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Neununddreißigstes Kapitel.

Der Beifall, welchen sich die Kunstleistung Hughs und seines neuen Freundes von Seite der Gesellschaft im Stiefel erfreute, schallte noch fort, und die beiden Tänzer keuchten noch von der außerordentlichen und gewaltigen Anstrengung, als die Trinkstube in der Ankunft von weiteren Gästen Zuwachs erhielt, welche, da sie sich als eine Abtheilung der vereinigten Bullenbeißer auswiesen, mit sehr schmeichelhaften Merkmalen der Auszeichnung und Achtung empfangen wurden.

Der Führer dieses kleinen Häufleins – denn es zählte im ganzen blos drei – war unser alter Bekannter, Herr Tappertit, der hinsichtlich seines physischen Umfangs, namentlich was seine winzigen Beine betraf, mit jedem Jahr kleiner geworden zu seyn schien, vom moralischen Gesichtspunkte aus übrigens, sowohl an persönlicher Würde, als an hoher Meinung von sich selbst, zu einem Riesen angeschwollen war. Auch wäre es der achtlosesten Person nicht schwer geworden, diesen Gefühlszustand in dem quondam Lehrling zu entdecken, denn er sprach sich nicht nur auf das Unzweifelhafteste in dem majestätischen Gang und dem flammenden Auge aus, sondern entfaltete sich auch auf's Schlagendste in der aufwärts gestülpten Nase, die alle Erdendinge nur mit tiefer Verachtung zu behandeln und eine Gemeinschaft mit den verwandten, himmlischen Sphären zu suchen schien.

Herr Tappertit, als Führer oder Capitän der Bullenbeißer, erschien in dem Gefolge seiner beiden Lieutenants, von denen der Eine der früher aufgeführte lange Camerad, der Andere in den Tagen der Lehrlingsritterschaft Mark Gilbert, vormals bei Herrn Thomas Curzon im goldenen Vließe, war. Diese Herren waren nunmehr, wie ihr Chef, den Lehrlingsschuhen entwachsen und dienten als Gesellen, ahmten aber an Keckheit und Wagehalsigkeit demüthig ihrem großen Vorbilde nach und trachteten nach einer ausgezeichneten Stellung in den großen politischen Ereignissen des Tages. Daher ihre Verbindung mit der protestantischen Association in England, geheiligt durch den Namen George Gordon, und daher ihr dermaliger Besuch im Stiefel.

»Gentlemen!« sagte Herr Tappertit, indem er seinen Hut abnahm, wie etwa ein großer General seine Truppen angeredet haben würde. »Wir treffen uns zu glücklicher Stunde. Mylord erweist mir die Ehre, euch durch mich seinen Gruß zu vermelden.«

»Ihr habt also Mylord auch gesprochen?« entgegnete Dennis. »Ich bin diesen Nachmittag bei ihm gewesen.«

»Sobald unsere Werkstatt geschlossen war, rief mich mein Dienst zu ihm in's Vorzimmer, und ich sah ihn dort, Sir,« versetzte Herr Tappertit, während er und seine Lieutenants sich Plätze nahmen. »Wie geht es Euch

»Lustig, Meister, lustig,« sagte der Kerl. »Da ist ein neuer Bruder, regelmäßig schwarz auf weiß gebucht von Herrn Gashford – ein Mann, der der Sache Ehre macht – über nichts verzagt, und ganz nach meinem Herzen. Seht Ihr ihn? Meint Ihr, er habe das Aeußere eines Menschen, der zu brauchen ist?« rief er, indem er Hugh auf den Rücken klopfte.

