Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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(Zehnter Gesang.)

 
67.
                      So singt der holde Kreis und flattert zum Gestade,
Wo dichtes Grün sich um die Wellen rankt.
Und staunend folgt der Ritter ihrem Pfade
Und sieht ein kleines Schiff, das leis' am Ufer schwankt.
Noch traut er kaum des Himmels reicher Gnade,
Er wünscht und zagt, er zweifelt, hofft und dankt,
Sein Herz erbebt von Sehnsucht, Lust und Leide,
Er seufzt und lacht und weint vor Schmerz und Freude.
 
68.
Auch Sivald folgt, sie treten in den Kahn,
Ein leises Lüftchen treibt den kleinen Bord vom Lande,
Die Elfen ziehn voran auf leichter Wellenbahn
Und gaukeln hier und dort am grün umkränzten Strande,
Und leise schwimmt das Schiff, wie durch den Teich ein Schwan,
Und Blumen keimen rings am sanft geschweiften Rande,
Süß weht der Duft umher, ein buntes Flämmchen glüht
In jedem Kelch, der um den Kahn entblüht.
 
69.
Und auch der Waffenschmuck, worin die Helden glänzen,
Der kühne Helm, der ritterliche Schild,
Beginnt sich wunderbar mit frischem Grün zu kränzen,
Mit duft'gem Rankenschmuck sind Lanz' und Schwert umhüllt.
So schweben sie dahin auf leisen Wellentänzen,
Wie durch die Frühlingsnacht ein holdes Traumgebild.
Die Vöglein wachen auf und flattern leis' und singen,
Und Blüthen wehn umher gleich bunten Schmetterlingen.
 
70.
Vom stillen Rausch der Lust ist wie mit goldnem Licht
Des Jünglings blühnde Wang' umflossen;
Er staunt und träumt und schweigt und regt sich nicht,
Und glänzend liegt vor ihm die Zukunft aufgeschlossen.
Doch friedlich lacht mit sinnigem Gesicht
Der alte Held, bekränzt mit jungen Frühlingssprossen,
Und denkt bewegt und still zurück an jene Zeit,
Als einst auch ihn die Lust, die zarte Lieb' erfreut.
 
71.
So schiffen sie dahin, indeß mit dichten Zweigen
Sich oft der Hain um ihren Kahn verschränkt,
Bald stille Thäler sich und bunte Wiesen zeigen,
Die mancher klare Bach mit kühler Welle tränkt,
Bald dicht am Strand die steilen Berge steigen,
Und grünend auf den Strom der Fels die Ranken senkt;
Auch dehnt sich dann und wann der Fluß zum stillen Teiche,
Von wald'gen Höhn umkränzt und säuselndem Gesträuche.
 
72.
Dort naht den Helden oft sich liebliche Gefahr;
Die Nixe taucht empor aus ihren Felsenhallen
Und hebt die holde Brust und läßt das grüne Haar
Zum Strome lang hinab gleich leichtem Schleier wallen,
Sie lacht und spielt und gaukelt wunderbar
Bald hier, bald dort in flüssigen Krystallen,
Und sanft, wie Windeshauch und leiser Wellenklang,
Beginnt ihr süßer Mund den lockenden Gesang:
 
73.
            Unter bläulichen Gewässern
Wohnt die Nix' in Felsenschlössern,
Und die Wogen ziehn und brausen
Lieblich um die grüne Schwelle;
Fröhlich tändelt Glanz mit Glanze,
Fluth mit Fluth im hellen Tanze,
Still und kühlig läßt sich's hausen
Tief im Glanz, in glatter Welle.
 
74.
Hain und Blumen, Sonn' und Sterne
Zittern hold in blauer Ferne,
Und die Wolken wehn und schwimmen
Tief mit duftigem Gefieder.
An den linden Wellenspielen
Will sich Alles freun und kühlen,
Und es ruft mit tausend Stimmen:
Komm hernieder, komm hernieder!
 
