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Die Pfarrersleute waren noch bei Tische, mehrere Gäste waren da und es wurde laut gesprochen; aber die Pfarrerin hatte ein feines Ohr, sie hörte doch, daß draußen in der Küche bei Lena Fremde waren. Sie kam heraus und that es nicht anders, Magdalena und Albrecht mußten in die Stube und sich noch mit zu Tische setzen. Sie wurden allseitig willkommen geheißen, denn die Pfarrerin sagte geschickterweise, die Herren hätten das Essen gelobt, das Lob gebühre der Frau Magdalena, die ihre Tochter in allem unterwiesen habe.
Unversehens wurde Magdalena der Mittelpunkt der Gesellschaft, da die Pfarrerin hinzusetzte: »Ja, unsre Frau Ketterer, die kann nicht nur gut kochen, sie kann auch Kinder erheitern wie keine zweite. Unser ältester, der Student, war ein sehr eigensinniger Knabe, und als er eines Mittags sich zum Schlafen niederlegen sollte, weinte und schrie er, daß Lena, die damals noch Schulkind war, ganz verzweifelte und wir uns nicht zu helfen wußten. Da kam Frau Ketterer und sagte: ›Ach was! So schläft ein Kind nicht ein und so thut's ihm nicht gut. Erheitern muß man ein Kind.‹ Sie nahm nun Rudolph auf den Schoß, und bald lachte er mit Thränen auf den Backen und bald schlief er und lächelte noch im Schlaf.«
Magdalena war doch einigermaßen verlegen über Erwähnung dieser Kleinigkeit, aber die gelehrten Herren fanden diese Methode sehr pädagogisch. Ein fremder Mann fügte hinzu, er habe Aehnliches auch bei Heidenbekehrungen angewendet. Es war der Mann, dem zu Ehren das Festmahl heute abend bereitet worden, ein Missionär aus Ostindien, der als Gast im Pfarrhause eingekehrt war, ein schlanker junger Mann, von kühnem und entschlossenem Gesichtsausdruck. Er erzählte auch, wie mühselig es ihm geworden, in fremdem Lande sein eigener Koch zu sein, und daneben, wie seltsam die Heiden ihre Speisen bereiten. Er erzählte gut und alles hing an seinen Lippen.
Als er das Tischgebet gesprochen hatte, setzte er sich zu Magdalena und Albrecht und sprach zutraulich mit ihnen. Er fragte Albrecht, ob er nicht Lust habe, bei der Eisenbahn in Ostindien in Dienst zu treten. Albrecht verneinte, und Magdalena setzte hinzu: »Unsre Kinder sind nicht so für die weite Welt.«
Warum sagte sie: unsre Kinder? Sie wußte es nicht; aber es ist wie ahnungsvoll, daß manchmal solches sich unwillkürlich ausspricht.
Die fremden Pfarrer rüsteten sich zum Gang nach der Station, um heim zu reisen, sie waren alle vom Wein und vom Reden erhitzt.
Der Pfarrer und der Missionär begleiteten sie; der Missionär sagte, er habe wichtige Briefe aufzugeben, die er gerne selber besorge.
Der Pfarrer ging mit seinen Amtsbrüdern, wie zufällig blieb der Missionär eine Strecke zurück mit Albrecht; er schien an dem offenen Wesen des jungen Mannes entschiedenes Wohlgefallen zu haben. Einmal sagte er sogar: »Sie haben offenbare Aehnlichkeit mit Ihrer Schwester.«
Die Schwester hatte indes der Mutter ein Stück Weges das Geleit gegeben.
»Er ist ein recht manierlicher Mann, der Missionär,« sagte Magdalena, »und er kann auch weltlich reden. Woher ist er denn gebürtig?«
»Ich glaub' da drunten vom Rhein her, da bei Holland.«
»Hat er dir das selber gesagt?«
»Nein, heißt das ja, die Pfarrerin hat mir's gesagt, aber er auch.«
»Was sagt die Pfarrerin sonst von ihm?«
»Sonst? Nichts.«
»Spricht sie nicht davon, daß es eine Glückseligkeit wäre, Missionärsfrau zu sein?«
»Nein, Mutter, im Gegenteil, sie macht einen schaudern davor. Ihr wisset ja, sie ist auch fromm und gläubig, sie ist aber nicht so fürs Bekehren, wie der Herr Pfarrer; ich glaub', der ging' heut' noch gern. Aber jetzt muß ich umkehren. Gut Nacht, Mutter.« Sie umarmte die Mutter heftig und rannte davon. Eine Strecke entfernt rief sie noch.
»Mutter! Die Herren wollen morgen zu Euch kommen. Gut Nacht.«
Magdalena ging nachdenklich durch die stille Nacht heimwärts.
Das Kind wird doch nicht schon ans Heiraten denken und nun gar . . .
Der Zug pfeift. Jetzt treffe ich ihn noch wach, sagte Magdalena, an ihren Mann denkend. Was hat sie ihm nicht alles zu erzählen! Daß Albrecht los ist, aber Lena vielleicht schon angebunden.
Im Nachbarhause bei Süß war kein Licht mehr. Magdalena mußte nicht weit von Numero 373 warten, bis der Zug vorüber war, und wie sie an der Bahn stand, meinte sie, der Zug fahre grad auf sie los; sie war schreckhaft, sie hatte eben heute gar so viel auf der Seele.
Zu Hause traf sie Jakob bereits schlafend, er schlief immer schnell ein; sie mußte nun so vieles, was sie zu berichten hatte, still tragen bis zum andern Morgen.