Friedrich Wilhelm Weber
Dreizehnlinden
Friedrich Wilhelm Weber

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XII. Der Landsturm

1.
                  »Neue GülteGülte, jährliche Abgabe von einem Grundstücke., Zins und Zehnten
Von der Wolle, von dem Flachse;
Von dem Honig neue Zehnten,
Neue Zehnten von dem Wachse;

Immer Dienst und Buß' und BrüchteBrüchte, Strafe, mulcta.,
Daß der Schatz des Königs wachse;
Immer Zehnten, neue Zehnten,
Immer zahlen muß der Sachse!«

Also sangen Weiberscharen,
Die das Tal hinauf sich trollten,
Weiberrache auszuüben
An dem Gelben, dem sie grollten;

All die Brucht entlang die Heitern,
Die am Osning Beeren pflückten,
Die, zu schöpfen heilend Wasser,
Sich zum Born der Iburg bückten,

Dunkle Ranken von der Öse,
Von der Bever braune Sprossen,
Blonde, die an Aa und NetheÖse, Aa und Brucht sind Bäche, welche in die an der östlichen Abdachung des Osnings – des Teutoburgerwaldes – in Neuenheerse entspringende Nethe fließen; – die Bever fällt unweit Beverungen in die Weser. – Die Heilquelle zu Driburg am Fuße der alten Iburg ist weltbekannt.
Sommerlang ihr Linnen gossen.

Eine schritt voran dem Zuge,
Dürr und grau wie Eichenborke;
Einen toten Haushohn trug sie
Hoch auf langgestielter Forke:

Katla von der wilden Wiese,
Grimme Witib; neunzig Winter
Brachen wohl den Eisennacken,
Nicht der Brust verkalkten Sinter.

Höhnisch rief sie: »Der ein Jäger?
Wiesel mag er, wie der braune
Schmiedebub', im Busche stöbern
Und sie rösten hinterm Zaune!

Kam er hergeprunkt zu Rosse,
Armer Tropf, der Königsbote,
Bang im Bügel; statt des Falken
Einen Kuckuck auf der Pfote.

Ärgres Mißgeschöpf als dieses
Trug ein Käpplein nie von Leder;
War's kein Kuckuck, eine Eule
War's an Kopf und Fang und Feder!

Mag ein edles Tier den Kranich,
Trapp' und Reiher kühn umkrallen:
Diesem Ungetüm behagt' es,
Meinen Haushahn anzufallen;

Mordlich meinen Morgensänger
Zu erwürgen auf der Tenne,
Und verwitwet wie ich selber
Ist nun meine letzte Henne.

Alten Frevel, neue Unbill
Sühnen wir mit Weiberhänden:
Königsknecht, du zahlst die Brüchte,
Königsknecht, ich will dich schänden!

Söhne hatt' ich, dreizehn Söhne,
O welch herzig wackre Jungen,
Alle wie des Sollings Tannen:
Alle hat der Krieg verschlungen!

Dreizehn! – Weiß ich, wo sie modern,
Wo sie in der Knechtschaft zittern,
Holz zur Herrenküche schleppen,
Mühlen drehn und Hunde füttern?

Arm ich selbst; für Zins und Zehnten
Ward mir Korn und Kuh gepfändet;
Jammer auf und ab im Lande,
Und kein Gott ist, der ihn wendet!« –

Wieder sang es: »Zins und Zehnten
Von der Wolle, von dem Flachse;
Neue Zehnten von dem Honig,
Neue Zehnten von dem Wachse!«

Radegund von Baddenhausen
Schwang ums Haupt die Eisenspindel:
»Fort die Raupen, fort die Käfer,
Fort das nagende Gesindel!

Was die Männer, dumme DuttenAn manchen niedersächsischen Orten ist dumme Dutten eine Bezeichnung für Riesen, plumpe, träge und schwachsinnige Menschen; norw. Dott, engl. Dotard. – Grimms D. Myth. 511.,
Von dem Übermut der Frechen
Tatlos trugen, Hohn und Hiebe,
Wir, die Weiber, wollen's rächen.

Sollen barfuß unsre Kinder
Um die Frankenhöfe lungern,
Bleiche Bettler wie wir Alten?
Besser hangen als verhungern!

Frisch voran, und niemand rede
Von Verboten und Gesetzen:
Freie Lust im Sachsenwalde
War es stets, den Fuchs zu hetzen.

Über ihn, den Gallengelben,
Der den besten Mann im Gaue
Erst verbiß und dann in dessen
Halle kroch als Herr vom Baue!

