Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

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11. Kapitel. Die Ausrüstung des Husaren

Zwei Tage später reiste Jakob Taczewski mit zehn Goldgulden in der Tasche nach Radom, um sich vor der endgültigen Abreise gehörig auszustaffieren. Der Geistliche Wonowski blieb im Pfarrhause zurück und überlegte, durch welche Mittel man dem jungen Manne die zu seiner Ausrüstung unentbehrliche Summe verschaffen könne. Denn wer bei den Husaren eintreten wollte, der mußte Wagen, Pferde und Diener haben. Das gehörte eben zu einem Ritter, der sich ein Ansehen verschaffen und nicht für den ersten besten Kavalier gelten wollte. Vor allen andern aber mußte ein Taczewski, der einen berühmten, im Lande unvergessenen Namen trug, so auftreten.

Eines Tages also setzte sich Abt Wonowski an seinen Tisch, zog die Stirn in so tiefe Falten, daß der weiße Haarschopf ihm ins Gesicht fiel, und begann zu rechnen. Der Hund, der Fuchs und ein Dachs kollerten zu seinen Füßen lärmend herum, aber er ließ sich dadurch nicht in seinen Erwägungen stören. Seine Kalkulationen wollten indessen nicht ins Gleis kommen – Einnahmen und Ausgaben nicht miteinander übereinstimmen. Es reichte nicht hin und nicht her, und so sehr er sich abmühte, er fand keine Lösung des Problems.

Er rieb sich die Stirn und begann ein Selbstgespräch.

»Zehn Dukaten Jakob gegeben – welche er zur Stunde wohl schon kleingemacht haben wird. Weiter! Fünf Dukaten habe ich selbst vom Meister Bierbrauer Konrad geliehen, drei vom Bäcker Slonina. Macht zusammen acht Golddukaten, welche ich den genannten Männern schulde. Ferner habe ich geliehen: sechs preußische Taler von Duda – und einen Wallach von demselben Duda. Bezahlen werde ich es, so Gott hilft, mit der Gerste der nächsten Ernte. Im ganzen macht das acht Golddukaten und sechs preußische Taler. Außerdem sind noch zwanzig polnische Gulden da, die ich tief unten in meiner Kassette gefunden habe. Pauca – wenig! Selbst wenn ich meinen Hengst mit dazu rechne, so sind das immer erst zwei Reitpferde. Die muß er aber mindestens haben, damit er eins zur Aushilfe hat, wenn mal eins stürzt. Er muß aber noch zwei für den Wagen haben, und zwei für die Diener. Und für die alle muß immer wenigstens je ein Pferd zum Wechseln da sein. Dazu dann noch die Livree, Mundvorräte, Gepäck, Kochkessel, Utensilien, Zelte – ach, man wird wohl darauf verzichten müssen. Es reicht höchstens, um zu den Dragonern zu gehen.«

Im besten Aufzählen unterbrach sich der Abt, um seine »animalia«Tiere. zur Ruhe zu rufen.

»Still, Viehzeug! Ihr macht einen Höllenlärm. Ich aber werde eure Felle einem Juden verkaufen.«

Dann fuhr er in seinem Monolog fort: »Schändlich! Jakob hatte recht. Es wird uns wohl nichts übrig bleiben – wir müssen Wyremby verkaufen. Doch ach, wenn ihn dann seine Kameraden fragen: Wie heißt dein Landsitz? dann wird er nichts weiter antworten können, als: Ich bin der Herr von Vierwinden. Und welche hohe Meinung werden sie alle von einem Herrn von Vierwinden haben? Sie werden ihn geringschätzen. Wenn man einen Pächter für Wyremby fände, so würde das weit besser sein. Aber wer soll es pachten? Am besten würde es sich für Pongowski eignen, denn er ist der Nachbar. Aber davon wird Jakob nichts wissen wollen, und ich möchte ihm auch nicht zureden. Ach, Herr du mein Gott, das Sprichwort sagt: arm wie eine Kirchenmaus. Aber das Sprichwort lügt. Eine Kirchenmaus kann schon fett werden, wenn sie bloß Wachskerzen frißt. Und am Sankt Stephanstage werden so viel Erbsen auf die Steinfliesen der KircheZur Versinnbildlichung der Steinigung, die dieser Heilige erlitten hat. gestreut, daß sie ein ganzes Jahr davon zehren kann. Ach, mancher Mensch ist weit ärmer als die Kirchenmaus. O süßer Jesus! der du die Brote und die Fische in der Wüste vermehrt hast, mache doch auch aus meinen Dukaten und Talern hundertmal so viel. Du machst dich damit selbst nicht arm, meinen jungen Herrn aber machst du reich, und du hilfst zu gleicher Zeit einem Taczewski.«

