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Verschiedene alte Bekannte treten auf
Während dieser ungeselligen Zwischenspiele hatten mein Stolz und mein Interesse in betreff der Miß Snapper einen ernsthaften Streit. Jener stellte mir vor, sie sei es nicht wert, daß ich mich um sie bekümmere; dieses aber schilderte sie als einen Gegenstand, der meine ganze Aufmerksamkeit an sich zu ziehen verdiene. Meine Phantasie stellte mir alle die Vorteile und die Unannehmlichkeiten bei dieser Partie vor. Die ersteren behielten endlich das Übergewicht und bestimmten mich, meine Heiratsspekulation mit aller Geschicklichkeit zu betreiben, die nur in meiner Macht stand.
Ich vermeinte einige Bekümmernis in den Blicken der jungen Miß über mein Stillschweigen wahrzunehmen, dessen Veranlassung sie unstreitig meinem Unwillen über das Betragen ihrer Mutter zuschrieb. Da ich nun glaubte, daß die alte Dame mein Stummsein sich ebenso erklären würde, beschloß ich, mein mürrisches Wesen beizubehalten und der Tochter auf eine andere Art meine Achtung zu erkennen zu geben. Mir fiel es gar nicht schwer, ihr meine Gesinnung durch Blicke zu äußern, die Unterwürfigkeit und Liebe atmeten. Sie wurden von ihr mit so viel Sympathie und Beifall erwidert, wie ich erwarten konnte. Weil ich aber einsah, daß mir alle die bisherigen Fortschritte nichts helfen könnten, wenn ich nicht fernerhin Gelegenheit hätte, mich meiner Eroberung zu versichern, und daß mir solche Anlässe ohne Bewilligung der Mutter nicht werden würden, so hielt ich es für ratsam, die Kälte und den Verdacht dieser Frau durch Dienstfertigkeiten und ehrerbietiges Betragen unterwegs zu überwinden. Dies würde sie, dachte ich, wahrscheinlich bewegen, mich einzuladen, sie in Bath zu besuchen. Dort zweifelte ich nicht, diese Bekanntschaft so weit aufrechtzuerhalten, als zur Erreichung meines Endzwecks nötig wäre. Bald darauf verschaffte mir ein Zufall eine bequeme Gelegenheit, sie so sehr zu verpflichten, daß sie, wenn sie nicht ganz gegen alle Lebensart verstoßen wollte, meinen Wünschen entsprechen mußte.
Als wir an den Ort kamen, wo wir unsere Mittagsmahlzeit halten wollten, fanden wir, daß ein Kavalier uns zuvorgekommen war und alles Eßbare in diesem Gasthof mit Beschlag belegt hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte meine Gebieterin samt ihrer Mutter bei Schmalhans Küchenmeister speisen müssen, wäre nicht der Wirt durch ein paar Gläser Wein von mir dahin vermocht worden, der Mahlzeit des Lords ein paar Hühner und etwas Schinken abzuzwacken. Beides schickte ich, nebst einem Kompliment von mir, den zwei Frauenzimmern hinauf. Sie nahmen es mit vielem Dank an und ließen mich ersuchen, ihnen beim Essen Gesellschaft zu leisten. Ich zeigte mich durchaus in so uneigennützigem Licht, daß die Mutter sehr für mich eingenommen wurde, ein Verlangen äußerte, näher mit mir bekannt zu werden, und mich bat, sie zu Bath mit meinem Besuche zu beehren.
Indes es mir so vonstatten ging, hatte die zimperliche Dame das Glück gehabt, ihren Mann zu finden, welcher der ständige Begleiter oder eigentlich der Kammerdiener des Kavaliers war, dessen Wagen vor der Tür hielt. Stolz auf den Einfluß, den sie in diesem Hause hatte, suchte sie ihren Kredit dadurch an den Tag zu legen, daß sie den Leutnant ihrem Mann als eine Person aufführte, die ihr unterwegs viele Höflichkeiten erzeigt habe. Sogleich wurde er eingeladen, an ihrer Mahlzeit teilzunehmen. Der arme Anwalt fand sich nun von neuem verlassen; daher wandte er sich an mich und wurde, vermöge meiner Fürsprache, in unsere Gesellschaft aufgenommen.
