Sieges werth. Gern reich' ich dir in dieser heil'gen Stunde, Worin zum zweiten Mal mein Leben sich erneut, Worin mir Gottes Gunst so theure Zeugen beut, Die jungfräuliche Hand zum ew'gen Liebesbunde. |
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42. |
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Sie sprach's und sah, von zartem Roth umspielt, Und doch mit sichrer Ruh, mit heitrer Seelenhelle Den Ritter an. So schimmert in der Welle Des glatten Sees, worin die Abendgluth sich kühlt, Der Liebe goldner Stern. In stummer Wonne kniete Der Jüngling vor ihr hin, aus seinem Auge sprühte Die alte Kraft, und größer anzusehn Erhob sich jetzt der Held, durch Muth und Liebe schön. |
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43. |
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Mit trautem Wort begrüßten Alle Den neuen Freund. Bei flücht'gem Harfenklang Erhob des Sängers Kunst mit freud'gem Liederschalle Der Sehnsucht stillen Schmerz, der Minne süßen Dank. Des Ritters Auge traf, von leisem Kummer trübe, Cäcilien; doch ihren Geist erkor Jetzt reine Lust zum Sitz, und reich an heil'ger Liebe Sah erst ihr Blick auf ihn und dann zu Gott empor. |
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44. |
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Als jetzt die weiche Ruh der zarten Wehmuth schwindet, Da fördert Alles, rings in freud'ger Hast gesellt, Den traulichen Verein. Mit scharfem Schwerte fällt Der Ritter dürres Holz, der flinke Sänger zündet Ein lust'ges Feuer an, indeß der fremde Held Mit Pfeil und Bogen sich durch Dorn und Dickicht windet Zum Raub der Jagd, und am verfallnen Herd Das holde Schwesterpaar die rasche Flamme nährt. |
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Schon sitzt der frohe Kreis beisammen, Und wirthlich beut der Tisch ein ungeschmücktes Mahl, Hell knisterten die flücht'gen Flammen, Und laue Milde schwamm im hochgewölbten Saal; Reicht schwand die Zeit im raschen Spiele Der heitern Lust, im Reiz der zarteren Gefühle, Und Keiner fast vernahm, wie mit gewalt'gem Flug Der feuchte Sturm die öden Mauern schlug. |
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46. |
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Jetzt ist das Mahl vollbracht. Indeß nun immer wilder Der Wind die Fähnlein dreht und um die Zinnen saust, Und wärmer stets und freundlicher und milder Der sichre Thurm die Traulichen behaust, Hebt Jeder an dem Andern zu erklären, Wie nach so langer Trennungsnacht, Nach mancher Lust, nach manchen bittern Zähren Die Vorsicht ihn zu diesem Thurm gebracht. |
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47. |
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Zuerst beginnt Cäcilie die Leiden Der heil'gen Fahrt; doch liebevoll verschweigt Die Zärtliche, daß bald des Himmels Ruf vielleicht Noch einmal sie von ihrer Schwester scheiden, Auf immer scheiden wird. Sie hüllt den großen Schwur, Der jetzt an Adalbert und an den Tod sie kettet, In täuschend Dunkel ein und schreibt dem Zufall nur Die Leiden zu, woraus sie Gott errettet. |
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48. |
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Mit tiefem Mitgefühl vernimmt Der Schwester zartes Herz die seltnen Abenteuer Und fühlt sich wechselweis zu Freud' und Schmerz gestimmt; Bald zagt sie bang, bald webt der Rosenschleier Der Lust sich um sie her. So wallt an heitern Höhn, Wenn fern am Himmelssaum die Strahlen schon erstarben, Sanft angehaucht von lindem Dämmrungswehn, Der Wolken leichter Duft in tausend bunten Farben. |
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Du edles Herz, so ruft sie aus und weint An ihrer Brust und hält sie fest umschlungen: Ich bin zum Dank zu arm! Doch daß dein Werk gelungen, Daß jetzt der Himmel uns so wunderbar vereint, Das ist dein schönster Lohn! Jetzt sollen nie die Leiden Der Trennung sich erneun! Wie unser Loos auch fällt, Mit dir erduld' ich's gern, und nimmer soll die Welt, Das dunkle Grab nur soll uns scheiden! |
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50. |
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Zu tief empfand auch ich der Trennung bittre Pein, Viel leichter schien es mir der Freiheit zu entsagen Als dir. Nicht hätt' ich's lang ertragen, Du reines Herz, von dir entfernt zu seyn. Zwar nahte meinem dunkeln Leben Sich tröstend oft ein heitrer Sonnenblick; Doch fühlt' ich nie ein ungetrübtes Glück, Bis Gott mir dich zurückgegeben. |
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51. |
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Du weißt es, wie die Räuberschaar Im Hain mich überfiel! Wie zittert' ich, wie flehte, Wie weint' ich laut, wie rief im Drange der Gefahr Ich bald den großen Gott in feurigem Gebete, Bald dich um Rettung an! Umsonst, man riß mich fort Ins Thal, wo schon bereit die flücht'gen Rosse standen, Und manche rauhe Hand, noch roth von blut'gem Mord, Ergriff mich und umflocht mich eng mit ehrnen Banden. |
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52. |
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Rasch ging's durch's nächtliche Gefild Zum größern Zug dahin. Gern will ich dir verhehlen, Wie grausenvoll des Krieges blut'ges Bild Mich jetzt umgab; wer kann den Jammer zählen, Den freche Willkür schafft? Das gräßliche Panier Des Frevels flatterte hoch über Blut und Flammen, Laut jauchzten Grimm und Hohn und wilde Raubbegier, Und alles Heil'ge sank in Staub und Schutt zusammen. |