Frisch voran zum Habichtshofe!
Spaßhaft ist's, den Fuchs zu prellen;
Prellt ihn heut, sonst prellt er morgen
Euch mit Zehnten und mit Zöllen!«

Alle sangen: »Buß' und Brüchte,
Daß der Schatz des Königs wachse:
Immer Zehnten, neue Zehnten,
Immer zahlen muß der Sachse!«

 
2.
Auf dem Habichtshof die Ulmen
Schüttelten die alten Köpfe,
Als das Herrenhaus umflogen
Zwanzig Dutzend Weiberzöpfe;

Zwanzig Dutzend Weiberstimmen,
Als sie kreischten, als sie sangen;
Weiberhände zwanzig Dutzend,
Als sie Birkenruten schwangen.

Stumm auf einem Erlenklotze
Saß der Bote, weiß wie Kreide,
Wirr das Haar und irr das Auge,
Um den Hals die gelbe Weide.

Vor ihm stand die grimme Katla,
Wie ein Priesterweib zu schauen:
Wetterleuchten ihre Blicke,
Wetterwolken ihre Brauen.

Flammenblitz das lange Messer,
Das sie auf und nieder schwenkte;
Bleicher ward des Schächers Nase,
Die sich tief und tiefer senkte.

»Feiger Mordgesell, du triebest
Dunkelwerk, unheimlich grauses,
Den Besitz dir zu erschleichen
Einer Braut und dieses Hauses.

Sprich, wo blieb der edle Falke?
In des Waldes finstern Loden
Ist er ohne Spur verschwunden,
Wie versunken in den Boden.

Denn du bist ihm nachgeritten,
Und den Kranken zu bezwingen,
Den Erschöpften, Waffenlosen,
Konnte dir sogar gelingen.

Wo verscharrtest du die Leiche?
Sprich! – Nein, schweig! Wenn du geständest,
Ich zerschnitte dich in Stücke,
Ob du wie ein Wurm dich wändest.

Zwar dein Recht nach unserm Rechte
Wär', den dürren Baum zu reiten
Fünfzehn Schuhe ob der Erde,
Einen Hund an jeder Seiten.

Doch so faule Frucht zu tragen,
Ist kein Holz im Sachsenlande
Schlecht genug; drum magst du leben,
Gelber Gleisner, dir zur Schande.

Leben magst du dir zum Ekel
Und verschimpft an deinem Leibe,
Bubenspott, und doppelt schimpflich,
Weil verschimpft von einem Weibe.

Hoffst du auf Entsatz? Vergebens!
Ringsum ist kein Knecht zu finden,
Und der Graf, er ritt zum Bischof
Und bekennt die neusten Sünden.

Sei vergnügt! Dein Hals ist sicher,
Heute gilt's nur deinem Barte:
Sägen muß ich, meine Klinge,
Alt wie ich, hat manche Scharte.

Still, ihr Mädchen! Laß das Zucken!
Deine Schuld ist's, wenn ich fehle;
Schreist du, bist du ungebärdig,
Fährt mein Kneif dir in die Kehle. –

Pfui, wie bist du hübsch geworden,
Königsknecht, geschorner Igel!
Staune, hält der Molch, dein Vetter,
Dir die Pfütze vor als Spiegel.

Kommst du heim zu deiner Mutter,
Bring ihr Katlas Gruß! Nun fahre!
Fort mit ihm, ihr Frau'n; zu folgen
Hindern mich die neunzig Jahre.

Seht euch vor: er lügt! Sein Bruder
Stellt sich tot, um zu entschlüpfen;
Auf dem EggewegDer Eggeweg ist eine uralte, über den Kamm des Osnings, die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser, fortlaufende Fahrstraße, welche an der hier gemeinten Stelle den Nethegau vom Padergau schied. , der Grenze,
Peitscht ihn aus und laßt ihn hüpfen!« –

Fürbaß ging's dem Wald entgegen;
In der Treiberinnen Mitte
Schlich der Sünder; Kopf und Knie
Schlotterten bei jedem Schritte.

Seitwärts stand ein Häuflein Mägde;
Aiga rief: »Er hat die Räude;
Sommer wird es; nur um Pfingsten
Greint der Schelm in solchem Kleide!«

Hohngelach und lautes Singen:
»Neue Zehnten von dem Flachse,
Von dem Honig neue Zehnten,
Neue Zehnten von dem Wachse;

Immer Dienst und Buß' und Brüchte,
Daß der Schatz des Königs wachse;
Immer Zehnten, neue Zehnten,
Immer zahlen muß der Sachse!«


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