Nachdem wir unseren Appetit gestillt und auf Kosten der Standesperson, des höflichen Offiziers und des gefälligen Ehemanns herzlich gelacht hatten, machte ich mir das Vergnügen, die Rechnung heimlich zu bezahlen. Ich erhielt dafür von meinen Gästen große Entschuldigungen und Danksagungen.
Der Degenstutzer hingegen sah sich genötigt, mit hungrigem Magen abzureisen. Um ihn zu befriedigen, mußte er ihn mit einem Stück Brot, Käse und einem Nößel Branntwein in aller Eile unterwegs bewirten. Dabei fluchte er herzlich auf den geringen Appetit des Lords, der seine Mahlzeit aus diesem Grunde noch um eine Stunde verschoben hatte.
Während des übrigen Teils der Reise, die mit dem folgenden Tage endigte, trug sich weiter nichts Merkwürdiges zu. Ich begleitete die beiden Frauenzimmer, wie wir uns nun in Bath befanden, nach dem Hause einer Verwandten, wo sie zu logieren willens waren, und ich brachte die Nacht im Wirtshause zu. Den folgenden Morgen mietete ich mir eine Wohnung.
Der Vormittag verging in Besichtigung alles dessen, was an diesem Ort merkwürdig war.
Ich hatte einen Herrn zum Führer, an den mir Banter einen Brief mitgegeben. Den Nachmittag besuchte ich die Damen und fand die Miß von den Beschwerlichkeiten der Reise ziemlich unpaß.
Da sie einsahen, daß sie eine Mannsperson nötig haben würden, um sie an öffentliche Orte hinzubegleiten, so empfingen sie mich mit vieler Herzlichkeit. Die Mutter trug mir auf, sie den folgenden Tag nach dem Assembleesaal zu führen. Ich fand mich um die gebührende Zeit ein und begleitete sie dahin.
Kaum traten wir in den Saal, als die Augen aller sich auf uns richteten. Nachdem wir die Qualen des Angaffens eine Zeitlang ausgestanden hatten, lief ein Gewisper auf unsere Kosten ringsum, das von manchem verächtlichen Lächeln, Kichern und beißenden Anmerkungen begleitet war. Scham und Verwirrung schlugen mich ganz nieder. Ich führte meine Schöne weniger, als ich ihr zu einem Platze folgte, wo sie und ihre Mutter sich niederlassen konnten.
Die Tochter bewies eine erstaunenswürdige Gelassenheit, ungeachtet des ungesitteten Betragens der Gesellschaft, das diese geflissentlich anzunehmen schien, um die Frauenzimmer außer Fassung zu bringen.
Der berühmte Nash, der hier gemeiniglich den Zeremonienmeister spielt, bemerkte kaum diese Stimmung der Versammlung, als er es auf sich nahm, ihre hämische Neckbegierde dadurch zu befriedigen, daß er meine Dame zum Schleifstein seines Witzes machte. Er näherte sich uns in der Absicht mit manchen Verbeugungen und Grimassen. Nachdem er Miß Snapper willkommen geheißen hatte, fragte er sie so laut, daß die ganze Gesellschaft es hören konnte, wie Tobias' Hündchen geheißen habe. Ein so weit gehender Übermut brachte mich dergestalt auf, daß ich ihm auf der Stelle würde einen Tritt mit dem Fuße gegeben haben, wenn die junge Dame dem Ausbruch meines Zornes dadurch nicht zuvorgekommen wäre, daß sie mit vieler Lebhaftigkeit antwortete: »Er hieß Nash und war ein recht unverschämtes Tier.«
Diese so unerwartete und passende Antwort erregte ein allgemeines Gelächter über den Angreifer. Soviel Dummdreistigkeit er auch besaß, so reichte sie doch nicht hin, ihn bei Fassung zu erhalten. Er nahm eine Prise, zwang sich zu lächeln und schlich sich bald darauf fort, weil er genötigt war, eine sehr lächerliche Rolle zu spielen.
