Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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(Zwölfter Gesang.)

65.
                          Doch muthig sprengt der wilde Skiold vorauf
Und will zuerst das kühne Ziel erstreiten,
Sein fester Schild fängt alle Lanzen auf,
Er beugt und wirft den Leib nach allen Seiten.
Bald spornt er unverzagt das Roß zum flücht'gen Lauf,
Bald hält er's rasch zurück, bald läßt er's ruhig schreiten.
Am Arme rastet nie des Schildes blanke Wehr,
Sein Aug' ist immer wach, und stets gezückt sein Speer.
 
66.
So flieht ein Mann, wenn rings mit grausem Walten
Der Erdengeist die Felsenfesseln sprengt;
Jetzt weicht er Trümmern aus, jetzt rasch zerrißnen Spalten,
Und jetzt der rothen Gluth, die prasselnd ihn umfängt;
Oft muß sein Arm im Fliehn die morsche Mauer halten,
Die krachend schon zum Sturz sich aus den Fugen drängt,
Und wenn er hier der Noth noch wehrt mit starken Händen,
Zwingt ihn die neue schon den Blick ihr zuzuwenden.
 
67.
Und sieh, schon klimmt er kühn hinan,
Er jubelt laut und ruft sein stürmend Volk zum Streite,
Schon fällt von seinem Speer ein tapfrer Rittersmann,
Er zückt sein scharfes Schwert, und rasselnd fällt der zweite.
Bald schließt auch hier und dort sich seine Schaar ihm an,
Ein kühn Geschwader zieht dem Helden schon zur Seite,
Der jetzt zum raschen Stoß die mächt'ge Lanze schwingt
Und im gewalt'gen Sturm dem Feind entgegendringt.
 
68.
Doch schnell gebeut der Graf dem schlachtenkund'gen Heere,
Hart drängt sich Roß an Roß, wie Mauern stehn die Reihn,
Starr senkt die Ritterschaar die unbewegten Speere,
Von tausend Spitzen blinkt der Tod mit stummem Dräun.
Wohin der Blick sich auch, wohin das Schwert sich kehre,
Kein kühner Sturm durchbricht den trotzigen Verein.
Da saust von fern ein dichter Lanzenregen
Ans Heidenfaust dem Ritterkreis entgegen.
 
69.
Es pfeift die Luft, hell blitzen Helm und Schild
Von Funken rings, die ehrnen Panzer schallen,
Doch von dem harten Stahl, der jedes Glied verhüllt,
Muß oft der Speer zurück in eitle Lüfte prallen,
Und jede Lücke wird von Neuem schnell gefüllt,
Wenn hier und dort ein Held vom raschen Wurf gefallen,
Und jedes Ritterherz, das jetzt im Tode bricht,
Verblutet stumm und zagt und zittert nicht.
 
70.
Doch als der Grund sich zu der Ritter Füßen
Mit Speeren nun und Lanzensplittern deckt,
Da läßt die edle Schaar die straffen Zügel schießen,
Jach bricht das Roß hervor, zum wilden Lauf gestreckt,
Und mancher Däne sinkt, durchbohrt von Feindesspießen,
Indeß der seine fern im tiefen Boden steckt.
Den Geiern des Gebirgs erfüllt zur blut'gen Weide
Mit Roß und Reitern sich die wilde Felsenhaide.
 
71.
Doch sammelt rasch der trotz'ge Dänenheld
Sein weichend Volk und stürzt mit scharfem Stahle
Sich wüthend auf den Feind, der jetzt zum andern Male
Zur sichern Gegenwehr in dichte Reihn sich stellt.
So schwankt noch lang des Sieges blut'ge Schaale,
Bald räumten Die und Jene bald das Feld;
Vergebens müht sich Skiold, die Höhe zu gewinnen,
Doch treibt auch Archimbald die Dänen nicht von hinnen.
 
72.
Stets heißer ist indeß im Thal die Schlacht entbrannt.
Vom bleichen Himmel sinkt des Mittags dumpfe Schwühle,
Mit Schweiß und Blut bedeckt sich Antlitz und Gewand,
Es keuchen Roß und Mann im drängenden Gewühl,
Wohl Mancher neigt erschöpft sich auf den blut'gen Sand,
Daß er mit grausem Trank die durst'gen Lippen kühle.
Dem Wolkensturme gleich in trüber Mondennacht,
Ringt gräßlich durch den Staub sich heisch und wüst die Schlacht.
 
73.
Dort, wo der Pfalzgraf kämpft mit schwarz verhülltem Schilde,
Der nicht den Sieg, der Kampf nur und Gefahr
Und Tod verlangt, dort sprengt die trotzige Thorilde
Im raschen Trab heran mit ihrer holden Schaar.
Wie Träume nahten sich die zierlichen Gebilde
Mit blühndem Angesicht und blondgelocktem Haar;
Ihr Auge funkelte gleich himmlischen Gestirnen,
Und schöner rötheten die Wange Muth und Zürnen.
 