Da kam ihm der Gedanke, daß die preußischen Taler, welche doch einem ketzerischen Lande entstammten, im Himmel nur Widerwillen hervorrufen könnten. Die Goldgulden aber könnte er die Nacht über zu Füßen Christi niederlegen – vielleicht würde er dann am andern Morgen mehr vorfinden? Aber sogleich fühlte er sich eines solchen Wunders nicht würdig, und er schlug sich an die Brust, um Verzeihung zu erflehen für diesen anmaßenden Gedanken.

Plötzlich störte das Geräusch eines vorfahrenden und haltmachenden Wagens ihn in seinen Betrachtungen.

Die Tür öffnete sich, und ein Herr von hohem Wuchs, mit langem, ergrauendem Schnurrbart und lebhaften, schwarzen Augen trat in die Stube. Schon auf der Schwelle stellte er sich vor.

»Cypryanowicz von Jedlinka.«

»Gegrüßt, Pan!« versetzte der Priester, ihm entgegengehend. »Ich hatte schon einmal das Vergnügen, Euch zu begegnen – auf dem Ablaßtage zu Prytyk. Doch sah ich Euch nur von weitem, denn es war eine große Menschenmenge da. Seid willkommen unter meinem bescheidenen Dache!«

»Eifer und guter Wille führen mich her,« antwortete Cypryanowicz. »Denn es ist immer eine angenehme Pflicht, sich vor einem berühmten Kriegsmanne zu verneigen, der heute ein heiliger Priester und ein Muster aller Tugenden ist.«

Mit diesen Worten küßte er, der Sitte gemäß, die Schulter und dann die Hand des Geistlichen, so sehr dieser sich auch dagegen sträubte.

»Eine schöne Heiligkeit, die meine!« sagte er. »Diese Tiere hier, mein Hund, mein Fuchs und mein Dachs, sind in den Augen des Schöpfers vielleicht mehr wert als ich!«

Aber sein Gast sprach in so aufrichtigem Tone, daß er den Abt sofort für sich einnahm, und bald wechselten sie Worte, die ihnen beiden von Herzen kamen.

»Gott hat es gefügt, daß ich auch Euern Sohn kennen lernte,« sagte der Priester. »Ein höflicher Kavalier und von netten Manieren! Gegen ihn machen die Herren Bukojemski fast den Eindruck, als wären sie seine Diener. Und ich sage Euch, Pan, meinen Jakob hat er so für sich gewonnen, daß dieser nicht aufhört, ihn zu loben.«

»Mein Stach vergilt ihm da gleiches mit gleichem. Ja, ja, so geht es oft. Man kreuzt die Degen miteinander und geht in guter Freundschaft nach Haus. Niemand von uns hegt Groll auf Herrn Taczewski, sondern wir möchten im Gegenteil alle in das beste Einvernehmen zu ihm treten. Ich war auch in Wyremby, aber er ist nicht dort. Ich glaubte ihn hier zu finden, denn ich wollte ihn und Euer Hochwürden nach Jedlinka einladen.«

»Jakob ist nach Radom gefahren, um verschiedene Einkäufe zu besorgen. Aber er wird auf der Heimfahrt hier vorbeikommen, und sicherlich wird er Eurem Rufe sehr gern Folge leisten. Uebrigens, Pan, was sagt Ihr denn zu dem Verhalten, das man in Belczonka gegen ihn angewandt hat?«