Meine Dulzinea ward inzwischen wegen ihres lebhaften Witzes bis in die Wolken erhoben, und unmittelbar darauf bewarben sich die angesehensten Personen beiderlei Geschlechtes im Saale um ihre Bekanntschaft. Anfänglich machte mir dieser Vorfall ungemeines Vergnügen, nachher aber, bei reiferer Überlegung, sehr viel Unruhe. Denn mir fiel ein, daß, je mehr Personen von Stande ihr schmeichelten, desto reger würde ihr Stolz und der Hindernisse in meinen Absichten nur mehr werden.
Meine weissagende Furcht war nicht ohne Grund. Noch denselben Abend bemerkte ich, daß ihr der Kopf von dem vielen Weihrauch etwas verdreht geworden war; und wiewohl sie mir noch immer mit besonderer Höflichkeit begegnete, so sah ich doch im voraus, daß, sobald ihr Reichtum bekannt wäre, sie ein Schwarm von Anbetern umgeben würde, worunter mich gar leicht einige an Vermögen oder an Schmeichelkünsten, an Fertigkeit zu spötteln übertreffen, dadurch bei ihr ausstechen und Mittel finden könnten, die Mutter auf ihre Seite zu bringen. Daher beschloß ich, keine Zeit zu verlieren; und da ich eingeladen ward, den Abend mit ihnen zuzubringen, fand ich, trotz der Wachsamkeit der alten Frau, Gelegenheit, ihr den Sinn meiner Liebäugeleien in der Landkutsche zu erklären, indem ich ihr beteuerte, ich wäre in voller Achtung für ihren Witz und voller Liebe für ihre Person.
Sie ward über meine Erklärung rot, mißbilligte auf eine nicht strenge Art die Freiheit, die ich mir genommen hatte, gab mir zu bedenken, daß wir einander noch ganz fremd wären, und bat mich, dergleichen unzeitgemäße Galanterien künftig wegzulassen, wofern nicht unsere Bekanntschaft sollte abgebrochen werden. Dieser Verweis, wiewohl sie ihn mit solcher Artigkeit vortrug, daß ich darüber nicht ungehalten werden konnte, dämpfte meine Hitze nicht wenig.
Die Zurückkunft der Mutter befreite mich aus einer großen Verlegenheit. Hätte unsere Unterhaltung noch eine Minute länger gedauert, so wäre ich nicht imstande gewesen, mich mit Ehren herauszuziehen. Auch war ich nicht vermögend, meine vorige Ungezwungenheit wieder anzunehmen. Meine Gebieterin spielte die Zurückhaltende, und das Gespräch fing an, matt zu werden. Die alte Dame ließ daher ihre Verwandte holen und schlug eine Partie Whist vor.
Während dieses Zeitvertreibs vernahm ich von Mistreß Snapper, daß den folgenden Abend ein Ball sein würde. Ich bat daher um die Ehre, mit der Miß tanzen zu dürfen. Sie dankte mir für mein höfliches Anerbieten, versicherte aber, daß sie nie tanzte; doch bezeigte sie ein Verlangen, die Gesellschaft zu sehen. Ich bot ihr an, sie dorthin zu begleiten. Dies ward denn angenommen. Mir war es nicht wenig lieb, daß ich mich nicht mit ihr im Tanze sehen lassen brauchte, was mir, trotz meiner Behauptung vom Gegenteil, gar nicht gemütlich gewesen wäre.
