Sagen aus Mecklenburg-Vorpommern
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Der Pfingsttänzer von Kessin

Zu Kessin war lustiger Pfingsttanz. Das Bier schmeckte gut, und die Freude war groß. Unter den Tänzern befand sich auch ein fröhlicher Bauernknecht, der sich aus einem entfernten Dorf eingefunden hatte. Als es gegen Mitternacht ging, machte sich der Junge auf den Heimweg. Umsonst suchten die Burschen und Mädchen des Ortes ihn zu bewegen, doch noch auf dem Tanzboden zu bleiben; er ließ sich nicht halten und ging fort.

Die Nacht war stockdunkel. Aber der Knecht blieb ganz nüchtern und schritt sicher dahin. Auf einmal tat sich der Himmel flammend auf, und alles weithin war taghell erleuchtet. Schwer rollte der Donner, dann herrschte wieder tiefste Dunkelheit. Doch der Knecht ging ruhig und ohne Furcht seines Weges weiter. Plötzlich hallten Tritte neben ihm, und im Dunkel der Nacht bemerkte er die verschwommenen Umrisse einer langen Gestalt, die neben ihm einherwanderte. Der fremde Mann grüßte ihn nicht, und der Knecht beachtete den Langen nicht weiter.

Kurz darauf näherten sich die beiden Wanderer einem schmalen Steg. Da fing der lange Kerl zu reden an und fragte: »Wie willst du denn da hinüberkommen?«

»Der Nase nach. Ist's deine Sorge?« antwortete der Knecht in landesüblicher Derbheit und schritt über den Steg. Der Lange folgte.

Nach einer Weile erreichten sie ein umzäuntes Gehöft. Wieder, erkundigte sich der Fremde: »Wie willst du da hinüberkommen?«

»Geht dich das an?« gab der Knecht zurück, »jedenfalls ohne dich!« und stieg über den Zaun. Der Lange folgte hinter ihm drein.

Bald darauf lag ein Haus vor ihnen, das verschlossen schien. Der, Lange meinte wiederum: »Wie willst du da hineinkommen?«

»Du wirst mir jedenfalls nicht aufmachen!« erwiderte der Bursche und klopfte ans Fenster.

Im Stübchen zündete eine alte Frau Licht an, humpelte zur Tür hin und schloß auf. Das war die Mutter des Burschen. Sie hieß ihren Sohn freundlich willkommen. Der Fremde war unaufgefordert mit in die Stube hineingegangen. Da sagte der Bursche zu seiner Mutter :

»Ach, Mutter, da ist ein fremder Mann, dem ist nicht recht wohl; geht doch zum Nachbarn hinüber, zum Herrn Pastor, und sagt, er möge gleich kommen und den Fremden mit Gottes Wort trösten.«

Da zuckte es dem Langen durch Mark und Bein; er hörte auf, lang zu sein, wurde immer kleiner und kleiner, und endlich kroch er wie ein Mäuslein unten durch die Türspalte ins Freie, und – weg war er.

Der Knecht und seine Mutter aber dankten Gott, daß sie diesen unheimlichen Gast losgeworden waren, der dem Burschen auch nie wieder unterkam.

 


 


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