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Ich erhalte an dem Grafen Strutwell einen Protektor, auf den ich sehr baue. Banter reißt mich aus dem Irrtum
Da bisher alle meine Heiratsspekulationen fehlgeschlagen waren, begann ich, meine Fähigkeiten zur Brautschatzjägerei in Zweifel zu ziehen, und war deshalb darauf bedacht, einen Posten bei der Regierung zu bekommen. In der Absicht suchte ich die Bekanntschaft mit den Lords Straddle und Swillpot zu unterhalten, deren Väter bei Hofe viel Einfluß hatten. Diese beiden jungen Kavaliere nahmen die Schritte, die ich ihnen entgegen tat, so gut auf, als ich es nur verlangen konnte. Ich begleitete sie auf ihren nächtlichen Schwärmereien, und wir speisten oft zusammen des Mittags in Wirtshäusern, wo ich die Ehre hatte, ihre Zeche zu bezahlen.
Eines Tages ergriff ich die Gelegenheit, da sie mich mit Freundschaftsversicherungen überhäuften, ihnen mein Verlangen zu eröffnen, in einem erträglichen, aber nicht mühsamen Posten angestellt zu werden, und sie um ihre kräftige Verwendung dringend anzusuchen.
Swillpot schüttelte mir die Hand und schwor mir zu, ich könne auf seine Dienstwilligkeit rechnen. Der andere beteuerte, niemand würde stolzer sein als er, meine Aufträge bestens zu besorgen. Diese Erklärungen machten mich so dreist, daß ich gegen sie den Wunsch äußerte, ihren Vätern vorgestellt zu werden, weil sie imstande wären, mir mit eins zu helfen.
Swillpot eröffnete mir ganz frank und frei, er habe seinen Vater seit drei Jahren nicht gesprochen; und Straddle versicherte, sein Vater habe neulich den Minister vor den Kopf gestoßen, indem er im Oberhause eine Protestaktion unterschrieben und dadurch jetzt nicht imstande wäre, seinen Freunden zu dienen. Allein er machte sich anheischig, mir zur Bekanntschaft des Grafen Strutwell behilflich zu sein, der ›ein Herz und eine Seele‹ mit einer gewissen Person sei, die ganz das Heft in Händen habe.
Ich nahm dies Anerbieten mit dem größten Dank an und drang in der Folge, trotz der unzähligen Ausflüchte, die er machte, so lebhaft in ihn, daß er sich notgedrungen bereit fand, mir Wort zu halten. Sonach führte er mich zu jenem großen Mann. Indes er zu einer Privataudienz vorgelassen wurde, befand ich mich in dem Vorzimmer unter einer starken Schar von Bewerbern. Nach einigen Minuten kam er mit Seiner Lordschaft aus dem Kabinett. Sie nahmen mich bei der Hand, versicherten, mir zu dienen, wo sie nur könnten, und bezeigten Verlangen, mich öfter bei sich zu sehen.
Dieser Empfang machte mich außerordentlich froh. Wiewohl ich mehrmals gehört hatte, daß auf hofmännische Versprechungen nicht zu bauen sei, so glaubte ich doch soviel Milde und Aufrichtigkeit im Wesen des Grafen entdeckt zu haben, daß ich nicht zweifelte, unter seiner Protektion meine Rechnung zu finden. Ich beschloß daher, seine Erlaubnis zu nutzen, und wartete ihm beim nächsten Audienztage wieder auf. Er beehrte mich mit einem auszeichnenden Lächeln, drückte mir die Hand und wisperte mir zu, er wünschte mich gern auf eine halbe Stunde zu sprechen, wenn er keine Geschäfte habe. Zu dem Zweck lud er mich den folgenden Morgen auf eine Tasse Schokolade zu sich.