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53. |
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Ach kennst du wohl ein härtres Loos, Als Unrecht anzusehn und Haß und bittre Thränen, Wenn du nicht rächen, nicht versöhnen, Nicht hülfreich lindern kannst? Oft ward das Herz mir groß, Oft zürnt' ich tief empört vom blutigen Gewühle, Daß Banden nur mein Arm, kein Schwert der Rache trug; Doch fand ich bald, zum zarten Mitgefühle Sey selbst das ärmste Herz noch immer reich genug. |
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54. |
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Schon nahten wir dem weiten Meersgestade, Bunt flatterten die Wimpel schon daher, Unendlich dehnten sich die unwirthbaren Pfade Der Wogen vor mir aus, und rauschend schwoll das Meer Am Ufer auf und höhnte meine Klagen Mit fühllos dumpfem Laut, schon stießen wir vom Strand, Schnell flohn die Schiffe fort von leichter Fluth getragen, Die Segel wallten hoch, und – Deutschlands Küste schwand. |
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55. |
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Wie streckt' ich weinend jetzt und sehnsuchtsvoll die Arme Zum fernen Ufer aus! Bald klagt' ich laut und rang Die Hand' im bittern Leid, bald schwieg im stummen Harme Die kalte Brust, und auf die Fluthen sank Mein Blick und sann auf Tod. O weh, ihr zarten Freuden Der Kindheit! Holdes Land, das freundlich uns genährt! Vertraulich lieber Kreis am väterlichen Herd! Wie bitter ist's, von euch zu scheiden! |
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56. |
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Allein ihr kennt es ja, dies arglos heitre Herz, Das mir zum süßen Trost der gute Gott beschieden, Des Geistes klare Ruh, den stillen Seelenfrieden, Den kühnen Stolz, der nie verzagt dem Schmerz Sich lange beugt und ohne feiges Klagen In stiller Brust ein großes Leid verhehlt. Wohl hat das Glück vor Vielen mich erwählt, Mich kindlich stets zu freun, doch männlich zu ertragen. |
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57. |
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So bändigt' ich auch jetzt des Schicksals harten Zwang. Wenn Ketten auch den matten Arm umwanden, Wenn herrisch auch das Wort der Räuber oft erklang – War ich nicht frei? Der trägt verdiente Banden, Wer feig in ihnen zagt. Mit kaltem, strengem Blick Verachtet' ich die Schaar, die mir gebieten wollte, Und zeigte kühn, daß trotz dem knechtischen Geschick Kein knechtisch Blut in meinen Adern rollte. |
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58. |
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Schon hatten wir der Dänen Strand erreicht, Und prangend zog die Schaar mit ihrer reichen Beute In Lethra's Mauern ein. Von meinem Loos erweicht, Nahm in ihr dienendes Geleite Die Königin mich auf. Wohl schien es oft mir schwer, Den freien Sinn nach fremdem Wink zu lenken; Allein so nah dem Thron besorgt' ich auch nicht mehr, Es werde niedre Schmach die edle Jungfrau kränken. |
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59. |
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Ich ward zur Wärterin der Blumen ausersehn, Die farbenhell auf buntgeschmückten Beeten, Bekränzt von sonnenreichen Höhn, So selten nur die feuchten Stürme wehten, Die Burg umdufteten. Wohl konnt' im Sclavenstand Des Himmels Gunst mir nie ein schönres Loos bescheiden Als dies, worin mein Herz der Kindheit erste Freuden, Das friedliche Geschäft der Heimath wiederfand. |
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60. |
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Und wenn mit kühlem Trank die Blümlein ich erquickte, Träumt' ich zu dir mich hin. Solch eine Rose war's, So dacht' ich, die so oft zum Schmuck des seidnen Haars Cäcilie sich im Thau der Frühe pflückte! Die Glöcklein haben oft an ihrer Brust geglänzt! Und hat der Efeu dort, der flatternd von den Aesten Herniederhängt, nicht oft bei unsern Kinderfesten Der Grotten kühle Nacht mit frischem Grün bekränzt? |
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61. |
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Dann konnt' ich still in süße Träume sinken: Dich wähnt' ich dann im Haine zu erspähn, Im klaren Quell sah ich dein Bild mir winken, Und kosend flüsterte in zarter Blätter Wehn Dein Laut zu mir heran. Oft pflückt' ich frische Blüthen, Um hold, wenn du erschienst, dir einen Kranz zu bieten, Und wenn ein leiser Schritt mein grünend Reich betrat, Dann rief ich oft: Horch, horch, die süße Schwester naht. |
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62. |
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Wie tröstend war es mir, so manches Lied zu singen, Das Reinald uns gelehrt! Wenn dann im Tannenhain Am Felsenhang mit leisern Schwingen Die Lüfte säuselten, und heller vom Gestein Der Quell sich niedergoß – dann wähnt' ich, dich zu hören, Wie du mit fernem Harfenspiel Mein Lied begleitetest. Wohl täuscht' ich mein Gefühl; Doch ach, wer wollte wohl nicht gern sich so bethören? |