74.
Gar freudig sprengt das leichte Roß einher,
Als sey es stolz, so holde Last zu tragen,
Leicht schwingt die Hand den hellgeschliffnen Speer,
Schon Mancher liegt von ihrem Schwert erschlagen;
Denn zögernd hebt sich stets der Arm zur Gegenwehr,
Das Eisen selber scheint vor ihrem Blut zu zagen,
Sie streiten ohne Feind, und mancher Held erliegt,
Von ihrem Stahl zugleich und ihrem Blick besiegt.
 
75.
Allein der Graf, der lang nicht mehr empfunden,
Welch holdes Licht aus Frauenaugen blitzt,
Dem jedes andre Bild, nur eines nicht, verschwunden,
Er stürzt zum Streit herbei, von Kampf und Schmerz erhitzt.
Wie schlägt sein Schwert so bittre Todeswunden,
Wie manches theure Blut wird zornig hier versprützt!
In Grabesnacht versinkt manch zartes Liebeshoffen,
Und selbst Thorild' entweicht, von seinem Schwert getroffen.
 
76.
Doch Swanhild naht, ein Kind aus fürstlichem Geblüt,
Die reizendste der kühnen Kriegerinnen,
Die nur aus freud'gem Muth zum wilden Kampfe zieht,
Denn Keiner konnte noch ihr stolzes Herz gewinnen.
Ach nimmer wird der Feind vor ihrem Schwert entrinnen,
Wenn er zugleich nicht auch dem holden Aug' entflieht.
Wer sterbend sank, von ihrer Hand erschlagen,
Den schien ein süßer Traum zum Himmel aufzutragen.
 
77.
Dies Auge, das im Zorn so helle Blitze schießt,
Wie lacht es einst so mild im zärtlichen Verlangen!
Das Blut, das jetzt so kühn durch ihre Adern fließt,
Wie schüchtern färbt es einst der Braut die zarten Wangen!
Und jenes goldne Haar, das jetzt der Helm umschließt,
Wie wird im grünen Kranz es einst so lieblich prangen!
Der Graf erstarrt, als er sein Aug' erhebt,
Er reißt sein Roß zurück und hemmt das Schwert und bebt.
 
78.
Denn, wie uns oft ein Traum mit süßen Lügen
Die todte Lust verblühter Zeit enthüllt,
So sieht auch hier der Graf in Swanhild's holden Zügen
Die längst verlorne Braut, das einst so theure Bild.
Noch einmal scheint sie jetzt dem dunklen Grab' entstiegen,
Doch nicht wie sonst so zärtlich still und mild;
Sie, die so friedlich oft an seinem Herzen ruhte,
Hat jetzt den Speer gezückt und lechzt nach seinem Blute.
 
79.
Weit wirft der Graf das Schwert aus seiner Hand,
Er schleudert rasch den Schild zu seines Rosses Füßen,
Sein starker Arm zerbricht das stählerne Gewand,
Um selbst die sichre Bahn dem Eisen aufzuschließen.
Schon hat die Feindin ihm den Speer durch's Herz gerannt,
In reichem Strom beginnt sein wallend Blut zu fließen,
Auf ihren Zügen ruht sein letzter matter Blick,
Er seufzt und lächelt still und sinkt erblaßt zurück.
 
80.
So ruh denn sanft! Du hast genug ertragen
Im langen Schmerz. Verschlummre deine Noth!
Wohl ist es süß, um Liebe viel zu wagen,
Doch süß ist auch von lieber Hand der Tod.
Schon dämmert jetzt von längst entschwundnen Tagen
Noch einmal dir das holde Morgenroth.
Wohl folgt' ich gern dir in die sel'gen Hütten,
Wo Liebe lohnt, was Liebe treu gelitten.
 
81.
Als Guelf, der Graf vom Rhein, den Fall des Freundes sieht,
Da sprengt er rasch hervor, den Feind ihm nachzusenden.
Die Jungfrau schaut ihn an – sie schwankt, erbleicht und glüht;
Dann zückt sie schnell den Speer, doch nur mit scheuen Händen,
Weit schwirrt er ab vom Ziel; sie eilt das Roß zu wenden,
Sie seufzt vor Lieb' und Zorn und schaut zurück und flieht.
Auch Guelf vergißt den Kampf, seit ihn ihr Blick getroffen,
Und jagt ihr flüchtig nach, beschwingt von schönerm Hoffen.
 