Wir aßen sodann und spielten nachher von neuem, bis das wiederholte Gähnen der Mutter mich erinnerte, daß es Zeit zum Aufbruch sei. Ich beurlaubte mich demnach und ging nach Hause. Dort machte ich den wackeren Strap durch die Nachricht, daß es mit meiner Spekulation vorwärts ginge, sehr froh.
Den folgenden Tag legte ich meinen besten Staat an und begab mich zu Mistreß Snapper, um der Abrede gemäß bei ihr Tee zu trinken. Zu meinem unbeschreiblichen Vergnügen fand ich, daß sie Zahnweh hatte, deshalb wurde die Miß meiner Obhut anvertraut.
Wir begaben uns sehr frühzeitig nach dem Ballsaal und nahmen uns einen bequemen Platz. Noch hatten wir keine Viertelstunde gesessen, als ein junger Herr in grünem Frack mit einer Dame hereintrat, die ich augenblicklich für die anbetungswürdige Narzissa erkannte.
Gütiger Himmel! In welche heftigen Wallungen geriet meine Seele! Der Strom der Leidenschaften riß alle Überlegung mit sich fort. Mein Herz schlug mit erstaunlicher Heftigkeit. Ein plötzlicher Nebel umflirrte meine Augen. In meine Ohren drangen fürchterliche Töne. Ich keuchte aus Mangel an Atem. Kurz, ich war einige Momente hindurch ganz außer mir.
Als sich dieser erste Aufruhr gelegt hatte, stieg eine Menge angenehmer Bilder in meiner Seele auf. Meine Phantasie stellte mir alle die sanften und einnehmenden Eigenschaften dieses liebenswürdigen und gefühlvollen Mädchens vor und zeigte mir alles, was ich Gutes an mir hatte, durch das Vergrößerungsglas der Selbstliebe, um meine Hoffnungen höher zu spannen. Allein auch dies war nicht von langer Dauer. Die Furcht, sie möchte ihre Hand bereits verschenkt haben, drängte sich mir auf und zerstiebte jenen lieblichen Traum. Schon erblickte meine schwarze Ahnung sie in den Armen eines glücklichen Nebenbuhlers, folglich auf immer für mich verloren.
Diese Vorstellung hatte sich meiner ganz bemächtigt, und da ich den Führer dieses liebenswürdigen Frauenzimmers für ihren Mann ansah, so nahm ich mir fest vor, ihn meiner Wut zu opfern. Schon sprang ich auf, meine Rache an ihm auszulassen, als ich zu meiner unaussprechlichen Freude, wie ich ihm näher kam, Narzissas Bruder, den Fuchsjäger, in ihm erkannte. Da mir auf die Art zu meinem größten Vergnügen dieser Wahn benommen war, so warf ich in meiner wonnevollen Verzückung die Augen auf die unwiderstehlichen Reize seiner Schwester.
Diese hatte mich kaum unter dem Haufen der Zuschauer entdeckt, als eine merkliche Verwandlung ihres Gesichts mir eine günstige Vorbedeutung für meine Liebe gewährte. Sie erbebte bei meinem Anblick, die Rosen schwanden von ihren Wangen und kehrten mit doppelter Lebhaftigkeit zurück. Helle Glut strömte über ihren liebenswürdigen Hals, und ihr Busen hob sich indes in der heftigsten Wallung. Ich spähte alle diese günstigen Symptome aus, belauschte jeden ihrer Blicke, und meine Augen huldigten ihr. Sie schien die Erklärung meiner Gefühle durch einen gefälligen Blick zu billigen, den sie auf mich warf. Diese Entdeckung versetzte mich in einen solchen Freudentaumel, daß ich mehr denn einmal im Begriff stand, mich ihr zu nähern und die Wallung meines Herzens gegen sie zu äußern, hätte die tiefe Ehrerbietung, die mir ihre Gegenwart stets einflößte, mich nicht von diesem unschicklichen Schritte zurückgehalten.
