Ernst Wichert
Der Bürgermeister von Thorn
Ernst Wichert

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Band

Erstes Kapitel

Die drei Wege des päpstlichen Legaten

»Der Herr Legat ist angekommen!« rief der Stadtbote atemlos durch die eiligst aufgerissene Tür in das Zimmer des Rathauses hinein, in dem Tileman vom Wege bei der Arbeit war.

Der Bürgermeister blickte unwillig über die Störung auf und ließ sich die Meldung noch einmal wiederholen. »Der Teufel mag ihn...« murmelte er in den Bart. Dann besann er sich aber, daß für solche laut ausgesprochenen Wünsche doch zwei Ohren zu viel im Zimmer seien, rückte den Stuhl ein wenig herum und fragte: »Ist das sicher, Ambrosius? Von wem wollt Ihr's erfahren haben?«

»Von dem Herrn Strommeister«, antwortete der Bote. »Er schickt mich eben aufs Rathaus, und ich sollte laufen, sagt er, als ob ich vier Beine hätte. Ein Weichselschiff, das von Polen herunterkommt, hat den Herrn Legaten mitgebracht – ihn mit seinen Begleitern und Dienern und viel Gepäck; es sollen auch Maultiere dabei sein. Der Schiffer ist sogleich selbst an Land gefahren und hat den Strommeister in seiner Bude am Strand aufgesucht und aufgefordert, für die Ausschiffung zu sorgen. Er fragt nun an, wie es damit gehalten werden soll nach Ew. Gnaden Befehl. Denn so ein päpstlicher Legat ist von ihm noch gar niemals ausgeschifft worden, wie er sich denn auch nicht erinnert, jemals gehört zu haben –«

»Es wird sich finden«, unterbrach Tileman seinen Redefluß. »Verbottet sogleich den ganzen Rat hieher in die Ratsstube, und soll sich ein jeder beeilen, wie er kann. Macht aber kein großes Hallo, als brenne die Stadt, sondern richtet Euren Auftrag mit gebührlicher Würdigkeit aus, wie Ihr's sonst gewohnt seid. Vorerst aber geht in das Haus meines Kumpans, des Herrn Rutger von Birken, und bittet ihn, vor den andern zu mir zu kommen. Später holt Euch weitere Befehle.«

Ambrosius war vor Aufregung über dieses außerordentliche Ereignis das Blut ins Gesicht gestiegen, so daß seine schon ohnedies von reichlichem Bier- und Metgenuß gerötete Nase wie eine Kohle glühte. Die Gelassenheit des Herrn Bürgermeisters beruhigte ihn auch nur wenig. Der Heilige Vater in Rom hatte einen Legaten nach Preußen geschickt! Was konnte das zu bedeuten haben? Er legte eiligst sein Amtskleid an, nahm den Stab in die Hand und schritt weitausgreifend über den Markt, nicht ohne den ihm Begegnenden geheimnisvoll zuzublinzeln oder nach Umständen auch ein gnädiges Wörtlein wegen des Legaten zuzuwerfen.

Tileman vom Wege aber ließ seine Arbeit ruhen und ging nachdenklich im Gemach auf und ab. So war nun wirklich eingetroffen, was anfangs des Monats schon der Hochmeister den schnell zu diesem Zweck berufenen Ständen verkündigt hatte. Der Ordensprokurator in Rom hatte ihm einen Eilboten mit der Nachricht nach der Marienburg geschickt, daß der Papst beschlossen habe, einen Legaten in der Person des Bischofs Ludwig de Silves aus Portugal nach Preußen zu senden, um merkliche Sachen zu verhören, die man ihm vorgebracht, besonders daß Länder und Städte etliche Artikel aufgestellt hätten, die wider die Kirche und den christlichen Glauben stritten. Er sei schon unterwegs. Den Brief hatte der Hochmeister den Ständen in Elbing verlesen lassen und auf ihre verwunderte Frage, was das für Artikel seien, geantwortet, er wisse selbst nichts mehr. Länder und Städte hatten bestürzt über die auffallende Maßregel gebeten, der Herr Hochmeister wolle sie auch ferner von allem unterrichten. Sie würden gegen ihn handeln, hatten sie zugefügt, wie es getreuen Mannen gegen ihren Herrn gezieme.

Die Artikel, von denen die Rede war, konnten nur die Bundesartikel sein. Daran zweifelte Tileman keinen Augenblick. Was sollte das nun heißen, daß der Papst sich in den Streithändel einmischte und gar eine Untersuchung anordnete, als ob er als Richter zu entscheiden hätte? So verhaßt Ludwig von Erlichshausen der Bund sein mochte, so weit konnte doch seine Verblendung nicht gehen, daß er den Papst gegen ihn anrufe, um ihn dann dem Orden für alle Zeit untertänig zu machen. Aber angerufen war Papst Nicolaus V., das galt dem Thorner Bürgermeister als sicher. Und kein anderer konnte der Denunziant sein als der Bischof Franz von Ermland, der heimtückische Prälat, der keinen Richttag über sich setzen lassen wollte. Gegen ihn ballte Tileman die Faust.