82.
Ihn schreckt kein Speer, kein scharfes Dänenschwert,
Schon naht er ihr, schon sprengt er ihr zur Seite,
Mit starkem Arm umschlingt er seine Beute
Und hebt sie leicht herüber auf sein Pferd.
Noch sträubt sie sich und ringt im schwachen Streite,
Da selbst der Streit die süße Wunde nährt;
Schon weiß ihr Blick nicht mehr, der hell von Thränen leuchtet,
Ob Zorn, ob Stolz, ob Lieb' ihn jetzt befeuchtet.
 
83.
Schon hat sein schnelles Roß in's Lager sie gebracht.
Sie, die noch halb im Zorn um Sieg und Freiheit ringen,
Die kaum einander noch bekämpft in blut'ger Schlacht,
Wird süße Liebe bald mit schönerm Band umschlingen.
So sehn wir freundlich oft in dunkler Wetternacht
Durch drohendes Gewölk verstohlne Sternlein dringen;
So scheucht ein holder Blick, ein zartes Liebeswort
Oft aus der finstern Brust die rauhen Stürme fort.
 
84.
Doch wilder drängt der Streit sich dort im Christenheere,
Wo Tolkar's nord'sche Kraft dem Feind entgegendringt.
Er trägt in jeder Hand zwei ungeheure Speere,
Vier Männer sinken stets, wenn er zum Kampf sie schwingt.
Fast naht sich Keiner mehr, der seinem Zürnen wehre,
Frei steht der mächt'ge Feind, von Leichen nur umringt.
Verwundet wird schon längst Askan hinweggetragen,
Und vor der Sachsenschaar liegt Wittekind erschlagen.
 
85.
Indeß hat Adelhelm im kühnen Liebesmuth
Durch's rasche Schlachtgewühl sich hin und her getrieben;
Da naht er jenem Ort und sieht in trotz'ger Wuth
Den Herrn der nord'schen Schaar gewalt'ge Thaten üben.
Hier, Bertha, süße Braut, bewahr' ich dir mein Lieben
Durch tapfern Sieg vielleicht, vielleicht durch tapfres Blut!
So ruft mit freud'gem Geist der ritterliche Degen
Und spornt sein schnelles Roß dem wilden Feind entgegen.
 
86.
Doch seine Speere wirft der Feind mit Riesenkraft,
Es saust die Luft, als nah' ein vierfach Ungewitter:
Der eine trifft den Schild, es krümmt sich Erz und Schaft,
Abprallend gellt er laut und springt in tausend Splitter;
Der andre streift am Arm mit scharfem Stahl den Ritter;
Vom dritten wird dem Helm die bunte Zier entrafft;
Doch grimmgeschwungen naht der vierte sich dem Pferde,
Zerschmettert Hals und Brust und spießt es an die Erde.
 
87.
Doch rüstig hat der rasche Schwabenheld
Im Sturze noch dem Sattel sich entschwungen
Und mit dem Speer, noch eh durch's blut'ge Feld
Zum Schwerteskampf der Feind herangesprungen,
Ihm Panzerkleid und Brust und Herz durchdrungen;
Der Heide schwankt und stürzt, daß laut die Rüstung gellt,
Der Ritter stürzt hinzu und reißt zum Siegespfande
Ihm Helm und Schild hinweg und löst des Panzers Bande.
 
88.
Schnell stürzt das nord'sche Volk zur blut'gen Kampfesbahn.
Doch wie ein Löwe sonder Zagen
Auf seiner Beute steht, wenn rings die Jäger nahn,
Mit Speeren und Geschoß den Raub ihm abzujagen;
Den hat sein starker Schweif zu Boden schon geschlagen,
Den streckt die Tatze hin und den sein scharfer Zahn,
Und langsam dreht er sich und trägt im steten Streite
Zur dichten Waldesnacht die schwererkämpfte Beute.
 
89.
So stellt sich Adelhelm zur tapfern Gegenwehr,
Als rings mit wildem Zorn die Krieger ihn bestürmen.
Bald muß sein Schild und bald sein todtes Roß ihn schirmen,
Den trifft des Ritters Stahl, den Tolkar's eigner Speer;
Schon bricht der Held sich Bahn, und Leichenhaufen thürmen
Ein blutiges Geleit, um ihren Herrn sich her,
Und immer kämpfend geht im Angriff und im Weichen
Der Held zur deutschen Schaar mit seinen Siegeszeichen.
 
90.
So sind durch Adalbert und Bertha's tapfern Freund
Die beiden Flügel schon im Dänenheer erschüttert,
Indessen grimmer stets der Kampf sich dort erbittert,
Wo sich der Heere Kern im Mittelpunct vereint.
Dort wird noch manches Schwert, noch mancher Schaft zersplittert,
Auf hohem Wagen prangt dort Biarko's stolzer Feind,
Und Biorn und Rolf und Edelrad bewahren
Des Königs heil'ges Haupt mit auserlesnen Schaaren.
 