75.
                    Doch läßt umsonst das wunderholde Bild
Den schmeichelnden Gesang durch stille Dämmrung tönen.
Nur eine Herrin ist's, die sein Gemüth erfüllt,
Nach einer Stimme nur verlangt sein ganzes Sehnen;
Sie flüstert aus dem Hain, in jedem West hervor,
Und kost und plaudert süß in jeder leisen Welle,
Sie schlägt ihr holdes Aug' aus jeder Blüth' empor,
Und lacht und schwebt in Glanz und Duft und Mondenhelle.
 
76.
Indeß beschleunigt sich des Flusses rascher Lauf,
Und wüster wird die Gegend anzusehen,
Und düster hebt mit waldbewachsnen Höhen
Ein Berg die Felsenstirn zum nächt'gen Himmel auf,
Stets enger wird der Strand, mit Zornesrauschen fließen
Die Wellen wild dahin auf oft gehemmtem Pfad,
Und eine Klippenwand, der jetzt der Nachen naht,
Scheint auch die letzte Bahn dem Strome zu verschließen.
 
77.
Doch öffnet bald im drohenden Gestein
Ein ungeheures Thor die rauh gewölbten Bogen,
Und widerstrebend stürzt mit fortgerißnen Wogen
Der aufgereizte Strom sich in die Kluft hinein.
Er schäumt am Strand empor und schlägt mit lautem Brausen
Den hohen Fels und strebt zurückzufliehn;
Doch fruchtlos ist sein Zorn, und stärkre Mächte ziehn
Auf unwillkommner Bahn ihn fort in Nacht und Grausen.
 
78.
Indeß der Ritter nun von fern die Kluft erspäht,
Und starr sein Auge ruht auf jenen wüsten Höhlen,
Wo ew'ge Nacht mit schwarzen Schwingen weht,
Und stille Schauer sich in seinen Busen stehlen,
Da hebt der Elfenschwarm sich vom Gestad' empor,
Und Blüth' und Grün, die um den Kahn sich winden,
Der Waffen bunter Schmuck und Licht und Glanz entschwinden,
Und hold ermunternd singt auf leichter Fluth der Chor:
 
79.
        Weiter, weiter!
Kämpfe muthig, kühner Streiter!
In die Tiefe mußt du dringen,
Willst du edles Gold erringen,
Und in Nächten wohnt das Glück.
Doch in's helle, blühnde Leben
Fliehn und schweben
Zu den Blumen wir zurück.
 
80.
                 Dem Krieger gleich, den sanft nach heißen Tagen
Ein süßer Schlaf in stiller Nacht bethört
Und freundlich seinen Geist zur Heimath hingetragen,
Zur holden Braut, zum väterlichen Herd;
Doch plötzlich klingt das Horn, es klingt der Kriegeswagen,
Die Rosse trappeln rings, es klirren Pfeil und Schwert,
Und muthig springt er auf und greift nach Lanz' und Schilde
Und geht mit freud'gem Schritt zum blut'gen Kampfgefilde
 
81.
So ruft auch Gormo's Sohn den tapfern Geist zurück,
Als jetzt die lichte Schaar von seinem Pfad entflogen,
Und wild, durchbraust von mitternächt'gen Wogen,
Die Kluft sich aufgethan. Er mißt mit kühnem Blick
Die grause Finsterniß, wohin die rasche Welle
Den Nachen stürmisch reißt, schon ist er nah davor,
Und wüthend hebt die Fluth den schwachen Kahn empor
Und schleudert ihn hinein mit ungeheurer Schnelle.
 