Ich gehorsamte pünktlich dieser Einladung, die meiner Eitelkeit und meiner Erwartung nicht wenig schmeichelte, und fand mich zur anberaumten Zeit bei Seiner Lordschaft ein. Als ich an die Haustür geklopft hatte, schloß sie der Portier auf und hielt sie halb offen. Zugleich stellte er sich dazwischen, wie ein Soldat in eine Bresche, um mir den Eingang streitig zu machen.
Ich fragte, ob sein gnädiger Herr schon auf sei. Er antwortete mit säuerlichem Gesicht: »Nein.« – »Um welche Zeit pflegt er denn gewöhnlich aufzustehen?« fragte ich. – »Manchmal früher, manchmal später«, war seine Antwort, indem er die Tür immer mehr zumachte. Darauf sagte ich ihm, ich sei auf persönliche Einladung seines Herrn gekommen, worauf dieser Zerberus erwiderte: »Darüber habe ich keine Order bekommen.« Schon war er im Begriff, die Tür zu schließen, als ich mich plötzlich besann, ihm eine Krone in die Hand drückte und ihn bat, sich doch bitte zu erkundigen, wann der Herr Graf aufstände. Der griesgrämige Torwart wurde etwas milder, sowie er das Geld berührt hatte, das er mit der Gleichgültigkeit eines Steuereinnehmers empfing. Er wies mich in ein Vorgemach und sagte mir, ich möchte hier so lange warten, bis sein Herr aufgestanden wäre.
Dort hatte ich keine zehn Minuten gesessen, als ein Lakai hereintrat und mich, ohne zu sprechen, anstarrte. Ich legte dies so aus, als wolle er mich fragen: Was ist Ihr Begehren, Sir? Daher tat ich ebendie Frage an ihn, die ich zuerst an den Portier hatte ergehen lassen. Der Bediente gab mir die nämliche Antwort und verschwand, ehe ich weitere Erkundigungen einziehen konnte. In kurzem war er unter dem Vorwande, das Kaminfeuer aufzustören, wieder da und betrachtete mich von neuem sehr ernsthaft. Nunmehr begann ich seine Meinung einzusehen und steckte ihm eine halbe Krone zu. Anbei bat ich ihn, so gut zu sein und mich bei dem Herrn Grafen zu melden. »Sehr wohl, Sir«, versetzte er mit einem tiefen Bückling und verschwand.
Mein Geschenk war nicht weggeworfen. Er kam einen Augenblick darauf wieder zurück und führte mich in ein Zimmer, wo ich sehr freundlich und vertraulich von Seiner Lordschaft empfangen wurde, die eben aufgestanden waren und in Schlafrock und Pantoffeln gingen.
Nach dem Frühstück ließ er sich mit mir in eine Unterredung über meine Reisen ein, über das, was ich gesehen und erlebt hatte, und fühlte mir wegen meiner Kenntnisse scharf auf den Zahn. Meine Antworten schienen ihm sehr zu gefallen; er schüttelte mir häufig die Hand, blickte mit besonderem Wohlgefallen auf mich und sagte, ich könnte auf seine eifrigste Verwendung beim Ministerium rechnen.
»Leute von Ihren Talenten«, setzte er hinzu, »sollten von jeder Regierung hochgeschätzt werden. Ich meinerseits finde so wenig verdienstvolle Personen, daß ich es mir zum Grundsatz gemacht habe, nach allen Kräften Leute zu fördern, die nur einigermaßen Kopf und Sitten haben. Bei Ihnen findet man beides in großem Maße, und Sie werden noch einmal, wenn ich mich nicht sehr irre, eine ansehnliche Rolle spielen. Doch müssen Sie nicht glauben, anders als stufenweise zu dem Gipfel Ihres Glückes zu gelangen. Rom ward bekanntlich nicht in einem Tage erbaut. – Da Sie sich so gut auf Sprachen verstehen – was meinen Sie, wenn ich Ihnen zu einer Legationssekretärstelle verhülfe?«
Ich versicherte Seiner Lordschaft mit vieler Lebhaftigkeit, daß nichts meiner Neigung gemäßer wäre. »Nun, dann seien Sie ganz ruhig«, sagte er, »die Sache ist so gut wie abgemacht; ich habe auf einen Posten von der Art bereits mein Augenmerk gerichtet.« Dieser Beweis seiner Großmut rührte mich so sehr, daß ich eine Zeitlang unfähig war, ihm dafür meine Dankbarkeit zu bezeigen. Endlich strömte ich in Lobsprüchen über seine gütige Gesinnung aus und äußerte, daß ich so vieler Huld nicht wert sei. Ja, ich konnte mich über das edle Benehmen des großmütigen Lords nicht der Tränen erwehren.