»Man ist sich dort bewußt, schlecht gehandelt zu haben,« antwortete Cypryanowicz. »Herr Gideon zwar nicht, aber doch wenigstens die Frauen.«

»Herr Gideon ist ein rachsüchtiger Mensch. Er wird eine schwere Rechnung beim himmlischen Vater abzumachen haben. Und die Frauen – ach, möchte doch Gott sie in seine Hut nehmen! Und warum sollte ich es Euch verheimlichen? Die eine von ihnen ist die eigentliche Ursache dieses Duells gewesen.«

»Das habe ich schon geahnt, und mein Sohn hat auch meine Vermutungen bestätigt. Aber diesmal ist die Person, die die wahre Ursache war, ganz unschuldig.«

»Die sind immer unschuldig . . . Wißt Ihr, was der Prediger Salomo über die Weiber sagt? Nein! nun, ich werde es Euch lehren.«

Und der Priester nahm die Vulgata von einem Bücherregal und begann die berühmte Stelle vorzulesen. Dann fragte er: »Nun, wie dünkt Euch das?«

»Mein Gott,« sagte Herr Cypryanowicz, welcher von duldsamer Gemütsart war, »zwischen Frauen und Frauen ist eben ein Unterschied.«

»Mag sein – die Folge ist aber in jedem Falle: Jakob verläßt die Heimat und zieht in die Welt. Doch ich habe ihm nicht etwa abgeraten. Ganz im Gegenteil.«

»Wie das? Er geht fort? Es heißt doch aber, der Krieg werde erst Ende nächsten Frühjahrs beginnen.«

»Wißt Ihr das bestimmt?«

»Bestimmt, denn ich habe mich an guter Quelle befragt, und befragt habe ich mich, weil ich auch meinen Sohn dann nicht länger zu Hause haben werde.«

»Dafür ist er eben ein Adeliger. Wenn Jakob jetzt schon fortgeht, so geschieht es, weil man ihm großes Herzeleid zugefügt hat.«

»Ich verstehe, ich verstehe. Fernsein ist in solchen Fällen vielleicht die beste Medizin.«

»Daher wird er sich nicht länger in dieser Gegend aufhalten, als bis er Wyremby verkauft hat oder verpfändet, wenn sich ein Pächter finden sollte. Es ist ein karges Erbgut; doch rate ich meinem Jakob, es lieber zu verpachten, als ganz wegzugeben. Wenn er auch nie mehr hierher zurückkehren sollte, so kann er doch jederzeit, wenn er seinen Namen unterschreibt, hinzufügen: Herr von Wyremby. Und das klingt besser für einen Mann seines Geschlechts.«

»Muß er denn durchaus sein Gut verkaufen oder verpfänden?«

»Das muß er. Jakob ist arm, bitterarm. Euer Gnaden weiß, was eine Ausrüstung kostet. Und er kann doch nicht im ersten besten DragonerregimentDie Dragonerregimenter setzten sich in der Hauptsache aus Bauern oder Bürgern zusammen. Dienst nehmen.«

Herr Cypryanowicz schien zu überlegen.

»Was würdet Ihr dazu sagen, hochwürdiger Vater,« sprach er dann, »wenn ich Wyremby in Pfand nähme?«

Der Abt errötete wie ein junges Mädchen, dem der Verehrer endlich das Bekenntnis zuflüstert, das es zu hören wünschte. Aber er gewann sofort den Gleichmut wieder und heftete nun die Augen forschend auf Cypryanowicz.

