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Mit Banters Hilfe räche ich mich an Melinde. Eine neue Freiwerberei schlägt mir ebenfalls fehl. Eine verliebte Zusammenkunft, wozu ich gleich danach sehr zärtlich eingeladen werde, fällt so aus, daß ich allen Heiratsgedanken entsage
Mittlerweile war alle meine Aufmerksamkeit dahin gerichtet, eine andere Geliebte aufzusuchen und mich an Melinde zu rächen. Zur Ausführung beider Pläne konnte mir Billy Chatter sehr behilflich sein, der sich den Damen unentbehrlich gemacht hatte und bei allen Privatbällen für die Tänzer sorgte. Daher wandte ich mich an ihn und bat, mir bei der nächsten Gelegenheit dieser Art zu einer Tänzerin von einiger Bedeutung zu verhelfen, um eine Schäkerei auszuführen, deren Zweck ich ihm in der Folge entdecken wollte.
Billy, der etwas von einem Mißverständnis zwischen Melinde und mir gehört hatte, witterte zum Teil mein Vorhaben; und da er sich einbildete, ich sei nur willens, ihre Eifersucht ein wenig zu reizen, so versprach er, mein Verlangen zu erfüllen und mir eine Mittänzerin zu verschaffen, die dreißigtausend Pfund im Vermögen habe, von den Damen dieses Stadtviertels kürzlich in Protektion genommen worden und ihr Mündel sei.
Indem ich mich weiter erkundigte, erfuhr ich, dieses Frauenzimmer hieße Miß Biddy Gripewell; ihr Vater sei ein Pfandleiher gewesen und ohne Testament gestorben, wodurch sein Vermögen auf die Tochter gefallen wäre. Hätte der alte Knabe es seinem Geiz abgewinnen können, die Kosten für ein Testament zu tragen, so würde Biddy, die nichts weniger als sein Liebling war, nicht den sechsten Teil seines Vermögens geerbt haben.
Solange der alte Wucherer lebte, war sie gar nicht auf eine Art erzogen worden, die zu so großen Erwartungen paßte; vielmehr hatte er sie auf dem Fuße einer Dienstmagd behandelt und zu den niedrigsten Arbeiten im Hause gebraucht. Kaum aber war der Vater begraben, so nahm sie ganz das Wesen eines Frauenzimmers von ansehnlicher Herkunft an. Sie fand bei beiden Geschlechtern so viele Personen, die ihr schmeichelten, sie liebkosten und unterrichteten, daß sie aus Mangel an Klugheit und Erfahrung ganz unerträglich eitel und hoffärtig ward und nichts Geringeres als einen Herzog oder wenigstens einen Grafen zu ihrem Mann verlangte.
»Sie hat«, fuhr der Erzähler fort, »das Unglück, daß die englischen Standespersonen sich nicht um sie bekümmern; allein ein gewisser armer schottischer Lord bemüht sich aus allen Kräften, ihre Bekanntschaft zu machen. Inzwischen ist sie einer vornehmen Dame in das Netz gegangen, die ihre Hand, ohne daß die Miß es selbst weiß, bereits einem Leutnant von der Infanterie versprochen hat, der mit der Lady weitläufig verwandt ist.«
Chatter gab mir zum Schluß den Rat, wenn ich mit ihr tanzen wollte, müßte ich ihm erlauben, mich für einen Knight oder wenigstens für einen fremden Grafen auszugeben. Ich freute mich über die erhaltenen Aufschlüsse recht sehr und ließ es mir, um meiner Rache desto leichter genügen zu können, gefallen, einen französischen Marquis für einen Abend vorzustellen.
Nachdem ich mich mit Billy weiter verabredet hatte, ging ich nach Banters Logis, von dessen Einsicht und Kenntnissen ich jetzt eine hohe Meinung hegte. Ich bat ihn, was ich ihm eröffnen würde, geheimzuhalten, und erzählte ihm sodann den ganzen unangenehmen Vorfall mit Melinde. Zugleich teilte ich ihm den Plan mit, den ich entworfen hatte, die stolze Kokette zu demütigen, und erbat mir seinen Rat zur Verbesserung und seinen Beistand zur Ausführung dieses Anschlags.
