Ernst Wichert
Der Bürgermeister von Thorn
Ernst Wichert

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Viertes Kapitel

Die Beichte

Der Spittler hatte die Flüchtigen trotz aller Eile nicht eingeholt. Er setzte aber den Weg bis Preußisch-Holland fort, ritt gleich zum Schloß hinauf und verlangte, daß die Ritter im Kapitelsaal zusammentreten sollten, damit er Musterung halten könne. Ostra fehlte. Er sei mit einem Auftrag fortgeschickt, hieß es. Aber auch sonst war der Konvent nicht vollzählig. Plauen fand überall im Schloß die größte Unordnung. Im Speisesaal standen auf den Tischen die Würfelbecher und Weinkannen. Ungarische Musikanten hatten dort soeben ihre lustigen Stücklein aufgespielt und nicht schnell genug versteckt werden können. Zwei von den braunen Gesellen waren auffallend bartlos und erregten des Spittlers Verdacht, Wams und Hosen nicht mit Fug und Recht zu tragen. Das Volk wurde sofort ausgewiesen. In ihren Zellen hatten die Brüder sich's ganz gegen die Ordensregel bequem gemacht. Kaum in einer Bettlade fehlten die verbotenen Federkissen. Die meisten hatten Geld und allerhand Kostbarkeiten im Besitz, auch ein eigenes Pferd im Stall stehen. Aus einem Kellerloch hervor heulten die Hunde, die offenbar zur Jagd gehalten wurden, obschon sie den Rittern strenge untersagt war. In der Waffenkammer hing kein Harnisch an der rechten Stelle, Schwerter und Lanzenspitzen zeigten sich vom Rost angefressen, die Lederschilde verpilzt; lange schon konnten sie zu keiner Übung benutzt sein. Plauen benutzte die Gelegenheit, einmal von Grund aus Umschau zu halten, und strafte mit strengen Worten. »Ihr werdet es auf anderen Häusern nicht besser finden«, entschuldigte der Komtur, »wenn Ihr so unvermutet hineinschneit.«

»Eures Amtes ist es, solcher Zuchtlosigkeit zu wehren«, schalt Plauen, »es fehlt Euch aber am guten Willen.«

»So gebt mir auch die Macht dazu«, antwortete der Gebietiger unwillig. »Soll ich mich den Brüdern durch Klagen verhaßt machen, da ich doch oben nicht Recht gegen sie bekomme? Man will's in des Herrn Hochmeisters Rat mit niemand verderben. Mich wundert's, daß Ihr jetzt so scharf eingreift. Der von Ostra, den Ihr sucht, muß etwas besonders Schweres auf dem Gewissen haben. Nun – ich halt' ihn nicht versteckt. Wollt Ihr ihn mir abnehmen, so weiß ich Euch Dank dafür; denn er ist der Unbändigsten einer.«

Der Spittler ritt mit seinen Leuten wieder ab, legte sich aber unten am Berge in einen Hinterhalt. Als es bereits ganz dunkel geworden war, wurde auf dem gepflasterten Aufwege Hufschlag vernehmbar. Plauen ließ den Reiter ein Stück voraus und sperrte dann die Straße ab. Nun folgte er dem Manne, dessen müdes Pferd häufig über die Steine stolperte, und erreichte ihn vor der Brücke über den trockenen Graben. »Halt!« rief er ihm zu. »Wer seid Ihr, und was tut Ihr hier vor dem Schlosse bei nächtlicher Weile?«

Der Reiter kehrte sich auf dem Sattel halb zurück und entgegnete in frechem Ton: »Das frag' ich Euch.«

»Und ich geb Euch ohne Zögern Antwort. Ich bin Reuß von Plauen, des Ordens oberster Spittler, und warte hier auf den Ritter Boppo von Ostra, den ich im Hause nicht getroffen habe. Ich irre wohl nicht, daß Ihr's seid?«

»Ihr irrt nicht. Was steht zu Eurem Begehr?«

»Von woher kommt Ihr?«

»Das mag mein Komtur fragen, in dessen Auftrag ich ausgeritten bin.«

»Ihr lügt. Er hat Euch keinen Auftrag gegeben.«

»Die Lüge in Eurem Hals. Was erforscht Ihr mich hier auf der Straße?«

»Weil Ihr schwerster Gewalttat bezichtigt werdet und Euch verantworten sollt vor dem Herrn Hochmeister.«

»So straf' Gott den Buben, der mich verleumdet hat. Laßt mich ins Haus. Ich fordere Rittergericht.«