»Wozu brauchtet Ihr das?«

Der alte Herr antwortete in aller Ehrlichkeit und Schlichtheit: »Wozu ich es brauche? Ich brauche es, weil ich einem wackern Burschen einen Dienst leisten will, und zwar ohne mir etwas darauf einzubilden, oder ein Anrecht auf Dankbarkeit daraus zu beanspruchen. Ganz im Gegenteil. Seid ohne Sorge, ich trachte dabei schon, auf meine Rechnung zu kommen. Seht her! Ich werde meinen einzigen Erben in demselben Fähnlein Dienst nehmen lassen, in das Herr Jakob eintritt. Ich schmeichle mir, er wird in der Person Taczewskis einen Freund haben, und Ihr selbst wißt, wie wichtig das im Kriegslager ist, wo Duelle alltäglich sind, und auf dem Schlachtfelde, wo der Tod noch alltäglicher ist. Gott hat mich reichlich mit irdischen Gütern bedacht, aber er hat mir nur einen Sohn beschert. Pan Jakob ist tapfer, klug und ein Meister in der Fechtkunst, wie wir jetzt erprobt haben – obendrein tugendhaft, denn Ihr habt ihn erzogen. Jacek und StacekPolnische Koseform für Stanislaus. sollen ein ebenso treues Freundespaar bilden wie Orestes und Pylades. Das ist mein Hintergedanke dabei.«

Abt Wonowski öffnete ihm weit die Arme.

»Euch hat Gott geschickt! Was Jacek anbetrifft, für den stehe ich wie für mich selbst. Ein Goldherz, darin Mut und Edelsinn reifen, wie der Weizen auf einem guten Boden. Ja, wahrhaftig, der Himmel schickt Euch! Nun wird mein guter Junge so vor seiner Kompagnie erscheinen können, wie es sich für einen Taczewski geziemt. Endlich – und das scheint mir noch wichtiger – wird sich ein weites Feld vor ihm auftun, so daß er vielleicht jene Maid vergißt, um derenwillen er seine schönsten Jahre verscherzt hat.«

»So liebt er sie seit langem?«

»Seit seiner Kindheit. Deshalb kann er das auch nicht so rasch verwinden und krümmt sich nun vor Schmerz wie ein aufgespießter Aal. Ach, nur fort mit ihm – je bälder, um so besser!«

Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann setzte Abt Wonowski hinzu: »Wir müssen jedoch ganz ausführlich – accuratissime – über diese Angelegenheit sprechen. Welche Summe kann Euer Gnaden Jakob vorstrecken gegen Pachtung von Wyremby? Es ist kein schwerer Boden.«

»Hundert Dukaten.«

»Hundert Dukaten? Ist das Euer Ernst?«

»Warum denn nicht? Wenn Taczewski eines Tages seine Schuld abzahlt, wird er auch nicht danach fragen, ob inzwischen das Grundstück wertvoller geworden ist. Und zahlt er nicht zurück, so komme ich auch nicht zu Schaden. Das Land liegt jetzt nur brach, aber Wyremby ist frisch urbar gemachter Boden und muß daher einen guten Ertrag liefern. Ich bringe heute meinen Sohn und die Bukojemski nach Jedlinka zurück. Erweist uns die Ehre, alle beide auch dorthin zu kommen, sobald Jakob zurückkehrt. Ich halte die vereinbarte Summe zu seiner Verfügung bereit.«

»Noch einmal, mit Euern Dukaten und Euerm Herzen, das ebenso von Gold ist wie jene, scheint Ihr mir ein Bote des Himmels!« rief Abt Wonowski.

Dann holte er eine Flasche Met, und sie tranken wie Menschen, deren Seele voll Frieden und Freude ist. Beim dritten Humpen nahm jedoch das Antlitz des Priesters einen ernsten Ausdruck an.

»Für Eure guten Worte,« sagte er, »für die unerwartete Hilfe, die Jakob bei Euch findet, für Eure edelmütige und zartfühlende Bereitwilligkeit, laßt mich Euch, Pan Cypryanowicz, einen guten Rat erteilen.«

»Ich höre.«

»Wyremby ist zu nahe bei Belczonka gelegen. Setzt deshalb nicht Euern Sohn hierher. Man kann sich keine reizendere, verführerischere Evastochter denken als jenes Fräulein. Sie mag auch gut und brav sein und alle Tugenden besitzen, aber sie ist eine Siëninska, worauf zwar nicht sie selbst, aber doch ihr Vormund sich so viel einbildet, daß, wenn der Sohn des Königs selbst um ihre Hand würbe, Pongowski dies noch für eine zu bescheidene Partie halten würde. Gebt daher acht auf Euern Sohn! Sorgt dafür, Pan, daß sein junges Herz sich nicht an diesem Hochmut ritze oder gar tödlich verwunde, wie es jetzt meinem Jakob widerfahren ist. Diese Worte gibt mir die aufrichtigste Freundschaft ein, und der Wunsch, Gutes mit Gutem zu vergelten.«

Cypryanowicz strich sich mit der Hand über die Stirn.