Nichts konnte seiner menschenfeindlichen Stimmung behaglicher sein als diese Erzählung von Melindes Benehmen und meinem Groll. Er gab meinem Entschluß Beifall und stellte mir vor, mich nicht nur selbst mit einer Tänzerin zu versorgen, sondern auch der Miß Goosetrap einen Tänzer zu verschaffen, durch den sie bei ihren Bekannten unfehlbar lächerlich werden müßte. Zu dem Ende schlug er mir seinen Barbier vor, der ein ›gewaltiger Narr‹ und erst aus Paris zurückgekommen sei. Er zweifle gar nicht, setzte er hinzu, daß sein affektiertes Wesen und Grimassieren von dem Frauenzimmer gar leicht für die liebenswürdige Artigkeit eines durch Reisen gebildeten Mannes von guter Abkunft würde gehalten werden.
Ich umarmte ihn für diesen Fingerzeig, und er versicherte mir, es würde nicht schwerhalten, dem Burschen einzureden, Melinde habe ihn von ungefähr gesehen und sei durch seinen Anblick so bezaubert worden, daß sie sich nach seiner Bekanntschaft sehne. Dies wußte er in der Tat dem armen Bartkratzer aufzuschwatzen und schilderte ihm sein Glück so reizend, daß der Tropf vor Freude ganz außer sich geriet. Er ward sogleich mit Flitterstaat von Banter versehen und Chatter als ein artiger Herr vorgestellt, der eben von Reisen zurückgekommen wäre. Dieser, der geborene Zeremonienmeister und Führer bei den Damen in der Stadt und der umliegenden Gegend, übernahm es, seinetwegen mit Melinde zu sprechen, und alles ging nach Wunsch.
Um die gesetzte Zeit erschien ich höchst vorteilhaft geputzt und hatte unter dem Charakter eines Marquis die Ehre, den Ball mit der reichen Erbin zu eröffnen, die durch die ungeheure Menge von Juwelen, mit denen sie sich geschmückt hatte, die Augen der ganzen Versammlung auf sich zog. Unter anderen bemerkte ich auch Melinde. Sie konnte sowenig ihren Neid als ihr Erstaunen über mein Glück verbergen. Ihre Neugier war aber noch viel heißer und peinigender, da sie Miß Gripewell zuvor nicht gesehen hatte; und Chatter, der ihr hierüber allein Auskunft geben konnte, war am anderen Ende des Saales in eine Unterredung verflochten. Ich nahm ihre Ungeduld wahr und triumphierte über ihren Verdruß.
Sowie ich meine Partnerin nach ihrem Sitz geleitet hatte, nutzte ich die Gelegenheit, bei meiner ehemaligen Gebieterin vorbeizugehen und ihr, ohne mich aufzuhalten, eine leichte Verbeugung zu machen. Dies krönte meinen Triumph und trieb ihren Unwillen aufs höchste. Sie verfärbte sich, warf sich in die Brust, nahm eine verächtliche Miene an und rauschte ihren Fächer mit solcher Heftigkeit auf und zu, daß er, zu nicht geringer Belustigung derer, die neben ihr saßen und sie beobachteten, in einem Nu in Stücke flog.
Endlich forderte der verwandelte Barbier sie zum Tanze auf. Er benahm sich dabei dermaßen lächerlich, daß die ganze Gesellschaft auf seine Kosten lachte. Die Schöne wurde dadurch so beschämt, daß sie sich, ehe die Konzerttänze anfingen, unter dem Vorwande, ihr sei nicht wohl, in großer Verlegenheit fortbegab. Ihr Galan, der nicht zweifelte, daß diese Anwandlung Liebe sei, begleitete sie und ergriff die Gelegenheit des Nachhausebringens, sie durch die Versicherung seiner heftigen Gegenliebe zu trösten.