Vor einigen Tagen war denn auch ein Domherr aus Frauenburg, der Residenz des ermländischen Kapitels, in Thorn angelangt, um den Legaten in Empfang zu nehmen und zu geleiten. Er hatte schon in den Kirchen und Klöstern der Stadt auf das große Ereignis vorbereitet und nicht versäumt zu betonen, daß ein Legat nicht nur ein Abgesandter des päpstlichen Stuhles sei, sondern die Person des Heiligen Vaters selbst vertrete, weshalb ihm die höchsten Ehren zu erweisen seien. Wie sollte sich nun die Stadt dazu stellen?

Rutger von Birken erschien bald. In seiner raschen Weise nahm er sogleich das Wort und sagte: »Was kümmert uns der Legat? Er ist nicht an uns geschickt, sondern an den Herrn Hochmeister und seinen Orden. Mag der sehen, wie er ihn wieder hinausschafft, wenn er ihm selbst unbequem kommt. Meine Meinung ist, wir rühren nicht Hand noch Fuß und warten ab, bis Herr Ludwig de Silves jemand aufs Rathaus schickt, ihn der Stadt anzumelden. Wir haben keinen Grund, uns nach seinem Begehr zu erkundigen.« Tileman zeigte ihm ingrimmig lachend die Zähne. »Nur zu gern gäb' ich Euch auch in diesem recht, lieber Herr Gevatter«, antwortete er, »wie ich denn in der Hauptsache ganz Eures Sinnes bin. Aber ich weiß doch nicht, ob wir klug handeln, wenn wir uns so auf die Lauer stellen. Wir sind des Rates nicht sicher, daß er uns in diesem mit rechtem Eifer beistimmt. Denn es sind einige, die des geistlichen Amtes Ansehen gewahrt wissen wollen. Wenn sie uns aber auch zustehen, so können wir's doch nicht hindern, daß die von den alten Geschlechtern dem Sendeboten des Heiligen Vaters ihre Ehrfurcht beweisen. Sie setzen sich gern mit dem Rat in Widerspruch. Dann heißt's, wir in der alten Stadt Thorn seien uneins. Auch die Gewerke werden nicht zurückzuhalten sein, zumal das große Sterben die Gemüter gar sehr zur Frömmigkeit stimmt, daß sie nach des Papstes Segen wie nach einer hilfreichen Arznei verlangen. Deshalb bin ich der Meinung, wir fragen zunächst nach der Botschaft nicht und geben dem Boten vollauf die Ehre seines Amtes. Was später unseres Amtes ist, soll darum wahrlich nicht ungetan bleiben.«

Rutger von Birken knurrte verdrießlich: »Wir werden ihn nur übermütiger machen. Wie wir ihn hier an der Grenze empfangen, so wird's ein Beispiel für alle anderen Städte sein, durch die er zieht. Wer sich erst tief bückt, steht hinterher nur mühsam aufrecht.«

»Auf solche mag ich mich nicht stützen«, entgegnete Tileman. »Ich hoffe aber, sie verstehen's allesamt, wie's gemeint ist.«

Der Rat stimmte ihm zu. Man wollte den Herrn Legaten, wenn auch nicht in corpore einholen, so doch durch eine Deputation begrüßen. Dazu wurden die vier jüngsten Ratsherrn erwählt. Tileman schickte eiligst Ambrosius mit der Weisung nach dem Fluß, das Schiff solle bei der Brücke angelegt werden, wo der Durchlaß sei, so daß man auf einem Stege hinauf und hinaus könne. Auch sei ein roter Teppich davor auszubreiten.

Dies wurde sofort ausgeführt. Indessen hatte sich auch schon die Geistlichkeit der Marien- und Johanniskirche in den Vorhallen ihrer Häuser versammelt. Dorthin zogen die Bürger mit ihren Frauen und Kindern, um sich den Prozessionen anzuschließen. Es wurden ihnen die Kirchenfahnen vorangetragen; Chorknaben schwangen Rauchfässer. Auch die Klöster der Dominikaner und Franziskaner entleerten sich. Die aus der Neustadt von St. Jacob ließen um freien Durchgang für sich und ihre Prozession bitten. Alles drängte nach dem Sigler Tor und dem Fluß zu, durch das Brückentor auf die Schiffbrücke, so daß die Stadtknechte ihre Not hatten, Ordnung zu halten.