»Aeußeres, oder nicht,« entgegnete Hugh mit einer trunkenen Armschwenkung; »ich bin der Mann für Euch. Ich hasse die Papisten sammt und sonders. Sie hassen mich und ich hasse sie. Was sie können, thun sie mir Leides an, und so will ich's auch ihnen gegenüber halten. Hurrah!«

»Gab es je,« sagte Dennis, der sich, nachdem das Echo von Hugh's lärmender Stimme verhallt war, im Zimmer umsah, »gab es je einen so tüchtigen Hetzhund? Der Tausend, ich darf wohl sagen, Brüder, wäre Herr Gashford hundert Meilen weit gegangen, und hätte er fünfzig Kerle von dem gewöhnlichen Schlag zusammengebracht, sie thäten diesen einzigen nicht aufwiegen.«

Die Mehrzahl der Anwesenden unterschrieb diese Ansicht unbedingt und gab ihr volles Vertrauen auf Hugh durch bedeutungsvolle Blicke und Winke zu erkennen. Herr Tappertit blieb jedoch eine Weile in stummen Betrachtungen sitzen, als wolle er sich vorderhand jeden Urtheils entschlagen. Dann rückte er dem Gefeierten ein wenig näher, um ihn sorgfältig beäugeln zu können, bis er endlich auf ihn zuging und ihn nach einer dunkeln Ecke bei Seite nahm. »Habe ich Euch nicht sonst wo schon gesehen?« begann er mit gedankenvollem Stirnrunzeln.

»Leicht möglich,« antwortete Hugh in seiner gleichgültigen Weise. »Ich weiß es nicht; sollte mich übrigens nicht Wunder nehmen.

»Nun, das läßt sich leicht abmachen,« entgegnete Sim. »Betrachtet mich einmal. Habt Ihr mich je zuvor gesehen? Wenn's der Fall ist, so wißt Ihr wohl, daß Ihr mich unmöglich vergessen haben könnt. Schaut mich an – ohne Furcht; ich thue Euch nichts zu Leide. Faßt mich fest in's Auge.«

Die ermuthigende Weise, in welcher Herr Tappertit dieses Ansinnen stellte, gepaart mit der Versicherung, daß er sich nicht zu fürchten brauche, belustigte Hugh gewaltig – in der That so gewaltig, daß er von dem kleinen, vor ihm stehenden Manne wegen eines schallenden Gelächters, das ihm die Augen schloß und ihm die breiten Seiten erschütterte, bis sie schmerzten, gar nichts sah.

»Nun!« sagte Herr Tappertit, der über diese achtungswidrige Behandlung etwas ungeduldig wurde. »Kennt Ihr mich denn nicht, Bursche?«

»Gewiß nicht,« rief Hugh. »Ha, ha, ha! Nein, gewiß nicht! Aber ich möchte es wohl.«

»Und doch hätte ich ein Siebenshillingstück wetten mögen,« entgegnete Herr Tappertit, indem er seine Arme zusammenschlug und sich mit weit gespreizten Beinen fest vor ihm aufpflanzte,« daß Ihr einmal Stallknecht im Maibaum wart.«

Hugh schlug bei diesen Worten seine Augen weit auf und schaute ihn in großer Ueberraschung an.

»– und der wart Ihr auch,« sagte Herr Tappertit, indem er ihn mit herablassender Scherzhaftigkeit von sich schob. »Wann täuschten meine Augen je – als meinetwegen ein junges Frauenzimmer? Kennt Ihr mich jetzt?«

»Ei, es ist doch nicht –« Hugh stotterte.

»Es ist doch nicht –« entgegnete Herr Tappertit. »Seyd Ihr deß so gewiß? Könnt Ihr Euch nicht mehr Gabriel Varden's entsinnen – wie?«

Hugh entsann sich freilich, und namentlich Dolly Vardens; aber dieß behielt er weislich für sich.

»Ihr erinnert Euch, daß Ihr, als ich noch in der Lehre war, in's Haus kamt, um nach einem Landstreicher zu fragen, der ausgerissen war und seinen trostlosen Vater dem bittersten Kummer und dergleichen Preis gegeben hatte – wißt Ihr's nicht mehr?« fragte Herr Tappertit.

»Freilich weiß ich es!« rief Hugh. »Und ich sah Euch dort.«

»Saht mich dort?« erwiederte Herr Tappertit. »Ja, ich sollt's doch meinen, daß Ihr mich dort saht. Der Alte hatte Mühe, ohne mich fortzukommen. Entsinnt Ihr Euch nicht mehr, daß ich Euch für einen Freund des Vagabunden hielt und deßhalb Streit mit Euch anfangen wollte? Als ich dann fand, daß Ihr ihn ärger verabscheutet als Gift, so ging ich mit Euch zu einem Trunke; erinnert Ihr Euch dessen?«

»Ah, freilich!« rief Hugh.