Kaum war dies Paar fort, als man im ganzen Saale sich flüsternd erkundigte, wer der Kavalier gewesen sei. Chatter konnte hierüber keinen weiteren Aufschluß geben als den, es wäre ein Mann von Vermögen, der erst ganz kürzlich von seinen Reisen zurückgekommen sei. Ich allein, der ich seinen wahren Stand kannte, stellte mich in betreff seiner ganz unwissend. Daß die Neugier der Frauenzimmer es bei diesem allgemeinen Bericht nicht würde bewenden lassen und daß diese Entdeckung von jedem anderen weit schicklicher geschehen konnte als von mir, davon war ich völlig überzeugt.
Mittlerweile reizte die reiche Beute, die ich vor mir sah, mich an, das Herz der Miß Gripewell zu gewinnen. Allein ich fand es durch Stolz und Gleichgültigkeit zu gut verteidigt, als daß ich hätte hoffen können, es würde sich meinen Bewerbungen ergeben, wenn ich unter meinem wahren Charakter aufträte; denn den erborgten wollte ich nicht länger als diesen Abend behalten.
Den folgenden Tag kam, meiner Erwartung gemäß, alles ans Licht. Der Barbier entdeckte sich in voller Einfalt des Herzens Melinden und eröffnete ihr, worauf sich seine Hoffnungen gründeten. Sie wurde über diese Beschimpfung krank und schämte sich viele Wochen nach diesem Vorfall, ihr Angesicht öffentlich sehen zu lassen. Der arme Chatter war nicht imstande, sich bei ihr völlig zu rechtfertigen. Auch fiel er bei Miß Gripewell in völlige Ungnade, weil er mich für einen Kavalier gegen sie ausgegeben hatte, und verlor dadurch nicht nur seinen Posten, sondern auch sehr viel von seinem Einfluß bei den Damen.
Da ich jetzt meine Barschaft um mehr als die Hälfte geschmolzen sah und mit meinem Projekt noch nicht weitergekommen war als am ersten Tage meiner Ankunft in der Stadt, so begann ich an einem guten Erfolge zu zweifeln und bei der Aussicht des nahe bevorstehenden Mangels ganz melancholisch zu werden.
Um mich dieser grauenvollen Vorstellungen zu entschlagen, nahm ich meine Zuflucht zur Flasche und besuchte mehr denn jemals Gesellschaften. Vor allem ging ich fleißig in die Komödie. Nach dem Theater unterhielt ich mich mit den Schauspielern und machte mit einer Gesellschaft junger Leute aus dem Temple Bekanntschaft. Binnen kurzem galt ich für einen ausgemacht witzigen Kopf und Kunstrichter. Ich kann in der Tat ohne Eitelkeit sagen, daß ich dazu mehr taugte als irgendeiner meiner Gesellschafter, die, in Bausch und Bogen genommen, unter allen Personen, mit denen ich umgegangen bin, die unwissendsten und anmaßendsten Geschöpfe waren.
Mit Hilfe dieser Zerstreuungen siegte ich über meinen Kummer und brachte es so weit, daß ich, wenn mich traurige Betrachtungen befielen, sie beiseite drängen und anmutigere Vorstellungen zu Hilfe rufen konnte. Nicht so der arme Strap. Der wandte tausend Kunstgriffe an, den Gram zu verbergen, der in seinem Innern nagte und ihn endlich in ein bloßes Gerippe verwandelte.
So taumelte ich sorglos der Armut entgegen, als ich eines Tages mit der Pennypost einen Brief, von einer Frauenzimmerhand geschrieben, bekam. Er enthielt eine Menge schwülstiger Komplimente und warmer Liebesbeteuerungen in einem echt poetischen Stil. Zuletzt offenbarte sich ein sehnliches Verlangen, zu wissen, ob mein Herz noch frei sei oder nicht. Die Antwort bat man an einem gewissen Ort mit der Aufschrift an R. B. abgeben zu lassen. Unterschrieben hatte sich die Verfasserin: ›Ihre Unbekannte‹.