Dort lag bereits der Weichselkahn, reich beflaggt. Der vordere Teil des Laderaumes war in eine Kajüte umgeformt worden, indem man den Raum mit aufgehängten Teppichen abgeschlossen und mit einigem Gerät ausgestattet hatte. Doch führte nur eine Leiter hinab, die nachts einzuziehen war. Herr Ludwig de Silves, ein schlanker Herr mit gelblichem Gesicht, spitzer Nase und schwarzem Haar, hatte nicht den bischöflichen Ornat angelegt, sondern trug die Hauskleidung. Doch hing an dicker goldener Kette das von köstlichen Steinen funkelnde Kreuz als Zeichen seiner Würde auf die Brust hinab. Gegen die Unbill des unfreundlichen und kalten Novemberwetters hatte er einen mit Pelz ausgeschlagenen Mantel um die Schulter geworfen, auch eine Pelzmütze über das Käppchen gesetzt. Er saß auf dem Verdeck in einem Lehnstuhl, den der Bischof von Cujavien hergeliehen hatte. Hinter ihm war zum Schutz gegen den scharfen Wind zwischen dem Mast und den Wanten ein Segel ausgespannt. Bei ihm stand sein Kaplan Bruno von Törne, der zugleich sein öffentlicher Schreiber und auch sein Dolmetscher war, da er selbst nicht deutsch sprach, auf der anderen Seite der Frauenburger Domherr. Der Legat empfing die Deputation des Rats mit großer Herablassung, erhob sich, redete sie in lateinischer Sprache an und zeigte sich sehr erfreut, als ihm von einigen ebenso geantwortet wurde. Dann begab er sich über den Steg auf die Brücke, begrüßte die Geistlichen und die Prioren der Mönchsorden, erteilte auch dem Volk den Segen. Die Prozessionen geleiteten ihn darauf mit vielem Singen und Beten durch die Stadt nach dem Schloß, wohin der Domherr mit ihm ging. Noch denselben Tag aber reiste er weiter, von St. Jacob ausgeläutet.

Ebenso feierlich wurde er auch von der Stadt Marienburg und vom Hochmeister selbst bei seiner Ankunft dort empfangen. Er erhielt Wohnung im mittleren Haus. Sobald er sich ein wenig erfrischt, wurde er in den kleinen Remter geführt, dessen strahlenartig auf einem einzigen schlanken Pfeiler aufsteigendes Gewölbe er gebührend bewunderte, und den versammelten Gebietigern und einigen rasch berufenen Landesrittern vorgestellt. Er übergab dem Hochmeister die päpstliche Bulle, welche ihn als Legaten beglaubigte und zugleich seine Vollmacht ausdrückte. Der Hochmeister ließ sie von seinem Schreiber verlesen.

Es waren darin dem Orden schwere Vorwürfe gemacht. Er und die Prälaten hätten sich in der Verwaltung der Kirche und des Landes lässig bewiesen. Statt die Untertanen mit väterlicher Milde zu behandeln, habe man sie früher wie jetzt mit allerlei Lasten und Beschwerden bedrückt. Daher der Verfall des Gottesdienstes, daher aus solchem bösen Regiment der Bund unter der Ritterschaft und den Städten, dessen Bestimmungen zum Teil der kirchlichen Freiheit und kaiserlichen Rechten widerstritten, woraus nun unsägliches Unheil zu besorgen. Dem Legaten war die strengste und gewissenhafteste Untersuchung alles dessen, was auf beiden Seiten verdammlich und nachteilig, und die eifrigste Sorge zur Herstellung der Ruhe und des Friedens nachdrücklich ans Herz gelegt. Er war für befugt erklärt, mit Bann und Interdikt zu strafen, selbst die Beihilfe des weltlichen Arms anzurufen.

Dieses Schreiben wurde zwar mit gebührender Ehrfurcht angehört; sein Inhalt gefiel aber den Gebietigern wenig. Denn der Papst wendete sich ebenso gegen des Ordens schlechtes Regiment als gegen seiner Untertanen Anmaßung und gab ihm sogar im voraus die Rüge, sie verschuldet zu haben. Der Hochmeister, der wohl den üblen Eindruck erkannte, aber nicht unvorsichtig handeln wollte, bat den Legaten, mit seinem Kaplan abzutreten, bis man sich auf eine Antwort geeinigt habe. Das geschah. Auch die Landesritter entfernten sich, da sie nur angehört, was Länder und Städte angehe, und denen nicht vorzugreifen gedächten. Als nun so die Ordensherren allein waren, setzten sie sich um den Hochmeister, und dieser begann: »Liebe Brüder, was dünkt euch nun zu solcher Anklage, der wir wahrlich nicht gewärtig sein konnten? Es will mir scheinen, daß der Heilige Vater von falschen Leuten gar schlecht berichtet ist, sonsten er uns mit so unfreundlichen und unbilligen Worten nicht würde beschweren.«

Der Großkomtur, Herr Heinrich von Richtenberg, fuhr auf: »So arg ist dem Orden noch nie von Rom mitgespielt worden! Man merkt wohl, daß man ihn dort für schwach hält, da man ihn mit dem Lande in Streit weiß, und benutzt die günstige Gelegenheit, sich zum Richter aufzuwerfen, ohne auch nur eines oder beider Teile Anrufen abzuwarten. Wir verehren den Papst als der Kirche Oberhaupt und wollen ihm nicht wehren, auch in diesem Lande Preußen gute Ordnung des Gottesdienstes herzustellen und seine Prälaten gegen allerhand Übergriffe der Bündischen in die geistliche Gewalt zu schützen. Haben wir aber mit unserm Schwert dieses Land den Heiden entrissen und der christlichen Kirche zugeführt, so sind wir deshalb doch nicht als des Landes Herren des römischen Stuhles Untertanen geworden in weltlichen Dingen, so daß wir seinen Richterspruch gehorsam hinzunehmen hätten. Was jetzt versucht wird, ist nur ein Anfang. Ducken wir da geduldig, so werden wir bald erfahren, wie man's auslegt, daß Preußen ein Lehn des heiligen Stuhles genannt wird.«

