Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Zwölftes Kapitel

Strap soll sich mit dem Kapitän Weazel schlagen, lehnt dies aber wohlweislich ab. Dessen Herzhaftigkeit wird unterwegs auf die Probe gestellt und hält nicht stich

 

Den folgenden Morgen kam ich mit dem Eigentümer unseres Fuhrwerks dahin überein, daß er mich für zehn Schillinge mit nach London nehmen sollte; dabei machte ich aus, daß es Strap erlaubt sein müsse, meinen Platz einzunehmen, wenn ich es gemütlich fände, zu gehen. Zugleich ersuchte ich diesen Mann, den aufgebrachten Kapitän zu besänftigen. Dieser war mit gezogenem Degen in die Küche getreten und drohte unter manchem Schwur, den Schurken aufzuopfern, der sich unterstanden hatte, sein Ehebett beflecken zu wollen. Es half aber nichts, jener mochte den Irrtum und die Unschuld des armen Menschen, der indes zitternd hinter mir stand, auseinandersetzen und bekräftigen, wie er wollte. Je unterwürfiger sich Strap zeigte, je unversöhnlicher schien Weazels Zorn. Er schwor, er müsse sich entweder mit ihm schlagen oder er steche ihn auf der Stelle tot.

Diese Unverschämtheit machte mich außerordentlich unwillig, und ich sagte ihm, es ließe sich nicht annehmen, daß ein armer Barbiergeselle sich mit einem Herrn von seinem Metier auf den Degen einlassen könne; ich wäre aber überzeugt, daß mein Kamerad gern mit ihm ringen oder boxen würde.

Dazu gab Strap sogleich seine Einwilligung. Für eine Guinee, sagte er, wolle er sich mit ihm boxen. Weazel antwortete mit einem verächtlichen Blick, es wäre unter der Würde eines Mannes von seinem Range, sich wie ein Sänftenträger zu schlagen oder sich auf irgendeine Art mit solchem Menschen wie Strap auf gleichen Fuß zu setzen.

»Potz Velten! Herr Kapitän«, rief Joey, »Ihr wollt doch wohl nicht gar einen Totschlag begehen? Hier steht ein armer Bursche, der Euch Genugtuung geben will für den Schimpf, den er Euch angetan hat. Er will redlich mit Euch boxen, und wollt Ihr damit nicht zufrieden sein, auch wohl einen Knüppel nehmen. Stimmt's, junger Kerl?«

Nach einigem Bedenken versetzte Strap: »Jaja, prügeln will ich mich wohl mit ihm.« Allein auch dies Auskunftsmittel verwarf der Hauptmann. Nunmehr begann ich seinen Charakter zu wittern, daher gab ich Strap einen Wink und sagte zu der Gesellschaft, ich hätte immer gehört, daß, wer herausgefordert würde, die Wahl der zu gebrauchenden Waffen haben müsse. Da nun dies bei allen Ehrenstreitigkeiten Regel wäre, so wagte ich es, im Namen meines Kameraden zu versprechen, daß er sich mit scharfen Waffen schlagen wolle, doch müßten es solche sein, womit Strap am besten umzugehen wüßte – mit Rasiermessern.

Als ich die Rasiermesser erwähnte, änderte sich des Hauptmanns Farbe merklich. Strap zog mich indes beim Ärmel und wisperte mit großer Angst mir zu: »Nein, nein, um Gottes willen, richte doch nicht solchen Spuk an.« Endlich erholte sich Weazel wieder, wandte sich zu mir und tat mit einem wilden Blick die Frage: »Wer zum Teufel seid Ihr? Wollt Ihr Euch mit mir schlagen?«

Mit diesen Worten setzte er sich in Positur.

Ich ward mächtig betreten, als ich die Degenspitze nur einen halben Fuß weit von meiner Brust sah. Daher sprang ich seitwärts und ergriff einen Bratspieß, der in der Ecke des Kamins lehnte. Mit diesem hielt ich mir meinen fürchterlichen Gegner vom Leibe, der eine Menge halbe Stöße auf mich tat. Bei jedem Ausfall zog er sich zurück, und ich pflöckte ihn endlich, zu nicht geringem Vergnügen der Gesellschaft, in einem Winkel fest.

