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Der Knabe ritt hinaus in's Feld:
Ade, Herzliebste mein!
Wenn wiederum das Frühroth glänzt,
Dann will ich bei dir sein.
Er ritt und sang aus voller Brust
Wohl in den frischen Morgen
Ein Lied von Lieb' und Lust.
Und als er kam zum grünen Wald,
Wo roth die Röslein stehn,
Da stellt sich grüßend vor sein Roß
Die Waldfrau wunderschön;
Wie Mondlicht war ihr Aug' so hold,
Ihre Wangen wie zwei Rosen,
Ihr Haar wie Morgengold.
»Halt an, halt an! du schöner Knab',
Wo reitst denn du hinaus?
Zäum' ab dein schlankes Roß, und bleib
Im grünen Blätterhaus.
Im Lindenwipfel rauscht die Luft,
Da läßt sich's kosen und küssen,
Waldblümlein geben Duft.«
Der Knabe sprach: »Laß ab von mir,
Mir ziemt nicht Rast noch Ruh,
Ich hab' daheim ein süßes Lieb,
So hold und schön wie du.
Und morgen geh' ich bei ihr ein,
Da woll'n wir tanzen und springen,
Und Hochzeit soll es sein.«
»›Und hast du daheim ein süßes Lieb
So hold und schön wie ich,
So soll es nimmer dich umfahn
Soll weinen bitterlich.‹«
Die Waldfrau sprach's und schwang das Band,
Das sie im Haar getragen,
Mit ihrer schneeweißen Hand.
Da bäumte des Knaben weißes Roß
Und warf ihn auf den Grund,
In hellen Bächen floß sein Blut,
Er wurde bleich zur Stund.
Waldvöglein mit dem Ringlein roth
Sang: Leide, Leide, Leide
Wohl um des Knaben Tod.
Und als des Morgens der Buhle nicht kam
Zu seines Liebchen's Haus,
Da ward dem Mädchen gar so bang,
Es ging zum Wald hinaus.
Die Blümlein blickten traurig all',
Die Vöglein auf den Zweigen
Sangen mit leisem Schall.
Und als sie kam zum Lindenbaum,
Wo roth die Röslein stehn,
Da fand sie unter den Röslein roth
Den Knaben bleich und schön;
Sie beugte wohl zum Buhlen sich
Und küßt' ihn auf die Lippen
Und weinte bitterlich.
Geibel