»Eines Abends,« antwortete er, »kamen sie infolge eines Reiseabenteuers wie aus den Wolken bei uns in Jedlinka hereingeschneit. Diese Geschichte von den Wölfen kennt Ihr ja wohl. Früher habe ich mal Herrn Pongowski eine nachbarliche Visite abgestattet – er hat sie niemals erwidert. Ich weiß also, wie stolz er ist, und ich richte mich danach. Ich suche weder seine Freundschaft, noch auch nur seine nähere Bekanntschaft. Nein, ich werde meinen Sohn nicht auf Wyremby setzen, und ich werde auch nicht zulassen, daß er Herz und Zeit an Belczonka verliere. Unser Adel ist weniger alt und berühmt als der der Siëninski, vielleicht auch als der der Pongowski. Aber auch wir haben den Adel im Felde erworben – wir sind, wie der Hetman Czarniecki zu sagen pflegte, durch das, was schmerzt, adelig geworden. Wir danken es unsern Wunden, unserm Blute, das wir fürs Vaterland vergossen. Und wir werden immer unsere Würde zu wahren wissen. Mein Sohn ist in diesem Punkte nicht minder feinfühlend als ich. Es ist schwer, sich vor Kupidos Pfeilen zu schützen, wenn man jung ist; aber folgendes hat mir Stanislaus geantwortet, als ich ihn eines Tages selbst in Belczonka danach fragte, wie er zu dem Mädchen stände: »Ich lasse einen Apfel lieber am Zweige hängen, als daß ich zu hoch danach springen müßte; denn wenn ich das Ziel beim Sprung verfehle, dann ernte ich dabei nur Schande und Hohn.«

»Das nenne ich einen klugen Jungen,« lobte der Priester.

»So hat er sich immer gezeigt,« sagte Cypryanowicz nicht ohne Stolz. »Stanislaus hat heute erst diesen Worten hinzugefügt: Seit er wisse, wie sehr Fräulein Annette an Jakob hänge und er an ihr, wieviel er ihretwegen leide, würde er um nichts in der Welt diesem wackern jungen Manne in den Weg treten. Nein, nicht etwa, um meinen Sohn in die Nähe von Belczonka zu bringen, pachte ich Wyremby. Möge Gott über meinen lieben Jungen wachen und ihn vor allem Unheil und Uebel bewahren!«

»Amen! Ich glaube es, als wenn es ein Engel gesagt hätte. Und was das Fräulein anbetrifft, die möge ein dritter heiraten – meinetwegen einer jener Herren Bukojemski. Sind sie nicht von sehr hoher Abstammung?«

Cypryanowicz begann zu lachen, trank seinen Humpen aus, verabschiedete sich und fuhr fort. Pater Wonowski ging in die Kirche, um Gott inbrünstig für die unverhoffte Hilfe, die er geschickt, zu danken.

Dann wartete er ungeduldig auf Jakobs Rückkehr. Endlich vernahm er den Lärm eines galoppierenden Pferdes. Der Greis lief ihm entgegen, schloß ihn in die Arme und rief: »Jakob, du könntest jetzt Schwanzriemen im Preise von zehn Dukaten kaufen! Du hast es dazu – du hast das Geld, als wenn es hier auf dem Tische läge. Und dabei wirst du Wyremby behalten.«

Taczewski sah den Freund mit den von Qual und Schlaflosigkeit trüben Augen an und fragte erstaunt: »Was ist geschehen? Welches Wunder hat sich ereignet?«

»Ja, ein Wunder, wie solche bisweilen von hochherzigen Menschen verrichtet werden.«

Und der Abt bemerkte zu seiner Freude, daß Jakob, als er von dem getroffenen Uebereinkommen vernahm, neuen Mut, neues Vertrauen zu gewinnen schien. Er vergaß darüber fast seines großen Grams, seines verwundeten Herzens. Während mehrerer Tage sprach er nur von Pferden, Rüstungen und Wagen, so daß man glauben konnte, er habe für nichts anderes mehr Sinn.