91.
Umsonst ist Gormo's Sohn, von wildem Zorn entbrannt,
In Harald's erste Reihn verwegen vorgedrungen,
Schon dreimal hat er kühn den König angerannt,
Hat dreimal schon den Speer auf seinen Feind geschwungen;
Doch immer treibt die Schaar mit kräft'gem Widerstand
Den raschen Feind zurück, noch eh die That gelungen;
Dicht drängt sich Heer und Heer, und wild zerstampft das Roß
Feld, Leichen, Waffenschmuck und Schwerter und Geschoß.
 
92.
Auf Friedebert, der hier die Baiern leitet,
Stürzt Rolfo jetzt mit tapfrer Schwerteskraft.
Schon liegt auf Beider Haupt des Alters Schnee verbreitet,
Doch Keinem hat die Zeit noch Arm und Muth erschlafft.
Wohl ist es schön, zu sehn, wie kühn ein Jeder streitet
Im unbefleckten Stolz der grauen Ritterschaft,
Und wie sie klüglich stets, im Kampfspiel wohl erfahren,
Bald Schlag und Stoß verdoppeln, bald versparen.
 
93.
Doch jetzt, als Rolfo's Schwert zum mächt'gen Reiche blitzt,
Und Schuppen und Gelenk am Panzer sich verschieben,
Hat Schnell sein Feind den Speer ihm durch den Arm getrieben,
Daß Rolf vom kräft'gen Stoß sich auf den Sattel stützt;
Schon schwingt der Baierfürst den Stahl zu blut'gen Hieben,
Als rasch den edlen Jarl sein treues Volk beschützt,
Der langsam jetzt, geführt von Freundeshänden,
Den Kampf verläßt, nach Lethra sich zu wenden.
 
94.
Schon bricht durch Rolfo's Fall der Dänen feste Schaar,
Und Biarko stürzt hinein mit hochgeschwungnem Schwerte,
Und treu in jeder Kampfgefahr
Sprengt Siwald neben ihm, sein grauer Kriegsgefährte.
Ehrwürdig kräuselte des Helden weißes Haar
Sich um den rost'gen Helm, der seine Stirn bewehrte,
Und freudig schien im kühnen Drang der Schlacht
Der halb erloschne Blitz in seinem Aug' erwacht.
 
95.
Schon naht im wilden Streit sich Biarko Harald's Wagen,
Und blutend sinkt das Dänenvolk umher;
Doch stolz erhebt vom Sitz der Fürst sich ohne Zagen
Und schwingt in starker Hand den ungeheuren Speer.
Hoch sieht man aus der Schlacht den alten König ragen,
Wie sich der Fels erhebt aus sturmdurchbraustem Meer;
Der große Schild erglänzt und spielt mit goldnen Blitzen,
Die Kron' umstrahlt das Haupt gleich hellen Flammenspitzen.
 
96.
Schon saust sein Riesenspeer, auf Biarko's Brust gesandt,
Der beugt sich schnell, doch Siwald muß erblassen;
Der Alte schwankt und ringt und will das Roß nicht lassen
Und hält die Zügel noch in sieggewohnter Hand.
Auch Biarko eilt herbei, den Treuen zu umfassen,
Der stets in Kampf und Noth ihm kühn zur Seite stand;
Er jammert laut und hält ihn fest am Herzen
Und küßt den bleichen Mund und weint vor Zorn und Schmerzen.
 
97.
Doch sterbend stöhnt der Geist aus wunder Brust hervor:
Was klagst du, trauter Held? Kommt doch der Tod uns Allen.
Dem Sturm entflohn, verdorrt im Sumpf das feige Rohr;
Dem Tapfern ziemt's im Sturm, der Eiche gleich, zu fallen.
Dort, wo am Meeresstrand die lauten Wogen schallen,
Da thürme du zum Mahl den Hügel mir empor!Dort, wo am Meeresstrand die hohen Wogen schallen, / Da thürme du zum Mahl den Hügel mir empor – Die Sorge für ein hochaufgethürmtes und langdauerndes Grab war den nordischen Völkern eben so sehr eigen, als den Homerischen Helden, die sich ihren Hügel gern am Meer aufwerfen ließen, um den vorüberfahrenden Schiffern Gelegenheit zu geben, ihr Gedächtniß auch in fernen Ländern zu verbreiten.

Halde, ein alldeutsches Wort für Hügel, das in der poetischen Sprache beibehalten zu werden verdient.


Dann singt den Enkeln wohl noch spät ein großer Skalde
Das alte Siwaldslied auf meiner Grabeshalde.
 
