Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

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3. Kapitel. Nach einer Nacht auf dem Aste

Pan Cypryanowicz, der Vater, hielt auf die Traditionen der alten Zeit, aber nicht nur ihnen paßte er sich an, sondern er gehorchte eigentlich mehr der ihm innewohnenden Gastlichkeit, als er alles aufbot, seine Gäste noch länger bei sich zu behalten. Er ging soweit, vor Frau Winnicka das Knie zu beugen, eine Stellung, die einem alten Herrn, der an der Gicht litt, sehr unbequem sein mußte. Aber es half alles nichts. Pongowski bestand darauf, vor Mittag aufzubrechen, indem er angab, er erwarte den Besuch sehr hochstehender Herren. Was sollte man dagegen sagen? Zu der von ihm festgesetzten Stunde fand daher die Abfahrt statt.

Es war ein prachtvoller Wintermorgen. Die Pferde trabten flott dahin, und man sah ihre Muskeln unter der Haut spielen. Mit metallischem Knirschen glitten die Schlittenkufen über den hartgefrorenen Schnee hin. In den Strahlen der Sonne funkelten die Eiszapfen, die an den Zweigen hingen, blitzte der Schnee, der die Ebene bedeckte.

An dem Kutschenschlag, bald zur Rechten, bald zur Linken, erschien das Gesicht des Fräuleins Siëninska mit lachenden Augen, und die kleine niedliche Nase war von der Kälte leicht gerötet. Es glich einem köstlichen eingerahmten Pastellbilde.

Gleich einer Königstochter hatte sie um ihre Kalesche her eine Leibgarde – Stanislaus Cypryanowicz und die vier Brüder Bukojemski, die Leute ihres Vormunds gar nicht zu rechnen. Die fünf Kavaliere ritten auf strammen Gäulen aus dem Stalle von Jedlinka, denn die eignen Pferde hatten sie mitsamt den wertvollen Waffen teils verkauft, teils verpfändet. Sie hielten zu beiden Seiten, manchmal auch sprengten sie im Galopp voraus, daß Klumpen des festen Schnees wie Steine in die Luft sausten.

Ohne Zweifel hätte Pongowski sehr gern auf das Ehrengeleit verzichtet, das man ihm aufgedrängt hatte. Bei hellem Tage war der Weg sicher und kein Ueberfall von Wölfen zu befürchten. Aber die jungen Leute hatten es sich in den Kopf gesetzt, die Damen zurückzugeleiten. Höflichkeit gegen Höflichkeit! Und so blieb ihm nichts weiter übrig, als die Begleiter aufzufordern, sich in Belczonka auszuruhen.

Auch der alte Herr Cypryanowicz versprach ihm, einen Besuch zu machen, doch erst nach einiger Zeit, denn einem älteren Herrn fällt es immer schwer, aus seinen vier Pfählen herauszugehen.

Die Kavaliere wetteiferten in Reiterkunststückchen, und die Fahrt bedünkte sie nur zu kurz. Dennoch mußte man die Pferde zu Atem kommen lassen. Man machte halbwegs Rast, obwohl das erbärmliche Gasthaus, neben welchem ein Schuppen und eine Schmiede lagen, den häßlichen Namen »Zum Hinterhalt« führte.

Draußen beschlug der Schmied ein Pferd. Einige Schlitten standen vor der Herberge, bespannt mit räudigen Pferden, die den Schwanz hängen ließen und den Kopf in den Hafersack senkten. In respektvoller Entfernung umringten die Leute neugierig den vornehmen Wagen. Es waren meistens Töpfer aus dem benachbarten Dorfe, die sich den Winter zunutze machten, um ihre Ware auf den Märkten zu vertreiben. Sie meinten, in einer von so vielen Edelleuten umgebenen Kutsche müsse ein hoher Würdenträger reisen, und deshalb nahmen sie trotz der Kälte die Mütze ab und sperrten schaulustig die Augen auf.

Ohne auszusteigen, schickten die Reisenden einen ihrer Diener in die Herberge, um ein Glas heißen Weines zu holen. Aber Pan Pongowski gab sich gern leutselig und gestattete den Bauern heranzutreten. Er ließ sich sogar herab, Fragen an sie zu richten. Woher sie kämen? Wohin sie gingen? Ob die Wölfe ihnen nicht viel zu schaffen machten?

