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Am dritten Weihnachtsfeiertag war Nikolai zu Hause, was in letzter Zeit selten vorkam. Es war ein Abschiedsmahl, da er am Heiligdreikönigstag mit Denissow zum Regimente abreisen wollte. Es waren gegen zwanzig Herren geladen, darunter auch Dolochow und Denissow. Niemals hatte im Hause Rostows die Atmosphäre der Verliebtheit sich mit solcher Kraft zu erkennen gegeben wie in diesen Feiertagen. »Benutze den Augenblick des Glücks, lasse dich lieben und verliebe dich selbst! Das allein ist das Wahre in der Welt, alles übrige ist Unsinn!« sprach diese Atmosphäre.
Nikolai jagte zwei Paar Pferde müde, um alle seine Bekannten zu besuchen und kam vor Tisch nach Hause. Bald bemerkte er eine seltsame Verwirrung, die zwischen verschiedenen Gliedern der Gesellschaft herrschte; besonders erregt schienen Sonja, Dolochow, die alte Gräfin und in geringerem Grade auch Natalie. Nikolai begriff, daß vor Tisch zwischen Sonja und Dolochow etwas vorgefallen sein mußte, und wurde in dieser Vermutung noch dadurch bestärkt, daß Dolochow sogleich nach Tisch nach Hause fuhr. Er rief Natalie zu sich und fragte, was das zu bedeuten habe.
»Ich habe es dir gesagt, aber du wolltest mir immer nicht glauben«, sagte sie triumphierend, »er hat Sonja einen Heiratsantrag gemacht!«
So wenig sich auch Nikolai um diese Zeit Sonja widmete, empfand er doch bei diesen Worten ein Gefühl, als ob in seinem Innern etwas zerreiße. Dolochow war eine gute, in mancher Beziehung sogar eine glänzende Partie für eine Waise ohne Vermögen. Vom Standpunkte der alten Gräfin und der Welt war nichts gegen ihn einzuwenden, und deshalb war Nikolais erstes Gefühl ein Groll auf Sonja. Er wollte antworten: »Schön! Versteht sich! Sie muß die kindlichen Versprechungen vergessen und den Antrag annehmen.« Aber er kam nicht dazu, dies auszusprechen.
»Kannst du dir vorstellen, sie hat abgelehnt«, fuhr Natalie fort. »Sie sagte, sie liebe einen anderen.«
»Ja, anders konnte meine Sonja nicht handeln«, dachte Nikolai.
»So viel auch Mama sie bat, sie blieb dabei, und ich weiß, sie ist nicht davon abzubringen, wenn sie einmal etwas gesagt hat . . .«
»Oh, Mama hat ihr zugeredet?« fragte Nikolai vorwurfsvoll.
»Ja. Weißt du, Nikolai, ärgere dich nicht! Ich weiß, du wirst sie nicht heiraten, und ich bin überzeugt, du wirst überhaupt nicht heiraten.«
»Nun, davon verstehst du nichts«, erwiderte Nikolai. »Aber ich muß mit ihr sprechen. Wie entzückend ist diese Sonja!«
»Ja, entzückend! Ich werde sie dir senden.«
Natalie küßte den Bruder und eilte davon.
Nach wenigen Augenblicken trat Sonja erschreckt, verwirrt und schuldbewußt ein. Nikolai ging auf sie zu und küßte ihre Hand. Dies war das erstemal seit seiner Ankunft, daß sie unter vier Augen miteinander sprachen und daß sie von ihrer Liebe sprachen.
»Sophie«, sagte er, anfangs schüchtern und dann immer kühner, »wenn Sie eine passende, sogar glänzende Partie zurückweisen wollen . . . er ist ein sehr hübscher, edler Mensch . . . und mein Freund . . .«
Sonja unterbrach ihn. »Ich habe schon abgelehnt«, sagte sie rasch.
»Wenn Sie meinetwegen ablehnten, so fürchte ich, daß ich . . .«
Sonja unterbrach ihn wieder mit bittenden, erschreckten Blicken. »Nikolai, sprechen Sie nicht davon!«
»Nein, ich muß sprechen. Wenn Sie meinetwegen ablehnten, so muß ich Ihnen die ganze Wahrheit sagen. Ich liebe Sie, ich glaube mehr als alle!«
»Das ist mir genug«, sagte Sonja.
»Und tausendmal habe ich mich verliebt und werde ich mich verlieben, obgleich ich ein solches Gefühl der Freundschaft, des Vertrauens, der Liebe für niemand hege außer für Sie! Außerdem bin ich auch noch jung. Mama will es nicht, nun . . . ganz einfach . . . ich verspreche nichts, und ich bitte Sie, den Antrag Dolochows zu überlegen«, sagte er.
Es kostete ihm Mühe, den Namen seines Freundes auszusprechen.
»Sprechen Sie nicht mehr davon! Ich verlange nichts, ich liebe Sie wie einen Bruder und werde Sie immer lieben, und mehr bedarf ich nicht.«
»Sie sind ein Engel! Ich bin Ihrer nicht würdig, ich fürchte Sie zu betrügen!«
Nikolai küßte nochmals ihre Hand.