98.
Er spricht's und stirbt. Da fällt, von Zorn erfüllt,
Daß ihm des Feindes Tod den theuren Greis bezahle,
Der Held den König an und trifft mit scharfem Stahle
Ihn hier und dort. Nichts frommt der goldne Schild,
Der Panzer nichts, daß nicht mit rothem Strahle
Das heiße Blut ihm bald aus mancher Wunde quillt;
Der König schwankt und weicht und peitscht die wilden Rosse
Und flieht mit blut'ger Brust zurück nach Lethra's Schlosse.
 
99.
Der Rächer jagt im raschen Zorn ihm nach.
Umsonst bestürmt mit kühnen Schwertesstreichen
Ihn Lethra's Volk, was naht, das muß erbleichen,
Wohin sein Hufschlag schlägt, entspringt ein blut'ger Bach,
Dem Sturme gleicht sein Flug, sein Pfad ist über Leichen,
Sein Schwert ein Blitz, und Tod ein jeder Schlag.
Da wirft sich kühn auf seinen grausen Wegen
Ihm Edelrad mit blankem Stahl entgegen.
 
100.
Als noch der erste Traum der Jugend sie umfloß,
Erzog auf Lethra's Burg der alte Fürst sie Beide.
Dort trieben, gern gesellt, in leichter Kinderfreude
Die Knäblein manches Spiel auf Gormo's hohem Schloß,
Stets war des Einen Leid dem Andern auch zum Leide,
Wenn Jener fröhlich war, dann schien's auch sein Genoß;
Doch ließ schon längst der Wechsel rascher Zeiten
Der frühen Jahre Bild aus ihrer Brust entgleiten.
 
101.
Doch kaum erblickt auf blut'gem Kampfgefild
Den alten Freund der zornentbrannte Ritter,
Da naht sich ihm Erinnrung, süß und bitter,
Und zeigt ihm fern manch längst entschwundnes Bild.
Er senkt das Schwert und hebt des Helmes Gitter,
Mit Thränen ist sein sinnend Aug' erfüllt,
Noch muß er um den Tod des einen Freundes klagen
Und soll mit eignem Schwert den zweiten schon erschlagen.
 
102.
O Edelrad! so ruft mit sanftem Ton
Der junge Fürst und schaut mit nassen Wangen
Den Helden an, verdient' ich diesen Lohn,
Daß ich so treu, so hold dir angehangen?
O sieh mich an! bin ich nicht Gormo's Sohn,
Der einst so freundlich dich in Lethra's Burg empfangen?
Was stehst du trotzig jetzt in seines Feindes Schlacht
Und drohst der Brust, die stets in Liebe dein gedacht?
 
103.
O siehst du dort die alten Zinnen ragen,
Wo wir so oft in früher Zeit gespielt?
Hat nicht durch diese Flur uns oft das Roß getragen?
Ist das die Eiche nicht, nach der wir oft gezielt?
Noch will ich jeden Strauch, noch jeden Quell dir sagen,
Die uns als Knaben einst beschattet und gekühlt.
Dir ist das längst vorbei, aus unserm Kinderleben
Blieb jenes Schwert dir nur, das ich dir selbst gegeben.
 
104.
Noch kennt der Dänenheld den Ton, der zu ihm spricht,
Des Freundes milden Blick und trauliche Geberde,
In seinem Herzen siegt die alte Lieb' und Pflicht,
Er schwankt und zweifelt nicht und springt herab vom Pferde,
Tief senkt er Lanz' und Schwert und beugt sein Knie zur Erde.
So harrt er lang' und schweigt mit glühndem Angesicht;
Dann läßt er laut den freud'gen Ruf ertönen:
Heil, Biarko, Heil dem edlen Herrn der Dänen!
 
105.
So wandelt hier in Liebe sich der Streit.
Tief beugt vom Roß sich Gormo's Sohn hernieder,
Schon finden Hand und Hand und Herz und Herz sich wieder,
Die Wahn und Leben lang geschieden und entzweit;
Ein neuer Schwur vereint die alten Waffenbrüder,
Das freud'ge Wiedersehn verdunkelt alles Leid,
Dem Dänen sind des Bruders Todeswunden,
Des treuen Freundes Fall aus Biarko's Geist verschwunden.
 
106.
So fand auch ich, o du mein frühster Freund,
Mein Bülow, dich im Krieg als Kampfgenossen,
Da manches Jahr mir fern von dir verflossen,
Da ich im falschen Wahn schon deinen Tod beweint.
Noch einmal ward der Bund der Männer jetzt geschlossen,
Der früh die Knaben schon zu Lust und Leid vereint,
Und gern vergaß mein Herz an deinem Herzen
Auf kurze Zeit die nie gestillten Schmerzen.
 
