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Der blutige Egil

»Dein Sohn leb' stolz und hochgemut,
Nur trink' er niemals Menschenblut!«

So klang der Hexe Warnungslaut,
Als Egil Gottes Licht erschaut.

Da dies dem König ward gebracht,
Schlug auf den Tisch er voller Macht.

Und lachte, trank und jauchzte so:
»Nun, Kind der Ragnars, lebe froh!

»Nun schließ' die Augen ich in Ruh
Und schreit' getrost den Toten zu!

»Wein giebt's und Gerste übervoll,
Daß er kein Blut mir trinken soll!«

Jung Egil wuchs nun Jahr um Jahr
Zu Stolz und Lust dem Elternpaar.

Der König, der ihm hold erschien,
Belehnte mit neun Höfen ihn,
Daß er als Lehensmann ihm dien'.

Und Egil schützte seinen Grund,
War jung und fröhlich und gesund.

Zuzeiten mit den Mannen keck
Nahm manch' beladnes Boot er weg.

Und was im Sommer sie gefaßt,
Geld, Wein und Korn, in Winters Rast
Ward es in Schmaus und Trunk verpraßt

Bald zog mit achtzehn Boten er
Gefürchtet auf das weite Meer.

Aufs Meer, das weit und grenzenlos
Aufnimmt den Mond in seinen Schoß,

Dem Sternenheer den Spiegel beut,
Der schlafenden Sonne Kraft erneut.

Und lustig fuhren sie hinaus
Und kannten Schrecken nicht und Graus.

Und Egil: Seht, der Mastbaum ragt!
Vorwärts, ihr Jungen, frisch gewagt,
Aufs Wendenpack zu froher Jagd!

Und schon deckt', eh' er enden konnt',
Die Flotte dort den Horizont.

Und wie ein Bild dehnt sie sich breit
Und naht mit des Pfeiles Schnelligkeit.

Die Flaggen zählt Egil allzumal
Und findet, fünfzig sind's an Zahl,

Und kaum erblickt, sind fliegend schier
Auch schon die Wendenschiffe hier,
Schon lodert Egils Kampfbegier.

Seebären sind es, her aus Jom,
Sie bieten eisernen Willkomm.

Und Äxte schmettern donnergleich
Und mächtig schallt der Haken Streich.

Wie Hagelschlag herniedersaust,
Erdröhnt das Schwert in Männerfaust,
Am lautesten, wo Egil haust.

Ein wilder Vogel jeder Kahn,
Die Beute faßt sein scharfer Zahn,
Der Gischt spritzt zischend himmelan.

Ein Angriff voller Kraft und Wut,
In ihren Tiefen stöhnt die Flut.

Geschrei und Ächzen – drüber weg
Tönt Äxtehieb wie Lachen keck,
Ein Schiff, getroffen schwer, wird leck.

Ein zweites, wie vom Pfeil durchzischt,
Ein Vogel sinkt, schwankt tief und mischt
Blutrote Streifen in den Gischt.

Die Flügel schlaff, schwankt's hin und her,
Dann trinkt es sich an Wasser schwer
Und sinkt hinunter in das Meer.

Und Blut, wohin der Blick gewandt,
Im Mittag bald die Sonne stand.

Und Egil ficht, ein König hehr,
Die Sonne oben, unten er.

Den schweren Panzer wirft er hin,
Er stand so wie in Flammen drin.

Und wirft den Helm ab, daß er frei
Und ungehemmt im Streite sei.

Und ficht, bis um die Mittagsstund'
Versinkt das letzte Schiff in Grund.

Von Seinen, die fünfhundert sind,
Nur fünfen Blut aus Wunden rinnt. –

Und Egil seinem Knappen rief:
»Ei solch ein Strauß erquickt mich tief.

»Mein Volk ist voller Glut und Schwung;
Doch hab' ich Durst, schaff' einen Trunk!«

Der Knappe lief, kam bald hernach,
Die Stimme bebt' ihm, als er sprach:

»Herr! Schlimm! Nicht schlimmer kann es sein!
Kein Faß blieb ganz von unserm Wein.

»Und auf dem Deck mit Schaudern ruht
Der Blick; nur Blut fließt da und Blut!« –

»So gieb mir Blut zu trinken Knab',
Daß ich den Tod vom Durst nicht hab'!«

Den Helm hob Egil vom Boden auf –
Der Bursche ging und kam im Lauf.

Und Wein mit Blut im Helme bot
Der Knapp' und sank dann nieder tot.

Und Egil faßte den Eisenkrug,
Und trank ihn aus in einem Zug,
Dann wieder in den Kampf im Flug.

Und weiter an des Sieges Ziel!
Der reichen Beute ward ihm viel.

Der König hört's – mit düstrem Sinn
Fuhr er sogleich nach Bornholm hin.

Er frug: »Ist's wahr, unglaublich fast,
Daß du vom Blut getrunken hast?« –

»Ja, König, wahr ist's! Drauf mein Schwur,
Es ist so, wie dein Ohr erfuhr –
Doch glaub', ich that's in Nöten nur.« –

»So ruf den Beichtiger herbei,
Daß Gott der Herr dir gnädig sei!« –

»Das thu ich, König, ja, ich schick'
Sogleich um ihn.« Und senkte den Blick.