»Es soll Euch werden, aber im Hause zu Elbing. Folgt mir!«

»Das kann jetzt nicht geschehen. Ich bin verwundet am Auge und muß mich verbinden lassen.«

»Woher habt Ihr die Wunde?«

»Ich bin in der Finsternis durch den Wald geritten, da hat mir ein spitzer Ast das Auge verletzt.«

»Ei! Saß nicht auf dem Ast ein Rabe, der Euch mit seinem Schnabel so zugerichtet? Bedenkt wohl, was Ihr sprecht. Man nimmt Euch beim Wort.«

Ostra murmelte einen Fluch in den Bart. Er mochte einsehen, daß jeder Widerspruch vergeblich sein würde, und ergab sich, indem er den Gaul wendete. »Auf Eure Verantwortung, Herr Spittler«, sagte er. »Ich behalte mir die Klage wegen Wegelagerei vor und rufe diese Leute zu Zeugen an, daß ich friedlich im Schritt nach dem Hause geritten bin und niemand von einer Gewalttat weiß. Wer mich dessen beschuldigt, den nenn' ich einen Lügner und falschen Wicht auf Ritterwort.«

Die Knechte nahmen ihn auf des Spittlers Geheiß in die Mitte. Dann ging es in scharfem Trabe auf Elbing zu. Gesprochen wurde unterwegs nichts weiter. Im Hause ließ der Gebietiger Ostra in ein festes Turmgemach werfen und die Tür mit Eisen verlegen. Niemand sollte zu dem Gefangenen gelassen werden. Er selbst wartete ab, bis der Meister zum Nachtgebet in die Kapelle ging, wie er es des guten Beispiels wegen solchen Dienst nach der Ordensregel nicht zu versäumen pflegte. Er erstattete ihm Bericht. Erlichshausen belobte ihn wegen seines Eifers. »Man muß den frechen Gesellen nach der Marienburg schaffen«, sagte er, »wo er denen vor Augen gestellt werden kann, die ihn der Freveltat bezichtigen. Ich hoffe, auch unseres Bleibens ist hier nicht mehr lange.«

»So bitt' ich Ew. Gnaden nur, Ihr wollet der Gerechtigkeit den strengen Lauf lassen«, antwortete Plauen. »Nichts könnt' uns mehr Schaden bringen, als scharf anfassen und hinterher gelinde nachgeben.«

»Sorgt deshalb nicht«, versicherte der Meister, »wir wollen mit ganzem Ernst unseres Amtes walten.«

Am andern Tage wurde viel verhandelt zwischen dem portugiesischen Prälaten und den Abgeordneten des Hochmeisters. Herr Ludwig de Silves war nicht wenig erstaunt, daß die Angelegenheit diese Wendung nahm. »Es muß mich billig groß Wunder nehmen«, sagte er spitz, »daß Ihr jetzt plötzlich so guten Mutes seid, es solle sich alles zum Guten auch ohne mich wenden, da doch in Wahrheit Länder und Städte zwar in Gedrang freundliche Worte gegeben haben, in der Hauptsache aber nicht minder störrig sind denn vorher. Hab ich doch nicht gehört, daß der Bund abgeschafft worden, um den der ganze Streit ging. Als ihr eure Meinung zuerst anhubet, hatt' ich nicht gedacht, daß ihr ein solches von mir begehrt haben solltet, sondern mehr, daß ich unseres Heiligen Vaters Befehl und meiner Legation genug täte. Jetzt seid ihr Euch selbst weise. Mag euch das nicht gereuen.«

»Gnädigster Herr«, antwortete Hans von Baisen, »wollet nicht vergessen, daß Eure Väterlichkeit selbst uns den Weg der Freundschaft gewiesen hat. Den sind wir nun gegangen von beiden Seiten und einander darauf begegnet mit Handreichung und guten Worten, daraus beide Teile erkennen mochten, es sei ihnen mit ihren Versprechungen ernst und wollten gern ihrerseits allen Streit meiden, daß der Bund mit der Zeit von selbst unnützlich würde. Länder und Städte stehen zum Orden als zu ihrer Herrschaft, und der Orden will ihnen den Richttag bewilligen, um den sie eifrig gebeten haben. Fänden sie da gerechten Spruch, wie sie wohl hoffen, so könnten sie sich des Bundes willig begeben.«