Zeichnung: George Cruikshank

Bei jedem Ausfall zog er sich zurück

Als er in dieser Lage war, trat seine Frau herein. Wie sie ihren Gemahl in diesen gefährlichen Umständen erblickte, tat sie einen fürchterlichen Schrei. In der argen Klemme bat Weazel um Waffenstillstand. Dieser ward ihm zugestanden. Endlich ließ er sich auch an Straps Selbstdemütigung genügen. Letzterer kniete vor ihm nieder, beteuerte die Unschuld seiner Absicht und bat ihn wegen des begangenen Versehens gar demütig und wehmütig um Verzeihung.

Nachdem nun diese Sache ohne Blutvergießen abgemacht war, gingen wir zum Frühstück. Hier vermißten wir zwei von unserer Gesellschaft, Miß Jenny und den Wucherer. Was die erste nun anlangte, so meldete uns Mistreß Weazel, sie habe vor dem Wimmern dieses Mädchens die ganze Nacht hindurch nicht schlafen können, und wie sie aufgestanden sei, habe die Miß sich in so elendem Zustand befunden, daß sie wohl nicht werde weiterreisen können.

In dem Augenblick kam eine Botschaft von ihr an den Eigner der Landkutsche. Er ging sogleich in ihre Stube, und wir folgten alle. Sie erzählte ihm in einem kläglichen Ton, sie besorge wegen des Schrecks, den ihr Isaaks Brutalität verursacht habe, die unangenehmsten Folgen; da nun der Erfolg ungewiß wäre, so bäte sie, den Wucherer so lange festzuhalten, damit er dafür zur Verantwortung gezogen werden könne. Demzufolge ward der Alte aufgesucht. Man fand ihn in der Landkutsche, wohin er sich aus Scham über die Prostitution in der Nacht versteckt hatte. Wir schleppten ihn mit Gewalt vor sie.

Kaum erschien er, so fing sie von neuem an, erbärmlich zu weinen und zu seufzen, und sagte uns, wenn sie stürbe, solle ihr Blut über diesen Ehrenschänder kommen. Der arme Isaak hob Augen und Hände gen Himmel und bat Gott, ihn aus den Netzen und Stricken dieser Jesabel zu befreien. Er versicherte uns mit Tränen in den Augen, daß man ihn mit ihr im Bett gefunden habe, wäre bloß ihrer Einladung zuzuschreiben. Der Kutscher merkte, wie die Sache zusammenhing, und riet dem Alten, durch eine Summe Geld den ganzen Handel zu schlichten. Hierauf versetzte er mit großer Heftigkeit: »Eine Summe Geldes? – Einen Strick für die Schlange!«

»Recht gut«, sagte Miß Jenny, »ich sehe wohl, es ist vergebens, dies Felsenherz durch gelinde Mittel zu rühren. Sei Er doch so gut, Joey, geh Er zum Friedensrichter und sag Er ihm: hier wäre eine kranke Person, die ihn wegen einer Sache von der äußersten Wichtigkeit zu sprechen wünsche.« Bei dem Wort Friedensrichter zitterte und bebte Isaak und bat Joey, noch dazubleiben. Mit bebender Stimme fragte er, wieviel sie denn von ihm verlange. Sie entgegnete, da er sein verruchtes Vorhaben nicht ausgeführt hätte, wolle sie mit einer Kleinigkeit vorliebnehmen. Ihre Gesundheit habe zwar eine Erschütterung erlitten, die sie nie wieder verwinden würde, dessenungeachtet wolle sie ihn gegen hundert Guineen freilassen.

