Falbten spät im Herbst die Blätter,
Ward ein offnes Ding gehalten,
Denn der Pflicht'ge soll sich lösen,
Und der Frevler darf nicht schalten.
Unter Friggas heil'gem Baume
Scharten sich die Gaugenossen,
Edelinge, freie Bauern,
Eigner Leute niedre Sprossen.
Grünt sie noch auf deinem Anger,
Aldinghaus, die alte Linde,
Die dem Knaben Sang und Sage
Zugerauscht im Abendwinde?
Aldinghaus, zu klug geworden
Sind die Menschen unsrer Tage:
Längst verhaun ist deine Linde,
Längst verschollen Sang und Sage. –
Später Herbst, die Blätter falbten;
Kopf an Kopf auf weiter Wiese
Tosten blondgelockte Sachsen,
Mancher Stumpf und mancher Riese.
Nächst dem Baume war die Dingstatt
Eingehegt mit Haselzweigen:
Tiefgebückt am Stamm der Linde
Stand der Graf in düsterm Schweigen.
Vor ihm auf dem Sandsteintische
Schwert und Strick; der alte Frone
Switger Lubbe ihm zur Seite
Rief hinaus mit heiserm Tone:
»Schöffen zwölf, geschworne Männer,
Tretet in den Kreis mit Ehren;
Dann Herr Gero, Königsbote,
Recht zu nehmen auf Begehren.
Elmar, Falk vom Habichtshofe,
Streng geheischt bei Leib und Leben,
Tritt herein, auf grünem Rasen
Einem Mann sein Recht zu geben!«
Dumpfes Murren! – Hohen Hauptes
Schritt der Sachse in die Runde,
Fest und hart in Gang und Miene,
Ob auch krank an tiefer Wunde.
Sprach der Graf: »In lichter Sonne
Heischt das Recht, des Rechts zu pflegen:
Schöffen, ist es Stund' und Stelle
Hier ein offnes Ding zu hegen?«
Jene drauf: »Des Rechts zu pflegen,
Kommen wir bei Mittagshelle,
Und ein offnes Ding zu hegen,
Beides ist es, Stund' und Stelle.«
Dann der Graf nach langem Zögern,
Auf den Tisch gestützt die Hände:
»Recht und echt beginnt die Sache;
Geb' ihr Gott ein gutes Ende!
Schöffen, euch gebührt zu sitzen;
Switger Lubbe, schließ die Schranken!
Ihr im Umstand, brecht den Frieden
Nicht mit Drang und Schrei und Zanken!
Gero, habt Ihr Gram und Unbill
Wider einen Mann zu rächen,
Mögt Ihr unter Eid die Klage
Sonder Neid und Arglist sprechen.«
Gero rief: »So Gott mir helfe!
Diesen hier, wie fromm er gleiße,
Elmar, Herrn vom Habichtshofe,
Hört, wes ich ihn schuldig heiße:
Mich, der ich im Gau des Königs
Heil'ge Macht und Würde trage,
Hat er meuchlerisch und mordlich
Angerannt im wilden Hage.
Half mir nicht mein guter Engel,
Lag ich tot von seiner Schneide;
Drum des Königsfriedensbruches
Zeih' ich ihn bei meinem Eide.
Dann um Götzendienst und Zauber
Heischt' ich ihn in Ring und Runde;
Seine Buhle ist das greise
Hexenweib im blauen Grunde.
Neulich noch, am Balderfeste,
Aß er von den Opferrossen.
Still! Im Umstand seh' ich manchen
Seiner nächt'gen Sudgenossen.
Mehr, noch mehr! Das Haus des Grafen,
Seines Nachbars, brannt' er nieder,
Seines Freundes, der ihn hegte
Nur zu glimpflich, nur zu bieder;
Der um freches Wort den Frechen
Endlich wies von seiner Türe,
Ahnungslos, daß eines Schelmen
Rachedurst ihm Gluten schüre.
