Auf dem Hof zu Bodinkthorpe
War verrauscht die Erntefeier;
Um die Scheunen, um die Halle
Wob die Herbstnacht graue Schleier;
Graue Schleier um die Schläfer,
Die, im Bann des Mets befangen,
Immer noch die Fiedel hörten,
Immer noch im Reih'n sich schwangen;
Schleier um zwei Mädchenaugen,
Die von Tränen überflossen
Und zu ruhelosem Träumen
Spät erst beim Gebet sich schlossen. –
Um den Hof zu Bodinkthorpe
Waren drei nur wach geblieben:
War's um Frevel zu belauschen?
War's, um Frevel zu verüben?
Einer schweift' am nahen Walde
Zwischen Heidekraut und Ginster:
O wie war sein Herz so zornig,
O wie war sein Mut so finster!
An der Buche kalte Rinde
Preßt' er die erglühte Wange;
Ächzend wie ein wundes Wesen
Sank er hin am Hügelhange. –
Einer glitt vom Stoppelfelde
Huschig zu des Zaunes Latten,
Huschig, wie vom Stall zur Scheune
Eines Marders flücht'ger Schatten.
Flink empor am Stamm der Birke
Wand er sich und im Geäste,
Dunkel wie die dunkeln Blätter,
Wiegt' er sich, gewiegt vom Weste. –
Einer, wie auf Diebeszehen,
Schlich vom finstern Erlenhagen,
Wo am Bach zerstreut der Knechte
Rauchgeschwärzte Hütten lagen.
Nächst dem Herrenhaus gekauert
Duckt' er sich und lauschte, lauschte:
Tiefes Schweigen, dann ein Rascheln,
Wie wenn Rohr und Reisig rauschte;
Dann ein Knittern und ein Knirren
Wie beim Plankenübersteigen;
Dann ein Glühn, der wilden Katze
Heisrer Schrei – und tiefes Schweigen.
Durch das große Saalgebäude
Ging ein Hall; es dröhnt' und pochte:
Ob sein guter Geist die Nähe
Arger Geister ahnen mochte?
Arge Geister, rote Schlangen,
Die sich reckten, die sich ballten,
Zischten, zuckten, schlüpften, schossen
Durch die Fugen, durch die Spalten;
Rote Schlangen, rote Flammen,
Überstürzten sich im Rennen:
Wildes Brennen an der Sohle,
Hoch im Giebel wildes Brennen!
Faltenreich im Hauch des Windes
Wogt' ein Kleid von Rauch und Feuer
Um das Strohdach, um die Wände
Von der First zum Grundgemäuer.
Weh dem Leben in der Lohe!
Imma stürzte aus den Bränden
Bleich, entsetzt; ans Tor der Scheune
Schlug sie hart mit beiden Händen.
»Hilfe! Rettet Hildegunden!
Machtlos und mit schwerem Keichen
Liegt der Graf betäubt am Boden,
Und sie will nicht von ihm weichen!«
Doch der Schrei, der messerscharfe,
Weckte nicht die wüsten Träumer;
Aiga nur, die kleine Aiga,
Flog heran und griff zum Eimer.
»O die Bären, wie sie schnarchen!«
Plötzlich, wie der Erd' entwachsen,
Auf des Hofes Mitte ragte
Elmars Haupt, des finstern Sachsen.
Gero hüpft an ihm vorüber,
Unterm Arm ein rauchend Bündel:
»Ach, mein Scharlachkleid; ich sterbe!
Helft! Wo steckt das Dienstgesindel?«
Falk, nun spanne Fang und Feder!
Auf der Zofe schrilles Rufen
Stürzt' er hastig in die Esse
Über halbverkohlte Stufen.
Hastig, wie der Frank' ins Freie,
Sprang der Sachse in die Flammen;
Vor ihm schlug die gelbe Lohe,
Hinter ihm der Rauch zusammen.
Prasseln, Brechen, dumpfes Dröhnen
In den Sparren, in den Balken;
Schirme Gott die zwei Verlaßnen,
Schirme Gott den kühnen Falken! –
Mut gibt Sieg! – Auf starken Armen,
Ob ihn Dampf und Glut umwallten,
Sicher schreitend trug er beide
Abwärts in des Mantels Falten.