»Hundert Guineen?« rief er in voller Ekstase, »hunderttausend Teufel auf deinen Kopf! Wie kann ein armer alter Mann wie ich hundert Guineen haben? Denkt Ihr, daß ich, wenn ich so viel Geld hätte, bei solcher Jahreszeit auf der Landkutsche reisen würde?« – »Still, still! Nur keinen von Euren elenden Kunstgriffen! Meint Ihr denn, daß ich Isaak Rapine, den Geldmakler aus der Minories, nicht kenne? Ah, du alter Gaudieb! Wie manches Pfand von mir und meinen Bekannten ist in deinen Klauen geblieben!«

Isaak fand, daß es vergebens sei, sich länger zu verstellen, und bot ihr, damit sie ihn nicht angäbe, zwanzig Schillinge. Das Mädchen weigerte sich und versicherte, unter fünfzig Pfund würde daraus schlechterdings nichts. Endlich ließ sie sich bis auf fünf herunterhandeln. Der Alte zahlte äußerst ungern, doch immer noch lieber, als sich wegen Schändung verklagen zu lassen. Nach diesem Vergleich bemühte sich die Patientin in die Kutsche, und wir setzten nun in aller Ruhe unsere Reise fort. Strap war auf Joeys Pferd gestiegen, der lieber zu Fuß gehen wollte.

Den Morgen und Vormittag hindurch unterhielt uns Kapitän Weazel mit Erzählungen von seiner Tapferkeit. Er hatte, seinem Vorgeben nach, einen Soldaten zu Boden geschlagen, der ihn zum besten haben wollte; ein andermal einen Küfer bei der Nase gezwickt, der ihn getadelt, daß er eine Gabel als Zahnstocher benutzte, und überdies einen Käsekrämer herausgefordert, der die Vermessenheit gehabt, sein Nebenbuhler zu sein. Zur Bestätigung dieser Heldentaten rief er immer seine Frau auf. Diese Dame bekräftigte alles, was er gesagt hatte, und machte dabei die Anmerkung: »Der letzte Vorfall ereignete sich an ebendem Tage, da ich vom Squire Gobble einen Liebesbrief kriegte. Erinnern Sie sich wohl noch, mein Teurer, daß ich von den Ortolanen, die wir zu Abend gegessen, todsterbenskrank war? Lord Diddle bemerkte, daß sich meine Farbe verändert hätte, und Mylady war so ängstlich darüber, daß sie beinahe in Ohnmacht gesunken wäre.«

»Ja, meine Teure«, versetzte der Hauptmann. »Sie werden sich erinnern, daß Mylord in spaßhaftem Ton sagten: ›Billy, Mistreß Weazel ist gewiß in andern Umständen?‹ Und ich antwortete cavalièrement: ›Ich wünschte Ihnen das Kompliment zurückgeben zu können.‹ Darüber brach denn die ganze Gesellschaft in ein unmäßiges Gelächter aus, und Mylord, der witzige Antworten sehr liebt, kam um die Tafel herum und küßte mich.«

Auf die Art reisten wir fünf Tage ununterbrochen und ohne daß uns etwas Merkwürdiges begegnet wäre. Miß Jenny, die in kurzem ihre vorige Munterkeit wiederbekommen hatte, unterhielt uns täglich mit lustigen Liederchen, deren sie eine sehr große Menge singen konnte, und neckte ihren alten Galan, der sich aber nicht wieder mit ihr aussöhnen wollte.

Den sechsten Tag, als wir uns eben zum Mittagessen niedersetzen wollten, kam der Wirt herein und sagte uns, es wären eben drei Herren angekommen und hätten befohlen, alle Gerichte, die da wären, sollten in ihr Zimmer gebracht werden. Darauf habe er ihnen den Bescheid gegeben, die Passagiere von der Landkutsche hätten schon alles Essen bestellt. Allein sie hätten geantwortet, die Passagiere möchten sich zum Henker packen. Leute wie sie müßten vorgehen. Solcherart Reisenden, dächten sie, würde es eben nicht sauer ankommen, sich einmal mit Brot und Käse zu behelfen.

