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Moderne Ballade

Auf seinem Lager wacht er lange,
Das Denken unter einem Zwange,
Und wallt sein Blut in wildem Drange,
Er zwingt den Puls, der stürmisch geht;
Dann springt er auf, empor getrieben,
Fährt hastig fort, wo er geblieben,
Nun wird gerechnet und geschrieben –
Und Satan auf der Schwelle steht.

Und Schrauben, Hebel, Rädchen, Röhren
Fügt er und prüft er; sie gehören
Zum Werk, berufen zu zerstören,
Er rechnet eifrig, schweißbedeckt –
Nun fand er blitzschnell, wie er's löse,
Ein Druck nur an der Mitrailleuse,
Ein Federdruck, und mit Getöse
Sind tausend Kämpfer hingestreckt.

Mit dem Ballon emporzusteigen,
Und in des Dunkels weitem Schweigen,
Wo sich des Feindes Zelte zeigen
Halt machen wie ein Meteor,
Ein Griff, und hundert Schlünde speien
Verderben nieder in die Reihen –
Er hört das Ächzen schon und Schreien,
Zum Himmel spritzt das Blut empor.

Dann unterm Mantel dunkler Wogen,
Kaum von dem Lüftchen überflogen,
Mit dem Torpedo hingezogen
Unsichtbar, leise, unters Boot –
Mit einem Ruck der Hand, der schnellen,
Muß es im Dynamit zerschellen,
Es färbt die Lohe rot die Wellen,
Und alles ist dann still und tot!

So ist sein täglich Trachten, Dichten,
Er prüft an Achsen und Gewichten –
Wird er's erlangen, wird's verrichten?
Wer zählt die Mühen früh und spät!
Des Todes Scherge ist er worden,
Durch ihn verheert die Welt das Morden
Und würgen wilder sich die Horden –
Und Satan auf der Schwelle steht.

Er sieht sich schon, des Glückes Gaben
In schwarzer Faust, ihn all zu laben,
Sieht sich gefeiert und erhaben,
Bis heut ein Ungekannter noch.
Nun hat er Orden, hat er Ehren,
Was Gunst der Großen kann gewähren,
Und Geld und Liebe nach Begehren –
Nun glühe, Hirn, und Herz, nun Poch!

Was Städte, die gestürzt im Qualme?
Was sind ihm die zerstampften Halme?
Zerrissne Glieder? Ihm die Palme,
Ihm Ruhm und alles Glückes Huld!
Was Blut, der Witwen, Waisen Klagen?
Was Schädel, die zerspällt, zerschlagen –
Ihn wird sein Stern nach oben tragen:
Die Welt will's – sein ist nicht die Schuld.

Er ist der Menschheit großer Henker,
Was liebereich, den Geist als Lenker,
Geschaffen Künstler, Dichter, Denker,
Sein Werkzeug wirft es in den Staub.
O der Kultur seltsame Blume!
Er glänzt mit des Erfinders Ruhme,
Der ins Gesicht dem Menschentume
Schlägt mit gehäuftem Mord und Raub.

Froh geht der Bildner aufzubauen,
Der Landmann ackert voll Vertrauen,
Der Vögel Lied klingt auf den Auen
Von Lebensglück, das ringsum weht –
Der Hölle Sohn bei seinen Plänen,
Zerstörung ist sein ganzes Sehnen,
Der Geist der Menschheit ist in Thränen,
Und Satan auf der Schwelle steht.


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