Ich war voller Entzücken, als ich dieses Billett durchgelesen hatte, das ich als ein Meisterstück einer zärtlichen und netten Schreibart bewunderte. Schon war ich in die Verfasserin bis über die Ohren verliebt. Meine Einbildungskraft schilderte sie mir als ein Frauenzimmer von Vermögen in der höchsten Blüte der Jugend und Schönheit.
Trunken von diesen glücklichen Aussichten, ergriff ich die Feder und erschöpfte meine Erfindungskraft, um eine Antwort hervorzubringen, die zu dem erhabenen Stil und zur feurigen Gesinnung meiner Liebhaberin paßte. Ich äußerte meine Bewunderung über ihren Witz in den übertriebensten Ausdrücken und erklärte, nachdem ich mich ihrer Achtung völlig unwert erkannt hatte, ich wäre in ihren Verstand verliebt, und flehte zugleich auf das rührendste, mich mit einer Zusammenkunft zu beehren.
Wie ich mit dieser Arbeit zu Ende war, zeigte ich sie Strap, der vor Freude im Zimmer Luftsprünge machte. Ich sandte ihn damit nach dem bestimmten Ort, dem Hause einer Band- und Spitzenhändlerin, nicht weit von Bondstreet. Überdies hieß ich ihn eine Zeitlang vor der Tür warten, um zu sehen, wer den Brief abholen würde.
In weniger als einer Stunde kam mein Bote mit freudigem Gesicht wieder und sagte: »Bald nachher, als ich den Brief abgegeben hatte, rief man einen Sänftenträger und stellte ihm denselben mit der Anweisung zu, ihn nach dem Hause eines reichen Herrn in der Nachbarschaft zu tragen. Ich ging ihm nach und sah, daß ein Kammermädchen den Brief annahm, dem Kerl das Geld bezahlte und die Tür wieder verschloß.
Darauf«, fuhr mein Getreuer fort, »ging ich in eine Bierschenke nicht weit davon und ließ mir einen Schoppen Bier geben. Da brachte ich denn in Erfahrung, der Herr, dem das Haus gehöre, habe eine einzige Tochter, ein recht hübsches Mädel, die einmal all sein Vermögen erbt, und die und keine andere hat den Brief geschrieben.«
Derselben Meinung war auch ich und labte mich an dieser herrlichen Aussicht. Darauf zog ich mich an und ging in großem Staate bei dem Hause vorbei, worin meine unbekannte Verehrerin sich aufhielt. Meine Eitelkeit wurde in ihrer Erwartung nicht getäuscht. Ich ward nämlich an einem der Fenster des Eckzimmers ein schönes junges Geschöpf gewahr, das, wie ich mir einbildete, mich mit mehr als gewöhnlicher Neugier betrachtete. Um ihres Anblicks weniger flüchtig zu genießen und sie sich an dem meinigen noch länger weiden zu lassen, stand ich mitten auf der Straße still und stellte mich, als ob ich Strap einige Aufträge zu geben hätte.
Ich befand mich ihr gerade gegenüber und hatte solchergestalt Gelegenheit, sie recht genau zu betrachten und mir Glück zu wünschen, daß ich ein so vollkommen schönes Geschöpf erobert habe. Wenige Minuten darauf verschwand sie, und ich begab mich nach meinem Speisehaus. Die entzückenden Hoffnungen, die mich erfüllten, benahmen mir alle Eßlust und trieben mich den Abend nach Hause, um meinen Betrachtungen ungestört nachzuhängen.
Des folgenden Tages sehr früh ward ich mit einem zweiten Brief von meiner unbekannten Geliebten beglückt. Sie bezeigte unaussprechliche Freude über den Empfang meiner Antwort, weil diese sie völlig mit dem Wert des Herzens bekannt gemacht habe, das ihr in derselben dargeboten würde. Vornehmlich äußerte sie außerordentliche Zufriedenheit, daß sie mich von ihrem Verstande so eingenommen fand.