Dies war uns allen ein gewaltiger Querstrich. Wir steckten die Köpfe zusammen, um zu überlegen, was dabei zu tun sei. Miß Jenny machte jetzt die Anmerkung, Kapitän Weazel müsse als eine Militärperson uns schützen und einer solchen Beschimpfung zuvorkommen. Allein dieser führte zu seiner Entschuldigung an, er möchte um alles in der Welt nicht wissen lassen, daß er in einem solchen Fuhrwerk gereist sei. Zu gleicher Zeit schwor er, daß, wenn er sich mit Ehren könnte sehen lassen, sie eher seinen Degen als unser Mittagsbrot in ihre Kaldaunen bekommen sollten.

Nach dieser Erklärung nahm ihm Jenny den Degen weg, zog ihn heraus, lief damit in die Küche und drohte dem Koch, ihn zu erstechen, wenn er nicht das Essen auf der Stelle nach unsrer Stube schickte. Über diesem Lärm kamen die drei Fremden herunter. Kaum hatte der eine von ihnen sie gesehen, als er ausrief: »Ha, Jenny Ramper! Wer Teufel hat dich denn hierhergeführt?« – »Mein teurer Jack Rattle!« rief sie und rannte in seine Arme, »sind Sie's? Nu, so mag Weazel mit seinem Mittagsbrot zum Teufel gehen. Ich esse mit euch!«

Dieser Vorschlag wurde mit großer Freude angenommen, und wir standen auf dem Punkt, nicht das beste Essen zu genießen, als Joey, wie er die ganze Sache erfahren hatte, mit der Heugabel in der Hand in die Küche trat und schwor, er stäche den über den Haufen, der sich unterstände, das Essen wegzunehmen, das für die Landkutsche bestimmt sei.

Bei einem Haar hätte diese Drohung die übelsten Folgen gehabt. Schon zogen die drei Fremden den Degen, ihre Bedienten schlugen sich zu ihnen und wir uns zu Joey, als der Wirt sich ins Mittel legte. Er erbot sich, um Frieden zu stiften, sein eigenes Mittagsbrot herzugeben. Die Herren nahmen es an, und nun setzten wir uns ohne weitere Störung zu Tisch.

Den Nachmittag entschloß ich mich, mit Joey zu Fuß zu gehen, und Strap nahm meinen Platz im Wagen ein. Als ich mich mit unserm Kutscher ins Gespräch einließ, fand ich, daß er ein lustiger, drolliger, gutherziger Kumpan und zugleich ein Schalk war. Von ihm erfuhr ich, Miß Jenny sei ein öffentliches Mädchen aus der Hauptstadt, die Gesellschafterin eines Werbeoffiziers geworden wäre. Er hatte sie beide von London nach Newcastle gefahren. Der Herr Leutnant wäre schuldenhalber dort festgenommen worden und säße in praesepio. Sie hätten sich daher genötigt gesehen, wieder ihre vorige Lebensart anzufangen.

Ferner erzählte er mir, ein Bedienter von den drei Herren, die im letzten Wirtshause den Streit mit uns gehabt, habe von ungefähr Weazel gesehen und ihn sogleich erkannt. Dieser Bursche habe ihm folgende Einzelheiten von ihm mitgeteilt: Weazel sei mehrere Jahre bei Lord Frizzle Kammerdiener gewesen, solange dieser von seiner Gemahlin getrennt gelebt habe. Als sich diese aber wieder mit ihm ausgesöhnt hätte, habe sie ausdrücklich darauf bestanden, daß Weazel sowohl als die Frauensperson entfernt würden, die ihr Gemahl bisher bei sich gehabt habe. Um nun beide auf eine gute Art loszuwerden, habe dieser dem Kammerdiener den Vorschlag getan, seine Mätresse zu heiraten, und ihm zugleich versprochen, ihm bei der Armee ein Offizierspatent zu verschaffen. Dies Erbieten wäre angenommen worden und Weazel durch des Lords Verwendung Fähnrich beim . . . Regiment.