82.
Hab' ich doch oft in mancher heißen Schlacht,
Beginnt der alte Held, das scharfe Schwert geschwungen,
Auf mancher Meeresfahrt mit Wog' und Sturm gerungen,
In mancher dunkeln Kluft bei Schlang' und Wolf gewacht;
Doch nimmer sah ich noch ein solches Abenteuer,
So zornig heulte nie das Meer,
Am Klippenstrand empor, so wüst und ungeheuer
Verwirrte nie die Nacht um meinen Pfad sich her.
 
83.
Gar freudig schlägt mein Herz in diesen Felsenhallen,
Und kühn gemahnt es mich an meine Jugendzeit,
Als ich zum erstenmal die hohen Fahnen wallen,
Die Helme glänzen sah im ritterlichen Streit.
Fast möcht' ich jetzt mit jenen Klippen kämpfen
Und unverzagt mit dieser alten Faust
Die Woge bändigen, die uns entgegenbraust,
Um so die Kriegeslust im heißen Blut zu dämpfen.
 
84.
Du altes Schwert, ruft Gormo's tapfrer Sohn,
Dich kann die Zeit nicht schwächen noch zersplittern.
Wohl schwillt das kühne Herz den kampfesfreud'gen Rittern
Wenn unerhörte Mühn und Wunder sie bedrohn.
Doch möcht' auf dieser Fahrt wohl kaum ein Knecht erzittern,
So lieblich ist, so minniglich der Lohn;
Wohl hat die Tiefe nie so edlen Schatz gehütet,
Als jener, welchen uns dies Abenteuer bietet.
 
85.
Ach sie, für die zuerst sich meine Kraft geübt,
Die meinen Geist befreit aus schmählig feigen Ketten,
Die mich zum Kampf geweckt, mein Recht und mich zu retten,
Die meinen Fall gesehn, und die mich doch geliebt,
Für sie beginn' ich jetzt, um jene Schmach zu sühnen,
Durch Nacht und Fluth den nie beschifften Pfad,
Und will durch kühnen Muth und ritterliche That
Die Huld, die unverdient mich drückte, mir verdienen.
 
86.
Wohl darf ich dann vielleicht den Blick
Mit größrer Zuversicht zu ihrem Blick erheben,
Sie rief mich einst empor zu einem edlern Leben,
Und freudig geb' ich ihr, was sie mir gab, zurück.
Doch nein, was könnt' ich wohl der holden Herrin geben?
Wohnt nicht bei ihr allein Gewährung, Huld und Glück?
Und wenn ich zitterte dies Wagniß zu bestehen,
Müßt' ich dann fern von ihr in Kummer nicht vergehen?
 
87.
So reden sie, indeß des Stromes Macht
Auf abgesenkter Bahn gewaltig niedergleitet,
Und immer schauriger die nie erforschte Nacht
Um ihren Pfad sich feucht und kalt verbreitet.
Ihr Ohr vernimmt es nur, wie Wog' und Woge streitet,
Wie dumpf der Nachen oft am rauhen Felsen kracht;
Sie fühlen, daß Gefahr sie tausendfach umwalte,
Doch Keiner kann erspähn, wie sich ihr Bild gestalte.
 
88.
Oft hat der schmale Strand sich eng und schroff verschränkt,
Daß nur mit Müh der Strom sich durch die Oeffnung windet,
Und in der Helden Brust, vom Druck der Luft bedrängt,
Das Herz gewalt'ger pocht und fast der Athem schwindet.
Bald dehnt die dunkle Kluft sich unermeßlich aus,
Man hört die freie Fluth nach allen Seiten wallen,
Und aus der Ferne nur das zürnende Gebraus
Des eingehegten Stroms am Felsenufer schallen.
 
89.
Wie helle Blumen oft im finstern Wald entblühn,
So heben hier und dort sich bunte Wasserschlangen:
Ihr rothes Auge glänzt gleich funkelndem Rubin,
Mit goldnen Kronen scheint die breite Stirn zu prangen,
Den glatten Rücken deckt der Schuppen blitzend Grün,
Von lichtem Himmelsblau ist Hals und Bauch umfangen,
Und Strand und Fluth erglänzt, und farb'ges Feuer schwimmt,
Wo leicht ihr schlanker Leib sich durch die Wellen krümmt.
 