Kaum wurde der Graf dies gewahr, so schloß er mich in seine Arme und küßte mich, dem Anschein nach mit väterlicher Zuneigung. Höchst betroffen und beschämt über dies ungewöhnliche Beispiel von Zärtlichkeit gegen einen Fremden saß ich einige Minuten lang ganz still. Endlich stand ich auf und beurlaubte mich. Strutwell versicherte mir noch zuvor, er würde noch heute meinethalben mit dem Minister sprechen. Zugleich ersuchte er mich, nicht mehr am Morgen mich zu ihm zu bemühen, sondern allezeit um dieselbe Stunde an drei Tagen in der Woche zu ihm zu kommen, an welchen er einige Muße habe.
So feurig nun auch meine Erwartungen waren, so beschloß ich dennoch, meine günstigen Aussichten niemandem, selbst Strap nicht, zu entdecken, bis ich des Erfolges gewisser sei, mittlerweile aber mit den Bittgängen bei meinem hohen Gönner fortzufahren.
Als ich meinen Besuch erneuerte, fand ich die Haustür wie durch einen Zauber für mich offenstehen. Auf dem Wege nach dem Audienzzimmer aber begegnete mir der Kammerdiener und warf einige wütende Blicke auf mich, deren Bedeutung ich nicht einsehen konnte. Der Graf empfing mich beim Eintritt mit einer zärtlichen Umarmung und wünschte mir zu seinem guten Erfolge beim Premierminister Glück. Seine Empfehlung, sagte er, wäre der Fürsprache zweier anderer Kavaliere vorgezogen worden, die sich für ihre Freunde sehr lebhaft verwendet hätten. Er habe das ausdrückliche Versprechen erhalten, daß ich als Sekretär eines Gesandten und Ministers an einem gewissen auswärtigen Hof sollte angestellt werden, der in wenigen Wochen dahin abgehen würde. Mein großes Glück traf mich wie ein Donnerschlag, und ich konnte nichts darauf erwidern, als daß ich vor meinem Wohltäter niederkniete und mich bemühte, ihm die Hand zu küssen. Dieses unterwürfige Benehmen wollte er nicht leiden, er hob mich auf und drückte mich mit erstaunlicher Gemütsbewegung an seine Brust. Zugleich sagte er mir, er habe es einmal fest beschlossen, mein Glück zu machen.
Seine Wohltat erlangte dadurch noch einen höheren Wert, daß er ihre Bedeutung scheinbar überging und das Gespräch auf einen anderen Gegenstand lenkte. Wir kamen auf das schönwissenschaftliche Fach, worin der Lord große Kenntnisse und Geschmack zeigte und eine genaue Bekanntschaft mit Schriftstellern des Altertums an den Tag legte.
