Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunundvierzigstes Kapitel.

Der Abend brach herein, noch nie waren so viele Menschen im Bahnhäuschen zusammen gewesen. Doktor Hornung kam und mit ihm Theodora und Albrecht, der Eichbauer und Rikele. Zunächst schien es, als ob alle nur da wären, um Lena zu bewillkommnen. Niemand sprach von der Verlobungsfeier, und man hörte sogar ruhig dem Eichbauer zu, der erzählte, daß ihm der Sturm mehrere Hundert Bäume in seinem Walde niedergerissen habe, aber glücklicherweise fast nur schlagbare.

Da ging die Thüre auf und die Präsidentin, der Staatsrat und Heister traten ein.

Niemand schien das erste Wort finden zu können, da begann derjenige, von dem man's am wenigsten erwarten durfte. Der Eichbauer trat auf den Staatsrat zu und sagte:

»Herr Staatsrat! Sie sind ein vornehmer Herr, aber wir haben auch unsre Ehre, so gut wie jeder; und was auch gewesen sein mag, ein Ehrenmann ist mein Schwiegervater, ein rechtschaffener.«

»Komm her, Jakob, gib mir deine Hand,« entgegnete der Staatsrat, »du bist ein braver Mann und ich sage ja.«

Ein Wonneschauer durchrieselte alle Angehörigen. Der Staatsrat konnte sich kaum aufrecht erhalten vor all der Liebe, die ihn umdrängte. Jakob führte ihn in den Lehnsessel, und Magdalena zündete die beiden Wachskerzen an, die seit dreißig Jahren ungebraucht in den Glasleuchtern auf der Kommode standen; sie beleuchteten glückliche Gesichter, alte und junge.

Inmitten des Jubels vergaß Jakob seinen Posten nicht, er hatte den Ueberweg zu schließen. Er war zum Nachtzuge hinausgegangen; als er wieder kam, trug er einen Arm voll Rosen und warf sie Theodora in den Schoß. Dann begleitete er mit den Seinen die neuen Verwandten und Freunde zum Fuhrwerk, das jenseits der Bahn wartete. Auch Albrecht sollte mit davon fahren.

Auf dem Wege sagte Jakob:

»Herr Oberamtsrichter, will sagen Herr Staatsrat! Ich möchte noch was sagen, was Gutes.«

»So sprich.«

»Ich kann's nur Ihnen allein, die andern brauchen nichts davon zu wissen.«

Der Staatsrat ging mit ihm allein und Jakob sagte:

»Herr Staatsrat! Ich verzeih' Ihnen – wie mir unser Herrgott verzeihen soll und, wie ich glaube, auch verziehen hat, – daß Sie mir das damals haben anthun lassen.«

Da der Staatsrat schwieg, fuhr er fort: »Nun habe ich nichts mehr auf der Seele.«

Der Staatsrat hielt die Hand Jakobs, bis er in den Wagen stieg. –

Jakob saß auf der Hausbank und blies den Fortziehenden die lustigsten Stücklein nach, und er blies noch lange, als sie ihn nicht mehr hören konnten.


 << zurück weiter >>