Sagen aus Mecklenburg-Vorpommern
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Verbannung ins hohe Holz

Vor mehreren hundert Jahren lebte in Frauenburg ein Bürgermeister namens Lichtan. Er hatte in seinem Leben manches Unrecht getan und starb plötzlich, ohne es gutgemacht zu haben. Bald ging er in den Gebäuden, die er gebaut hatte, um. Da wandten sich seine Angehörigen zu einem Priester, damit er die Gebäude ausweihe und für die Ruhe des Verstorbenen bete. Doch es half nichts. Da sind sie zum Bischof gegangen, um die Genehmigung zu erlangen, den Lichtan zu verbannen. Der Bischof bestellte einen Geistlichen. Der stieg in eine Kutsche mit vier schwarzen Pferden und fuhr betend nach dem Hohen Holz in der Gegend von Rosenort. Der Geistliche hatte zum Kutscher gesagt, er solle an einer bestimmten Stelle halten und hier nur eine bestimmte Zeit warten; wenn er bis dahin nicht zurück sei, werde er nie wiederkommen. In der Gegend der Lankauer Berge stieg der Geistliche aus und ging dem Hohen Holz zu. Der Kutscher hat lange Zeit auf seinen Herrn gewartet. Er wollte schon abfahren, wie der Geistliche gesagt hatte, um sich über die Grenze zu retten. Da ist der Geistliche doch noch zurückgekommen, sehr eilig und schweißtriefend. Nachher hat er oft erzählt, wie er im Hohen Holz mit dem Bösen zu kämpfen gehabt habe. Der Teufel hätte ihm vorgehalten, daß er in seiner Jugend einen Zwieback gestohlen habe. Der Geistliche habe gesagt: »Das ist damals wohl unüberlegt in meiner Jugend geschehen.« Und lange noch hatte er gestritten und gebetet, aber schließlich den Teufel doch überwältigt. Nun gebot er dem Kutscher, nach Hause zu fahren, so schnell die Pferde laufen konnten, sich aber nicht umzusehen. Erst als sie über die Grenze waren, hat der Geistliche gesagt: »Gott sei Dank! Jetzt kannst du langsamer fahren, die Gefahr ist vorüber.« Der Spuk hat jedoch den Wagen noch weiter verfolgt. Der Pfarrer hat den Kutscher nämlich nach einer Weile gefragt: »Was siehst du hinter der Kutsche nachkommen?« Und der Kutscher hat geantwortet: »Herr, einen schwarzen Hund.« Der Geistliche hat weiter gebetet und zum zweitenmal die gleiche Frage gestellt und zur Antwort bekommen: »Herr, ein rollendes Bund Erbsenstroh.« Beim dritten Male aber hat er geantwortet: »Herr, ein helles Feuer!« Und dann sind sie glücklich in der Stadt gewesen. Seit jenem Tage ist Lichtan verbannt gewesen und nie mehr gesehen worden.

 


 


 << zurück weiter >>