»Nicht doch, gnädigster Herr,« versicherte der Sprecher der Schar, »wir reisen gewöhnlich alle zusammen und nur bei Tage. Wenn wir noch andre zufällig treffen und unsere Zahl sich gegen Abend vergrößert hat, dann wagen wir es auch einmal, über Nacht zu reisen. Aber das geschieht sehr selten, obwohl wir mit tüchtigen Knütteln bewaffnet sind.«

»Habt also keinen Toten zu beklagen?«

»Doch, doch, gnädigster Herr. Die Wölfe haben einen Juden mit Haut und Haar verschlungen. Er handelte jedenfalls mit Gänsen. Das haben uns die Federn bezeugt, die wir auf dem Wege liegen sahen, neben seinen Gebeinen und den Knochen seiner Mähre. Daß er ein Jude war, das haben wir an seiner Mütze erkannt. Und das ist noch nicht alles, Euer Gnaden. Heute morgen ist hier ein Edelmann angekommen, der die Nacht auf einer Kiefer hockend verbracht hat. Die Wölfe hatten sein Pferd gefressen. Der Unglückliche ist so steif gefroren, daß er kein Wort sprechen kann. Jetzt schläft er.«

»Wie heißt er denn?« fragte Pongowski lebhaft. »Hat er Euch nicht gesagt, woher er kommt?«

»Nein, gnädigster Herr. Sobald er wieder sprechen konnte, ließ er sich ein Glas Warmbier machen, leerte es auf einen Zug und fiel dann auf die Bank zurück.«

Pongowski wandte sich an seine Freunde.

»Mich dünkt, dem müssen wir zu Hilfe kommen. Sollten wir diesen Ritter ohne Roß hier so im Stich lassen? Einer meiner Diener soll das Pferd an ihn abtreten. Wir haben es mit einem Herrn vom Adel zu tun. Vielleicht hat er eine weite Reise gemacht.«

»Und er muß es eilig gehabt haben heimzukommen,« meinte Cypryanowicz junior, »da er trotz aller Gefahren die Nacht über gereist ist, obendrein ganz allein. Ich will gleich mal hingehen, ihn aufwecken und mich erkundigen.«

Doch das war nicht nötig, denn im selben Augenblick erschien der Diener auf der Schwelle der Herberge, mit ausgestreckten Armen ein Tablett tragend, auf welchem dichtgedrängt Becher voll dampfenden Weines standen. Als er am Kutschenschlag stand, meldete er:

»Pan Taczewski ist hier, wenn Euer Gnaden geruhen wollen, davon Kenntnis zu nehmen.«

»Pan Taczewski? Was zum Teufel hat er in dieser Gegend zu schaffen?«

»Pan Taczewski?« murmelte Fräulein Siëninska.

»Er selbst,« fuhr der Diener fort. »Und er wird nicht zögern zu erscheinen. Nur rasch ein wenig Toilette machen will er. Schon hätte nicht viel gefehlt, daß er mich über den Haufen rannte mitsamt meinem Tablett voll Wein, so sehr schien ihn die Nachricht von der Anwesenheit Eurer Gnaden, hier mitten im Walde, aus der Fassung zu bringen.«

»Du bist gar nicht um deine Meinung gefragt worden,« brummte Pan Pongowski.

Auf diese barsche Zurechtweisung hin verstummte der Redeschwall des Dieners. Sein Herr nahm eines der Gläser, tat ein paar Züge und glaubte dann, indem er sich an Cypryanowicz wandte, noch immer verdrießlichen Tones, erklären zu müssen: »Es ist ein Nachbar von uns – ein unbesonnener Mensch, meiner Treu! – einer von jenen Taczewskis, wissen Sie, die ehemals –«

Das Erscheinen des Mannes machte den Erörterungen rasch ein Ende. Er trat mit hastigen Schritten heran und schien ein wenig verwirrt. Es war ein junger Mann von mittlerem Wuchs, mit schönen, schwarzen Augen, aber hager und trocken wie eine Distel. Er trug eine Mütze, die zum mindesten aus der Zeit des Königs Bathory1522-86. Die Erzählung spielt 1683. stammte, und war mit einer prall anliegenden Jacke aus grauem Tuch bekleidet, welche mit Schaffell abgefüttert war. Er hatte schwedische Stiefel an, die ihm bis hoch an die Schenkel reichten und sicherlich in den Tagen Johann Kasimirs1648-68. einem Reiter geraubt worden waren. Jedenfalls waren sie aus Mangel an anderm Schuhwerk aus der Rumpelkammer hervorgeholt worden, denn man hätte in der ganzen Republik von einem Ende zum andern vergebens nach einem zweiten Adeligen mit so absonderlichen und riesigen Stiefeln gesucht.

