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Achtes Kapitel.

Soweit der Dampf der Lokomotive streicht, gedeiht keine Raupe und kein Aberglaube.

Das war einer von den Sätzen, die Jakob in seiner stillen Weisheit aufgestellt hatte. Um seine Wahrheit zu beweisen, muß man aber sorgen, daß sich da nicht doch ein Unvorgesehenes einnistet; darum muß man heut an einem solchen Glückstag besonders acht geben, damit alles in Ordnung sei.

Auf der Strecke Jakobs ist noch kein Unglück geschehen. Sechzehn Züge sausen täglich an ihm vorüber; siebentausend Fuß sind täglich siebenmal zu begehen, und des zum Zeichen mit dem Nachbar die numerierte Tafel zu wechseln, daneben nicht zu vergessen, daß kein Gras einwachse, wodurch die Schwellen anfaulen, die Bolzen anziehen und auf alles acht haben. Und der Gang ist nicht leicht, denn die Schwellen sind nicht gleichmäßig gelegt, daß man von einer aus die andere schreiten könnte; man muß immer den Schritt ändern, weshalb man so viel Schuhwerk verbraucht.

Heute ging Jakob dahin, als ob er Flügel an den Füßen hätte; es war ihm so leicht und frei.

»Du,« sagte er zu Süß, dem Kameraden thalab, »von heute an halte ich eine Zeitung mit euch, ich zahle meinen Teil, aber eine freisinnige muß es sein.«

»Ist recht. Hab's ja schon lang gewollt. Hat dein Besuch dir das anempfohlen? Du hast doch bisher von den Welthändeln nichts wissen wollen?«

Jakob fand es nicht nötig, Antwort zu geben, er schmunzelte nur glückselig; wenn der Nachbar mehr Verstand gehabt hätte, so hätte er sehen können, daß die wiedererlangten Ehrenrechte aus dem Antlitze Jakobs leuchteten.

Ein Gefolge, das niemand sehen konnte, geleitete heute Jakob, und er grüßte wie dankend in die Welt hinein; die Lerche hoch oben und die Vögel im Busch und Baum sangen von den wiedergekommenen Ehrenrechten und Jakob pfiff leise mit.

Ehrenrechte! Man weiß eine Sache oft erst recht zu schätzen, wenn man sie verloren und wiedererlangt hat.

Jakob sah sich bereits in der Amtsstadt in dem großen Rathaussaal bei der Wahl eines Abgeordneten: »Jakob Ketterer!« wird gerufen. »Hier!« Jakob tritt auf die Erhöhung und der Wahlkommissär fragt: »Wen wählen Sie?«

»Herrn Justizrat Heister,« ruft Jakob mit fester Stimme laut vor sich hin.

»Du rufst mich?« sagte jetzt in Wirklichkeit der Mann.

Jakob erschrak und erwachte wie aus einem Traume; er hatte ja nur so vor sich hingesprochen, aber Heister fuhr fort:

»Meine Frau schläft und nun will ich mit dir gehen.«

Jakob erzählte frohlockend, daß er sich eine Zeitung bestellt habe, er dürfe ja jetzt auch seine Stimme geben zu allem.

»Ich habe nichts mehr von der Welt wissen wollen,« sagte er, »aber Herr Rat, mein Nachbar hat mir erzählt, daß die Prügelstrafe abgeschafft ist. O lieber Gott! Wenn das früher gewesen wäre. Aber ich spüre nichts mehr davon, und ich will von allem nichts mehr spüren,« schloß er.

Um ihn von diesem Gedanken abzubringen, ließ sich Heister alle Obliegenheiten Jakobs darlegen, und als dieser die Signale der verschiedenfarbigen Gläser an der Laterne erklärt hatte, sagte er:

»Wissen Sie, was meine Frau gesagt hat? Sie macht aus allem was Besonderes. Sie hat gesagt: ›Das ist mit dem Lebenslicht auch so, es ist das gleiche, aber man sieht es manchmal grün, manchmal rot und manchmal wie es wirklich ist.‹«

»Ja, du hast eine kluge und brave Frau und brave Kinder, und ich finde es ganz schön, daß mein Pate Emil Schullehrer werden will.«

»O alles, alles ist recht. Ich hin wie neu auf die Welt gekommen, und Sie sollen sehen, ich bin fest und nicht mehr verzagt.«

Von diesem Tage an leuchtete das Auge Jakobs in einem besonders hellen Glanze, und von diesem Tage an verdüsterte sich das Auge seines Erstgebornen.


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