107.
Dem Führer folgt der Jüten tapfres Heer.
Was feindlich kaum gekämpft, das eilt sich zu gesellen,
Und milder mischen sich der Schlacht empörte Wellen,
Der Feind erkennt den Feind, der Freund den Freund nicht mehr;
Was kaum das Schwert beschützt, das strebt es jetzt zu fällen,
Entzweites Blut gerinnt an einem Speer.
So schlagen oft, wenn Süd und Nord zusammen stürmen,
Die Wogen hier den Strand, den dort die Wogen schirmen.
 
108.
Doch Skiold, der noch am Felsenhügel ficht,
Wo tapfer ihm die Ritter widerstreiten,
Sieht plötzlich jetzt den wüsten Kampf vom Weiten,
Und wie die Schlacht der Dänen wankt und bricht;
Da stürmen Sorg' und Noth auf ihn von allen Seiten,
Mit dunkler Röthe färbt der Zorn sein Angesicht,
Noch einmal läßt er jetzt die scharfe Klinge blitzen
Und haut im wilden Grimm zwei Ritter von den Sitzen.
 
109.
Dann sieht man ihn mit seiner kühnen Schaar
Von Fels zu Fels durch rauhe Klippenengen,
Durch Schlünd' und über Höhn, durch Schrecken und Gefahr
Unbändig, grausenvoll zum Thale niedersprengen.
Umsonst versucht der Feind sich rasch ihm nachzudrängen,
Am Absturz scheut das Roß, es starrt des Reiters Haar;
Doch Keiner säumt, von hohen Felsenwänden
Geschoß und Speer dem Fliehnden nachzusenden.
 
110.
Wie tobt der Däne jetzt im dichten Drang der Schlacht!
Wie dreht sein breites Schwert sich in so grimmen Kreisen!
Wie springt das heiße Blut, sobald es blitzt und kracht!
Wie rast der Tod um ihn in immer neuen Weisen!
Nicht Panzer frommt, noch Schild, noch Helm, nicht Stahl, noch Eisen,
Nicht tapfre Fechterkunst, noch stolze Waffenpracht;
Nie ruht, nie fehlt sein Arm, und gleich des Sieges Schwinge
Schwebt hoch und funkelnd stets die rasche Schwertesklinge.
 
111.
Indeß hat Adalbert nach mancher kühnen That
Das Inselvolk vertilgt und zieht am andern Flügel
Des Heers heran; da sieht er, wie vom Hügel
Sich Skiold herniederstürzt zum blut'gen Kampfespfad.
Er sieht's, er spornt sein Roß und läßt ihm Zaum und Zügel,
Hoch schwingt er Schild und Schwert, er fliegt durch's Heer, er naht.
Wie Wind und Fluth, wie helle Blitzesflammen,
Trifft jach und zornig schon das Heldenpaar zusammen.
 
112.
Wie Drachen oft, von Gift und Grimm geschwellt,
In dunkler Kluft rasch zingelnd sich umschlingen;
Wie pfeilgeschwind zum Kampf am blauen Himmelszelt
Mit lautem Flügelklang sich Falk' und Adler schwingen;
Wie Wog' auf Wog' und Wolk' auf Wolke fällt,
Wie Sturm und Sturm und Flamm' und Flamme ringen:
So faßt sich Mann und Mann, so trifft sich Pferd und Pferd,
So drängt sich Schild und Schild, so kreuzt sich Schwert und Schwert.
 
113.
Indeß verhüllt mit ihrem Nebelschleier
Die schwarze Nacht allmählig Berg und Thal,
Nur Helm' und Schilde sprühn noch hell von rothem Feuer,
Und glühnde Furchen zieht der Stahl am scharfen Stahl.
Laut krächzend sammeln sich in dunkler Luft die Geier
Und harren gierig schon auf's blut'ge Leichenmahl;
Doch schallt noch stets das wüste Schlachtgetümmel
Durch Nacht und Graus empor zum finstern Himmel.
 
114.
Da kehrte durch's Gebirg' aus ihrem Zauberhain
Nach Lethra's stolzer Burg Thorildens Mutter wieder.
Sie stand auf ragendem Gestein
Und sah in's weite Thal zur lauten Schlacht hernieder.
Schon brach und wich ihr Volk in halbgetrennten Reihn,
Und siegend standen rings der Deutschen feste Glieder.
Ein wilder Grimm durchdrang Swanwithens Mark und Blut,
Zu Flammen ward ihr Blick, ihr Athem Gift und Gluth.
 
115.
So hab' ich denn umsonst in Odin's heil'gen Hallen
Die Kreuzesros' erhöht durch kühnen Zaubertrug?
Ließ ich umsonst mein Drohn an Frey's Altare schallen,
Als Lethra's tapfres Volk den Feind der Götter schlug?
So sollst du doch, du stolze Veste, fallen,
Dahingestürzt von unerforschtem Fluch?
Wohlan, so mag mir jetzt der stärkste Zauber frommen,
Der gräßlichste, den selbst der Abgrund nie vernommen!
 
