Leo N.Tolstoi
Krieg und Frieden
Leo N.Tolstoi

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Bald darauf kam zu Peter in das dunkle Zimmer anstatt des Rhetors der Bürge Willarsky, den er an der Stimme erkannte. Auf die neue Frage nach der Festigkeit seines Vorsatzes antwortete Peter mit strahlendem, kindlichem Lächeln: »Ja, ja, ich bin einverstanden«, und ging vorwärts nach dem von Willarsky auf ihn gerichteten Degen. Dann wurde Peter mit verbundenen Augen auf Umwegen durch verschiedene Korridore geführt und endlich vor die Tür der Loge. Willarsky hustete, worauf Hammerschläge antworteten und die Tür sich vor ihm öffnete. Eine Baßstimme fragte ihn, wer er sei, wo und wann er geboren sei und so weiter. Dann wurde er wieder mit verbundenen Augen fortgeführt und seine Begleiter sprachen in Allegorien von den Mühsalen seiner Reise, von der geheiligten Freundschaft, von dem ewigen Schöpfer der Welt und dem Mute, mit dem er die Mühsale und Gefahren bestehen solle. Peter hörte, wie seine Begleiter uneinig waren und flüsternd über etwas stritten. Der eine bestand darauf, daß er auf den Teppich geführt werden solle. Darauf wurde seine rechte Hand ergriffen und auf etwas Unbekanntes gelegt, und man befahl ihm, mit der linken einen Zirkel auf der linken Brust anzudrücken und den Gesetzen des Ordens den Eid der Treue zu leisten, den ein anderer vorsprach. Dann wurde die Kerze ausgelöscht und Spiritus angezündet, was Peter am Geruch bemerkte, man sagte ihm, er werde das kleine Licht sehen. Die Binde wurde ihm abgenommen und Peter sah wie im Traum im schwachen Licht der Spiritusflamme einige Leute in ebensolchen Gewändern wie der Rhetor, welche ihm gegenüberstanden und den Degen auf seine Brust gerichtet hielten. Zwischen ihnen stand ein Mann mit blutigem Hemd. Peter bewegte sich vorwärts gegen die Degen, um sich von ihnen durchbohren zu lassen, aber die Degen wichen zurück und die Binde wurde ihm wieder angelegt.

»Du hast das kleine Licht gesehen«, sagte ihm eine Stimme. Dann wurden wieder Kerzen angezündet und man sagte, er möge das volle Licht sehen. Wieder wurde die Binde abgenommen und mehr als zehn Stimmen riefen zugleich: »Sic transit gloria mundi.«

Peter begann sich zu fassen und blickte sich im Zimmer um. Um einen langen, mit schwarzem Tuch bedeckten Tisch saßen zwölf Männer, alle in denselben Gewändern, die er vorhin gesehen hatte. Einige waren Peter bekannt. Auf dem Stuhl des Vorsitzenden saß ein unbekannter junger Mann mit einem Kreuz um den Hals. Alle beobachteten ein feierliches Schweigen und hörten auf die Worte des Vorsitzenden, der den Hammer in der Hand hielt. An der Wand sah er glänzende Sterne. Auf der einen Seite des Tisches war ein kleiner Teppich mit verschiedenen Figuren darauf, auf der anderen Seite stand eine Art von Altar mit der Bibel und dem Menschenschädel. Auf dem Tisch standen sieben große Kirchenkerzen. Zwei der Brüder führten Peter an den Altar, brachten seine Füße in rechtwinkelige Stellung und befahlen ihm, sich niederzulegen.

»Er muß zuerst die Kelle erhalten«, sagte flüsternd einer der Brüder.

»Ach, hören Sie auf damit«, erwiderte ein anderer.

Peter blickte sich mit seinen kurzsichtigen Augen ringsum und plötzlich entstanden in ihm Zweifel.

»Wo bin ich? Was tue ich? Wird man nicht über mich lachen? Werde ich mich nicht mit Beschämung dessen erinnern?« Aber seine Zweifel dauerten nur einen Augenblick. Peter sah die ernsthaften Gesichter der ihn Umgebenden, erinnerte sich an alles, was er schon durchgemacht hatte und begriff, daß er nicht auf halbem Wege stehenbleiben konnte. Er entsetzte sich über seine Zweifel und bemühte sich, das frühere wonnige Gefühl wieder zu erwecken. Und wirklich, es erschien noch stärker als zuvor. Nachdem er einige Zeit gelegen hatte, wurde ihm befohlen, aufzustehen. Man legte ihm ein ebensolches weißes ledernes Gewand um, wie es die anderen trugen, gab ihm eine Kelle in die Hand und drei Paar Handschuhe. Darauf sagte ihm der Großmeister, er solle sich hüten, jemals dieses weiße Gewand zu beflecken, das die Festigkeit und Sittsamkeit vorstelle. Dann sagte er von der Kelle, er solle sich bemühen, damit sein Herz von den Lastern zu reinigen. Endlich teilte er ihm über das erste Paar Handschuhe mit, daß er ihre Bedeutung nicht erfahren könne, die Handschuhe aber behalten solle. Über das andere Paar sagte er, er solle sie in Gesellschaften tragen, und über das dritte Paar, welches Damenhandschuhe waren, belehrte er ihn: »Lieber Bruder, auch diese Frauenhandschuhe sind für Sie bestimmt. Geben Sie sie dem Weibe, welches Sie mehr als alle andern verehren. Damit versichern Sie diejenige, die Sie als würdig eines Freimaurers auswählen, der Sittsamkeit Ihres Herzens. Aber achte wohl darauf, lieber Bruder, daß diese Handschuhe nicht unreine Hände schmücken.«

Peter blickte sich unruhig um, und es entstand ein peinliches Schweigen, welches durch einen der Brüder unterbrochen wurde, indem er Peter auf den Teppich führte und aus einem Heft die Erklärung aller darauf abgebildeten Figuren, Sonne, Mond, Hammer, Senkblei, Kelle, Würfel, Säule, drei Feuer und so weiter vorlas. Dann wurde Peter ein Platz angewiesen. Man zeigte ihm das Zeichen der Loge, nannte ihm das Losungswort zum Eintritt und endlich wurde ihm erlaubt, sich niederzusetzen. Der Großmeister begann die Statuten vorzulesen. Peter war in seiner Freude und Aufregung nicht imstande, alles zu begreifen, was vorgelesen wurde. Mit Freudentränen in den Augen blickte er um sich, ohne zu wissen, was er auf die Begrüßungsworte der Bekannten, die ihn umgaben, antworten sollte. Der Großmeister klopfte mit dem Hammer, alle setzten sich an ihre Plätze und der eine las eine Belehrung über die Notwendigkeit des Gehorsams vor. Der Großmeister forderte ihn auf, die leichten Verpflichtungen zu erfüllen, und ein vornehmer Würdenträger begann die Brüder einzeln zu befragen. Peter wollte auf dem Blatt der Almosen alles Geld verschreiben, das er besaß, aber er befürchtete, daß das für Hochmut angesehen werden könnte und unterschrieb daher nur so viel wie die anderen. Die Sitzung wurde aufgehoben, und nach seiner Rückkehr glaubte Peter von einer fernen Reise zurückzukommen, gänzlich verändert und fern von den früheren Lebensgewohnheiten.


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