Dazu wiegte der Legat bedenklich den Kopf. »Gott wolle das so fügen«, antwortete er. »Aber es ist vielleicht morgen nicht so in unsere eigene Hand gelegt wie heute, für alle Zukunft vorzusorgen. Ihr wisset wohl, daß ich den Weg der Freundschaft nicht anders verstanden habe, als daß ihr übereinkommen wolltet, den Bund zu beseitigen, der wider weltlich und göttlich Recht ist. Geht ihr nun darüber hinweg, so ist er doch nicht tot und mag hinter euch aufstehen, da ihr's am wenigsten erwartet.«

»Ehrwürdigster Herr«, nahm der Marschall das Wort, der sich dem Hochmeister gerade jetzt gern gefällig zeigen wollte, »wir vertrauen der Zusage unserer Untersassen, daß sie uns halten werden, was sie von Ehre und Rechtes wegen pflichtig sind zu tun. Gäben wir ihnen darin nicht nach, so möchten sie uns künftig wohl mit Grund beschuldigen, daß wir des Zwanges gegen sie froh gewesen seien. Wir bitten also Eure Väterlichkeit, wollet solche ziemliche, redliche und ehrbare Erbietung so ansehen, daß daraus viel Liebe und Freundschaft zwischen dem Herrn Hochmeister, den Prälaten und ihren Untersassen kommen werde.«

Auch der Bischof von Riesenburg schloß sich seinen Bitten an und fügte hinzu: »Will der ehrwürdige Orden sich vergleichen, so brächte es den Bistümern großen Schaden, wenn sie sich ausschlössen. Wir vertrauen, unser Heiliger Vater der Papst werde darum keinen Unwillen haben, sondern mehr Wohlgefallen und gern die Beschwerung abtun wollen.«

Darauf winkte der Legat, der sehr verdrießlich war und doch meinte, vorsichtig auf alle Fälle bedacht sein zu müssen, dem Bischof von Ermland, der schweigend dabei stand, mit ihm in das kleine Gemach zu treten, und schloß hinter ihnen die Tür. »Was hat das nun zu bedeuten, lieber Bruder«, fragte er hitzig, »daß man sich also einig zeigt, mich beiseite zu schieben? Steh' ich hier nicht an des Heiligen Vaters Stelle, und ist es nicht meine Pflicht, die Dinge zu einem sicheren Ende zu bringen?«

»Mir selbst geht's über den Kopf«, entgegnete Franziskus achselzuckend. »Ich fürchte, der Herr Hochmeister und seine Gebietiger begehen einen dummen Streich, dessen sie noch lange gedenken werden. Das wäre unter Konrad von Erlichshausen nicht geschehen: hätt' er's so weit kommen lassen, so hätt' er auch durchgegriffen. Aber sein Vetter Ludwig will's mit dem Pflaster versuchen, das die Wunde verklebt und sie doch nicht heilt. Wir müssen abwarten, was daraus entsteht.«

»Das solltet Ihr billig nicht raten«, rief de Silves. »Hab ich doch Vollmacht, auch ohne eines Teiles Anrufen gegen die Ungehorsamen vorzugehen, und wahrlich auch die Zuchtmittel in der Hand, Seiner Heiligkeit Willen durchzusetzen.«

»So ist's«, gab Franziskus geschmeidig zu. »Aber Bann und Interdikt sind ein zweischneidig Schwert und mag leicht noch mehr den verletzen, der es gebraucht, als den, gegen den es sich wendet. Wie nun, wenn der Orden und das Land einträchtig über Euch hinweg den Heiligen Vater anrufen, daß er sie von dieser durch Euch verhängten Beschwerung befreien möge? Seid Ihr seiner und seiner Herren Kardinäle so sicher? Ich will mich nicht vermessen, Euch besseren Rat zu geben; stünd' ich aber an Eurem Platz, wollt' ich's lieber zehnmal bedenken, ob ich nicht vorerst in Rom Bericht abstattete. Dann kann noch immer geschehen, was jetzt unterbleibt und aufgeschoben wird, und anders klingt dann das entscheidende Wort: Roma locuta est!«

De Silves hatte mit halbgeschlossenen Augen zugehört; um seine schmalen Lippen spielte ein bittersüßes Lächeln. Nun ergriff er die Hand des Ermländers und sagte: »Ich versteh' Euch und muß Eure Vorsicht loben. Ich will ihnen die kurze Freude gönnen, mich so klug hinausgedrängt zu haben, indem sie von zwei Seiten zugleich schoben; sie sollen bald genug erkennen, weshalb ich gegangen bin. Ich bitt' Euch, decket mir hier den Rücken; vorn werd' ich keinen Schild brauchen.«