Hier, die rechte Hand erheb' ich,
Sonder Mein die Wahrheit sag' ich:
Elmar, Falk vom Habichtshofe,
Dich auf deinen Hals verklag' ich!« –
Rauscht' ein Kranichheer vorüber,
Das an stiller Bergeshalde
Ruht' und aufgescheucht vom Jäger
Mit Gekreisch entfloh dem Walde?
Brauste durch den Ring der Sachsen
Wut und Wehruf tausendstimmig?
Werinhard, der freie Bauer,
Hob die Faust und lachte grimmig.
Über Achsel blickte Elmar
Mit Erröten auf den Sprecher:
Schämen muß sich der Besiegte,
Übermocht' ihn Schuft und Schächer. –
Drauf der Graf: »Des Bischofs Neffen
Seh' ich hier in harter Fehde:
Elmar, du vernahmst die Klage,
Dein ist jetzt die Widerrede.
Richter sind und Eideshelfer
Standesgleiche, Edelinge,
Diese auf den Schöffenstühlen,
Jene dort im Männerringe.
Aus des Männerringes Freien
Darfst du dir den Fürsprech wählen:
Brauche dich des Rechts; dem Besten
Kann das Wort im Eifer fehlen.«
Elmar sagte: »Einen Fürsprech,
Zungenscharfen und beredten,
Führt' ich sonst; er schläft, und heute
Will ich mich allein vertreten.
Einer riet mir: ›Nächst den Göttern
Trau dir selbst und deinem Schwerte,
Dann dem Roß und dann dem Freunde,
Wenn er neunmal sich bewährte.‹
Zwar in feinverschlungnen Sätzen
Kluge Worte klug zu stellen,
Lernt' ich nicht von Wogenreitern,
Nicht von rauhen Waldgesellen.
Warm das Herz und kühl den Schädel,
Biet' ich Trotz des Feindes Tücken,
Und in Not und rechter Sache
Wird das rechte Wort sich schicken.
Königsbote, falscher Neiding,
Traun, du hassest mich unsäglich!
Haßt' ich dich, mir wär' es Schande,
Denn du bist zu klein und kläglich.
Ist mir leid um meinen Namen,
Daß ihn nur gehaucht dein Odem:
Was du sprichst, das ist besudelt,
Denn dein Hauch ist gift'ger Brodem.
Männer, wes er mich bezichtet,
Solch Verruchtes tat er selber!
Tatst du nicht? Mir in die Augen
Sieh und sage nein, du Gelber! –
Hatt' er Blut an mir zu rächen?
Trat er offen mir entgegen,
Frei dem Freien, zu bezahlen
Hieb mit Hieben, Schlag mit Schlägen?
Laurer! Aus dem Hinterhalte
Sandt' er mir sein tückisch Eisen.
Hier die Wunde, die noch blutet,
Mag sein Bubenstück beweisen.
Traf ich ihn? An seinem Leibe
Zeig' er doch ein blaues Fleckchen,
Schrund' und Beule, nur den kleinsten
Riß am zarten Seidenröckchen.
Viel zu rein sind meine Hände,
Solchem nur den Bart zu raufen;
Zwar ein paar unmilde Worte
Sagt' ich ihm und ließ ihn laufen.
Doch er schwor! Den Schrei zu hohen
Himmelsmächten soll man ehren? –
Geht; wer eine Meintat übte,
Kann auch einen Meineid schwören!«
»Elmar, sieh nach deinen Worten!«
Rief der Graf. – »Nach seinen Werken
Sehe jeder! Mich zu schirmen
Ist mein Recht, das sollt Ihr stärken.«
»Doch du schmähst des Königs Boten!« –
»Wahrheit sprechen heißt nicht schmähen.
Königs Bote? Selbst der König
Muß für sein Behaben stehen!
Auch der König hat die Treue
Gegen Land und Volk zu halten!
Sei er stark, doch weis' und milde;
Also lehrten uns die Alten.