90.
Die bösen Geister auch, die in den Tiefen hausen,
Sie nahn sich oft in grimmiger Gestalt:
Von ferne ziehn sie her auf dumpfem Windesbrausen,
Mit wild gesträubtem Haar, von rother Gluth umwallt,
Und fahren hell vorbei und rasch durch's nächt'ge Grausen,
Daß weit von ihrem Flug die dunkle Wog' erschallt.
Doch fruchtlos zürnen sie, denn unverzagt befehlen
Den heil'gen Engelein die Helden ihre Seelen.
 
91.
Indeß beginnt die Woge nach und nach
Auf ebnem Grund sich friedlich zu ergießen.
Es wird der breite Strom zum engen Felsenbach,
Den, künstlicher gewölbt, die Hallen jetzt umschließen.
Und um die Wellen scheint ein graues Licht zu stießen,
Und immer heller schwimmt um Fels und Gluth der Tag,
Und lieblich naht es sich aus vielverschlungnen Gängen,
Gleich freundlichem Gesang und holden Harfenklängen.
 
92.
Wie räthselhaft in's jugendliche Herz
Die erste Liebe sinkt auf dämmernden Gefühlen;
Um jeden Trieb beginnt ihr leiser Hauch zu spielen,
Der Ernst wird heiliger und sinniger der Schmerz,
Und sehnend strebt der Geist nach unbekannten Zielen
Und regt sich wandelbar in Freud' und süßem Schmerz,
Bis nach und nach das Bild der Sehnsucht sich gestaltet,
Und aus der Dämmrung sich ein goldner Tag entfaltet.
 
93.
So gaukelte das liebliche Getön
Bald hier, bald dort mit unsichtbarem Schweben,
Jetzt schien es durch die Luft, am Felsen jetzt zu wehn,
Und um die Wellen jetzt ein tönend Netz zu weben.
Noch konnten Ohr und Geist sein Pausen nicht verstehn,
Doch tief empfand das Herz der Klänge süßes Leben,
Bis endlich, da der Kahn den Tönen näher drang,
Dies leise Liebeslied aus weiter Fern' erklang:
 
94.
        Flüchtig wehn die Kläng' und schallen
Lieblich in den Felsenhallen
Durch die unterird'sche Welt;
Freundlich kann die Seele tönen,
Wenn auch Schmerz und eitles Sehnen
Nächtlich sie umfangen hält.
Süße Wehmuth, treues Lieben
Ist dem Herzen doch geblieben.
 
95.
Kehrt auch nie der Morgen wieder,
Tröstend leuchten zarte Lieder
Gleich den Sternen in der Nacht,
Lassen durch der Nebel Wehen
Mich die fernen Fluren sehen,
Wo der Frühling spielt und lacht.
Lust will stets im Glanze funkeln,
Liebe duftet auch im Dunkeln.
 
96.
Ferne wohnt die Sonn' im Blauen,
Doch die kleinen Blümlein schauen
Still empor zum milden Schein,
Und am Lächeln und an Blicken
Kann das Herz sich schon erquicken,
Im Entbehren fröhlich seyn.
Denn die Lust ist nicht für Einen,
Allen will die Sonne scheinen.
 
97.
Kleine Blumen, kleine Lieder
Blühen und verblühen wieder
Und begehren keinen Dank,
Wollen nur ihr Leben fühlen,
Wollen klingen, wehn und spielen
Eine kurze Stunde lang.
Trautes Herz, warum so trübe?
Hast ja Leben, Lied und Liebe.
 