»Gut; und Ihr habt seitdem Euern Sinn nicht geändert?« sagte Herr Tappertit.

»Nein!« brüllte Hugh.

»Ihr sprecht, wie ein Mann,« entgegnete Herr Tappertit; »wir müssen uns die Hände reichen.« –

Diesen versöhnenden Worten ließ er die That folgen; und da ihm Hugh hiebei bereitwillig entgegen kam, verrichteten sie die genannte Ceremonie augenscheinlich mit großer Herzlichkeit.

»Ich finde,« sagte Herr Tappertit, sich unter den versammelten Gästen umsehend,« daß ich den Bruder So und So – von früher her kenne. – Hoffentlich habt Ihr seither nie wieder etwas von jenem Schufte gehört, he?«

»Keine Sylbe,« versetzte Hugh. »Verlangt mich auch nicht darnach. Ich glaube nicht, daß er je wieder Kunde von sich geben wird. Hoffentlich ist er längst todt.«

»Ich möchte es gleichfalls hoffen, um der Menschheit und um des Glückes der Gesellschaft willen,« sagte Herr Tappertit, indem er sich die Handflächen an den Beinen abrieb und sie von Zeit zu Zeit betrachtete. »Ist Eure andere Hand nicht ein Bischen reiner? Nein, ganz ebenso. Nun, ich will Euch einen andern Händedruck schuldig bleiben. Nehmen wir's für geschehen an, wenn Ihr nichts dagegen habt.«

Hugh lachte wieder, und zwar mit so ausgelassenem, tollem Humor, daß seine Gliedmaßen sich zu verrenken schienen und sein ganzer Körper auseinanderfallen zu wollen drohte. Doch Herr Tappertit nahm diese ungewöhnliche Heiterkeit durchaus nicht übel, sondern schaute sehr gnädig zu und stimmte sogar mit ein, so weit nämlich ein Mann von seiner Würde und Stellung mit gehöriger Rücksicht auf Anstand und Schicklichkeit (da ein Solches von bedeutenden Personen stets erwartet wird) sich dazu herablassen konnte.

Herr Tappertit ließ es, wie vielleicht mancher andere öffentliche Charakter gethan haben würde, hiemit nicht bewenden, sondern rief seine paar Lieutenants herbei, denen er Hugh in sehr empfehlender Weise vorstellte, indem er ihn für einen Mann erklärte, welcher in den Zeiten, wie die gegenwärtigen, nicht genug geschätzt werden könne. Auch erwies er ihm noch die weitere Ehre, ihn als eine Erwerbung zu bezeichnen, auf die sogar die vereinigten Bullenbeißer stolz sein dürften; und da er nach einigem Sondiren fand, daß der neugeworbene Antipäpstler ganz bereit und willig war, in ihre Gesellschaft einzutreten (er nahm es nämlich durchaus nicht genau, und würde sich in jener Nacht mit Allem und Jedem zu was immer für einem Zwecke verbündet haben), so traf er die nöthigen Einleitungen, um die Aufnahme auf der Stelle vorzunehmen. Diese dem Verdienste zu Theil gewordene Huldigung gewährte Niemand mehr Freude, als Herrn Dennis, wie er selbst mit unterschiedlichen, seltenen und überraschenden Flüchen betheuerte, und erhielt deßgleichen den einstimmigen Beifall der ganzen Versammlung.

»Ihr könnt aus mir machen, was Ihr wollt!« rief Hugh, indem er die zu öfternmalen geleerte Kanne in der Luft schwenkte. »Verwendet mich, wie es Euch beliebt. Ich bin Euer Mann. Ich führ's aus. Da ist mein Capitän, mein Anführer. Ha, ha, ha! Wenn er das Commandowort dazu gibt, so greife ich ganz allein das ganze Parlament an, oder lege eine brennende Fackel sogar an den Thron des Königs!«

Nach diesen Worten schlug er mit solcher Macht auf Herrn Tappertit's Rücken, daß sein kleiner Leichnam in ein wahres Nichts zusammenzuschrumpfen schien; und dann brüllte er wieder, daß sogar die Findelkinder in der Nachbarschaft aus ihren Betten aufschracken.