Sandt' er den und keinen Bessern,
Lernt das Volk den König hassen;
Dächte wie das Volk der König,
Diesen würd' er peitschen lassen!«
Rief der Graf: »Ich muß dich mahnen –
Sachsenschädel, harte Knorren!«
Elmar sagte: »Starke Herzen,
Unentwegt und unverworren!«
Rab, der greise Eschenburger,
Warf zurück die krausen Zöpfe:
»Freilich waren unsre Klingen
Härter einst als eure Köpfe!
Kärglich uns die Luft zu messen,
Seid ihr krämerhaft geschäftig;
Doch die breite Brust des Sachsen,
Atmen will sie voll und kräftig.
Auch der Zorn hat seine Rechte!
Worte sind des Schwertes Klirren,
Taten sind des Schwertes Hiebe:
Elmar, laß dich nicht beirren!«
Elmar sprach: »Des Götzendienstes
Zeiht er mich vor Ring und Dinge:
Trügt ihr's, so ich frech zu höhnen
Euern Gott mich unterfinge?
Wo ich mich in Demut beuge,
Darf ein Tor nicht ruchlos schelten:
Was euch heilig, will ich achten;
Was mir heilig, laßt es gelten!
Euern Priestern, euern Mönchen
Zins und Zehnten gab ich willig;
Sprecht, was habt ihr uns gegeben?
Laßt uns atmen, das ist billig!
Nein, ihr braucht sie nicht zu dulden,
Menschenrechte müßt ihr ehren!
Erstes Recht ist Recht zu beten,
Und das darf kein König wehren!
Irren wir? Vielleicht; Was atmet,
Irrt und tappt in Finsternissen
Blöden Auges; die Lebend'gen
Glauben – und die Toten wissen.
Irr' ich? Einer ist der Hohe,
Einer ist der Ebenhohe,
Und – der Dritte! Drei sind Einer,
Flammen drei in einer Lohe.
Heißt das Götzendienst, ihr Männer?
Klingt euch das wie fremde Märe?
Und doch ist es Quell und Ursprung
Unsres Wahns und eurer Lehre!
Wißt ihr Beßres? Dünkt euch besser,
Was man nur mit Schwert und Gluten
Pred'gen mag den Hoffnungslosen,
Die verhungern und verbluten?
Ihr entsinnt euch – doch ich schweige.
Nur noch dieses: hier der Freche,
Schalt er mich nicht einen Brenner,
Wähnend, daß ich widerspreche?
Sachsen, gegen solche Schmähung
Mag ein Franke sich empören:
Mir geziemt es, nichts zu sagen,
Euch gebührt es, nichts zu hören!«
Drauf der Graf: »Der Widerklage
Muß ich manches Wort vergessen:
Rab, ich will nothaftem Manne
Nicht mit karger Elle messen.
Falk, tu dar durch Urkundsmänner,
Daß der Kläger falsch berichtet.« –
»Waffen! Hätt' ich Urkundsmänner,
Nimmer stünd' ich hier bezichtet!
Dennoch, einen kann ich stellen:
Kläger, tritt hervor als Zeuge,
Widersprich dir selbst, sei ehrlich,
Sei zum erstenmal nicht feige!
Sag, denn niemand weiß' es besser,
Sag: ›Ich log!‹ – Doch ich verzichte:
Bleib nur schlecht! Mir ist ein Greuel
Jede Gunst von solchem Wichte.
Beiß dir nur die grünen Lippen
Blutig nicht! Du hast nur Galle;
Daß du logst, mein Gott und deiner
Weiß es, und ihr wißt es alle.«
Stotternd sprach der dürre Franke:
»Will der Graf sich nicht bequemen,
Vor der Unbill eines Wilden
Mich in bessern Schutz zu nehmen?«
Drauf der Graf: »In jungen Köpfen
Wirbeln, wie das Rad im Sporne,
Rastlos rollend die Gedanken,
Und die Zunge dient dem Zorne;
Und der Zorn hat seine Rechte,
Wie zu Dank wir jetzt erfahren;
Doch ist's gut, bei warmem Herzen
Sich den Schädel kühl zu wahren.