Da auf die Art meine ganze Seele beschäftigt war, kann man sich leicht vorstellen, daß ich Miß Snapper schlecht unterhielt. Auf diese konnte ich meine Augen gar nicht wenden, ohne Vergleichungen anzustellen, die für sie gar nicht vorteilhaft ausfielen. Ich war nicht einmal imstande, ihr auf die Fragen richtig zu antworten, die sie von Zeit zu Zeit an mich richtete. Sie mußte daher notwendigerweise meine Geistesabwesenheit bemerken. Da sie hinlängliche Gelegenheit hatte, mich zu beobachten, gab sie scharf auf meine Blicke acht, und indem sie deren Fährte genau verfolgte, so nahm sie das Göttermädchen und zugleich die Ursache meiner Zerrüttung wahr. Um sich aber von der Richtigkeit ihrer Mutmaßung zu überzeugen, begann sie in betreff Narzissas einige Fragen an mich zu tun. Wiewohl ich mir alle Mühe gab, meine Gesinnungen zu verhehlen, so ward sie dennoch meiner Zuneigung für dies Frauenzimmer aus meiner Betroffenheit inne. Deshalb nahm sie eine stolze Miene an und sprach die ganze übrige Ballzeit nichts.
Zu einer anderen Zeit würde ihr Argwohn mich beunruhigt haben, aber jetzt hob mich meine Leidenschaft über jede andere Rücksicht empor. Als die Beherrscherin meiner Seele sich mit ihrem Bruder wegbegeben hatte, verriet ich soviel Unbehagen, daß Miß Snapper mir vorschlug, uns nach Hause zu verfügen.
Als ich sie nach der Sänfte führte, sagte sie zu mir, sie hätte viel zuviel Achtung für mich, um mich länger solchen Qualen auszusetzen.
Ich stellte mich, als verstünde ich sie nicht, und nachdem ich sie wohlbehalten in ihr Logis gebracht hatte, nahm ich von ihr Abschied und ging in voller Begeisterung nach Hause. Dort offenbarte ich meinem Vertrauten und demütigen Diener, dem ehrlichen Strap, alles, was vorgefallen war. Er schien darin nicht so viel Behagen zu finden, als ich erwartete, und machte die Anmerkung, ein Sperling in der Hand sei besser als eine Taube auf dem Dach. »Doch«, setzte er hinzu, »Sie verstehen das Ding am besten; Sie verstehn's am besten.«
Den folgenden Tag, als ich zum Brunnensaal ging, in der Absicht, von meiner schönen Gebieterin etwas zu sehen oder zu hören, begegnete mir ein Frauenzimmer, die mich erst starr ansah und dann ausrief: »Je, herrjemine! Mister Random.« Über diesen Ausruf erstaunt, untersuchte ich diejenige genauer, über deren Lippen die Worte gekommen waren, und erkannte sie gleich darauf für meine ehemalige Geliebte und Unglücksgenossin, Miß Williams.
Ich freute mich sehr, dies gute Mädchen in einer so anständigen Tracht wiederzusehen, und bezeigte ihr mein Vergnügen darüber, daß es ihr nun wohl ginge. Sie war von Herzen froh, daß meine Umstände, wie es schien, so gut waren. »Mit nach Hause kann ich Sie nicht nehmen, Mister Random«, setzte sie hinzu, »denn ich habe keine Wohnung, die ich mein nennen kann; daher will ich hinkommen, wo Sie befehlen, daß ich Ihnen aufwarten soll.«
Als ich hörte, daß sie vorderhand nichts zu tun hatte, nahm ich sie mit nach meiner Wohnung. Dort erzählte sie mir nach einer recht herzlichen Begrüßung, daß sie sich der unschuldigen List bedient hätte, die sie mir ehemals mitgeteilt habe, als sie mit mir in London auf dem Dachstübchen gewohnt. Sie wäre dadurch in Dienste einer braven Dame gekommen, die nunmehr tot sei und sie zuvor bei einem jungen Frauenzimmer untergebracht hätte, wo es ihr recht gut gehe. Sodann äußerte sie ein lebhaftes Verlangen, meine Schicksale nach unserer Trennung zu wissen, und entschuldigte ihre Neugier mit der Teilnahme, die sie für mein Wohl empfände.