Nichts, sagte sie, hätte so sehr ihre empfindlichste Seite getroffen und wäre ihr schmeichelhafter als dieser Umstand, der zugleich einen vollen Beweis meiner richtigen Einsichten abgäbe. Was die Zusammenkunft anlangte, die ich wünschte, so versicherte sie, ich könne mich danach unmöglich stärker sehnen als sie. Allein sie müsse sich nicht nur ein wenig mehr nach dem Schicklichen richten, sondern von der Rechtschaffenheit meiner Absichten völlig überzeugt sein, ehe sie in dieses Gesuch willigen könnte.
Inzwischen gab sie mir zu verstehen, daß, wiewohl sie sich einigermaßen in die Meinung gewisser Personen fügen müsse, sie dennoch entschlossen sei, in einer Sache, die ihre Glückseligkeit so nahe betreffe, mehr ihre eigene Neigung als das Gutachten der ganzen Welt zu Rate zu ziehen; und dies um so mehr, da keine Vermögensverhältnisse ihr im Wege stünden und da sie über das, was sie besäße, frei schalten könnte.
Die philosophische Denkart und Selbstverleugnung meiner Geliebten, die gegen ihre Schönheit ganz unempfindlich schien, erregte meine Bewunderung auf das stärkste; und die Nachricht, daß ihr Vermögen einzig und allein von ihr abhinge, entzückte mich nicht wenig. Ich ergriff daher wieder die Feder und brach in Lobsprüche über ihre erhabenen Gesinnungen aus, stellte mich, als ob ich körperliche Reize weit weniger als die Reize des Geistes schätzte, und spiegelte vor, meine Leidenschaft gründe sich auf die Eigenschaften ihrer Seele. Zugleich beschwerte ich mich über ihre Strenge, daß sie meine Ruhe einer zu weit getriebenen Achtung für den Anstand opferte, und erklärte die Reinheit meiner Gesinnung in den feierlichsten, pathetischsten Ausdrücken.
Nachdem dieser Aufsatz versiegelt und mit der lakonischen Aufschrift versehen war, wurde er an dem vorigen Ort durch Strap abgegeben. Dieser mußte von neuem auflauern, um unseren Vermutungen Bestätigung zu verschaffen. Kurz darauf kam er mit demselben Bericht zurück, zu dem er noch beifügte, Miß Sparkle (so hieß meine Korrespondentin) habe gerade am Fenster gestanden, und sowie sie nur den Boten mit dem Briefe wahrgenommen, es mit einer Verlegenheit zugemacht, wodurch sie noch schöner geworden wäre, und sei ganz verschwunden, vermutlich, weil sie ›sehr erpicht‹ darauf war.
Nunmehr waren meine Zweifel samt und sonders verflogen. Ich sah den langersehnten Glückshafen vor mir und glaubte schon, vor allen Widerwärtigkeiten auf immer geborgen zu sein. Nach dem Essen schlenderte ich mit Doktor Wagtail durch das Stadtviertel, wo meine Liebste wohnte. Da dieser Mann eine lebendige Stadtchronik war, so erkundigte ich mich bei ihm nach dem Charakter und den Vermögensumständen eines jeden, der in den Straßen, welche wir passierten, ein gutes Haus besaß.
Als wir endlich an die Wohnung von Sir John Sparkle kamen, beschrieb er mir diesen als einen Mann von unermeßlichem Vermögen und sehr eingezogener Lebensart, der sein einziges Kind, ein recht artiges junges Mädchen, von allem Umgang mit Leuten entfernt hielt. Eine alte Gouvernante habe diese unter strenger Hut und Aufsicht. Noch hätte niemand, sei es nun Ehrlichkeit oder Mißgunst und Unersättlichkeit, diese Megäre auf seine Seite bringen oder bei ihrem Zögling Zutritt erlangen können, eine so große Anzahl Mannspersonen dies auch täglich versuchte.