»Hier ist ein Buch«, sagte er, indem er es aus dem Busen hervorzog, »das mit großer Eleganz und vielem Geist geschrieben ist; und wiewohl dessen Inhalt einigen engherzigen Leuten anstößig sein mag, so wird doch der Verfasser von geistreichen Personen und wahren Literaturkennern sehr hoch geschätzt.« Indem er dies sagte, gab er mir einen Petronius Arbiter in die Hand und befragte mich um meine Meinung über dessen Kopf und Manier. Ich versetzte, meines Erachtens wäre dies Werkchen mit vieler Leichtigkeit und Lebhaftigkeit geschrieben, aber der Stoff so unanständig, so ausgelassen üppig, daß das Buch bei Personen von Sitten und Geschmack keine freundschaftliche Aufnahme verdiente. »Ich gebe zu«, erwiderte der Graf, »daß die Knabenliebe im allgemeinen verrufen und strafbar ist; aber vielleicht ist das mehr auf Vorurteil und Mißverständnis zurückzuführen als auf wahren Verstand und Überlegung. Der beste Mann der Antike soll dieser Leidenschaft gefrönt haben; einer ihrer weisesten Gesetzgeber soll ihre Duldung empfohlen haben; die berühmtesten Dichter hatten keine Skrupel, sie anzuerkennen. In unseren Tagen ist sie nicht nur im ganzen Osten Sitte, sondern auch in den meisten Teilen Europas; in unserem eigenen Lande gewinnt sie immer mehr Boden und wird aller Wahrscheinlichkeit nach in kurzer Zeit ein modischeres Laster werden als einfache Weiberliebe. In der Tat läßt sich mancherlei zu ihrer Rechtfertigung anführen; denn trotz aller Strenge, mit der das Gesetz gegen Sünder dieser Art vorgeht, muß man zugeben, daß diese Leidenschaft keine so fluchwürdige Last für die Gesellschaft bedeutet, wie sie aus einer Rasse elender und treuloser Bastarde hervorgeht, die entweder von ihren Eltern ermordet oder dem größten Elend und Jammer überlassen oder auf Kosten der Allgemeinheit großgezogen werden. Außerdem verhindert diese Liebe die Zügellosigkeit vieler junger Mädchen und die Prostitution der Ehefrauen anständiger Männer; ganz zu schweigen von Gesundheitsschädigungen, die bei der Knabenliebe weit geringer sind als bei der üblichen Weiberliebe, die die Konstitution unserer jungen Leute ruiniert und eine schwächliche Nachkommenschaft erzeugt hat, die von Generation zu Generation mehr entartet. Nein, mir ist gesagt worden, daß es noch einen Beweggrund gibt, dieser Neigung zu huldigen, einen Grund, mächtiger als alle anderen, nämlich die köstliche Lust, die damit verbunden ist.« Diese Rede brachte mich auf die Gedanken, der Lord sei, weil ich gereist wäre, auf die Besorgnis geraten, ich möchte im Auslande von dieser unrechtmäßigen, schändlichen Leidenschaft angesteckt worden sein. Durch diesen vermeintlichen Verdacht aufgeregt, disputierte ich dagegen als gegen ein natur- und vernunftwidriges Gelüst von den verderblichsten Folgen und erklärte meinen vollen Abscheu in folgenden Versen des Satirikers:
Gebrandmarkt sei mit ewger Schande
Der Bösewicht, der unserm Lande
Den fremden Frevel zugebracht!
Ihn, der die frohe Liebe tötet!
Vor dem die Menschheit tief errötet
Und der den Mann zum Weibe macht.
Der Graf lächelte über meinen Unwillen, sagte, er wäre erfreut, daß ich mit ihm gleicher Meinung sei, und setzte hinzu, er habe jenen Satz nur behauptet, um ihn von mir beantwortet zu hören; und er müsse gestehen, ich hätte dies auf eine Art getan, womit er sehr zufrieden sei.
Durch diesen Diskurs hatte sich meine Audienz sehr in die Länge gezogen, und ich sah nach der Uhr, um mich mit meinem Aufbruch danach zu richten. Seine Lordschaft äußerten, wie sie das gravierte Gehäuse erblickten, ein Verlangen, es näher in Augenschein zu nehmen, und bezeigten sodann ihren Beifall über Erfindung und Ausführung.