»Dem stimm' ich in allem zu«, sagte der Spittler, Herr Reuß von Plauen, der von seiner Komturei Elbing gekommen war, »will aber nicht unterlassen zu erinnern, wie ich allzeit vergeblich gemahnt habe, den Drachen der Zwietracht nicht auswachsen zu lassen, der nun sein giftgeschwollenes Haupt so hoch erhebt, daß es in Rom sichtbar wird, sondern ihm den Kopf zu zertreten und seine Giftzähne in den tiefsten Bronnen zu versenken, dann aber mit aller Kraft für des Landes Wohlfahrt zu sorgen, das solcher Plage entledigt. Nun gefällt es uns schlecht, daß der Papst uns bösen Regiments beschuldigt. Das wäre nimmer geschehen, wenn wir den Bund nicht hätten zu Kräften kommen lassen, der nun wider uns zeugt. Was ist also zu tun? Rom wird sich nicht beruhigen, es sei denn, wir beseitigen die Ursache des Zwistes selbst. Ist das unser ernstlicher Wille, so spreche ich dafür, daß wir den Herrn Legaten auf das Kirchenregiment verweisen, in weltlichen Händeln aber seine Vermittlung ablehnen. Wollte Gott, daß es unser ernstlicher Wille wäre!«

Diese Rede dämpfte ein wenig den Eifer Richtenbergs. Statt seiner entgegnete Exdorf ablenkend: »Ich wette, dieses Süpplein hat uns der Herr Deutschmeister eingebrockt. Er ging im Zorn von hier und hat uns überall bei Kurfürsten und Fürsten verklagt. Man hat nicht einmal in Rom nötig gehabt, sonderlich die Ohren zu spitzen.«

»Man rät auch noch auf einen anderen«, meinte der Trappier Wilhelm von Helfenstein und knipste in die Luft.

Diese Anspielung schien allseitig verstanden zu werden. »Ihr braucht ihn nicht zu nennen«, sagte Richtenberg. »Man weiß, daß Briefe nach Rom unterwegs gewesen sind. Aber was können wir von ihrem Inhalt erweisen? Meine Meinung ist, wir legen bei dem Herrn Legaten einen scharfen Protest ein, so wahren wir auf alle Fälle unser Recht.«

»Ja – ja«, stimmten Exdorf und Helfenstein, doch etwas zaghaft, zu.

»Nein, nein!« rief Plauen. »Rom kümmert sich nicht um Proteste. Es ist allein unseres Ordens würdig, wenn er den Richter zwischen ihm und seinen Untertanen gänzlich ablehnt. Bedenkt, ihr Herren, daß dies auch der einzige Weg ist, des Landes Vertrauen wiederzugewinnen. Unterwerfen wir uns Rom, so verlieren wir auch hier unser Ansehen.«

Der Hochmeister saß währenddessen auf seinem Lehnstuhl vornübergebeugt und den Kopf auf die weiße Hand gestützt. Er hatte die Augenlider wie schläfrig gesenkt, die Muskeln seines Gesichts waren unbeweglich. »Was wollt Ihr, Bruder Plauen«, sagte er nun mit leiser und schlaffer Stimme. »Wir wissen, was Länder und Städte begehren. Den Richttag über ihre Herren, weltlich und geistlich. Können wir ihnen den bewilligen? Wenn aber nicht, wie sollen wir mit ihnen hinterher zum Frieden kommen, wenn wir mit Gewalt ihren Bund gelöst haben? Und ist's denn schon so gewiß, daß sie diesen Richter nicht annehmen, nachdem wir ihn verworfen? Gerade deshalb, weil wir ihn verwerfen. Und dann? Es wäre nicht das erstemal, daß Rom sich der angeblich Unterdrückten gegen ihre Herren annähme.«

»Lassen wir's bei dem Protest bewenden«, riet der Großkomtur.

»Liebe Brüder«, nahm Ludwig von Erlichshausen nochmals das Wort und richtete sich dabei ein wenig auf, »es kann uns meines Bedünkens kaum von Nutzen sein, zu protestieren, wenn wir uns in der Sache selbst doch fügen, wohl aber viel Schaden bringen. Wir haben den Herrn Legaten nicht gerufen, aber er ist nun einmal hier an des Heiligen Vaters Stelle. Muß es nicht den Anschein haben, daß wir eine Untersuchung scheuen, wenn wir gegen sie protestieren? Und können wir's hindern, wenn sie trotzdem erfolgt? Ein Protest wirkt aber gerade so verstimmend wie eine Ablehnung. Sehen wir zu, liebe Brüder, daß wir eine mächtige hilfreiche Hand gewinnen gegen den Bund, den wir doch allein nicht zwingen. Jetzt können wir Ländern und Städten antworten, wir wollten sie nicht bedrängen, vermöchten aber nichts gegen Rom. Protestieren wir selbst, so nehmen wir die Pflicht auf uns, sie zu verteidigen, schaffen uns dort einen Feind und hier desto übermütigere Gegner. Deshalb ist meine Meinung, wir erweisen dem Herrn Legaten alle Ehre, erkennen ihn zwar nicht ausdrücklich als einen Richter in weltlichen Sachen an, antworten aber freundlich und demütig auf des Heiligen Vaters Anschuldigungen, die wir doch nicht für gerecht erkennen, und suchen uns, wenn Länder und Städte hierin nur halbwegs zur Unterstützung willig sind, aus diesem Handel zu winden, so gut es geht. Länder und Städte müssen selbst wünschen, gerade von diesem Richter unbehelligt zu bleiben, den sie der Parteilichkeit, wenn nicht für uns, so doch für die Prälaten verdächtigen. Darauf rechnet!«