»Dies«, fügte der Arzt hinzu, »geschieht nicht wegen der guten Aussichten von Seiten ihres Vaters, der ein Witwer ist, daher wieder heiraten und Erben bekommen kann, sondern wegen eines Vermögens von zwölftausend Pfund, das ihr ein Oheim hinterlassen hat und welches ihr niemand nehmen darf.«
Diese Nachricht, die genau zu dem letzten Teil des Briefes stimmte, mit dem ich diesen Morgen beehrt worden war, tat eine solche Wirkung auf mich, daß jeder andere, Wagtail ausgenommen, bemerkt haben würde, was in meinem Innern vorging. Allein dieser war mit seiner eigenen wichtigen Person viel zu sehr beschäftigt, als daß er auf das Benehmen irgendeines anderen achtgeben konnte, außer wenn es so ausgefallen war, daß es notwendigerweise auch ihm in die Augen springen mußte.
Nachdem ich mich von meinem Begleiter losgemacht hatte, da ich an seiner Unterhaltung bei den jetzigen Umständen kein Behagen fand, kam ich nach Hause und legte Strap die Früchte meiner Nachforschungen vor. Mein treuer Knappe war vor Entzücken außer sich und weinte sogar vor Freude – ob in Rücksicht auf sich oder mich, will ich nicht wagen zu bestimmen.
Den folgenden Tag ward mir ein dritter Liebesbrief gebracht. Er enthielt manche Äußerungen von Zärtlichkeit, mit einigen rührenden Zweifeln über die Arglist der Männer, die Unbeständigkeit der Jugend und die Eifersucht durchwebt, welche oft die aufrichtigste Leidenschaft begleite. Zugleich bat mich die Verfasserin, sie zu entschuldigen, wenn sich mich noch etwas länger auf die Probe stellte, ehe sie eine unwiderrufliche Erklärung täte.
Diese interessanten Zweifel schürten meine Flamme und trieben meine Sehnsucht aufs höchste. Ich verdoppelte meine Beschwerden über ihre Gleichgültigkeit und drang wegen eines Rendezvous so sehr in sie, daß sie mir nach wenigen Tagen eine Zusammenkunft in dem Hause der Spitzenhändlerin bestimmte, welche die Briefe befördert hatte. In der Zwischenzeit schweifte mein Stolz über alle Vernunft und jede Beschreibung hinaus. Ich verlor gänzlich das Andenken an die holde Narzissa und beschäftigte mich mit nichts als mit Plänen, der Welt meinen Triumph über ihre Bosheit und Verachtung zu zeigen.
Endlich war die glückliche Stunde da. Ich flog nach dem Ort der Zusammenkunft. Man führte mich in ein Zimmer, wo ich kaum zehn Minuten gewartet hatte, als ich Seidenzeug rauschen und etwas die Treppe herauf trippeln hörte. Mein Herz fing heftig an zu pochen, meine Wangen erglühten, meine Nerven zuckten, und meine Knie bebten vor Entzücken. Ich sah die Tür sich öffnen und einen Rock von goldenem Brokat sich nähern. Sofort sprang ich hinzu, um meine Geliebte zu umarmen.
Himmel und Erde! Wie soll ich mein Erstaunen schildern, als ich Miß Sparkle in eine alte, runzlige Hexe von siebzig Jahren verwandelt fand. Betäubt und versteinert blieb ich vor Schreck stehen. Die alte Unholdin bemerkte meine Betroffenheit, näherte sich mir mit einem schmachtenden Wesen, ergriff meine Hand und fragte in einem quiekenden Tone, ob ich krank wäre.
Ihre ungeheure Ziererei trieb den Widerwillen auf das höchste, den ich gleich beim ersten Anblick gegen sie gefaßt hatte. Es dauerte lange, ehe ich mich so weit überwinden konnte, ihr nur mit der üblichen Höflichkeit zu begegnen. Endlich sammelte ich mich und entschuldigte mein Betragen mit einem plötzlichen Schwindel, der mich überfallen habe.