98.
                      So klang das Lied. Und als der Kahn zugleich
Um eine Krümmung schwamm, da floh das Dämmergrauen,
Und hell umflimmert ließ der Zwerge Zauberreich
Im holden Farbenspiel sich bunt und blühend schauen,
Und freundlich ruhten dort, vom blitzenden Gesträuch
Der Edelstein' umwölbt, die minniglichen Frauen,
Indeß ihr Freund mit leichtem Harfenklang
Zu ihren Füßen saß und leise Lieder sang.
 
99.
So wie dem Wandrer istSo wie dem Wandrer ist. – Es ist bekannt, daß in den afrikanischen Sandwüsten sich hin und wieder einzelne grüne, bewässerte und mit Bäumen bewachsene Stellen, gleichsam freundliche Inseln in dem ungeheuren, unfruchtbaren Meere, befinden, welche man Oasen nennt, und wo die Karavanen verweilen und sich mit frischem Wasser versehen. Mancher wird durch dieses Bild an die reizende Erzählung von La Motte Fouqué: Die Hauptleute, erinnert werden, die auch die Veranlassung dazu gab. , der in Sahara's Sande,
Von Gluth und Durst gequält, nach jenen Fluren strebt,
Wo, weit von aller Welt, in einem blühnden Lande,
Das Wüsten rings umziehn, die Vielgeliebte lebt;
Schon sieht er, wie sich fern mit grünem Uferrande
Aus grauser Oed' empor die sel'ge Insel hebt,
Er fühlt die Düfte wehn und hört die Quellen fließen
Und kann von weiten schon die Liebste sehn und grüßen:
 
100.
So fühlt der Ritter sich von rascher Lust erfüllt;
Er zweifelt noch und wähnt, vor seinen Sinnen
Erhebe sich ein holdes Traumgebild
Und werde täuschend bald in eitle Luft zerrinnen.
Sein Herz erzittert laut, sein Busen athmet wild
Und kann dem trunknen Geist nur Seufzer abgewinnen,
Er schweigt mit starrem Blick und weint in sel'ger Lust
Und drückt den alten Freund gewaltsam an die Brust.
 
101.
Noch lauschen still auf Reinalds Lied die Frauen
Und ahnen noch den nahen Retter nicht,
Da rauscht der Kahn heran; sie springen auf und schauen,
Es kämpfen Bleich und Roth auf ihrem Angesicht,
Ihr Geist will gern, doch nie ihr Auge trauen,
Im Blicke wechseln rasch Gewölk und Sonnenlicht,
Und wie sie zitternd stehn und starr hinübersehen,
Scheint durch die Freude fast ein leises Graun zu wehen.
 
102.
Doch eh der Kahn das Ufer noch erreicht,
Hat schon der Held sich an den Strand geschwungen
Und hält entzückt die Knie' der holden Braut umschlungen,
Die still und weinend sich zu ihm herniederneigt.
Noch irrt und träumt der Geist, vom freud'gen Rausch bezwungen,
Und nur die Seele lebt und lächelt süß und schweigt.
Doch trennt sich nach und nach die reine Lust vom Leide,
Und lieblich wandelt sich der Sturm in heil'ge Freude.
 
103.
Und Alles zeigt sich jetzt, was in dem sel'gen Kranz
Der Liebe blüht, die tiefempfundne Stille,
Das Flüstern süßer Huld, der Blicke feuchter Glanz,
Der milde Thränenstrom, wovon die reiche Fülle
Des Herzens überquillt, der Seufzer zartes Flehn,
Der Augen leises Nahn und scheues Niedersehn,
Demüth'ges Knien und anmuthvolles Neigen
Und holdes Eingestehn und holderes Verschweigen.
 
104.
Nicht ferne von dem sel'gen Paar
Ist fromm auf ihre Knie' Cäcilie gesunken.
Von milder Freude glänzt ihr Auge still und klar,
Und nur von Andacht ist die heil'ge Seele trunken,
Sie betet leis' und fleht mit gläub'gem Blick
Für sich um Muth und Kraft, für Jen' um Heil und Glück.
Doch fröhlich sieht man jetzt von Einem zu dem Andern
Mit holdem Wort und Gruß den treuen Sänger wandern.
 