Ich hielt dafür, daß ich, in Betracht der Verbindlichkeiten, die ich gegen diesen Herrn hatte, keine günstigere Gelegenheit als die jetzige finden könnte, ihm meine Dankbarkeit einigermaßen an den Tag zu legen. Daher bat ich ihn, mir die Ehre zu erzeigen und diese Uhr als ein schwaches Merkmal der Empfindungen anzunehmen, die mir seine Großmut eingeflößt hätte. Allein der Graf schlug dies rund ab und sagte, es täte ihm leid, daß ich ihn für so eigennützig hielte. Zugleich machte er noch die Anmerkung, er habe noch nie so schöne Arbeit als an dieser Uhr gesehen, und wünschte zu wissen, wo dergleichen zu bekommen wäre.
Tausendmal bat ich ihn wegen der Freiheit um Verzeihung, die ich mir genommen habe, und ersuchte ihn dringend, sie keinem anderen Beweggrund als der höchsten Verehrung für seine Person zuzuschreiben. Anbei gestand ich ihm, daß die Uhr durch ein Ungefähr aus Frankreich in meine Hände geraten sei und daß ich den Verfertiger nicht wisse, da sein Name nicht inwendig stehe. Zugleich flehte ich ihn auf das demütigste noch einmal an, mir die Gnade zu erzeigen und sie anzunehmen.
Er weigerte sich von neuem sehr ernstlich und war dabei so herablassend, mir für mein großmütiges Anerbieten zu danken. »Es ist«, setzte er hinzu, »ein Geschenk, das kein Kavalier anzunehmen sich schämen darf; allein ich bin fest entschlossen, mich gegen Sie, für den ich eine ganz besondere Zuneigung gefaßt habe, uneigennützig zu beweisen. Sagen Sie mir daher – wenn Sie etwa willens sind, die Uhr abzulassen –, was sie kostet, damit ich Sie wenigstens durch Erstattung des dafür gegebenen Geldes schadlos halte.«
Ich versicherte Seiner Lordschaft abermals, daß ich es für ein ungemeines Merkmal ausgezeichneter Gewogenheit für mich ansehen würde, wenn er die Uhr ohne weitere Bedingungen annähme. Um mir nun nicht mißfällig zu werden, ließ er sich endlich zu meinem nicht geringen Vergnügen bereden, sie einzustecken. Unmittelbar darauf empfahl ich mich. Er drückte mir beim Abschiede freundlich die Hand und versicherte, ich könne auf sein Versprechen zählen.
Über diesen Empfang schwamm ich wieder ganz oben, und das freudige Gefühl weitete mein Herz so sehr, daß ich eine Guinee unter die Lakaien austeilte, die mich bis zur Tür begleiteten. Damit noch nicht zufrieden, flog ich in Lord Straddles Logis und nötigte ihm, als ein Zeichen meiner Erkenntlichkeit für den mir geleisteten großen Dienst, meinen Diamantring auf. Von da eilte ich nach Hause, in der Absicht, Strap an meinem Glück teilnehmen zu lassen. Doch beschloß ich, um sein Vergnügen zu erhöhen, ihn erst niederzuschlagen, damit die gute Nachricht ihm nachher desto besser schmecken möchte. Zu dem Zweck stellte ich mich verdrießlich und trostlos und sagte ihm mit brüskem Ton, ich hätte die Uhr und den Diamanten verloren. Der arme Schelm, der sich über ähnliche Nachrichten schon die Schwindsucht angegrämt hatte, hörte dies kaum, als er, außerstande, sich zu bemeistern, mit verstörten Blicken ausrief: »Da sei Gott im Himmel vor!«
Länger konnte ich das Possenspiel nicht treiben. Ich lachte ihm ins Gesicht und erzählte genau alles, was vorgefallen war. Seine Gesichtszüge veränderten sich gleich, und der Glückswechsel, der mich traf, rührte ihn so, daß er vor Freuden weinte und den Lord Strutwell ein köstliches Kleinod, einen Phönix und Rara avis nannte. Zugleich pries er Gott, daß unter unserem Adel doch noch immer einige Tugend zu finden sei. Als unsere gegenseitigen Glückwünsche vorüber waren, ließen wir unserer Einbildungskraft freien Lauf und genossen unseres Glückes im voraus. Wir taumelten alle Stufen unserer Beförderung hinauf, bis ich zum Posten eines Premierministers und er meines ersten Sekretärs gelangt war.