Dieser weltklugen Erwägung traten der Marschall, der Trappier und die anwesenden Komture sogleich geschmeidig bei. Richtenberg, der leicht übersah, daß er nicht durchdringen könnte, stimmte mit einigen Glossen und Vorbehalten zu. Plauen verhielt sich schweigend und wurde nicht weiter befragt. Die Geheimschreiber Johannes und Stephanus erhielten Auftrag, sofort die Antwort aufzusetzen, was denn auch Punkt nach Punkt geschah. Bei der Untersuchung, hieß es am Schluß, werde klar an Tag kommen, ob der Orden mit Recht oder Unrecht eines bösen Regiments und der Versäumlichkeit in seinen Pflichten beschuldigt werden könne.

Nun wurde Herr Ludwig de Silves wieder eingefühlt und nahm die schriftliche Antwort in Empfang. Sie bedeutete ihm die Unterwerfung des Ordens unter des Papstes Machtgebot. Er mochte selbst im stillen an solcher Willfährigkeit gezweifelt haben und war nun über diesen ersten Erfolg seiner Sendung nicht wenig froh, belobte auch den Hochmeister und seine Gebietiger wegen ihres Gehorsams und sprach die Hoffnung aus, er werde alles so befinden, wie in der Schrift angegeben.

Darauf sagte er: »Hochwürdigster Herr Hochmeister, ich ersuche nun Eure Gnade, einen Tag zu setzen und auf denselben Prälaten, Gebietiger, Länder und Städte zu berufen, damit ich des Heiligen Vaters Auftrag in allem genüge.«

Dies wurde versprochen und der 10. Dezember bestimmt. Der Legat reiste vorerst ab, in den Bistümern Ermland und Samland die Kirchenvisitation abzuhalten. Das Ausschreiben erging aber ins Land, man sollte vollmächtig zu Elbing erscheinen, um den Zweck der päpstlichen Botschaft zu verhören und dem Legaten auf sein Anbringen zur Antwort zu stehen. Darüber entstand überall viel Unmut und unruhige Bewegung, zumal im Kulmerland. Jeder begriff, daß sich etwas Ernstes vorbereite. Man beschloß fast überall, den Sendboten keine weitere Vollmacht zu geben, als die Botschaft und des Herrn Legaten Begehr anzuhören. Den Beschluß wollte man sich vorbehalten. In Thorn sagte Tileman vom Wege, wie dem Komtur hinterbracht wurde, in einer Versammlung von Bürgern und Eidechsenrittern: »Es wird nichts so heiß gegessen, als es gekocht ist. Will der Herr Legat des Bundes wegen mit uns teidingen, so haben wir ja wohl auch noch eine Mark oder zweitausend am Hof zu Rom zu verzehren. Dann werden wohl auch offenbar werden die Sachen, warum wir zum Bunde gekommen sind!«

So fanden sich denn zum angefügten Tage zu Elbing Ritter und Knechte, große und kleine Städte vollzählig, wenn auch nicht vollmächtig ein, daß es den Bürgern nicht leicht wurde, allen Quartier zu schaffen. Von Thorn waren da Tileman vom Wege und Johann von Loë, dieser aus altem und vornehmem Stadtgeschlecht. Bevor sie um neun Uhr morgens aufs Schloß gingen, versammelten sie sich auf dem Rathause und kamen überein, wie sie sich verhalten wollten. Es erwies sich, daß sie ganz einig waren.

Die von Ländern und Städten wurden in den Remter eingelassen. Dort saß schon auf einem erhöhten Sessel der Hochmeister. Zu beiden Seiten hatten die Landesbischöfe, die obersten Gebietiger und viele Komture Platz genommen. Neben ihm auf der Erhöhung war ein Sessel frei geblieben. Dorthin wurde durch zwei Komture der päpstliche Legat abgeholt, nachdem die Sendboten der Länder und Städte sich an den Langwänden des Gemachs aufgestellt hatten. Die Bischöfe trugen ihren geistlichen Ornat, die Ordensbeamten den Weißen Mantel mit dem Kreuz. Herr Ludwig de Silves selbst erschien in bischöflichen Gewändern, gefolgt von seinem Kaplan, der die Kapsel mit der päpstlichen Bulle trug.