Auf dem Stein am Fuß der Linde
Setzt' er nieder seine Bürde;
Zitternd dankt' ihm Hildegunde
Und der Graf mit kühler Würde.
Heulend kamen Knecht und Mägde.
Rief der Meier: »Rasch die Kübel,
Schirrt die Rosse, her die Leitern!
Seht euch vor, schon wankt der Giebel!
Gleich den Gänsen auf dem Eise
Hockt nicht da wie festgefroren:
Wasser auf die Scheunendächer,
Denn der Saalbau ist verloren!
Flink zu Tanz und Humpenheben,
Laßt ihr euch zur Arbeit treiben:
Wartet nur, ich werd' es richtig
Jedem auf den Kerbstock schreiben!
Glutengarben, himmelhohe:
Muspels Söhne sind im Rasen! –
Gott verzeih' mir; solch ein Brennen
Hat der Teufel angeblasen!« –
Gerd, mit wildverworrnen Haaren,
Wankte taumelnd aus der Scheuer,
Blei im Kopf; ins Feuer stierend,
Schrie er laut: »Wo ist das Feuer?«
Armer Gerd, wie mochte tückisch
Dich dein steter Durst verblenden:
Jäh in einen vollen Zuber
Stürztest du mit Haupt und Händen!
Aiga sprach, durch Tränen lachend:
»Welche Täuschung, Schatz, mein Nasser!
Heb dein Mündlein, guter Junge,
Du verirrtest dich zum Wasser.
Niese nicht, was kann dir's frommen?
Keiner darf ›Christ helfe!‹ sagen;
Bist du doch ein halber Heide,
Nur getauft bis an den Kragen.
Zwiefach bist du fehlgefallen,
Denn dein Leibgericht, du Schlemmer,
Junge Aale, mußt du fischen,
Statt im Eimer, in der Emmer!«
Drauf der Nasse: »Mußt du fischen!
Glatte Aale, glatte Schlangen:
Fängt dich einer, glatte Aiga,
Hat er keinen Aal gefangen.« –
Isenhard, der alte Meier,
Riß den Trunknen von der Kufe,
Und die Lacher und die Gaffer
Fuhr er an mit scharfem Rufe.
Rab, der greise Eschenburger,
War am Platz mit Knecht und Kötter;
Dodiko vom Eberbronnen
Kam mit Thietmar, seinem Vetter.
Werinhard, der freie Bauer,
Schwang ein Faß mit breiten Händen;
»Oben seh' ich nach dem Dache,
Seht ihr unten nach den Wänden!« –
Krachend brach der Saal zusammen:
Funkenwirbel, Aschenfluten;
Und des Waldes Bäume blickten
Rot beschienen in die Gluten. –
Lautlos starrend auf die Trümmer,
Saß der Graf noch an der Linde;
Nur zuweilen haucht' er leise
Flüsterworte seinem Kinde.
Elmar sprach : »Ein hartes Schicksal,
Edler Graf, hat Euch betroffen
Mir zum Leide; kommt, dem Nachbar
Steht die Tür des Nachbars offen.«
Drauf der Greis: »Dem guten Willen
Besten Dank! Für kurze Dauer
Richt' ich wohl auf eignem Grunde
Ein bescheidnes Winterschauer.«
Gero rief: »Ein Weidmannsstückchen:
Erst den Aar vom Horst zu zerren,
Um ihn dann daheim im Käfig
Edelmütig einzusperren.
Gaukler, geh, du bist verraten!
Dich bezeih' ich; hört, ihr Männer:
Feige Rachetat zu üben,
Ward er zum gemeinen Brenner!«
Aiga schrie: »Gemeiner Lügner,
Nur zum Lästern keck und mutig!«
Werinhard, der freie Bauer,
Biß die Lippe blau und blutig.
Sprach der greise Eschenburger:
»Mann, das habt Ihr zu beweisen,
Zu beweisen mir und andern,
Nicht mit Worten, nein, mit Eisen!«
Elmar maß den Königsboten
Stumm mit feuerheißen Blicken,
Stürzte vor und stand – und wandte
Ihm verachtungsvoll den Rücken.
Vor dem Grafen und der Tochter
Neigt' er sich, doch blieb sein Neigen
Unerwidert; müde, müde
Schritt er durch des Waldes Schweigen. |