116.
Sie sprach's und hob den Blick empor
Und streckte kühn den Arm hinaus in alle Winde,
Sie rief dem rothen Blitz, daß er die Wolk' entzünde,
Sie rief den wilden Sturm aus Nord und Süd hervor;
Und daß mit Zorn und Kraft sich Graun und Wahn verbünde,
Zersprengt' ihr mächt'ger Fuß des Abgrunds Felsenthor,
Und dumpf begann ihr Mund unnennbar grause Worte,
Daß selbst die Nacht erschrack, und Baum und Gras verdorrte.
 
117.
Und gräßlich kam des Abgrunds scheue Brut
Und Wolk' und Sturm verderblich hergezogen,
Am Himmel schwamm's wie Flamm' und Rauch und Blut
Und wälzte sich wie hohe Meereswogen,
Durch deren Kampf, von falber Blitzesgluth
Nur halb bestrahlt, graunvolle Bilder flogen,
Es pfeift und saust, es donnert, rauscht und kracht,
Und auf die Nacht sinkt eine neue Nacht.
 
118.
Schon naht das Wettergraun den deutschen Heeresgliedern,
Die Wolke schwillt und bricht mit grimmigem Geheul,
Bei Blitz und Donner schießt mit struppigen Gefiedern
Manch Ungethüm herab, manch scheußlich Höllengräul:
Wehrwölfe nahn, Nachtraben, Greifen, Hydern,
Es zischen Drach' und Molch mit spitzem Zungenpfeil,
Von Schwertern glänzt die Luft, es sausen Flammenspeere,
Und glühnder Regen rauscht herab zum Christenheere.
 
119.
Und wo das Schlachtgefild mit Todten sich bedeckt,
Beginnt es grauenvoll zu rasseln und zu keuchen,
Noch einmal heben sich die kaum erschlagnen Leichen,
Durch harten Zauberzwang aus ew'gem Schlaf erweckt.
Und Mancher zieht das Schwert hervor zu neuen Streichen,
Das tief und blutig noch in seinem Busen steckt;
Ihr bleicher Mund beginnt die halb vergeßnen Lieder
Verworren, stockend, dumpf im Kampf noch einmal wieder.
 
120.
Doch jedem Deutschen rinnt durch Adern und Gebein
Unsäglich Graun, die kühnsten Helden zittern,
Jach bebt des Kriegers Knie, es stürzt das Roß den Rittern,
Verwirrung tobt umher, es brechen alle Reihn;
Und kühn, im grausen Bund mit Larven und Gewittern
Dringt siegend jetzt die Schaar der Dänen hinterdrein.
Durch Donner, Nacht und Sturm, durch Ruf und Klang der Fechter
Schallt laut vom hohen Fels Swanwithens Hohngelächter.
 
121.
Dort, wo der Wall des Lagers Kreis umzieht,
Stand lange schon, von Lieb' und Furcht gehalten,
Cäcilie mit sorgendem Gemüth
Und sah die Schlacht im blut'gen Thale walten.
Als jetzt die Schaar der Deutschen schwankt und flieht,
Von Sturm und Blitz gedrängt und höllischen Gestalten,
Da traut sie ferner nicht auf Menschenkraft und That
Und hofft von Gott allein Erbarmen, Hülf' und Rath.
 
122.
Sie fliegt hinweg, durch Wetter, Wind und Regen,
Mit flatterndem Gewand und aufgelöstem Haar;
Manch Scheusal zischt und schwirrt ihr durch die Nacht entgegen,
Doch achtet sie nicht Noth, noch Schrecken und Gefahr.
So eilt sie fort auf unbekannten Wegen,
Durch Dorn und Busch, empor zu Gottes Hochaltar,
Schon langt sie an. So flammt im wilden Sturme
Ein rettend Lichtlein auf vom fernen Meeresthurme.
 
123.
Sie athmet laut, sie neigt sich, sie umschlingt
Den heil'gen Herd mit frommvertraunden Armen.
Vom heißen Kampf der Noth, der ihre Brust durchdringt,
Scheint jetzt der kalte Stein mitleidig zu erwarmen.
Ihr Blick, ihr Seufzer fleht zum Himmel um Erbarmen,
Indeß ihr banger Mund umsonst nach Worten ringt.
Doch er, der jedes Herz, schon eh' es schlägt, ergründet,
Hat ihr Gebet erhört, noch eh's ihr Mund verkündet.
 