In der That schien ein gewisses Gefühl von der Wunderlichkeit ihrer Verbrüderung sein rohes Gehirn vollkommen in Beschlag genommen zu haben. Schon die bloße Thatsache, von einem großen Mann beschützt zu werden, den er in der Hand zerdrücken konnte, kam seinen Augen so excentrisch und humoristisch vor, daß eine Art Lustigkeit die Oberherrschaft über ihn gewann, welche sein viehisches Wesen ganz unterjochte. Er brüllte und brüllte wieder, brachte wohl hundertmal Herrn Tappertit's Gesundheit aus, erklärte sich selbst für einen Bullenbeißer mit Haut und Haaren, und gelobte der Verbrüderung derselben Treue bis auf den letzten Blutstropfen.

Alle diese Komplimente nahm Herr Tappertit als Dinge hin, die ganz in der Natur der Sache lägen – zwar schmeichelhaft in ihrer Art, aber doch weiter nichts, als ein Zoll, der seiner hohen Ueberlegenheit gebührte. Sein gravitätisches Wesen ergötzte Hugh nur um so mehr – und mit einem Worte, Riese und Zwerg schlossen eine Freundschaft mit einander, die von Dauer zu seyn versprach, da der Eine ein Recht zum Befehlen zu haben glaubte, und der Andere im Gehorchen einen ausgesuchten Spaß fand. Auch benahm sich Hugh durchaus nicht wie ein passiver Parteigänger, der alles Mögliche bedenkt, ehe er ohne gemessenen und bestimmten Befehl handelt; denn als Herr Tappertit auf ein leeres Faß stieg, das als eine Art von Rednerbühne in der Stube stand, um über die beunruhigende Krisis der gegenwärtigen Zeiten eine Rede zu halten, pflanzte er sich neben dem Sprecher auf, und obgleich er bei jedem Worte derselben von einem Ohr bis zum andern grinste, so gab er doch vermittelst Handhabung seines Knüttels den Spöttern so nachdrückliche Winke, daß diejenigen, welche anfangs die größte Neigung verriethen, den Redner zu unterbrechen, merkwürdig aufmerksam wurden und den lautesten Beifall klatschten.

Dem ungeachtet war aber doch nicht Alles Lärm und Posse in dem Stiefel, wie denn auch nicht alle Anwesenden zu dem Auditorium des Sprechers gehörten. An dem andern Ende der Stube (einem langen, niedrigen Gemache) befanden sich mehrere Männer in ernster Unterhaltung, und wenn die Einen gingen, so kamen bald nachher Andere, um ihre Plätze einzunehmen, als ob sie eine Wache ablösten, was auch wirklich der Fall zu seyn schien, da der Wechsel ganz nach der Uhr, je von halber Stunde zu halber Stunde stattfand. Diese Personen flüsterten viel unter sich, hielten sich ferne und schauten oft umher, als nähmen sie sich in Acht, gehört zu werden; Etliche darunter schrieben in Bücher ein, was die Andern gemeldet zu haben schienen; und wenn sie nicht in dieser Weise beschäftigt waren, griff Einer von ihnen nach den auf dem Tisch zerstreuten Zeitungen, um aus dem Saint James Chronicle, dem Herald, dem Chronicle oder Public Advertiser den Uebrigen mit leiser Stimme eine Stelle über den Gegenstand vorzulesen, für den sich Alle so lebhaft interessirten. Die größte Aufmerksamkeit erregte übrigens eine Flugschrift unter dem Titel »der Donnerer«, welche ihre eigenen Ansichten behandelte und, wie man damals glaubte, direkt von der Association ausgegangen war. Nach ihr geschah immer Nachfrage, und so oft sie vor einem Häuflein eifriger Zuhörer, oder vor einem einzelnen Mann verlesen wurde, so durfte man zuverlässig darauf zählen, daß stürmische Worte und aufgeregte Blicke an die Reihe kamen.