Während der Ankömmling auf die Kutsche zuschritt, blickte er verstohlen bald auf Pan Pongowski, bald auf dessen Mündel. Sein Lächeln ließ zwei Reihen weißer Zähne sehen, doch schien dieses Lächeln traurig und gezwungen.

»Welch glücklicher Zufall,« begann er, wobei er die Mütze abnahm und sich tief verneigte, »daß ich Euer Gnaden in so vorzüglichem Wohlbefinden treffe – denn die Wege sind gefährlich. Ich kann ein Liedchen davon singen.«

»Bedeckt Euch, Ihr könntet Euch sonst die Ohren erfrieren,« unterbrach Pongowski ihn in barschem Tone. »Vielen Dank für Eure gütige Nachfrage. Was habt Ihr in diesen Wäldern zu suchen?«

Taczewski hob die glühenden Augen zu dem jungen Mädchen, als wollte er zu ihr sagen: »Du errätst das gewiß –« allein sie schien ganz damit beschäftigt zu sein, die Bänder ihrer Kapuze zu einer neuen Schleife zu schlingen. Da versetzte er in hartem Tone: »Ich hatte mal Lust, den Mond über dem Walde segeln zu sehen.«

»Ein nettes Gelüste! Und die Wölfe haben sich das zunutze gemacht und Euer Pferd zerrissen.«

»Es war gestürzt. Die Wölfe wollten sich auf das arme Tier werfen, doch mochte ich es nicht lange unter ihren Zähnen leiden lassen. So stach ich es tot.«

»Das haben wir schon gehört. Wir wissen auch, Ihr habt die Nacht auf einem Aste verbracht, wie eine Krähe.«

Bei diesen Worten brachen die vier Brüder Bukojemski in ein so dröhnendes Gelächter aus, daß die vier Pferde sich jäh auf den Hinterbeinen aufrichteten.

Aber Taczewski wandte sich gegen sie und maß sie mit einem eisigen, schneidenden Blick.

»Nein, Pan,« sagte er, sich an Pongowski wendend, »nicht wie eine Krähe, sondern wie ein Edelmann, der das Unglück hatte, sein Pferd zu verlieren. Uebrigens ist es wohl Euch gestattet, das Abenteuer spaßhaft zu finden, aber jeder andere möge sich in acht nehmen! Es könnte ihm schlecht bekommen.«

»Oho! Oho!« knurrten die Herren Bukojemski. Ihre Gesichter nahmen plötzlich einen finstern Ausdruck an, ihre langen Schnurrbärte zitterten, sie trieben ihre Pferde vorwärts, wie um an den Ankömmling heranzureiten.

Erhobnen Hauptes warf Taczewski ihnen noch immer herausfordernde Blicke zu.

Aber Pongowski mischte sich mit befehlender Stimme darein, wie es seinem Alter und seiner Würde zukam.

»Ich bitt' mir aus, meine Herren,« rief er, »keine Händel!«

Besänftigt schritt er alsbald dazu, mit einer breiten Handbewegung die jungen Leute nach üblicher Weise miteinander bekannt zu machen.

»Herr Jakob Taczewski . . .«

Und auf seine Reisegefährten deutend, fuhr er fort: »Herr Stanislaus Cypryanowicz – die Herren Bukojemski – welchen wir, ich kann wohl sagen, unser Leben verdanken. Denn Ihr seid nicht der einzige, dem die Wölfe zugesetzt haben. Diese fünf Kavaliere sind unverhofft zu unserer Rettung herbeigeeilt, als es hohe Zeit war.«

»Ja, es war hohe Zeit,« wiederholte Fräulein Siëninska, jede Silbe betonend, und suchte dabei mit ihren Blicken Cypryanowicz.

Die Wangen Taczewskis färbten sich rot. Ein fast schmerzlicher Ausdruck breitete sich auf seinen Zügen aus. Seine Augen blickten trübe darein, und seine Stimme klang gramvoll.

»Ja, es war hohe Zeit,« murmelte auch er. »Ach, das ist freilich leicht. Wenn man zu fünft ist, wie diese Herren, und fünf gute Pferde hat! Ich aber war allein. So haben denn auch die Wölfe mit ihren Zähnen meinem wackeren moldauischen Hengst den Totenwirbel getrommelt . . . mein Pferd war der einzige Freund, den ich auf Erden hatte. Doch es ist einerlei,« setzte er hinzu, und nun fiel sein Blick fast mit Wohlwollen auf die vier Brüder, »gesegnet seien eure Arme, meine Herren. Sie haben das Werk verrichtet, das mich glücklich gemacht haben würde.«

Fräulein Siëninska mußte wohl von wankelmütigem Temperament sein, wie jede Evastochter; vielleicht auch empfand sie Mitleid mit Herrn Taczewski; denn ihre Lider zitterten ein wenig, und sie sagte gerührt: »Euer moldauischer Hengst! O süßer Jesus! das arme, wackre Tier! Ich hatte es so lieb – es kannte mich so gut!«

Der junge Mann schlug den dankbaren Blick zu ihr auf.