»Das ist Balsam auf all meine Sorgen,« sprach der Priester zu sich. »Denn ob man noch so närrisch vor Liebe oder Liebeskummer ist, wenn man in den Krieg zieht, muß man offene Augen und klaren Geist haben. Da muß man sich vor Roßkämmen hüten, daß sie einem kein lungenkrankes oder lahmes Pferd anhängen, da muß man die Schärfe des Stahls ausproben, einen gut zu der Figur passenden Panzer wählen und die Lanze genau abwägen, daß sie auch gut der Schwere der Hand entspricht. Nur dadurch werden unsere Gedanken vom Weibe abgelenkt und wenden sich würdigeren Gegenständen zu. Das Herz wird leichter.«

Er dachte daran, wie er selbst in der Jugendzeit auf dem Schlachtfelde Vergessen und Tod gesucht hatte. Allein der jetzt bevorstehende Krieg sollte gleich einer blutigen Blume erst im Sommer ausbrechen, und so war auch Jakob der Tod immer noch fern, und er mußte sein Leben über allerlei Vorbereitungen zum künftigen Feldzug hinbringen.

Es gab ja auch alle Hände voll zu tun, so daß glücklicherweise nicht viel müßige Zeit übrigblieb.

An einem Tage kamen die beiden Cypryanowicz wieder auf den Pfarrhof, wohin Jakob jetzt gezogen war, und sie fuhren alle vier in die Starostei, um dort den Pachtvertrag über Wyremby aufzusetzen und zu unterschreiben. Es ließ sich aber nicht an einem Tage fertigstellen, so daß sie noch ein paar Mal hin und her fahren mußten. Dabei wurden gleich viele Ausrüstungsgegenstände für Jakob gekauft. Den Rest riet der erfahrene, umsichtige Geistliche in Warschau oder Krakau anzuschaffen.

Die Freundschaft der beiden jungen Männer wurde, je näher sie einander kennenlernten, immer inniger. Stanislaus war von seiner unbedeutenden Wunde schon völlig genesen und stand Jakob bei den Einkäufen mit Rat und Tat zur Seite. Die beiden alten Herren freuten sich über die beiden jungen, und der biedere Herr Seraphin wünschte sogar Taczewskis Abreise noch aufgeschoben zu sehen.

»Ich begreife ja die Gründe,« sagte er, »weshalb Ihr ihn so bald wie möglich fort haben wollt. Aber Hand aufs Herz! Ich versichere Euch, Fräulein Siëninska ist schuldlos, und ich kann nicht schlecht von ihr denken. Gewiß, sie hat Jakob nicht sehr höflich und freundlich empfangen, nach diesem Zweikampf. Aber man muß bedenken, Stach und die Bukojemski hatten sie und die Tante eben erst sozusagen dem Wolfsrachen entrissen. Anderseits setzte Pongowski alle Hebel in Bewegung, Jakob zu schaden. Ach, das ist ein rachsüchtiger Mensch! Er hat ihren Zorn aufgestachelt. Was Wunder also, daß sie Jakob böse war, als sie die Herren, die sie für ihre Retter hielt, mit Blut bedeckt nach Belczonka zurückkehren sah? Doch nachher ist das Mägdlein zu mir gekommen und hat gesagt: Ich gestehe es ein, wir haben ungerecht gehandelt, wir schulden Herrn Jakob Genugtuung. Und dabei füllten sich ihre Augen mit Tränen. Potz Wetter, mein altes Herz selbst wurde weich bei diesem Anblick, zumal sie ja auch schön ist wie der Tag. Nein, nein, das Fräulein hat ein rechtschaffenes Herz, und wenn sie sehr empfindlich ist gegen jedes Unrecht, so fühlt sie es doch auch ebensosehr, wenn sie selbst jemand anders unrecht getan hat.«