Mitten in dieser Heiterkeit und trotz der Bewunderung, die er seinem Capitän zollte, wurde doch Hugh durch diese und andere Anzeigen auf das Vorhandensein eines geheimnißvollen Treibens aufmerksam, ähnlich dem, welches ihm auf der Straße schon so sehr aufgefallen war. Unmöglich konnte man sich des Gefühls erwehren, daß etwas Ernstliches im Werden sey, und daß unter dem geräuschvollen Gelage der Kneipe unsichtbare, gefährliche Dinge lauerten. Dieß focht ihn jedoch wenig an, denn er war ganz zufrieden mit seinem Quartier, und würde bis zum Morgen da geblieben seyn, wenn nicht sein Begleiter bald nach Mitternacht aufgebrochen wäre, um nach Hause zu gehen. Herr Tappertit folgte diesem Beispiele und beraubte ihn somit jeden Vorwandes, länger zu bleiben, weßhalb alle Drei gemeinschaftlich die Schenke verließen und unterwegs ein Kein-Pabstthum-Lied brüllten, so daß die Felder von dem grauenhaften Lärm wiederhallten.

»Hell auf, Capitän,« rief Hugh, als sie sich außer Athem gebrüllt hatten. »Eine andere Strophe!«

Herr Tappertit, dem die Sache nicht entleidet war, begann auf's Neue, und so stolperte das Kleeblatt Arm in Arm weiter, wie Tollhäusler schreiend und die Nachtwächter mit großer Ritterlichkeit verhöhnend. Freilich gehörte hiezu keine sonderliche Keckheit oder Bravour, da die Nachtwächter der damaligen Zeit nur ihrem hohen Alter und ihrer außerordentlichen Gebrechlichkeit das Aemtlein verdankten und sich daher beim ersten Anziehen eines Tumults fest in ihren Wachthäusern einzuschließen pflegten, wo sie verblieben, bis die Lärmmacher verschwunden waren. Namentlich zeichnete sich dermalen Herr Dennis, der eine rauhe Stimme und gewaltige Lunge hatte, sehr vortheilhaft aus und erwarb sich großen Kredit bei seinen zwei Gefährten.

»Was Ihr doch für ein schnurriger Kauz seyd!« sagte Herr Tappertit. »Ihr seyd so köstlich schlau und hinterlistig. Warum wollt Ihr nie sagen, was Ihr für ein Gewerbe treibt?«

»Antwortet dem Capitän augenblicklich,« rief Hugh, indem er ihm den Hut tiefer in's Gesicht schlug; »warum wollt Ihr nie sagen, was Ihr für ein Gewerbe treibt?«

»Ich gehöre einem so gentilen Beruf an, Bruder, als sich nur irgend ein Mann in England dessen rühmen kann – ein so leichtes Geschäft, daß sich jeder Gentleman danach sehnen möchte.«

»Seyd Ihr darauf in der Lehre gewesen?« fragte Herr Tappertit.

»Nein. Natürliches Genie,« antwortete Herr Dennis. »Pah, Lehre! Es kommt von Natur. Herr Gashford kennt meinen Beruf. Seht 'mal diese meine Hand an – sie hat manches und manches Geschäftchen mit einer Nettigkeit und Gewandtheit, die ihres Gleichen sucht, abgemacht. Wenn ich diese Hand anschauen thue,« sagte Herr Dennis, indem er sie in der Luft schüttelte, »und bedenke, welche elegante Stückchen Arbeit sie gefertigt hat, so wird's mir ganz mellonkolisch über dem Gedanken, daß sie je alt und schwach werden soll. Aber so geht's eben im Leben!«

Er holte, während er sich in diesen Betrachtungen erging, einen tiefen Seufzer, legte in einer Art von Geistesabwesenheit seine Finger an Hughs Hals, und namentlich unter sein linkes Ohr, als studire er den anatomischen Bau dieses Körpertheils, schüttelte verzweifelnd den Kopf und vergoß eigentliche Thränen.

»So seyd Ihr vermuthlich eine Art von Freikünstler – he?« sagte Herr Tappertit.