Er drückte ihm nochmals die Hand und trat wieder zu den andern ein. Auf seinem Gesicht war nichts mehr von Verdruß zu sehen. Sehr gnädig sagte er: »Der hochwürdigste Herr Bischof von Ermland hat eine freundliche Bitte für das Land eingelegt. Ihr sprechet, daß dieser Vergleich viel Freundschaft und Liebe einbringen werde. Wir wollen das für eine Antwort annehmen und unserem Heiligen Vater dem Papst vorbringen, auch um Bitte des Herrn Hochmeisters willen die Beschwerung lösen und wieder wegziehen. Wollet das euren Machtgebern melden.«

So entfernten sich nun die Deputierten mit großen Dankworten. Länder und Städte, da sie hörten, daß sie dieser schweren Last entledigt worden, jubelten laut und waren ihres Sieges froh. Vom Hochmeister verabschiedet, zogen die Abgesandten eiligst in ihre Heimat, die frohe Kunde, daß der Legat abreisen werde, überall verbreitend. Tileman vom Wege sagte zu seinem Kumpan, da sie abritten: »Nun ist über uns der ganze Himmel blau, und mag man sich dessen freuen. Da unten steht aber ein klein Wölkchen; das kann der Wind schnell hinaufblasen und ausbreiten. Darauf wollen wir uns alleweile bereithalten.«

Auch der Legat rüstete nun zur Abreise. Jeder Tag brachte zu seinen Ehren kirchliche Festlichkeiten. Die Bischöfe ordneten an, daß er in jedem Ort, durch den er zöge, bis zur Grenze hin mit Glockengeläut empfangen und entlassen würde. Der Hochmeister hatte noch etwas Besonderes auf dem Herzen. Als er ihm in Begleitung seiner Gebietiger im Kloster, wo er wohnte, seinen feierlichen Besuch abstattete, deutete er den Wunsch an, bei ihm als des Heiligen Vaters Abgesandten zur Beichte gehen zu dürfen. Der Legat erachtete dies als eine besondere, seiner Würde bewiesene Aufmerksamkeit und erbot sich gern zu diesem Dienst. So erschien denn an demselben Abend Ludwig von Erlichshausen nochmals allein und im einfachen Kleide des Deutschordensritters in der Klosterkirche, ließ sich durch Gebet vorbereiten und kniete dann an dem Beichtstuhl nieder, in den der Prälat sich gesetzt hatte.

Ihm war es um eine Beichte zu tun, deren sich sein Herz vor dem Priesterbruder des Ordens nicht hatte entledigen mögen. Das sagte er de Silves, und daß die alte, noch ungesühnte Schuld sein Gewissen schwer bedrücke. Er beichtete ihm alles; wie er in jugendlichem Leichtsinn und von leidenschaftlicher Begier verführt gesündigt habe gegen das Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, wie er auch gesündigt habe durch Bruch des Gelübdes, das er bei Aufnahme in den Orden abgelegt. Es sei sein heißer Wunsch gewesen, nach Rom zu pilgern und sich dem Heiligen Vater zu Füßen zu werfen, um sich Verzeihung zu erbitten. Nun aber habe er das Gnadenjahr vorübergehen lassen müssen, da das Amt ihn in Preußen zurückgehalten. »Ihr aber, hochwürdigster Herr, stehet hier an des Heiligen Vaters Stelle«, schloß er demütig, »und seid ausgerüstet mit allen Gnadenmitteln der heiligen Kirche. Sehet gnädig an einen armen Sünder, der vor Gott im Staube liegt und sich unwürdig bekennt aller seiner großen Huld und Nachsicht. Wahrlich, mit großer Angst hat mein Gemüt der Brüder Wahl erfüllt, da sie mich eher hätten verachten und aus ihrer frommen Gemeinschaft ausstoßen, als zu ihrem Oberhaupt mit fürstlichen Ehren küren müssen. Nicht länger ertrag' ich solches Gefühl der Unwürdigkeit und will mit meinem Gott versöhnt sein, müßt' ich auch die schwerste Strafe dulden. Legt sie mir auf nicht nach dem Maße Eurer Milde, sondern nach der Gerechtigkeit.«