Falk, du tobst! – Dir ist verstattet,
Eideshelfer zu begehren:
Sieben Hände, sechs und deine,
Heischt das Recht, dich loszuschwören.
Kühl den Kopf! Mit Zucht und Sitte
Ziemt es sich, um Gunst zu werben:
Sei bescheiden, deine Sache
Geht auf Leben und auf Sterben!«
Elmar drauf: »Wohlan, ich frage,
Wer hier von dem Rat der Zwölfe,
Wer dort aus dem Ring der Hörer,
Edler Mann, mir Rechtes helfe?« –
O, Wie rasch sein helles Auge
Schöffenbank und Ring durchspähte!
Keine Regung! – Bis zum Nacken
Schoß ihm dunkle, dunkle Röte.
Sprach der greise Eschenburger:
»Soll sein Leuteruf erschallen
Und aus Sachsenbrust dem Sachsen
Keine Antwort widerhallen?
Was? Noch schwingen freie Flügel
Auf der Eschenburg die Raben:
Falk, ich werde für dich schwören!
Graf, Ihr könnt den Eid mir staben;
Niemand folgt? – Wer sonst die Augen
Schweifen ließ mit keckem Mute,
Sitzt gebückt und stiert zu Boden,
Still, als ob die Nas' ihm blute.
Stiert nur, wagt nur, überlegt nur:
›Freilich – doch – allein – indessen!‹ –
Mögen in der Sterbestunde
Euch die Heiligen vergessen!« –
Rief herüber aus dem Ringe
Werinhard, der freie Bauer:
»Weh, daß wir kein Wappen führen,
Mir und manchem macht es Trauer!
Dürft' ein Bauer Bauernehre
Für den Edelherrn verpfänden,
Falk, wir alle würden schwören.
Tät' es not, – mit blut'gen Händen!«
Tausend Kehlen riefen Beifall
Aus der dichtgescharten Menge;
Trotzig halb und halb verlegen
Stierte Gero ins Gedränge.
Sprach der Falk: »Ich muß euch danken!
Wenn ich Ohm und Bruder hätte,
Vetterschaft und Schwähersippe,
Stünd' ich nicht auf dieser Stätte.
Einzler Baum ist leicht zu fällen,
Rast der Sturm ihm ins Geäste;
Kracht die Wurzel, schnell entflattern
All die Finken, seine Gäste.
Las ich doch im Runenbuche:
›Schmeichelworte hörst du heute;
Ladet morgen dich der Richter,
Gibt dir niemand das Geleite.‹
Gab mir niemand das Geleite,
Brauch' ich niemands Gunst zu loben:
Meine Zeugen, meine Helfer
Sind die Wissenden dort oben! –
Graf, Ihr sagtet, meinesgleichen
Sei'n berufen, mich zu richten:
Meint ihr diese, auf die Gleichheit
Muß und mag ich gern verzichten.
Meinesgleichen? – Königsknechte! –
Traun, ich wähne, ärgre Schelme
Als der Schelm, der mich verklagte,
Gingen niemals unter Helme.
Aber Macht ist Recht; der Fremde,
Nützen kann er oder schaden:
Drum ihr Sachsen, kluge Streber,
Werbt ihr klug um Gunst und Gnaden.
Seine Worte sind Beweise,
Meine Worte Windesrauschen;
Sprech' ich, gafft ihr in die Bäume,
Spricht er, neigt ihr euch, zu lauschen.
Vor dem Tagesgötzen liegt ihr
Auf dem Bauche, wie befohlen,
Statt mit freigehobner Stirne
Festzustehn auf eignen Sohlen.
Ihr? Zu einer blassen Meinung
Könnt ihr nicht den Mut erbringen;
Wie gelang' es euch, zu kühner
Rettungstat euch aufzuschwingen?
Nein, ihr seid nicht meinesgleichen,
Nur Gesindes Ingesinde!
Wartet nur, man wird euch lohnen:
Gunst ist Schnee mit dünner Rinde.
Wartet nur: ein kahler Franke
Wird in eure Wolle schlüpfen
Und, wo ihr mit Mühe sätet,
Lachend seine Garben knüpfen.