105.
Als so die Freude sich in Jedem offenbart,
Da nahte sich der Zwerg und sprach mit günst'gen Mienen:
Schon ist der Tag des Heils, der Rettung Tag erschienen,
Und offen steht euch jetzt zum Sonnenlicht die Fahrt.
Wohl mögt ihr Herrliches durch Sinn und That verdienen,
Da Gott so gnädig euch geleitet und bewahrt;
So scheidet denn getrost und kehrt zurück in Frieden
Und nehmt, was meine Huld gastfreundlich euch beschieden.
 
106.
So spricht der Zwerg und läßt die Diener nahn,
In deren Hand viel' edle Gaben prangen.
Mit goldner Rüstung wird der Ritter angethan,
Ein hell geschliffnes Schwert dem Alten umgehangen,
Und für die Frauen füllt mit köstlich goldnen Spangen
Und diamantnem Schmuck sich reichlich dann der Kahn.
Und als die Diener nun am angewiesen Orte
Ein Jedes wohl verwahrt, da spricht der Zwerg die Worte:
 
107.
So lebt denn wohl, und möge stets des Herrn
Allgüt'ge Huld, wie jetzt, durch's Leben euch geleiten.
Doch dunkel ist der Pfad und euer Ziel noch fern,
Noch kann euch manche Noth die nächt'ge Fahrt bereiten.
Drum sollen hell gleich jenem Zwillingsstern,
Der irre Schiffer schützt, zwei Boten euch begleiten,
Bis euer Kahn das Felsenthor erreicht,
Wo Nacht und Noth dem heitern Tage weicht.
 
108.
Er spricht's und pflückt von einem nahen Strauche
Zwei Rosen ab aus blitzendem Rubin
Und rührt sie murmelnd an nach zauberischem Brauche,
Und warmes Leben scheint im Steine zu entblühn;
Und als er sie belebt mit unsichtbarem Hauche,
Da läßt er plötzlich sie aus seiner Hand entfliehn.
Sie leuchten weit umher und regen hundert Schwingen
Und flattern um den Kahn gleich holden Schmetterlingen.
 
109.
Schon schwimmt das Schifflein fort in's nächtliche Gebiet,
Indeß ihm hell voran die Rosenvöglein schweben.
Das Paar der Liebenden, das sich nur hört und sieht,
Bemerkt die Schatten kaum, die dunkler sie umgeben.
Still sinnt Cäcilie mit freudigem Gemüth;
Von leisen Klängen läßt ihr Freund die Saiten beben;
Doch hocherstaunt durchspäht der alte Kriegesheld
Mit wachem Blick die unterird'sche Welt.
 
110.
Indeß verhaucht von zarten Purpurschwingen
Sein zauberisch Gedüft das schwebende Gestein,
Die Welle tönt, die leichten Lüfte singen,
Und Bilder gaukeln rings mit ungewissem Schein,
Und bunte Dämmrung wiegt und leises Wehn und Klingen
Die Schiffenden in sanften Schlummer ein,
Und flüchtig läßt viel holde Traumgestalten
Der Zauber des Rubins um ihre Sinne waltenUnd flüchtig läßt viel holde Traumgestalten / Der Zauber des Rubins um ihre Sinne walten. – Unter vielen wunderbaren Kräften der Edelsteine glaubte man vor Zeiten auch an die des Rubins, daß er angenehme Träume verleihe. .
 
111.
Schon weilt Cäcilie im goldnen Himmelssaal
Und wähnt die Engel dort im holden Spiel zu schauen,
Indeß die Liebenden im stillumhegten Thal
An klaren Quellen ruhn und Rosenlauben bauen.
Um Reinalds Pfade glänzt der frische Morgenstrahl,
Das Vöglein singt im Hain, der Frühling schmückt die Auen;
Doch kühn erprobt der Greis in wilder Schlacht das Schwert,
Das ihm der Zwerg zum Gastgeschenk verehrt.
 