»So Ihr Gott lieb habt, Herr,« antwortete Wonowski, »laßt das Jakob ja nicht wissen! Die Liebe würde ihm wieder bis in die Kehle steigen, und kaum vermag er jetzt wieder ruhiger zu atmen. Er ist barhäuptig von Belczonka weggelaufen; er hat geschworen, sich nie wieder dort sehen zu lassen. Möchte er doch an diesem heilsamen Entschlusse festhalten! Seht Ihr, Pan, das Weib gleicht den Irrlichtern, die nachts über dem fetten Moorboden von Jedlinka hin und her huschen. Verfolgt Ihr sie, so entwischen sie Euch – geht Ihr jedoch Eures Weges, so kommen sie hinter Euch her. Ach, geh mir einer!«

»Das ist ein sehr treffender Vergleich, den ich mir merken werde, um ihn im Notfall meinem Stach vorzuhalten,« sagte Herr Seraphin.

»Jakob möge also so bald wie möglich aufbrechen,« fuhr der Priester fort. »Ich habe Empfehlungsbriefe geschrieben an ehemalige Waffengefährten, die inzwischen hohe Würdenträger geworden sind. Ich habe darin auch Euern Sohn nicht vergessen, den ich als einen würdigen Kavalier bezeichne. Wenn er erst zu Felde zieht, werde ich Stanislaus neue Briefe mitgeben. Aber das wird überflüssig sein, denn dort unten wird ihm Jakob schon die Wege ebnen.«

»Ich danke Euch von ganzem Herzen, ehrwürdiger Vater. Ja, sie mögen zusammen dienen und bis an ihr Lebensende einander treue Freunde bleiben. Ihr habt zu mir von dem Regiment des königlichen Prinzen Alexander gesprochen, das der Oberst Zbierchowski kommandiert. Ein prachtvolles Fähnlein! Die Elite unserer Husarenregimenter. Es würde mich sehr, sehr freuen, wenn Stanislaus dort avancierte! Aber wißt Ihr, was er mir geantwortet hat: Die leichte Reiterei ist alle Tage der Woche bei der Arbeit, die Husaren bloß am Sonntag.«

»Und er hat recht – generaliterim allgemeinen. – die Husaren werden nicht zum Aufklärungsdienst verwandt, nur selten schickt man sie auf Streifzüge und Plänkeleien aus. Es geziemt sich nicht für so stolze, hohe Kavaliere, sich mit dem ersten besten Feinde zu messen; aber wenn ihr Sonntag gekommen ist, dann verrichten sie dafür auch ruhmvollere Arbeit, als die leichte Reiterei oder die Infanterie an allen Wochentagen zusammen. Sie zapfen dann an dem einen Sonntag mehr Blut ab als jene in den sieben Tagen. Allein das gilt nicht für alle Fälle; denn der Krieg läßt sich nichts vorschreiben, sondern macht uns seine Vorschriften. Deshalb kommt es auch vor, daß die Husaren wochenlang alle Tage Sonntag haben.«

»Keiner versteht sich auf diese Dinge besser als Ihr, hochwürdiger Vater.«

Der Abt hielt auf ein Weilchen die Augen halb geschlossen, um sich deutlicher die Bilder zu vergegenwärtigen, die die Erinnerung jetzt aus seiner Vergangenheit heraufrief. Dann hob er den Humpen und betrachtete den Trunk, den ein Sonnenstrahl vergoldete, tat ein paar Schluck und sprach: »So wenigstens ging es zu meiner Zeit her, als wir auszogen, den Kurfürsten von Brandenburg für seinen geheimen Bund mit Karl dem Schweden zu züchtigen.Hier und im folgenden spricht Sienkiewicz der Deutschenhasser, welcher es mit der Wahrheit im Hinblick auf die geschichtlichen Vorgänge nicht genau nimmt. Das Folgende ist jedenfalls eine der charakteristischsten Blüten, die dieser Deutschenhaß gezeitigt hat. Anm d. Ue. Der Marschall Lubomirski trug Feuer und Schwert bis hart vor die Tore von Berlin. Ich diente bei seinem Leibregiment. Nun, ich kann Euch versichern, Herr, den Husaren wurden endlich wie den Gardekosaken vom vielen Zuschlagen die Arme matt.«