Ich erfüllte ihr Verlangen und ward gewahr, als ich ihr meine Glückslage in Sussex schilderte, daß sie mit doppelter Aufmerksamkeit zuhörte. Als ich diesen Abschnitt meines Lebens geendigt hatte, brach sie in ein »Gütiger Gott! ist es möglich!« aus. Darauf bat sie mich, in meiner Erzählung fortzufahren. Ich tat dies gar kurz und bündig, weil ich vor Ungeduld brannte zu wissen, was sie zu jenem Ausbruche des Erstaunens veranlaßt habe, worüber ich bereits sehr interessante Vermutungen angestellt.
Als ich nun mit meinen Begebenheiten bis auf den jetzigen Zeitpunkt gekommen war, schien sie durch den mannigfaltigen Glückswechsel, der mich betroffen hatte, sehr gerührt zu sein und sagte mit einem Lächeln, sie glaube, meine Not habe nun ihr Ende erreicht. Darauf unterrichtete sie mich, das Frauenzimmer, wo sie diene, sei ebendie liebenswürdige Narzissa, welche ich anbete, und habe sie seit einiger Zeit zu ihrer Vertrauten gemacht. Als solcher hätte sie ihr oft die Geschichte des John Brown wiederholt und seiner mit vieler Bewunderung und Achtung gedacht. Sie pflege gern bei jedem kleinen Charakterzuge von ihm zu verweilen und trüge kein Bedenken zu gestehen, daß sie seine Leidenschaft billige und nicht fühllos dagegen sei.
Bei dieser Nachricht geriet ich ganz außer mir, drückte die Williams in meine Arme, nannte sie den Engel meines Glückes und beging tausend Ungereimtheiten. Wäre sie noch nicht von der Aufrichtigkeit meiner Gesinnung überzeugt gewesen, so hätte sie es jetzt notwendig sein müssen.
Sowie ich wieder imstande war, ihr Aufmerksamkeit zu gewähren, beschrieb sie mir die gegenwärtige Gemütsverfassung ihrer Gebieterin. Kaum wäre diese den gestrigen Abend nach Hause gekommen, so habe sie sich mit ihr eingeschlossen und ihr in vollem Entzücken eröffnet, sie hätte mich auf dem Ball in einem Anzuge gesehen, von dem sie immer geglaubt habe, daß er mir gebühre. Ich wäre so zu meinem Vorteil verwandelt gewesen, daß sie mich unmöglich für die Person erkannt haben würde, welche die Livree ihrer Muhme getragen hätte, wofern mein Bild ihrem Herzen nicht zu tief eingedrückt wäre. Die Sprache meiner Augen habe sie von der Fortdauer meiner Leidenschaft für sie überzeugt, mithin auch davon, daß meine Hand noch nicht versagt sei. Sie hätte zwar gar nicht gezweifelt, daß ich schnell auf Mittel und Wege bedacht sein würde, sie zu sprechen; allein ihre Ungeduld, etwas von mir zu hören, wäre so groß gewesen, daß sie sie – die Williams – gleich den folgenden Morgen ausgeschickt habe, um Erkundigung einzuziehen, was für einen Namen und Stand ich jetzt hätte.