Joey, fand ich, dachte über des sogenannten Hauptmanns Mut geradeso wie ich. Wir beschlossen daher, ihn auf die Probe zu stellen. Sobald sich ein Mann zu Pferde sehen ließ, wollten wir die Passagiere durch das Geschrei: »Ein Straßenräuber! ein Straßenräuber!« in Angst jagen. In der Abenddämmerung erblickten wir einen Reiter, der auf uns zukam, und wir führten unsern Plan aus.

Kaum hatte Joey die Leute im Wagen merken lassen, ihm sei bange, wir würden insgesamt beraubt werden, als eine allgemeine Bestürzung entstand. Strap sprang aus der Kutsche und versteckte sich hinter einem Strauch. Der Wucherer stieß Stoßgebete in Menge aus, und wir hörten ihn im Stroh rascheln, woraus wir schlossen, er verberge dort etwas. Mistreß Weazel rang die Hände und machte ein klägliches Geschrei; der Hauptmann hingegen fing, zu unserm höchsten Befremden, an zu schnarchen. Allein dieser Kunstgriff glückte ihm nicht. Miß Jenny schüttelte ihn bei der Schulter und rief ihm mit starker Stimme zu: »Potz hunderttausend! Herr Kapitän, jetzt ist es nicht Zeit zu schnarchen, da wir alle in Gefahr sind, geplündert zu werden. Schämen sollen Sie sich in Ihr Herz, und führen Sie sich wie ein Soldat und ein Mann von Ehre auf.«

Weazel stellte sich sehr entrüstet, daß man ihn im Schlafe gestört habe, und schwor, er wolle ›seinen Stiefel wegschlafen‹, und wenn auch alle Straßenräuber von ganz England den Wagen umringten. »Blitz und alle Wetter!« fuhr er fort, »wovor fürchtet Ihr Euch?« Zugleich zitterte er so stark, daß der ganze Wagen davon bebte.

Dies sonderbare Betragen machte die Miß Ramper dermaßen ungehalten, daß sie ausrief: »Hol der Kuckuck den erbärmlicher Schäker! Mensch, Ihr seid ein so erbärmlicher Feigling, wie nur je einer vom Regiment gejagt worden ist. Halt einmal, Joey! Laß mich aussteigen! – Wenn meine Beredsamkeit etwas vermag, so soll, mein Seel, der Räuber nicht nur Eure Börse nehmen, sondern noch Euer Fell obenein.« Nach diesen Worten sprang sie mit großer Behendigkeit aus dem Wagen.

Unter der Zeit hatte sich der Mann zu Pferde uns genähert, und es traf sich, daß er ein herrschaftlicher Diener war, den Joey recht gut kannte. Dieser eröffnete ihm unsern Plan und bat, ihn dadurch noch auszudehnen, daß er an den Wagen ritte und die darin befindlichen Personen examinierte. Der Mensch ließ sich das gefallen, um sich einen Spaß zu machen. Er kam an das Fuhrwerk und fragte in einem fürchterlichen Tone: »Was für Leute sind darin?«

Isaak Rapine (mit kläglicher Stimme): »Hier ist ein armer elender Sünder, der eine kleine Familie ernähren muß und auf der Welt weiter nichts hat wie diese fünfzehn Schillinge. Nehmt Ihr mir die, so müssen wir alle miteinander Hungers sterben.«

Der vermeintliche Straßenräuber: »Was winselt denn da in der Ecke?«

»Eine arme unglückliche Frauensperson. Ich bitte Sie um Jesu Christi willen, erbarmen Sie sich meiner«, antwortete: Mistreß Weazel.

Der vermeintliche Straßenräuber: »Sind Sie noch ledig oder verheiratet?«

Mistreß Weazel: »Verheiratet, zu meinem Unstern.«

Der vermeintliche Straßenräuber fuhr fort: »Wo und wer ist Ihr Mann?«

»Offizier«, erwiderte Mistreß Weazel, »und in dem letzten Gasthof, wo wir zu Mittag speisten, krank zurückgeblieben.«

Der vermeintliche Straßenräuber: »Da irren Sie sich, Madam, ich habe ihn selbst heute nachmittag in den Wagen steigen sehen. – Aber ich bitte Sie, was riecht hier so? Ihr Schoßhund hat sich unartig aufgeführt. Lassen Sie mich den garstigen Köter doch Mores lehren.« (Damit greift er zu ihren Füßen hin, bekommt eines von Weazels Beinen zu fassen und zieht ihn unter dem Unterrock seiner Frau hervor, wo er sich versteckt hatte.)