112.
Und als sie jetzt aus tiefem Schlaf erwachen,
Da sehn sie hell die Sonn' am Himmel stehn,
Und leise schwimmt der goldbeladne Nachen
Durch stille Wälder hin und grünbekränzte Höhn.
Die Wiesen blühn umher, die Felsenquellen lachen,
Von Liedern tönt der Hain, und milde Düfte wehn,
Und säuselnd scheint das kaum erwachte Leben
Von Zweig zu Zweig, von Halm zu Halm zu schweben.
 
113.
O süße Lust, die rasch das Herz durchrinnt!
O holder Rausch von wechselnden Gefühlen!
Wie scheint die Flur so grün, die leichte Luft so lind,
Wie lieblich scheint der Wald zu schatten und zu kühlen!
Jetzt lassen sie im Haar den lauen Morgenwind,
Und jetzt um ihre Hand die frischen Wellen spielen;
Wie wüst auch oft der Strand, wie arm das Blümchen sey,
Dem freud'gen Geist ist Alles schön und neu.
 
114.
Wo glänzender sich Wald und Wiese schmücken,
Muß oft das Schiff dem bunten Ufer nahn,
Und Adelheid beginnt den bunten Schmuck zu pflücken
Und kränzt die Freund' und sich und füllt mit Grün den Kahn.
Doch ihre Schwester sitzt mit sanft verklärten Blicken
Und fügt sich still bewegt dem kindlich holden Wahn,
Wohl kränzt die liebe Hand sich jetzt mit duft'gen Blüthen;
Wird nicht der künft'ge Tag vielleicht den Tod ihr bieten?
 
115.
Gar lieblich war es anzuschaun,
Wie jetzt das kleine Schiff, mit grünem Schmuck behangen,
Hellleuchtend vom Gestein und edlen Goldes Prangen,
Mit Rittern angefüllt und wunderholden Fraun,
Indeß um seinen Pfad die Saiten fröhlich klangen,
So friedlich weiterschwamm durch bunte Frühlingsaun,
Und wie der goldne Glanz vom Panzer, Helm und Schild
Gar weit hinüber schien durch's sonnige Gefilde.
 
116.
Wohl wird der leicht bewegte Bord
Von unfühlbarer Macht zu seinem Ziel geleitet,
Denn munter treibt der Wind den Nachen fort,
Obgleich die Fluth ihm rasch entgegengleitet.
Schon zeigt sich jetzt der blutbefleckte Ort,
Wo gestern noch die Schlacht ihr Banner ausgebreitet;
Doch wie der Nachen naht, umrankt von frischem Grün,
Da scheint durch's wüste Feld der Fried' einherzuziehn.
 
117.
So fuhr versöhnend einst in früher Väter Tagen
Die Mutter Jörd– – Die Mutter Jörd – Jörd, der alt nordische Name für die deutsche Hertha. Die Sitte, daß sie von ihren Priestern von Zeit zu Zeit durch's Land gefahren wurde, und daß dann alle Kriege und Zwistigkeiten ruhen, ja selbst die Waffen verborgen werden mußten, ist aus Tacit. de morib. Germ. Cap. 40. bekannt. , die Alles schafft und nährt,
Durch's freud'ge Land auf reichgeschmücktem Wagen
Und weilte mild am niedern Menschenherd.
Von allem Volke ward mit festlichen Gelagen
Die Göttliche bewirthet und verehrt,
Das schon gezückte Schwert verbarg sich in die Scheide
Und Helm und Panzer wich dem bunten Feierkleide.
 
