Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

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18. Kapitel. Die Leichenfeier

Auf einen Wink des Prälaten brachten die Diener ihren Herrn in sein Zimmer, das am andern Ende des Hauses lag. Inzwischen schickte man nach dem Dorfschmied, der zugleich als Dorfmedikus fungierte und den Kranken, den Menschen [Wort unleserlich im Buch] den Tieren, zur Ader zu lassen pflegte. Man fand ihn draußen vor den Fenstern, wo er inmitten der Menschenmenge stand, die die Festlichkeit herbeigelockt hatte. Er war jedoch unglücklicherweise völlig betrunken. Frau Winnicka erinnerte sich, Abt Wonowski gelte für einen sehr geschickten Arzt. Man sandte Boten nach ihm. Doch sagte man sich schon jetzt, alles würde vergeblich sein, der Kranke könne nicht mehr gerettet werden.

Und das war auch der Fall. Der Domherr ließ niemand zu dem Sterbenden, außer den nächsten Anverwandten, dem Mündel, Frau Winnicka, den beiden Krepecki und Herrn Zabierzowsi, der sich gern ein wenig auf den Mediziner hin aufspielte. Er befürchtete mit Recht, eine zu große Ansammlung von Menschen würde bei den Rettungsmaßnahmen nur hinderlich sein. Die andern Gäste, Frauen wie Männer, standen in dem angrenzenden Gemach herum, wie ein Rudel geängsteter Schafe. Voll Unruhe, Furcht und Neugierde blickten sie nach der Tür und warteten auf Nachricht. Sie teilten sich flüsternd ihre Vermutungen mit und erinnerten sich an allerlei Dinge, die sie vorausgesagt haben wollten.

»Habt ihr bemerkt, wie die Lichte flackerten? Und sie leuchteten rot wie Blut. Der Tod hat draußen geweht.«

»Er hat sich [Wort unleserlich im Buch] unter uns niedergelassen, ohne ›Vorsicht!‹ zu rufen.«

»Die Hunde haben gebellt, als er herankam.«

»Und dieses Rädergerassel . . . da war er in Person angekommen.«

»Die Vorsehung hat die Eheschließung nicht zugeben wollen, [Wort unleserlich im Buch] vergewaltigt [Wort unleserlich im Buch].«

Das Geschwätz [Wort unleserlich im Buch] Frau Winnicka, die vor allem [Wort unleserlich im Buch] bösen Geister vertrieben wissen wollte, [Wort unleserlich im Buch] die Reliquien zu holen. Martin Krepecki folgte ihr. Den letzteren umringten die andern gleich.

»Nun, wie steht es?«

Martin zog die Schultern hoch, so daß sein Bockskopf ganz verschwand.

»Er röchelt noch immer.«

»Dann ist noch Hoffnung.«

»Gar keine.«

Da hörte man deutlich durch die Tür die Worte in der Stimme des Prälaten: »Ego te absolvo a peccatis tuis et ab omnibus censuris in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.«Ich spreche dich los von allen Sünden und allen Fehlern im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Alle beugten das Knie, Gebete murmelnd. Frau Winnicka, in der Hand die Reliquien, ging vorüber. Martin verschwand hinter ihr und machte die Tür zu. Wenige Minuten später erschien er wieder auf der Schwelle und rief mit seiner schnarrenden Stimme: »Alles aus!«

Da vereinten die Gäste ihre Stimme zu dem Gesange: »Requiem aeternam dona ei domine!«Die ewige Ruhe gib ihm, o Herr. und sie zogen vor dem Toten vorbei, ihm einen letzten Gruß zu widmen.

Alsbald entspann sich in dem Speisesaale eine wüste Orgie. Die Dienerschaft verabscheute Pongowski ebensosehr, wie man ihn fürchtete. Daher glaubten sie nun, mit seinem Tode begänne für sie eine Aera der Freiheit und Straflosigkeit. Sie stürzten über die gedeckten Tische her, die Flaschen wurden geleert, die Fässer eingeschlagen. Zu den Dienern Pongowskis gesellten sich dabei die, die mit den fremden Herrschaften angekommen waren. Walvasier, Tokaier, Liköre und Danziger Branntwein, alles floß in Strömen. Fleisch und Backwerk riß man sich aus den Händen. Die Stühle wurden umgeworfen, die Armleuchter und kostbaren Gläser zerbrochen, ja man stahl sogar Silberzeug. Schließlich kam es zu blutigen Raufereien. Es war ein fürchterliches Getöse, ein unerhörtes Durcheinander, und unmenschliche Flüche schallten bis in die Stille der Totenkammer hinüber.