»So schwere Arbeit war es?«

»Schwer nicht, denn wir brauchten uns nur sehen zu lassen, so zitterten den armen Teufeln die Musketen und die Spieße in den Händen wie Zweige im Winde. Aber wir hatten vom Morgen bis zum Abend zu arbeiten, und ob man eine Lanze in die Brust oder in den Rücken stößt, die Arbeit ist doch eben die gleiche. Das war eine angenehme Expedition! Denn ich habe in meinem Leben nicht so viele Menschenrücken und Pferdesteiße gesehen wie damals. Und wir verwüsteten die halbe Mark Brandenburg so schrecklich, daß Luther in der Hölle geweint haben mag.«

»Es tut immer wohl, sich der Züchtigung zu erinnern, die ein Verräter gefunden hat.«

»Ja, ja! Der Kurfürst kam in Lubomirskis Lager und flehte um Frieden. Und zahlreiche Zeugen haben mir berichtet, was ich nun erzähle. Der Marschall lief mit großen Schritten, die Hände auf die Hüften gestemmt, über den Waffenplatz. Hinter ihm her trippelte der Kurfürst, und er verneigte sich so tief, daß fast seine Perücke herabgefallen wäre. Und da der Marschall ihm den Rücken kehrte, so drückte der Verräter die Lippen auf alles, was ihm in die Hände kam. Die Wahrheit zu sagen, ich messe dieser Geschichte keinen Glauben bei; der Marschall war wohl stolz von Natur und sah es gern, wenn der Feind sich vor ihm krümmte, allein er war ein geschickter Diplomat und hätte die Ungehörigkeit oder den Uebermut nie so weit getrieben.«Es handelt sich um den Kurfürsten, den wir den Großen nennen. Die Schilderung Sienkiewicz' wird wohl nur bei seinen Landsleuten Glauben finden.

»Gebe Gott, daß wir in dem bevorstehenden Kriege ebenso glücklich seien!«

»Ich glaube, wir werden keine geringeren Lorbeeren ernten! Der Marschall war wohl ein gewandter Feldherr – aber vor allem doch ein glücklicher Feldherr, und kann den Vergleich mit dem heute regierenden König nicht aushalten.«

Und sie leerten die Humpen auf die Gesundheit des Landesherrn und erinnerten sich aller seiner königlichen Siege, vor allem derer, an denen sie selbst teilgenommen hatten.

Die alten Herren äußerten ihre Freude darüber, daß die jungen Leute unter einem solchen Führer kämpfen sollten, und hofften, sie würden sich Ruhm und Ehre erwerben, zumal ja auch dieser Krieg gegen den Erbfeind des Kreuzes geführt werden sollte.

Doch schien der Krieg noch im weiten Felde zu sein. Auch hätte niemand vorhersagen können, von welcher Seite der erste Vorstoß der türkischen Macht erfolgen würde, ob sie die RepublikEs darf nicht wundernehmen, daß hier von einer Republik Polen und doch von einem König die Rede ist. Polen war Wahlkönigreich und betrachtete sich daher als Republik, obwohl das vom Volke gewählte Oberhaupt den Titel König führte. oder den Kaiser zuerst angreifen würden. Der Plan eines Schutz- und Trutzbündnisses mit dem Hause Oesterreich sollte erst im nächsten Reichstag erwogen werden. Doch kamen bei allen Versammlungen von Adeligen, bei allen Gautagen immer wieder die Worte auf die Lippen: »Der Krieg! Der Krieg!« Die Staatsmänner und alle Leute, die mit der Hauptstadt oder dem Hof in Fühlung standen, verkündeten allen, die es hören wollten, dieser Krieg sei unvermeidlich. Das ganze Land stand unter diesem Eindruck, und dieses Vorgefühl konnte schon als Gewißheit angesehen werden.



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