Tiefstes Schweigen herrschte im Saal, als der Legat nun aufstand, sich grüßend vor der Versammlung ein wenig verneigte, die Briefe aus der Kapsel nahm und seinen Schreiber beauftragte, sie im lateinischen Originaltext und in deutscher Übersetzung zu verlesen. Das geschah darauf. Mit immer zunehmender Spannung richteten sich die Blicke der Landesritter und Ratsherren auf den fremden Priester, durch den ihnen der Heilige Vater wissen ließ, es sei ihm vorgebracht worden, wie Länder und Städte unter sich eine Verschreibung und Vereinigung gemacht und die mit ihren Insiegeln befestigt hätten, in der sie sich wider den heiligen Christenglauben gesetzt. Gar finster wurden die Gesichter, als es dann weiter hieß: Sollten sie solche Einung und Verschreibung nicht abtun, so hätte der Herr Legat Macht, sie alle und jeden besonders bannen zu lassen, Interdikte zu legen und auch die weltliche Macht über sie anzurufen. Manche Lippe zuckte und manches Auge rollte zornig, als weiter auch dem Legaten die Befugnis zugesprochen war, den Streit zwischen dem Hochmeister, seinen Prälaten und Gebietigern zum einen Teil und den Ländern und Städten Zum anderen Teil zu verhören, zu richten und zu entscheiden. Das klang ihnen wie Hohn und Spott ins Ohr.

Darauf erhob sich der Legat und hielt eine Anrede in Latein, die also von seinem Schreiber übertragen wurde: »Allerehrwürdigster, großmächtigster Fürst, ehrwürdige Väter und Herren und auch ihr edle und vorsichtige Leute, ihr habt wohl verstanden den guten Willen unseres Heiligen Vaters des Papstes und auch die barmherzigen Augen, die er auf euch und euer Land gerichtet hat, und habt auch gehört, wie Seine Heiligkeit mir Macht gegeben hat. Deshalb lege ich euch drei Wege vor: Der erste ist der Weg der Erforschung der Sachen, der strengen Untersuchung der Wahrheit vermöge meines Amtes, der andere ist der Weg des Rechtes, einen Teil gegen den andern zu verhören, und der dritte ist der Weg der Liebe und des Vergleichs, des Friedens und der Eintracht. Erklärt, welchen von diesen drei Wegen ihr gehen wollet, den wollen wir gern zwischen euch halten.«

Der Schreiber fügte hinzu: »Begehret jemand eine Abschrift von der Bulle, wir wollen sie ihm gern geben.«

Der Hochmeister dankte daraus demütig für sich und alle Anwesenden dem allerheiligsten Vater für seine väterliche Liebe, Sorge und Güte, weil er seine Botschaft in diese Lande geschickt hätte, und dem Herrn Legaten noch sonderlich für seine Mühe, Arbeit und Wohlmeinung in dieser Botschaft und in diesen Sachen und bat um eine Abschrift der Bulle mit dem Zufügen, es wolle den Herrn Legaten nicht verdrießen, wenn er zunächst mit seinen Prälaten, Gebietigern sowie den Ländern und Städten über die Antwort berate, die, so Gott wolle, gütlich ausfallen werde.

Den Sendeboten gefiel dieser Dank wenig. Sie begehrten auch für sich keine Abschrift.

Der Legat trat darauf ab.

Freundlich aber sprach der Hochmeister: »Lieben Ritter und Knechte und lieben Getreuen, ihr habt des Herrn Legaten Vorbringen vernommen, wie wir gegen unsern allerheiligsten Vater den Papst beschuldigt sind. Darum, da wir in der Bulle allesamt und ohne Ausnahme beschuldigt sind, so wäre es gut, wenn ihr uns etliche von euch zufügen wolltet, damit wir mit Eintracht Antwort von uns geben möchten. Wollet ihr aber allein und besonders antworten, so übergebet uns eure Schrift, daß wir versuchen, sie mit der unseren auszugleichen. Nehmet eine kurze Beratung und sagt uns hierüber eure Meinung, auch welcher der drei Wege euch am besten gefällt.«

Danach trat Sander von Baisen vor und sagte mit einem giftigen Blick auf den Bischof von Ermland: »Wir mögen dem wohl danken, der uns vor unseren allerheiligsten Vater den Papst gefordert hat, und Gott wolle es ihm auch danken und nimmermehr vergeben!«

Franziskus tat aber, als wüßte er nicht, wer gemeint sei, und verhielt sich schweigend.

Nun nahm der Ritter Hans von Czegenberg namens der Stände das Wort und sagte: »Lieber, gnädiger Herr, wir bitten Eure Gnade und rufen unsern gnädigen Herrn an, uns zu beschirmen und also zu stellen, daß wir von dem Herrn Legaten mögen ungedrungen bleiben. Wir begehren von Eurer Gnade zu wissen, ob Eure Gnade gegen Eure getreuen Länder und Städte eine Klage habe. Auch bitten wir Eure Gnade, ob die weiß, wer uns also unserm Heiligen Vater angegeben hat, daß Eure Gnade uns das auch wolle wissen lassen. Es ist uns nicht anders bewußt, als daß wir gute Christen sind, und ist uns beschwerlich, solche Beschuldigung zu hören. Deshalb nun wissen wir nicht, ob wir dem Herrn Legaten antworten sollen oder nicht, denn wie wir vernommen haben, vermeinet er sich Kläger zu sein und dazu auch Richter.«

Tileman vom Wege aber, der unter den vordersten stand, hielt sich nicht länger zurück und rief: »Der Herr Legat sollte lieber die Ungläubigen und Juden und andere böse Christen in seinem Lande Portugal besuchen! Deren gibt's da viele und nicht in diesem Lande. Hier solle er, so Gott will, solche böse und Unchristenleute nicht finden wie in seinen Landen.«

Da sahen die Gebietiger einander an und nickten wohl auch heimlich. Der Hochmeister aber suchte zu beruhigen und kam wieder auf seinen Vorschlag einer gemeinsamen Antwort zurück. Länder und Städte wollten sich jedoch auf nichts einlassen und nahmen für jetzt ihren Abschied.