Martin Krepecki und die Brüder Sulgostowski eilten hin. Der junge Zabierzowski und noch ein Gast schlossen sich ihnen an, und als sie sahen, was vorging, zogen sie blank. Nun wurde die Verwirrung noch größer. Die Herren schlugen mit der flachen Klinge auf die Lärmenden ein; aber bald riß die Wut Martin Krepecki fort. Seine Tierzähne kamen unter dem Schnurrbart zum Vorschein. Schließlich schlug er mit der Schneide des Säbels blindlings drein. Blut floß ringsum. Die Trunkenbolde suchten entsetzt Zuflucht unter den Tischen oder flüchteten und stauten sich nun in den Ausgängen.

»Ihr Räuber, ihr Diebe, ihr Hundesöhne!« schrie Krepecki, schäumend vor Wut. »Ich bin jetzt hier Herr. Spießruten und Ketten!« Er verfolgte sie bis in den Hausflur, schreiend und schlagend.

Die andern Gäste standen als entrüstete Zuschauer da und schüttelten die Köpfe.

»So etwas habe ich noch nicht gesehen,« erklärte einer der Sulgostowski. Und sein Zwillingsbruder setzte hinzu: »So zu sterben! Unter so absonderlichen Umständen! Aber schaut euch nur um. Als wären Tataren eingebrochen.«

»Oder böse Geister,« meinte der junge Zabierzowski. »Eine entsetzliche Nacht!«

Endlich gelang es ihnen, wieder ein wenig Ordnung zu schaffen. Ernüchtert, krochen die Diener unter den Tischen hervor. Martin schlug nicht mehr auf sie los, aber seine Lippen zitterten noch vor Zorn.

»Die Lumpen werden dran denken!« kläffte er. »Meine Hand soll noch schwerer auf ihnen liegen als die des Verstorbenen, dafür stehe ich. Ich danke euch, ihr Herren, daß ihr mir geholfen habt, diese Tollhäusler zu züchtigen.«

»Ihr habt,« warf einer der Sulgostowski ein, ihn mit einem durchdringenden Blicke messend, »ebensowenig Veranlassung, uns zu danken, wie wir Euch.«

»Was soll das heißen?«

»Daß wir Euch nicht das Recht zuerkennen, hier als Herr aufzutreten.«

Martin schien willens zu sein, seinem Gegner an den Hals zu springen.

»Dieses Recht habe ich!« schrie er. »Ich habe es, ich habe es!«

»Wieso denn?«

»Ein größeres Recht als Ihr!«

»Inwiefern? Habt Ihr schon Kenntnis von dem letzten Willen des Verstorbenen?«

»Der letzte Wille? Das Testament? So viel kümmere ich mich darum,« und er blies in seine hohle Hand. »Wind! Luft! Wem hat er denn sein Vermögen verschreiben können? Seiner Frau? Und wo ist sie, seine Frau? Wir, die Krepecki, wir sind seine nächsten Verwandten. Wir! Versteht Ihr?«

»Das werden wir sehen! Möchtest du doch krepieren, du Tagedieb!«

»Ich werfe Euch hinaus! Fort mit Euch!«

»Ah, du gemeiner Bock, ah, du bissiger Hund, uns hinauswerfen? Gib lieber acht, daß wir dich mit heiler Haut von hier fortlassen!«

»Droht ihr mir?«

Und den Säbel in der Faust, stürzte Martin auf die Zwillingsbrüder los. Sie standen kampfbereit, als die entrüstete Stimme des Prälaten dazwischenklang: »Ihr Herren, schämt ihr euch nicht? Der Leichnam ist noch nicht kalt.«

Die Sugolstowski erröteten. »Eminenz,« entschuldigte sich einer von ihnen, »wir trachten nicht nach diesem Erbe. Gott sei Dank, wir haben unser sicheres Brot. Aber diese Viper dort spritzt ihr Gift aus und will alle, die ihr lästig scheinen, einfach hinauswerfen.«

»Wen hinauswerfen? Mit welchem Recht?«

»Heute uns . . . und morgen diese armen Frauen.«

»Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr,« protestierte Martin. Und plötzlich krümmte er den Rücken, rieb die Hände, lächelte und schlug einen Ton an, dessen übertriebene Freundlichkeit widerwärtig wirkte. »Wieso denn, meine Herren, ich lade euch bescheidentlich ein, dem Leichenbegängnis und der Totenfeier beizuwohnen. Ja, wir bitten euch darum, mein Vater und ich. Was Fräulein Siëninska anbetrifft, so wird sie hier immer Obdach und Schutz genießen, immer, immer!« Und er fuhr fort, sich die Hände zu reiben.



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