Meine verschimmelte Dulzinea, die unstreitig durch meine Verwirrung in nicht geringe Angst versetzt worden war, hörte kaum die vorgeschützte Ursache, als sie ihre Freude durch tausend verliebte Buhlerkünste an den Tag legte und das muntere Wesen eines siebzehnjährigen Mädchens annahm. Bald liebelte sie mit ihren stumpfen Triefaugen mir zu; dann stellte sie sich, als wäre sie voller Scham über diese Freiheit, schlug die Augen nieder, errötete und spielte mit dem Fächer. Hierauf wiegte sie ihr Haupt hin und her, damit ich nicht merken sollte, daß die Gicht es schüttelte. Sie tat mehrere kindische Fragen mit lispelndem Ton an mich, kicherte und grinste mit verschlossenem Munde, um die Verwüstungen zu verbergen, welche die Zeit unter ihren Zähnen angerichtet hatte, schielte mich verliebt an, seufzte gar kläglich, rutschte auf den Stuhl hin und her, um mir ihre Rührigkeit zu beweisen, und nahm noch unzählige andere Albernheiten vor, die lediglich bei Jugend und Schönheit Entschuldigung finden.
Sosehr es mich auch wurmte, in meinen Erwartungen getäuscht zu sein, so lag es doch nicht in meinem Charakter, einer Person hart zu begegnen, die mich liebte. Ich bemühte mich daher, zu dem gegenwärtigen bösen Spiel eine so gute Miene wie möglich zu machen und die Sache ganz abzubrechen, sobald ich mich aus ihrer Gesellschaft würde losgewickelt haben. In der Absicht sagte ich ihr verschiedene Höflichkeiten und wünschte zumal den Namen und den Stand eines Frauenzimmers zu wissen, das mir so viele Ehre erwiese.
Sie versetzte darauf, ihr Name sei Withers und sie befände sich im Hause des Sir John Sparkle als Gouvernante seiner einzigen Tochter. In diesem Posten habe sie sich so viel gespart, daß sie ganz gemächlich leben könne. Sie hätte das Vergnügen gehabt, mich in der Kirche zu sehen, und mein Äußeres und mein Betragen habe solchen Eindruck auf ihr Herz gemacht, daß sie nicht eher habe ruhen können, als bis sie genaue Auskunft über meinen Charakter erhalten habe. Dieser wäre ihr in jeder Rücksicht so liebenswürdig geschildert worden, daß sie ihrer heftigen Neigung nachgegeben und es gewagt hätte, mir ihre Leidenschaft zu entdecken. Freilich habe sie das Dekorum ihres Geschlechts ein wenig hintangesetzt; allein sie hoffe, daß ich einen Schritt, an dem ich gewissermaßen schuld sei, vergeben und ihre Zudringlichkeit auf Rechnung des Antriebs ihrer unwiderstehlichen Liebe setzen würde.
Noch nie hat wohl ein Lüstling, mit dem es zu Ende geht, eine Arznei mit stärkerem Widerwillen hinuntergewürgt, als ich empfand, auf dies Kompliment eine paßliche Antwort zu geben, da mir statt des köstlichen Juwels, worauf ich gerechnet hatte, bloß das verrostete Futteral zuteil ward. Dennoch lebten meine Hoffnungen wieder ein wenig auf, wenn ich erwog, daß ich durch scheinbares Fortführen der Intrige mit der Anstandsdame vielleicht Zutritt bei ihrer Schutzbefohlenen erlangen könnte. Dieser Einfall gab mir wieder Mut; ich wurde heiter, legte alle Zurückhaltung ab, benahm mich ganz kavaliermäßig und tat gegen die alte Kokette sogar verliebt. Diese schien sich bei ihrem Anbeter recht glücklich zu fühlen und legte alle Lockungen, die in ihrer Gewalt standen, aus, um sich ihrer vermeinten Eroberung noch mehr zu versichern.
