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Sechsunddreißigstes Kapitel.

»Albrecht!« rief die Mutter in der Frühe, »jetzt kannst dich drauf verlassen, es wird alles gut, es ist nicht Aberglaube.«

»Was denn, Mutter?«

»Horch! Dein' Stimm ist schon heller. Die Schwalben sind heut nacht ankommen. Horch! Wie sie im Nest zwitschern, und die Kuh brummt: ja, ihr habt's gut, ihr könnt durch das Luftloch da aus- und einfliegen. Schau, da fliegen sie und haben in der Luft ihren gedeckten Tisch.«

Der Tag war hell, die Nacht war mild, und als man am andern Morgen ausschaute, waren alle Blüten aufgebrochen, Thal und Höhe stand in voller Frühlingspracht, und reicher war die Hoffnung da draußen nicht aufgegangen, als im Herzen der Mutter.

Albrecht saß mit den Eltern und der Schwester in der Stube, und als Jakob wegging, schlüpfte die gelbe Henne zur Thüre herein. Sie durfte doch sonst nie in die Stube, aber heut wagte sie's, und sie wurde nicht verjagt. Albrecht streute ihr Brosamen hin, sie pickte sie rasch auf und schaute ihn von der Seite an und endlich flog sie ihm sogar auf den Schoß.

»Und ich sag's und laß mich auslachen,« rief Magdalena, »kein Mensch weiß, was so ein Tierlein denkt. Meinst nicht auch, Albrecht?«

»Ja, Mutter, das ist sicher und gewiß.«

Der Schwager Eichbauer kam und stellte Albrecht sein Fuhrwerk zu Gebote, so oft er es verlange. Auch der Nachbar Maier kam, und der neue Nachbar auf Numero 373, der vordem Hilfswärter gewesen, ja auch der Pfarrer und die Pfarrerin stellten sich zu Besuch ein. Magdalena konnte Gott nicht genug dafür danken, wie man jetzt so viele Menschen habe und vor dreißig Jahren sei sie mit Jakob so wildfremd daher gekommen. Sie stand dabei, wie Albrecht so bedachtsam mit dem Pfarrer über die gerechten und ungerechten Wünsche der Arbeiter sprach. Als sie dem Pfarrer das Geleite gab, sagte er:

»Das ist ein gediegener Mensch, noch der vorzüglichste von Euren Kindern.«

Am Herde, im Stall bei der Kuh, im Garten und auf dem Hopfenacker wiederholte sich Magdalena diese Worte. Wenn Albrecht zu ihr kam und ihrem emsigen Thun zuschaute – denn noch durfte er nicht helfen – leuchteten ihre Augen und glühten ihre Wangen, so daß Albrecht sagte:

»Mutter, Ihr sehet aus wie ein junges Mädchen.«

»O du!« entgegnete sie, »du bist wohl gewohnt, Frauensleuten so schöne Redensarten zu machen.«

Albrecht hätte darauf doch wohl erzählen können, aber er hielt an sich.

Da muß noch ein arges Hindernis sein, weil er nicht redet – dachte Magdalena.

Sie hielt sich mehrere Tage zurück, einstmals aber fragte sie doch:

»Bekommst du denn gar keinen Brief? Von niemand?«

»Ja, Mutter, ich erwarte einen.«

Und am selben Tage kam ein Brief. Die Hand Albrechts zitterte, da er ihn erbrach; er ging allein auf die Bank vor dem Hause, um ihn zu lesen. Magdalena stand von ferne, ihr Herz erbebte, dieser Brief ist entscheidend. Jetzt richtete sich Albrecht auf und rief:

»Mutter! Alles ist gut. Mutter, jetzt muß ich mich ein wenig niederlegen. Nachher erzähl' ich Euch alles.«


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