Nach zwei Tagen kamen sie wieder vor, nachdem sie die Sachen fleißig beraten hatten, und ließen sich durch ihren Sprecher so vernehmen: »Gnädiger, lieber Herr, Länder und Städte begehren von Eurer Gnade zu wissen, ob Eure Gnade irgendwelche Schälung oder Gebrechen mit ihnen habe. Gnädiger, lieber Herr, da wir Euer Gnaden Mannen geworden sind, da hat Eure Gnade wohl gewußt, daß wir solche Einung und Verschreibung gegen Gewalt unter uns gemacht haben mit Mitwissen Eures Vorfahrs Paul von Rußdorf seligen Gedächtnisses; und Eure Gnade hat uns doch zugesagt und gelobt bei der Huldigung, uns bei unsern Privilegien, Freiheiten und Rechten zu lassen. Prälaten und Gebietiger haben damals um den Bund gewußt und haben anerkannt, daß er Gottes Wort gemäß und redlich wäre und der Heilige Geist bei solcher Einung gewesen sei. Deshalb ist es nun Eurer Gnaden Schuldigkeit, uns vor dieser Bedrängnis durch den Herrn Legaten zu bewahren. Sollte das nicht geschehen, so besorgen wir, daß dem Papst, dem Kaiser, den Kurfürsten und andern offenbar von uns vorgebracht werden müßte, welche Not uns zu solcher Einung und Verschreibung gegen Gewalt gedrängt, so ungern wir's taten. Zu irgend welcher weiteren Verhandlung haben wir keinen Befehl von den Unsern und müssen das erst wieder heim zu ihnen bringen.«

So meinten sie ihn nun zu nötigen, sich über den Hauptpunkt zu erklären. Der Hochmeister aber, der wohl merkte, wie sie ausweichen wollten, fuhr zornig auf und antwortete: »Mitnichten besteht euer Bund, wie ihr sagt. Zwar hat Herr Paul von Rußdorf von ihm gewußt, aber auch durch seinen Großkomtur und Kanzler verboten, ihn abzuschließen. Mitnichten haben die Herren Prälaten ihn göttlich und redlich genannt. Habt ihr Klagen, weshalb er geschlossen worden, so haben wir dem andere Sachen entgegenzustellen, die wahrlich nicht leichter wiegen. Nun wisset ihr wohl, daß wir und unsere Prälaten geistliche Fürsten sind und unsere Privilegien, Freiheiten und Gerechtigkeiten im meisten Teile von dem päpstlichen Stuhle haben. Darum ist es uns unmöglich, euch gegen desselben Macht zu verantworten, unterwerfen uns vielmehr demütiglich mit solcher Antwort, daß uns jeder der drei Wege genehm sei, und raten euch, ebenfalls mit dem Herrn Legaten nach Schuldigkeit zu verhandeln, andernfalls aber ihn selbst um Urlaub zu bitten, denn wir euch hierin nicht vertreten können.«

Davon wollten jedoch Länder und Städte nichts hören, berieten wieder auf dem Rathause und forderten beharrlich eine andere Tagfahrt, da sie weiter keine Vollmacht hätten. Die Abgesandten der kleinen Städte, denen die Zehrung ausging, wurden schwierig und kamen bei den großen ein, daß sie nach Hause entlassen würden. Der Thorner Bürgermeister mahnte überall zu einträchtigem Zusammenhalten. »Stecken wir den Kopf in die Schlinge«, sagte er, »so mögen wir zusehen, wie wir ihn wieder herausziehen. Wir dürfen es mit niemand zu tun haben wollen als mit dem Herrn Hochmeister, der unser Landesfürst ist.« Im stillen freute er sich, daß diesem aus der Sache große Verlegenheit erwuchs; gab er dem Legaten allzusehr nach, so verdarb er's mit dem Lande gänzlich; widersprach er ihm aber, so würde er ihn gegen den Orden erzürnen. Endlich mußte Herr Ludwig von Erlichshausen sich doch entschließen, die Vermittlung zu übernehmen.

Er ließ den Legaten bitten, eine andere Tagfahrt zu genehmigen. Der aber war längst schon ungeduldig geworden über der Stände Zögerung und antwortete sehr ungnädig, sie wollten nur Ausflüchte machen und bewiesen ihren Ungehorsam gegen die Kirche. Er schickte seinen Kaplan Bruno in die Versammlung und befahl bei den in der Bulle vorgesehenen Pönen, niemand sollte von dannen ziehen, bevor die Antwort gegeben, daß sie ihm auch den Bundesbrief aushändigten, damit er erkenne, was darin göttlich und möglich, und das andere abtue. Die Sendboten verharrten jedoch in Schweigen. Dem Hochmeister warf der Legat in seinem Übermut vor, daß er Länder und Städte in ihrem frevelhaften Ungehorsam bestärke, und forderte ihn als den Handhaber des weltlichen Schwertes in diesen Landen ernstlich zum Gebrauch desselben auf.