Freien Männern zu gebieten,
Schönstes aller Königsrechte: –
Armer Ludwig, dir zu Füßen
Liegen willenlose Knechte!« –
Drauf der Graf: Nach Fug beendet
Und geschlossen ist die Frage;
Elmar, deine Widerrede
Brachte nicht zum Fall die Klage.
Ohne Zeugen, ohne Helfer
Bist du sieglos hier geblieben:
Nun, ihr Schöffen, eures Amtes
Ernste Pflichten mögt ihr üben.
Dreifach ist der Falk bezichtet,
Hart bedrängt an Leib und Ehre:
Freie Edle, wagt behutsam
Eures Worts Gewalt und Schwere!
Euer ist's, das Recht zu weisen
Und das Urteil dann zu finden,
Daß ich es auf Königsnamen
Als ein rechtes mag verkünden.«
Alles stumm; die gelben Blätter
Bebten von den Lindenästen,
Und die kranke kühle Sonne
Stand in Wolken tief im Westen.
Und ein kleiner Vogel zirpte
Hoch im Wipfel leise Klagen:
»Winter wird es, trüber Winter;
Ach, wie werd' ich's nur ertragen!«
Tiefgebückt und Bein auf Beine
Saß der Graf, und nur zuzeiten
Ließ er traurig düstre Blicke
Über den Verklagten gleiten.
Bei den Schöffen Rat und Raunen;
Endlich war der Schluß gewonnen;
Streichend durch die Locken sagte
Dodiko vom Eberbronnen:
»Erstes Wort dem jüngsten Manne!
Bin ich gleich dem Falken huldig,
Dennoch, ob mit schwerem Herzen,
Heiß' ich um Verrat ihn schuldig.«
Thietmar drauf, sein kluger Vetter,
Stotterte: »In diesem Falle
Ich desgleichen.« – »Ich desgleichen«,
Wolf und Rolf vom Turm – und alle,
Bis auf Rab. Der grimme Kämpe
Sah verächtlich auf die Elfe:
»Hört mich: ich, der Eschenburger,
Sprech' ihn los, so Gott mir helfe!« –
Langsam sich vom Stuhl erhebend
Nahm der Graf das Wort und sagte:
»Recht sei Recht! Mit Achtung lausche
Unserm Wahrspruch der Beklagte.
Elmar, Falk vom Habichtshofe,
Schwere Untat ward beschworen:
Um Verrat an deinem König
Hast du Hand und Hals verloren.
Zwar ins Wilde braust die Jugend,
Sänftigt nicht der Rat der Alten:
Weil du vaterlos und feurig,
Mag für Strenge Milde walten.
Nun vernimm: dein Gut und Erbe
Ist verstrickt und königseigen,
Haus und Hof, vom Grund zum Giebel,
Feld und Wald mit Zopf und Zweigen.
Rechtlos, Elmar, bist du selber
Und in Acht und Bann gesprochen,
Friedlos, wehrlos: des zum Zeichen
Wird dein Pflug und Schild zerbrochen.
Sieh dich vor, mit einem Rosse
Hast du Mark und Gau zu räumen,
Eh zum drittenmal die Sonne
Scheidet von des Osnings Bäumen.
Das ist Königsrecht im Lande!
Dennoch, Elmar, darfst du hoffen:
An den Königsstuhl in Aachen
Steht dir die Berufung offen.« –
Durch den Ring der Gaugeseßnen
Wogt' ein Schrei, ein dumpfes Grollen,
Wie zerwühlt von jähem Sturme
Tiefe Wasser schäumend rollen.
Rief der greise Eschenburger:
»Graf, das Urteil muß ich schelten!
Gehn sie auch in langen Locken,
Unfrei sind sie, die es fällten.
Stelle sich zum Kampf der Kläger,
Daß er seinen Eid erhärte,
Ob er mag, durch Gottesurteil,
Leib auf Leib mit nacktem Schwerte!«
Gero trotzte: »Welch Verlangen!