Der Kapitän (der zittert und bebt und voller Scham ist, in einer so unrühmlichen Stellung entdeckt worden zu sein, reibt sich die Augen und stellt sich, als erwache er eben): »Was gibt es denn? Was gibt's denn?«

Der vermeintliche Straßenräuber: »Nicht viel eben; ich wollte mich bloß nach Ihrem Wohlsein erkundigen. Adieu, braver Kapitän.« (Er gibt dem Pferde die Sporen und kommt uns bald aus dem Gesicht.)

Es dauerte eine geraume Zeit, ehe sich Weazel erholen konnte. Endlich nahm er wieder seine gewöhnliche Miene an und sagte: »Hol der Teufel den Kerl. Reitet fort, eh ich Zeit habe, ihn zu fragen, was der Lord und die Lady machen! – Besinnst du dich wohl noch auf Tom, meine Teure?«

»Ja«, erwiderte Mistreß Weazel, »mich deucht, ich entsinne mich des Burschen. Doch Sie wissen wohl, daß ich nur selten mit Leuten von der Art konversiere.«

»Sie da«, rief Joey, »kennen Sie den jungen Kerl, Kapitän?«

»Ich kenne ihn recht gut«, sagte Weazel. »Er hat mir an Lord Trippets Tafel so manches Glas Burgunder eingeschenkt.«

»Und wie mag sein Name sein?« fragte Joey.

»Sein Name? – Sein Name«, erwiderte Weazel, »ist Tom Rinser.«

»Ei der Daus!« schrie Joey, »so hat er seinen eigenen Namen geändert! Denn ich wette drauf, er ist John Trotter getauft worden.«

Diese Anmerkung erregte Gelächter über den Hauptmann, der dadurch sehr außer Fassung zu geraten schien, bis endlich der Wucherer das Stillschweigen brach und sagte: »Es kommt gar nicht darauf an, was und wer er war; genug, er hat sich nicht als Straßenräuber gegen uns bewiesen, wie wir dachten. Und wir haben Gott zu danken, daß wir so gut davongekommen sind.«

»Gott zu danken?« sagte Weazel. »Den Teufel auch! Wofür denn? Wär er ein Straßenräuber gewesen, ich hätte ihn mit Haut und Haar aufgefressen, eh er mich oder irgend jemand in dieser Diligence hätte berauben sollen.«

»Hahaha!« lachte Miß Jenny. »Herr Kapitän, ich glaube, Sie wollen alle die auffressen, die Sie totschlagen.«

Dem alten Wucherer hatte der Ausgang dieses Abenteuers zu gut gefallen, als daß er nicht hätte aufgeräumt sein sollen. Er machte daher die Anmerkung, Kapitän Weazel schiene ihm ein guter Christ zu sein, denn er habe sich mit Geduld und christlicher Ergebung statt mit fleischlichen Waffen gerüstet und das Werk seiner Seligkeit mit Furcht und Zittern geschafft. Dieser satirische Ausfall belustigte die ganze Gesellschaft auf Weazels Kosten recht sehr. Er murmelte eine große Menge Flüche und drohte, dem Isaak die Kehle durchzuschneiden. Rapine fing sogleich diese Drohung auf und sagte: »Meine Herren und Damen, ich nehme Sie alle zu Zeugen, daß mein Leben bei diesem blutdürstigen Offizier in Gefahr ist. Oh, machen Sie doch, daß er Friede hält.« – Diese abermalige Stichelei: erzeugte neues Gelächter, und der Hauptmann ließ den Überrest der Reise hindurch die Flügel gewaltig hängen.


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