124.
Der Donner Gottes rollt durch Thal, Gebirg und Hain.
Da dreht der Wind sich rasch und stürmt mit wildem Heulen,
Und Blitze schwingen rings, gleich schnellen Feuerpfeilen,
Und Sturm und Hagelschlag sich auf die Dänenreihn;
Es hüllt in Wolk' und Dampf, in breite Flammensäulen,
In Nacht und Wettergraun der Feinde Heer sich ein,
Indeß vom klaren Blau des Himmels still und heiter
Der Mond herniederblickt auf Christi tapfre Streiter.
 
125.
Die Dänen fliehn, gejagt von heil'ger Macht,
Indeß die deutschen Reihn von neuem Muth entbrennen.
Mit ihnen zieht das Licht, vor ihnen Sturm und Nacht,
Kaum kann ihr Blick den Feind im dichten Graun erkennen;
Ein Morden ist's und keine Schlacht,
Ein rasch Verstieben ist's und keine Flucht zu nennen;
Was lebend kämpft und flieht, erschlägt das deutsche Schwert,
Indeß der rothe Blitz die Leichenschaar verzehrt.
 
126.
Doch rastlos streiten noch die beiden kühnen Ritter,
Gewalt'ger stets von Zornesgluth erhitzt;
Wetteifernd mißt ihr Schwert sich mit dem Ungewitter,
Es saust und blitzt im Kampf, wie jenes saust und blitzt.
Schon stiebt von Helm und Rüstung mancher Splitter,
Schon bricht der Schild, der ihre Brust beschützt,
Da schlägt im grimmsten Streit dicht zwischen Pferd' und Pferde
Ein rothgezackter Blitz hochlodernd in die Erde.
 
127.
Jach bäumt im Schreck des Feindes Roß sich auf,
Es prallt zurück und sträubt die dunkeln Mähnen,
Verachtet Sporn und Schlag mit grimmigem Geschnauf
Und sprengt Gebiß und Zaum, lautknirschend mit den Zähnen,
Dann rast es ungehemmt und reißt im wilden Lauf
Den trotz'gen Herrn mit fort zur hast'gen Flucht der Dänen.
Doch jauchzend sprengt mit scharfem Schwertesschlag
Der deutsche Held dem fliehnden Haufen nach.
 
128.
Auch Reinald drängt mit seinen schnellen Reitern
Im raschen Sturm der Heiden flüchtige Reihn,
Schon sprengt er kühn voran den rüstigen Begleitern,
Schon jagt sein tapfres Schwert den bangen Schwarm allein.
Da dreht noch einmal sich ein Kreis von tapfern Streitern
Und schließt den kecken Feind von allen Seiten ein,
Sein Roß erliegt von tiefen Todeswunden,
Schon ist der Stürzende gefangen und gebunden.
 
129.
Doch kaum hat Adalbert des Freundes Noth erkannt,
Da eilt er rasch herbei, den Theuren zu befreien,
Bald wird der Pfad zur Stadt der flücht'gen Schaar verrannt,
Und stürmisch naht der Held mit lautem Ruf und Dräuen.
Der scheue Feind entflieht, dem Walde zugewandt,
Und jagt durch Berg und Thal und dunkle Wüsteneien,
Indeß der deutsche Held, vom wilden Zorn gedrängt,
Der theuren Beute nach auf rauhen Pfaden sprengt.
 
130.
Hoch über Klippen fort, durch Klüft' und Bacheswogen,
Durch Busch und Dorn entsaust die wilde Jagd,
Vom irren Pfade wird der Ritter oft betrogen,
Es keucht und stöhnt sein Roß, erschöpft von langer Schlacht.
Schon hat der flücht'ge Feind sich seinem Aug' entzogen,
Der Schlag des Hufs verhallt in ferner Waldesnacht,
Geborgen zieht die Schaar auf wohlbekannten Wegen
Mit ihrem edlen Fang der sichern Stadt entgegen.
 
131.
Doch dichter stets umfängt den Ritten Nacht und Hain,
Bald irrt er hier, bald dort, und kennt den Pfad nicht wieder,
Mühselig schwankt sein Roß durch Dickigt und Gestein
Und streckt sich athemlos zuletzt in's Gras hernieder.
Schon schwimmt um Berg und Thal der Dämmrung bleicher Schein,
Da brechen auch dem Herrn die kampfesmüden Glieder,
Und dunkel sinkt und lastend, wie das Grab,
Auf sein verstörtes Haupt ein tiefer Schlaf herab.
 
132.
Doch sie, die Herrliche, die diesen Sieg erflehte,
Lag fromm und dankend noch an Gottes Hochaltar.
Um ihre Wange flog die erste Morgenröthe,
Der erste Strahl umfloß ihr dunkles Lockenhaar;
Wohl schien's, als hebe sich mit ihr die heil'ge Stäte,
Als neige sich vor ihr der Himmel, blau und klar.
Und still erhob sie sich und ging mit zücht'gen Wangen
In's Thal hinab, die Sieger zu empfangen.

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