Doch kaum war Knut nach Haus gereist,
Sprach Egil gleich mit trotzigem Geist:

»Was gilt mir Gott und Königs Zank!
Das Blut brennt in mir, das ich trank.

»Nun dürste ich nach neuem Blut,
Genossen, auf, ich führ' euch gut!«

Den ganzen Sommer kreuz und quer
Streift Egils Flotte übers Meer.

Und raubt, was ihr begegnen mag,
Doch Egils Durst wächst Tag um Tag.

Wenn aus der Kampf, loht seine Wut
Und trinken will er Menschenblut.

Aus Helmen nicht, aus Bechern schon
Schlürft Menschenblut der Ragnars Sohn.

Und beim Gelag im Winterfrost
Ist Blut der gierigen Lippen Kost.

Der König hört's und auf der Stell'
Fährt er nach Bornholm windesschnell. –

Und um Weihnachten war es grad,
In Schnee versunken jeder Pfad.

Der Himmel stand in Wolken graus,
Als Knut trat in des Egil Haus.

»Du weißt nicht, Egil, wie's mich kränkt,
Daß du mit Blute dich getränkt.

»Es ist noch Zeit zur Buße dein,
Vollzieh sie, mach' die Seele rein,
Ich will dir wieder gnädig sein.«

Wie vorher sagte Egil zu,
Vergaß es wiederum im Nu. –

Den ganzen Sommer kreuz und quer
Streift Egils Flotte übers Meer.

Und wieder war Weihnachten da
Als Egil bei sich den König sah.

»Du weißt nicht, Egil, wie's mich kränkt,
Doch jetzt, vernimm, wirst du gehenkt
Um Frevel, der nach Sühne drängt.«

Und Egil: »Was dein Groll und Zank!
Mich brennt das Blut nur, das ich trank

»Und häng' mich auf, es ist so gut,
Darf ich nicht trinken Menschenblut.«

Und Egil spricht's und düster leert
Das Glas er, drinnen Blut ihm gärt.

Drauf Knut: »Ein Schiff zog von mir fort,
Es trug die Königin an Bord.

»Mit Purpursegeln, Seidentaun,
Wo, blutiger Egil, ist's zu schaun?« –

»Es sank und sah nicht mehr das Licht,
Ich wollte Blut – mehr weiß ich nicht.«

Drauf Knut: »Ich sandte einen Kahn,
Hellklingend zog er seine Bahn.

»Und Deck und Mast von Blumen voll,
In Bechern Wein wie Feuer schwoll.

»Und lauter Gold und heller Schein –
Sprich, schlug vielleicht der Blitz hinein?

»Für meinen Sohn bracht' er die Braut –
Wer trug das Licht, dem er vertraut?

Und Egil schwieg und sagte dann:
»Ja, meine Fackel zog voran.

Dein Kahn – der Meerschlamm deckt ihn dicht –
Ich wollte Blut, mehr weiß ich nicht.«

Und Knut: »Du weißt nicht, wie's mich kränkt,
Doch, Egil, jetzt wirst du gehenkt.

»Der Galgen steht im Hof bereit,
Wie du gelebt, stirb ohne Leid!«

Und Egil sprach: »Ja, recht hast du,
Nur so wird meinem Durste Ruh,
Wir brauchen kein Geleit dazu.«

Sie gingen. Auf der Schwelle tritt
Entgegen ihnen ein zager Schritt.

Elina war's, die kam herein,
Des Egil lieblich Töchterlein.

Sie zählte kaum noch sieben Jahr,
Ihr Antlitz wie die Blüte war.

Die Haare spielten hell in Gold
Und jede Seele ward ihr hold.

Des Königs Hand ergriff sie bang
Und sprach, es war wie Harfenklang:

»Der Weihnachtsabend bricht herein –
Und soll ich ohne Vater sein?«

So weich erklang der Stimme Ton,
Der König ward bewegt davon.

Er sprach: »Ich tilg' die alte Schuld,
Vergeb', wie Gott vergiebt in Huld!«

So sprach er laut, doch fügt' er bei
Zu Egil flüsternd: »Nun, es sei!

»Dem Kind zu lieb, doch nach dem Fest
Das Urteil sich nicht hemmen läßt.«

Und Egil: »Dank, mein König, dir!
Und nach dem Fest, ich schwör es hier,
Vollzieh den Spruch ich selbst an mir!«

Und Weihnacht war auf Bornholm, weiß
Lag rings der Schnee in weitem Kreis.

Und Schnee ringsum, als wären heut
Auf Erden Lilien verstreut.

Und durch den Winternebel fromm
Des Hofes Weihnachtsschimmer glomm.

Den Baum hat Egil selbst geschmückt,
Vom Lachen seines Kinds beglückt.

Und eine Woche floh gar schnell,
Das neue Jahr stand an der Schwell'.

»Das zählt zur Weihnacht, wenn man's nimmt!«
Sprach Egil dumpf und trüb gestimmt.

Die zweite Woche war geflohn,
Da waren die drei Könige schon.

Und Egil um den Mittag sagt:
»Die letzte Frist, Gott sei's geklagt –
Früh morgen denn, bevor es tagt!«

Auf stand er, küßte eilig nur
Das Kind und that nach seinem Schwur.

Der Wind spielt' mit den Locken sein,
Die Sonne kam in Purpurschein –
Und Knut ritt zum Hof herein.


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