118.
Und durch's Gebüsch, das grün den Strand umhegt,
Läßt bald das Lager schon die weißen Zelte sehen.
Schon wird der kleine Kahn am Ufer angelegt,
Wohin die Lüftchen ihn mit raschem Säuseln wehen.
Der Sänger nimmt sein Spiel, des Zwerges Gaben trägt
Der alte Held, und leicht und fröhlich gehen
Die Andern durch's Gewühl, das staunend schaut und schweift
Und vor dem holden Zug in Ehrfurcht sich verneigt.
 
119.
Und als sie jetzt zum Feldherrnzelt gelangen,
Da ruht der Ritter noch, erschöpft vom späten Streit,
Auf hartem Lagerbett, vom schweren Schlaf umfangen,
Mit ungelöstem Schwert, im ehrnen Panzerkleid.
Vom Kampfe lodern noch die jugendlichen Wangen,
Um Brust und Nacken wallt das gelbe Haar verstreut,
Mit bittern Träumen scheint sein reger Geist zu ringen,
Und Thränen sieht man oft durch seine Wimpern dringen.
 
120.
Wie leuchtend einst am heiligen Gericht,
Wann auf die Welt der Herr zurückgekommen,
Mit hellem Kleid und hellerm Angesicht
Ein Engel tritt zur stillen Gruft des Frommen;
Sein Haar ist wallend Gold, sein Auge Sonnenlicht,
Und Morgenröthe scheint auf seiner Wang' entglommen,
Und mit dem Palmenzweig berührt er leis' und mild
Zum sel'gen Auferstehn das schlummernde Gebild;
 
121.
So scheint Cäcilie in's stille Zelt zu treten.
Sie weilt und schwankt und naht mit bangem Muth,
Von Seufzern wallt ihr Herz und feurigen Gebeten,
In Lieb' und Glauben schwimmt des Auges heil'ge Gluth;
Und ihre Wangen fliegt ein liebliches Erröthen,
Als jetzt ihr feuchter Blick auf seinen Zügen ruht,
Um glühend beugt sie sich im dämmrigen Gemache
Und rührt ihn zagend an und lispelt süß: Erwache!
 
122.
Doch wie dem Schiffer ist, den wilde Sturmesnacht
Vom sichern Strand auf's hohe Meer verschlagen,
Und der von Müh' erschöpft in unwirthbarer Nacht
Sich in den Kahn gestreckt, versenkt in dumpfes Zagen;
Doch wie er jetzt aus wüstem Traum erwacht,
Da hat die rasche Fluth zur Heimath ihn getragen:
So fühlt sich Adalbert, als er den Blick erhebt,
Und fährt vom Lager auf und sieht und staunt und bebt.
 
123.
O sel'ges Glück, du holdes Wiedersehen
Des Theuersten, was je das Herz verlor!
Wie reizend muß mir jetzt dein Bild vorübergehen,
Wie ringt der alte Schmerz lebendig sich hervor!
Verschlossen sind des Himmels heil'ge Höhen,
Wohl dringt der Wunsch, doch nie der Will' empor.
Doch Jene wandeln dort in ewig blühnden Hainen
Und denken unser nicht, die ihren Tod beweinen.
 
124.
Und als er jetzt zu ihren Füßen kniet,
Und ihre Arme sich zu ihm herunterneigen,
Als er hinauf und sie herniedersieht,
Und Thränen leis' empor in Beider Augen steigen,
Als sie in Milde glänzt und er in Liebe glüht,
Und als sie weinen, lächeln, ruhn und schweigen,
Da greift mit leiser Hand in's goldne Saitenspiel
Der Sänger und beginnt im freudigen Gefühl:
 
125.
        Wehe nur, du Geist des Lebens,
Liebe, durch die weite Welt!
Alle Herzen stehn dir offen,
Alle wünschen, Alle hoffen,
Und du weilst, wo dir's gefällt.
Sehnt auch meines sich vergebens,
Wehe nur, du Geist des Lebens,
Liebe durch die weite Welt!

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