Die gute Frau vom Hause setzte uns Tee und Zuckergebäck vor und entfernte sich darauf, als eine Matrone, die Lebensart und Erfahrung hatte. Jetzt, da unsere Herzen sich ganz frei ergießen konnten, begann Miß Withers – noch war sie Jungfer – vom Ehestand zu sprechen und legte in ihrem ganzen Betragen soviel Ungeduld danach an den Tag, daß ich vielleicht, wenn sie nur fünfzig Jahre jünger gewesen wäre, ihr sehnliches Verlangen würde erfüllt haben, ohne mich erst an die Kirche zu wenden. Allein meine Tugend sowohl als mein eigenes Bestes hielten mich von dem Schritt zurück. Denn wenn die Neigung einer alten Jungfer einmal auf einen jungen Mann gesteuert ist, so lockt sie ihn beständig mit ihren Liebkosungen an; und bewilligt er ihr einmal eine Gunstbezeigung, so ist nichts in der Welt imstande, ihn von ihren Behelligungen und Vorwürfen zu befreien.
Aus der Rücksicht bemühte ich mich, diese Zeremonie unter den überzeugendsten Vorwänden so weit als möglich hinauszuschieben, in der Hoffnung, in der Zwischenzeit mit Miß Sparkle bekannt zu werden. Ich zweifelte auch nicht an einem guten Erfolge, wenn ich erwog, daß meine Gebieterin mich bei fortgesetztem Umgange vermutlich einladen würde, sie in ihrem Logis zu besuchen, und daß ich dadurch bequeme Gelegenheit finden könnte, mich mit ihrem liebenswürdigen Mündel zu unterhalten. Diese behagliche Aussicht weitete mein Herz vor Freude, ich sprach voller Entzücken mit der verbuhlten Gouvernante und küßte ihre runzlige Hand mit vieler Ehrfurcht. Dies riß sie so hin, daß sie in vollem Taumel der Freude wie eine Tigerin über mich herstürzte und ihre hölzernen Lippen auf die meinigen drückte. Jetzt spielte ohne Zweifel ihr böser Dämon ihr einen Streich. Eine Dosis Knoblauch, die sie am Morgen, vermutlich wider die Blähungen, zu sich genommen hatte, wirkte mit einer so plötzlichen Explosion, daß die menschliche Natur überhaupt, zumal unter den Umständen, worin ich mich befand, es nicht mit Kaltblütigkeit aushalten konnte. Ich verlor darüber Mäßigung und Nachdenken, wand mich von ihr los, ergriff eilends Hut und Stock und stürzte die Treppe hinunter, als wenn alle Geister der Hölle auf meinen Fersen wären. Kaum konnte ich meinem durch die lieblichen Düfte äußerst empörten Magen den Ausbruch verwehren.
Strap, der meine Zurückkunft mit Ungeduld erwartete, blieb ganz ohne Bewegung, wie er mich so verstört nach Hause kommen sah, und wagte es nicht, mich um die Ursache zu fragen. Nachdem ich meinen Mund mehr denn einmal ausgespült und meine Lebensgeister durch ein Glas Wein wieder gestärkt hatte, erzählte ich ihm mein Abenteuer haarklein.
Eine ganze Weile hindurch erwiderte er darauf weiter nichts, als daß er die Augen in die Höhe hob, die Hände zusammenschlug und dumpfe Seufzer ausstieß. Endlich brach er in melancholischem Ton mit der Anmerkung hervor: »Jammer und Schade, daß Sie so eine delikate Nase haben, die keinen Knoblauchgeruch vertragen kann! Gott Lob und Dank! Weder der noch sonst was macht mich flau. Da sieht man's, was es heißt, ein Schuhflickerssohn zu sein.«
Hastig versetzte ich: »Nun, so wünsche ich denn, daß Ihr hingehen und meine Scharte auswetzen möget!« Bei diesem Rat starrte er mich an, zwang sich zu lächeln und verließ kopfschüttelnd das Zimmer.
Was das alte Frauenzimmer anlangt, so weiß ich nicht, ob meine schnelle Entfernung ihre Liebe in Abneigung verwandelte oder ob sie sich wegen der verratenen Schwäche scheute, sich vor mir sehen zu lassen – genug, ich wurde von ihrer Liebe nicht weiter behelligt.