Es war doch schon gewiß, daß die Stände nicht nachgeben würden. Sie versprachen aber feierlich, auf nächster Tagfahrt mit ganzer Vollmacht zu erscheinen. Daraufhin verstand sich denn endlich auf des Hochmeisters Bitten der Bischof von Ermland dazu, beim Herrn Legaten eine Frist nachzusuchen. »Ihr kennt nicht dieses Landes Art, ehrwürdiger Bruder«, sagte dieser ihm klug einlenkend, »und schadet unserer Sache durch zu großen Eifer. Was haben wir denn auch für einen Gewinn, wenn wir Länder und Städte nötigen, etwas zu bewilligen, wozu sie keine Vollmacht haben? Sie werden es als erzwungen widerrufen. Zu einer gütlichen Antwort später scheinen sie aber willig zu sein. Ihr sehet wohl, wie die Sachen hier auf einer Nadel Spitze stehen. Wollet es dem Herrn Hochmeister nicht verargen, wenn er seinen Untersassen eine billige Forderung nicht schroff abschlagen und somit ihr Vertrauen für alle Zeit einbüßen will. Gebt im kleinen nach, um im großen zu gewinnen.«

Herr Ludwig de Silves verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln. »Ihr tut nicht gut«, entgegnete er, »ihnen hierin beizustehen. Zu großer Betrübnis muß ich erkennen, daß man mir mein Amt allseits zu erschweren trachtet. Es war des Heiligen Vaters Meinung, daß ich in längstens vier Monden von dieser Legation wieder in Rom eintreffen würde. Nun sind schon drei vergangen seit seiner Bevollmächtigung, sechsundzwanzig Tage, seit ich dieses Landes Grenzen überschritt, und nun will man mich noch weiter hinhalten, ob ich eine Antwort bekommen soll oder nicht. Der Herr Hochmeister und seine Gebietiger haben viel gute und freundliche Worte. Daß sie aber, wenn's not tut, mit Strenge dem Ungehorsam und der Verachtung des päpstlichen Stuhles wahren, das merk ich nicht. Sie hätten wohl gern den Dorn aus ihrem Fleische, möchten ihn aber ausgezogen haben, ohne daß es schmerzt. Ich fürchte, die Wunde schwärt immer heftiger, und zuletzt wird das Messer zu einem tiefen Schnitt angesetzt werden müssen. Nun finde ich auch einen Diener der heiligen Kirche bei den Saumseligen – das ist mir das Beschwerlichste von allem.«

»Vergesset nicht, hochwürdigster Herr Bruder«, antwortete Franziskus achselzuckend, »daß die heilige Kirche hier in Preußen, wie der Orden, Land und Leute zu verlieren hat. Schon ist ein böses Wort gefallen: die Bündischen haben des Kaisers und der Kurfürsten gedacht, vor denen sie im Notfall ihre Sache gegen den Orden führen wollen. Nun ist Euch aber bekannt, daß der Orden sein Recht zu dieser Herrschaft ebenso von kaiserlichen als von päpstlichen Briefen herleitet. Deshalb könnte Kaiser Friedrich kaum anders, als der Stände Klage annehmen. Dann aber erhebt sich zugleich der Streit zwischen dem päpstlichen und kaiserlichen Stuhl um das Richteramt, und beider Ansehen wird schwer gefährdet. Das muß vermieden werden. Darum ist meine Meinung, die Kirche dürfe es zu solchen Anrufen einer anderen Macht gar nicht kommen lassen, sondern handele klug, so weit nachzugeben, daß sie sich unter allen Umständen den Spruch wahrt. Brecht Ihr jetzt ab, da der eine Teil doch nur Aufschub erbittet, so wundert Euch nicht, wenn der andere zaghaft wird, für Euch Gewalt einzusetzen. Denn so mächtig Rom ist, so scheint doch auch der Kaiser kein verächtlicher Bundesgenosse.«

De Silves kniff die Lippe. Er erinnerte sich, daß er auf der Reise nach Preußen beim Kaiser in Wien angesprochen war, um ihn zu gleichzeitigem Vorgehen zu vermögen, aber eine höfliche Abweisung erfahren hatte. Es schien dort verletzt zu haben, daß der Hochmeister noch nicht einmal seine Wahl förmlich angezeigt. Man wolle sich ohne beider Teile Anrufen in die Sache nicht einmischen, hatte es geheißen. Offenbar sah man's in Wien gern, wenn der Legat sich die Finger verbrannte. Um so mehr war es ein Ehrenpunkt geworden, auf irgendeine Weise den Frieden zustande zu bringen und so die päpstliche Autorität zu wahren. So trat denn der Legat seufzend einen Schritt zurück und willigte in die Vertagung bis nach dem Weihnachtsfest. Indessen sollte die päpstliche Bulle von allen Kanzeln verlesen und den Leuten klar ausgelegt werden.

So zogen denn die Sendboten von der Pön befreit, aber doch gar bekümmerten Herzens in ihre Heimat. Ein Ausweichen schien nicht mehr möglich; jetzt mußte der Bund verteidigt oder aufgegeben werden; sie durften nicht nach Elbing zurückkehren ohne ganze Vollmacht.


 << zurück weiter >>