»Ja, ein wackeres Tier – ja, es hat Euch gekannt!«

»Herr Jakob, gebt Euch nicht so völlig dem Kummer hin, ich bitte Euch!«

»Gestern war ich ein Reiter voll Kummer – heute bin ich ein Fußgänger voll Kummer – das ist der ganze Unterschied. Doch gleichviel – möge Gott Euch die freundlichen Worte lohnen, die Ihr da zu mir gesprochen habt!«

Pongowski machte diesen Ergüssen ein Ende.

»Ihr werdet eins der Pferde von der Begleitmannschaft besteigen,« sagte er, »der Vorreiter wird Euch das seine abtreten und neben dem Kutscher Platz nehmen. Wartet noch! Hüllt Euch in diesen Mantel da. Ihr seid in der letzten Nacht genugsam durchgefroren, und sobald es dämmert, wird es wieder kalt werden.«

»Vielen Dank!« antwortete Jakob. »Mich friert nicht, und ich habe mit Absicht keinen Mantel mitgenommen.«

»Na, dann um so besser für Euch. Und jetzt vorwärts!«

Die Karawane setzte sich in Bewegung. Jakob Taczewski ritt an einer Seite der Kutsche dicht neben der Tür. Stanislaus Cypryanowicz hielt die andere Seite inne. Das junge Mädchen, das auf dem Vordersitz saß, brauchte nur den Kopf zu wenden, um den einen oder den andern zu sehen.

Inzwischen beobachteten die Bukojemski ihren neuen Gefährten mit mißmutigen Blicken. Es behagte ihnen gar nicht, daß er so neben dem Wagen einhersprengte. Sie ritten ein wenig dahinter und dicht nebeneinander. Dabei stellten sie allerlei Betrachtungen an.

»Ich bin der Meinung, er hat uns ganz unverschämt angegafft,« begann Matthäus. »Beim lieben Gott, ich behaupte, er hat uns beleidigen wollen.«

»Und jetzt zeigt er uns das Hinterteil seines Pferdes. Was sagt ihr dazu?«

»Verdammt! Ein Pferd kann nicht rückwärts laufen wie ein Krebs. Aber daß er dem Mädel den Hof macht, das sticht mir in die Augen!«

Und Markus unterstrich seine Worte mit einer energischen Handbewegung.

»Du hast das Richtige getroffen,« stimmten die drei andern bei. »Ha, der Geck! wie er sich ziert, wie er schön tut! Und wie er sich vornüberneigt! Wenn der Steigriemen risse, würde er hübsch herunterpurzeln!«

»Keine Sorge – er sitzt fest auf dem Gaule, der Narr!«

»Nur so weiter – nur recht schön getan! Wir werden dich dafür schon noch zwicken.«

»Aber seht doch nur! Jetzt wirft er ihr ein honigsüßes Lächeln zu.«

»Ha! Brüder eines Blutes, sollen wir noch lange diese Schmach dulden?«

»Nein, beim lebendigen Gott! Die Maid wird zwar keinem von uns gehören, das ist abgemacht – aber erinnert euch, wem wir sie gestern versprochen haben!«

»Ganz gewiß! Und der Schuft muß wohl ahnen, was wir beschlossen haben. Bloß um uns zu ärgern, macht er ihr den Hof.«

»Ein stolzer Magnat – reitet auf einem geborgten Pferde.«

»Na, und wir selber?«

»Ja! aber wir haben doch wenigstens immer noch eins, das uns selbst gehört. Wenn also drei von uns zu Hause bleiben, kann der vierte immer am Kriege teilnehmen. Er hat nicht einmal einen eigenen Sattel . . .«

»Und dabei trägt er die Nase so hoch! Was kann er nur gegen uns haben?«

»Ich werde ihn gleich danach fragen – ich als ältester,« entschied Johannes.