Waffenehre soll ich wagen
Wider ihn, ehrlosen Ächter
Mit dem Weidenstrick am Kragen?«
Rab darauf: »Dich würd' er kleiden!
Was der Knabe stritt und strebte,
Traun, des brauchte sich sein Vater
Nicht zu schämen, wenn er lebte,
Färbt sich rot die Spur des Bären,
Wächst der Mut auch feigen Hunden:
Neiding, du verhöhnst den Kranken
Und entflohst vor dem Gesunden!«
Elmar lachte, Harm im Herzen,
Feuer auf der hohlen Wange:
»Wenig dank' ich Eurer Milde,
Spracht Ihr gleich mich los vom Strange.
Euer Urteil macht mich elend;
Statt dem Henker mich zu geben,
Statt am Leben mich zu strafen,
Straft Ihr zehnfach mit dem Leben.
Zeigt Ihr mir den Weg nach Aachen?
Graf, mir ekelt vor der Reise!
Gütig heißt man Euern König,
Besser wär's, man hieß ihn weise.
Aachen? Nein! Verklagt die Krähe
Siebenfach am Kräh'ngerichte,
Ihr erlangt ein Krähenurteil:
Graf, verzeiht, wenn ich verzichte!
Meint Ihr Gnade? Hund und Katze,
Bettelhafte Hausvasallen,
Mögen keifen um die Brocken,
Die vom Herrentische fallen.
Gnad' erfleht der arme Sünder;
Ich will Recht von Rechtes wegen;
Heischt' ich Recht, man hielte lachend
Eu'r Gesetzbuch mir entgegen.
Unser Recht ist Götterwille,
Eu'r Gesetz ist Menschenmache;
Unser Recht ist Schild und Sühne,
Eu'r Gesetz ist Strick und Rache.
Nur Gesetz? Ihr Christenmänner,
Ich auch lauschte euern Sagen!
Nur Gesetz? So war es rechtens,
Euern Gott ans Kreuz zu schlagen.
Nur Gesetz? Die Arggesinnten
Hatten recht, ihn zu verderben:
Ein Gesetz bestand im Lande,
Und nach diesem mußt' er sterben.
O ihr Franken! Wie der Jäger
Spannt dem Wilde Garn und Netze,
Also, uns hineinzutreiben,
Strickt und stellt ihr uns Gesetze,
Erzne Schnüre: doch die Drähte
Dünken euch zu fein gespalten!
Stränge: doch die Maschen dünken
Euch zu weit, uns festzuhalten!
Zieht sie knapper, schweißt und schmiedet,
Lötet, klemmt und stopft die Lücken:
Neue Löcher alle Tage,
Alle Tage neue Flicken!
Übt nur eure welschen Künste:
Sachsenmut ist wohl zu beugen,
Nie zu brechen; künft'ge Tage
Sind der Wahrheit beste Zeugen.
Scheiden muß ich, Groll im Herzen:
Edler Graf, Euch heg' ich keinen;
Glimpflich pflogt Ihr Eures Amtes,
Und Ihr seid nicht von den Meinen.
Wär' ich schuldig freigesprochen,
Müßt' ich Euch und mich beklagen:
Schuld will Sühne; da ich schuldlos,
Kann ich Euer Urteil tragen.
Ihr? Euch kommt ein Tag der Reue;
Glaubt, er kommt! – Dann werd' ich schlafen
Tief im Meer, im Sand der Düne,
Ob verstürmt, doch still im Hafen.
Jetzt genug der Widerrede,
Alle Rede hat ihr Ende:
Meines Schicksals dunkle Lose
Leg' ich in der Götter Hände.« –
Bleich geworden, immer bleicher,
Griff er schwankend nach der Wunde:
Flut auf Fluten, unaufhaltsam,
Quoll das Blut ihm aus dem Munde,
Auf den Rasen Flut auf Fluten. –
Brach das Herz nach langem Harme?
Lautlos glitt der Vogelfreie
In des Eschenburgers Arme. |