Solche Fluten der Freude hatten noch nie in meinem Busen gestürmt. Sie rissen alle Kräfte der Seele in ihrem Wirbel mit sich fort. Ich vermochte eine ganze Zeit lang nicht den Mund aufzutun, und noch länger dauerte es, ehe ich etwas Zusammenhängendes hervorbringen konnte. Endlich bat ich sie auf das feurigste, mich sogleich zu dem Gegenstande meiner Verehrung zuführen. Allein sie widersetzte sich meinem dringenden Anliegen und machte mir ganz deutlich, was für Gefahr ich mich durch einen so unvorsichtigen Schritt aussetzte.
»So gewogen Ihnen auch meine Miß ist«, sagte sie, »so können Sie sich doch darauf verlassen, daß sie weder bei Eröffnung ihrer eigenen Leidenschaft noch bei der Annahme einer Erklärung der Ihrigen die Regeln des Anstandes nur im allergeringsten übertreten wird. Und wiewohl meine große Achtung für Sie mich bewogen hat, Ihnen das zu entdecken, was sie mir im höchsten Vertrauen offenbarte, so weiß ich doch zu gut, wie streng die Miß über die Anstandspflichten unseres Geschlechtes denkt, als daß ich nicht überzeugt sein sollte, sie würde mich, wenn sie erführe, daß ich jene Etikette nur im geringsten übersprungen hätte, nicht nur als ein ihrer Zuneigung unwürdiges Geschöpf aus dem Dienste jagen, sondern auch Ihre Bewerbung auf immer verabscheuen.«
Ich gestand ihr ein, daß sie recht habe, und bat, sie möchte mir mit Rat und Tat hierin an die Hand gehen. Darauf trafen wir die Verabredung, ich solle mich vorderhand damit begnügen, daß sie Narzissa sagte, sie habe bei ihren Nachforschungen weiter nichts als meinen Namen herausgebracht. Zeigte sich in einem oder ein paar Tagen keine Gelegenheit, Zutritt bei ihr zu erlangen, so wollte sie ihr, unter dem Vorwande, daß sie dabei bloß auf ihr Glück Rücksicht nähme, einen Brief von mir überreichen. Anbei wollte sie sagen, ich wäre ihr auf der Straße begegnet und habe sie durch ein Geschenk vermocht, mir diesen Dienst zu erweisen.
Nachdem wir diese Verfügungen getroffen hatten, behielt ich meine alte Bekannte zum Frühstück. Dabei erfuhr ich von ihr, mein Nebenbuhler, Sir Timothy, habe sich einen Schlagfluß an den Hals getrunken, woran er vor fünf Monaten gestorben sei; der Wilde sei noch unverheiratet, und seine alte Base wäre auf den ganz unerwarteten Einfall geraten, den Schulmeister in dem Kirchspiele zu ihrem Eheherrn zu erkiesen. Der Ehestand wäre aber ihrer Konstitution nicht angemessen und sie daher eine gute Weile hektisch und wassersüchtig zugleich gewesen. Jetzt hielte sie sich in Bath auf, um durch den Brunnen ihre Gesundheit wiederherzustellen.
»Ihre Nichte«, fuhr Miß Williams fort, »hat sie auf ihr Ersuchen hierher begleitet und begegnet ihr mit der ehemaligen Zärtlichkeit, ungeachtet des Schrittes, den die Alte getan hat und der ihr zum Nachteil gereicht. Auch der Neffe befindet sich hier. Er ist über den Verlust jener Erbschaft höchst aufgebracht und nicht aus Gefälligkeit für die Tante mitgekommen, sondern nur um ein wachsames Auge auf seine Schwester zu haben, damit sich nicht auch diese ohne seine Einwilligung und sein Gutheißen wegwirft.«
Nachdem wir uns so recht satt und froh geplaudert und einen Ort am folgenden Tage zu unserer Zusammenkunft verabredet hatten, nahm die Williams von mir Abschied. Straps Blicke verrieten gewaltig viel Neugier, zu wissen, was für eine Art von Gemeinschaft zwischen uns obwalte; ich machte ihn daher zu seinem größten Erstaunen und zu seiner höchsten Freude mit der ganzen Sache bekannt.