Der Bischof besann sich lange auf eine Antwort, während er halblaut Gebete murmelte. Endlich neigte er sich zu dem Knienden und sagte: »Schwer hast du dich vergangen, mein Sohn, denn in einer Sünde sind gleichsam viele zusammengeströmt, und allzu lange hast du gezögert, den reinen Quell der Buße darüber hinzuleiten, daß er den Unrat aus deiner Seele fortspüle und dem Verderben wehre. Aber deine tiefe Reue hat Gott angesehen und mit dir nicht strenge ins Gericht gehen wollen. Seine Gnade hat dich zu einem Werkzeug erkoren, die Werke der Welt zu seinem ewigen Ruhm zu mehren. Denn seine Zulassung ist's allein, daß die Augen der Brüder in des Ordens Not sich auf dich richteten und ihre Stimmen sich zu deiner Wahl vereinten. Der Allwissende hat auch dies gewußt, daß solche fürstliche Erhöhung dich nicht mit Hoffahrt und Übermut erfüllen, sondern erst recht zur Erkenntnis deiner Sündhaftigkeit und Schwäche hinleiten werde. Wie käme ich nun dazu, deine Reue zu verwerfen, die Gott angenommen hat? Darum will ich nicht strafen, sondern mahnen, nicht eine Buße auflegen, sondern all' dein irdisches Tun, wie es dein hohes Amt fordert, Gott weihen. Großes muß der Herr mit dir im Sinn gehabt haben. Und schon ist's auch unsern blöden Augen erkennbar. Es ward dir aufgetragen, ein Land zu regieren, in dem die Bürger, hoch und gering, eine neue Ordnung der Dinge anstreben, die ebenso der weltlichen Herrschaft Recht als der heiligen Kirche Freiheit zu schädigen droht. Sie haben einen Bund gestiftet wider Gewalt, sind aber selbst die Vergewaltiger. Sie wollen die Herren sein im Land und selbst an die Diener der Kirche Hand anlegen. So bist du berufen, solchem Frevel zu steuern und dadurch Gott deine Schuld abzutragen. Ich sitze hier als ein Priester, nicht als der Abgesandte des Königs der Könige. Deshalb will ich nicht als Legat fragen, ob etwas versehen ist, sondern als Priester dir ans Herz legen, dich bei diesem schwächlichen Ausgleich nicht zu beruhigen, vielmehr nach bester Erkenntnis deine Pflicht zu tun, daß dieses Teufelswerk für alle Zeit vernichtet werde. Das ist die Buße, die ich fordere, daß du deine Schwäche überwindest und nicht nachgibst den Schlechten, müßtest du auch das Schwert gegen sie ziehen. An dem Tage, der den Bund endigt, wird dein Gewissen rein sein von aller Schuld. Willst du versprechen, mit allen Sinnen danach Zu trachten, also Gott wohlgefällig zu werden? Gib Antwort!«

»Ich will's«, sprach der Hochmeister leise. »Das sei meines Lebens Aufgabe. Mag Gott mir helfen, sie zu vollbringen.«

Aus dem Beichtstuhl tönte das feierliche: »Absolvo te« an sein Ohr. Freudig erhob er sich. Die Last war von seinen Schultern genommen, an der er so lange ohne Hoffnung der Erleichterung getragen: mit der Kirche fühlte er sich wieder versöhnt. Auf dem Heimwege nach dem Schloß freilich fing es ihn an zu verdrießen, daß der Priester ihm nicht eine kirchliche Buße aufgelegt, sondern dem Regenten sein Verhalten vorzuschreiben gewagt hatte. Er streifte in seinen Gedanken die Frage, ob es nicht eine Demütigung des Ordens sei, daß sein Oberhaupt sich an die Weisung der Kirche band, um menschlichen Fehl zu sühnen. Aber auch darüber half ihm die Betrachtung hinweg, daß ihm ja nichts zugemutet werde, was er nicht schon freiwillig als seine Herrscherpflicht erkannt hatte. Den Umständen billig Rechnung zu tragen, konnte ihm auch so nicht verwehrt sein.

Zu Marienburg, wohin er gleich nach Erledigung der Geschäfte zurückkehrte, empfing er den Legaten mit allem Pomp, den die hochmeisterliche Residenz ihren hohen Gästen zu entfalten vermochte. Man sollte im ganzen Lande wissen, wie geehrt sich der Orden durch diesen Besuch gefühlt hatte und wie großen Wert er darauf legte, mit Rom in gutem Einvernehmen zu stehen. Er erhielt für die ganze Brüderschaft den Segen des Heiligen Vaters.


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