»Das ist recht. Frage ihn.«

»Nur fang es diplomatisch an . . . den alten Pongowski darf man nicht erzürnen. Und wenn wir seine Antwort reiflich bedacht und nach allen Seiten geprüft haben, dann fordern wir ihn, damit gut!«

»Und dann soll er uns nicht entwischen!«

»Einverstanden!«

»Ich will nur rasch die Eiszapfen aus meinem Schnurrbart entfernen, dann reite ich sogleich zu ihm.«

»Sehr wohl. Und präge dir genau seine Worte ein.«

»Seid ohne Sorge. Ich werde euch jedes einzelne hersagen wie ein Paternoster.«

Mit diesen Worten trieb der älteste der Bukojemski sein Pferd dicht neben das seines Nebenbuhlers.

»Hollah, mein Herr!«

»Was gibt es?«

Und Taczewski wandte halb den Kopf.

»Ich möchte gern wissen, was Ihr gegen uns habt?«

Erstaunt musterte der Ritter den Fragenden.

»Ich? – Nichts!« Und die Achseln zuckend, drehte er ihm ohne Umstände den Rücken.

Ein paar Sekunden ritt Bukojemski der älteste schweigend und verdutzt weiter. Sollte er seinen Brüdern die wenigen Worte überbringen, die man gewechselt, oder die Unterredung fortsetzen? Er entschloß sich endlich für das letztere.

Plötzlich die Stimme erhebend, begann er von neuem: »Denn wenn Ihr glaubt, Ihr würdet erreichen, was Ihr wünscht, so antworte ich Euch dasselbe, was Ihr eben zu mir gesagt habt: Nichts da!«

Taczewski begriff, daß es darauf abgesehen sei, Händel mit ihm anzufangen. Sein Gesicht nahm einen blasierten Ausdruck an. Er mußte jedoch eine Antwort finden, die scharf genug war, dem Wortwechsel ein Ende zu machen.

»Und Eure Brüder – sie auch?« fragte er geringschätzig.

»Die auch – selbstverständlich – aber was denn?«

»Erratet das übrige und stört mich nicht länger in einer Unterhaltung, die mir tausendmal angenehmer ist als die, mit der Ihr mich beehrt.«

Bukojemski hielt sein Pferd noch ein Weilchen auf gleicher Höhe mit seinem Gegner; dann lenkte er zur Seite und wandte sich wieder zu seinen Brüdern.

»Was hat er dir geantwortet?« fragten alle drei.

Johannes wiederholte, was er eben vernommen. Sie hörten mit finsterm Gesicht zu.

»Du hast nicht verstanden, das rechte Wort zu finden,« tadelte ihn Lukas. »Du hättest seiner Mähre die Ecke deines Steigbügels in den Bauch stoßen, oder ihm zurufen sollen: Bruder Jakob, acht auf deinen Kopf ja! denn Jakob heißt er doch!«

»Oder du hättest darauf anspielen können, daß er sein Pferd verloren hat, indem du zu ihm sagtest: In Ermanglung eines Pferdes steig auf einen Esel.«

»Alles das kann ihm immer noch geschehen, kommt Zeit und Ort. Aber was mochte seine Frage bedeuten: Und Eure Brüder – sie auch?«

»Das bedeutet ganz einfach: »Und sind Eure Brüder auch so dumm wie Ihr?«

»Wahrhaftig!« schrie Markus. »Etwas anderes kann er nicht gedacht haben! Und nun, meine Brüder –?«

»Nun heißt es: Tod ihm oder uns! Welch eine Beleidigung – welch eine Schmach! Wir wollen Stanislaus den Fall unterbreiten.«

»Davor wollen wir uns lieber hüten! Wir haben ihm die Schöne überlassen, nicht wahr? Also würde es seine Sache sein, den Nebenbuhler herauszufordern. Uns aber kommt es zu, uns zuerst mit ihm zu schlagen.«

»Ganz gewiß. Aber wo und wann?«

»Heute und morgen nicht! Denn bei Pan Pongowski darf es nicht geschehen. Da sind wir übrigens in Belczonka.«

In der Tat näherte man sich jetzt dem Dorfe. An der Biegung des Weges stand das von Herrn Pongowski errichtete Kruzifix mit einem Christus aus Eisen, der die Arme zwischen zwei Lanzen ausstreckte. Links zeigte sich hügeliges Gelände, von Baumgruppen und verstreuten Hütten übersät. In bläulichen Wölkchen stieg Rauch empor. Rechts breiteten sich an den beiden Ufern des Flüßchens endlose Wiesen aus.

Der Zug der Reisenden bewegte sich durch das Dorf, durch die Obstgärten hin und an den Wirtschaftsgebäuden entlang. Und plötzlich kam das Herrenhaus Pongowskis in Sicht.



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