Von diesen Vorstellungen berauscht, ging ich nach dem Speisehause, wo ich Banter antraf. Ich vertraute ihm die ganze Sache und schloß mit der Versicherung, ihm in Zukunft alle nur möglichen Dienste zu leisten. Er hörte mir mit vieler Geduld bis zu Ende zu. Darauf sah er mich mit einem Blick der Verachtung eine gute Weile an und sagte: »Sie glauben also, daß nun alles in Richtigkeit ist?« – »So gut als in Richtigkeit«, war meine Antwort. – »Ich will Ihnen sagen«, entgegnete er, »was die ganze Sache in Richtigkeit bringen kann: ein Strick! – Potz Element! Wäre ich so ein Schafskopf gewesen und hätte mich von zwei solchen Schuften wie Strutwell und Straddle an der Nase führen lassen, so hinge ich mich gleich ohne Bedenken auf.«
Dieser Ausbruch wurmte mich, und ich bat mit einiger Betroffenheit, er möchte sich darüber deutlicher erklären. Darauf gab mir Banter zu verstehen, Straddle sei ein armer, verächtlicher Wicht, der sich allein durch Borgen und Kuppeln unter seinen Mitpeers zu erhalten suche. Bloß in der letzten Rücksicht habe er mich unstreitig bei Strutwell eingeführt. Dieser wäre wegen der Leidenschaft für sein Geschlecht so berüchtigt, daß er sich wundere, wie mir davon noch nichts zu Ohren gekommen sei. Statt daß dieser Mann mir den versprochenen Posten zu verschaffen imstande sein sollte, wäre sein Einfluß bei Hofe vielmehr so gering, daß er kaum einmal im Jahr einen ausgedienten Lakaien beim Zoll oder bei der Akzise unterzubringen vermöchte.
Fremde, fuhr der Erzähler fort, pflege der Lord immer mit solchen Schmeicheleien und Versprechungen hinzuhalten, wie er an mich verschwendet habe, bis er ihnen ihre Kasse und alles, was sie nur von Wert besäßen, abgenommen hätte; ja oft brächte er sie sogar um ihre Keuschheit und ließe sie sodann einen Raub des Mangels und der Schande werden. Seine Bedienten bekämen keinen anderen Lohn als ihren Anteil an der Beute; sie müßten auf eine geschickte Art Nachlese halten. Übrigens sei sein Benehmen gegen mich so in die Augen springend gewesen, daß niemand, der nur einige Weltkenntnis gehabt, sich durch seine Vorspiegelungen würde haben anführen lassen.
Ich stelle es meinen Lesern anheim, zu urteilen, wie mir diese Nachrichten gefallen haben. Vom höchsten Gipfel der Hoffnung war ich nun dadurch in den tiefsten Abgrund der Verzweiflung gestürzt und fast dem Entschluß nahe, Banters Rat zu befolgen und meinem Verdruß durch den Strick ein Ende zu machen. Ich hatte nicht Ursache, meines Freundes Wahrhaftigkeit in Zweifel zu ziehen, weil ich bei einigem Nachdenken fand, daß Strutwells ganzes Betragen genau zu der eben erhaltenen Schilderung seines Charakters paßte. Seine Umarmungen, sein Händedrücken und seine feurigen Blicke waren mir nun kein Geheimnis mehr; ebensowenig seine Verteidigung des Petronius und die finstere Miene des Kammerdieners, der, wie es schien, der Lieblings-Ganymed des Lords war und eine Anwandlung von Eifersucht fühlte.