»Ja,« entgegnete Dennis; »ja – ich darf mich wohl einen Freikünstler nennen – einen Geschäftsmann aus Liebhaberei – Kunst verbessert die Natur! Das ist mein Motto.«

»Und was soll dieß bedeuten?« sagte Herr Tappertit, indem er ihm den Stock aus der Hand nahm.

»Das auf dem Knopf ist mein Porträt,« versetzte Dennis. »Haltet Ihr's für getroffen?«

»Je nun – es ist ein Bischen zu hübsch,« sagte Herr Tappertit. »Wer hat's gemacht? Ihr vielleicht?«

»Ich?« erwiederte Dennis, sein Ebenbild zärtlich betrachtend. »Ich wollte, ich hätte das Talent. Ein Freund hat's für mich geschnitzt, der jetzt nicht mehr ist. Den Tag, ehe er starb, schnitt er dieß aus dem Gedächtniß mit seinem Taschenmesser aus! Ich muß sterben, sagte mein Freund, und meine letzten Augenblicke sollen der Fertigung von Dennis Porträt geweiht seyn. So ist's.«

»Das war ein wunderlicher Einfall – oder nicht?« sagte Herr Tappertit.

»Freilich war's ein wunderlicher Einfall,« entgegnete der Andere, die Nase des Knopfs anhauchend und sie mit dem Rockärmel polirend; »'s war aber überhaupt auch ein wunderlicher Kerl – eine Art Zigeuner – einer der schönsten, der tüchtigsten Kerle, die Ihr je gesehen habt. Ah! Mein Freund erzählte mir an dem Morgen, bevor er starb, einige Geschichtchen, ob denen Ihr die Augen aufreißen würdet.«

»Ihr wart also damals bei ihm, he?« fragte Herr Tappertit.

»Ja, ich war bei ihm,« antwortete er mit einem verschmitzten Blicke. »O ja, gewiß war ich bei ihm. Er wäre nicht halb so behaglich abgefahren ohne mich. Ich habe dreien oder vieren seiner Familie unter denselben Verhältnissen beigestanden. Es waren lauter hübsche Bursche.«

»Da müssen sie wohl gewaltig erpicht auf Euch gewesen seyn,« versetzte Herr Tappertit, ihn von der Seite ansehend.

»Ich wüßte nicht, daß sie gerade besonders erpicht auf mich gewesen wären,« sagte Dennis nach einem kleinen Zögern, »aber sie Alle hatten mich in ihrer Nähe, als sie absegelten. Ich erbte auch ihre Garderobe. Das Tuch, das Ihr hier um meinen Hals sehet, gehörte dem, von dem ich vorhin gesprochen – demselbigen, der das Porträt machte.«

Herr Tappertit blickte auf den angedeuteten Artikel und schien zu denken, daß der Hingeschiedene hinsichtlich seines Anzuges nicht besonders wählig gewesen seyn und jedenfalls dabei seine Kasse sehr zu Rathe gehalten haben müsse. Er ließ jedoch keine Bemerkung darüber fallen, und so fuhr ihr geheimnißvoller Gefährte ununterbrochen fort.

»Diese Beinkleider,« sagte Dennis, seine Kniee reibend; »diese Beinkleider hier, gehörten einem Freund von mir, der solche Unbequemlichkeiten für immer abgelegt hat: auch sein Rock – ich bin oft in den Straßen hinter diesem Rocke hergegangen und habe mir meine Gedanken darüber gemacht, ob er wohl je an mich kommen würde. Dieses Paar Schuhe hat an den Füßen eines andern Mannes wenigstens ein halbdutzendmal vor meinen Augen ein Hornpipe getanzt. Und was meinen Hut betrifft,« sagte er, indem er ihn abnahm und auf seiner Faust tanzen ließ – »Herr Gott im Himmel! wie oft habe ich diesen Hut auf dem Bock einer Miethkutsche Holborn hinauffahren sehen – ja, manchen und manchen Tag.«

»Ihr wollt doch hoffentlich nicht sagen, daß die früheren Träger dieser Kleidungsstücke alle todt sind?« entgegnete Herr Tappertit, während dieser Worte ein wenig zurücktretend.

»Alle sammt und sonders,« versetzte Dennis. »Stück für Stück, mein Guter.«

Es lag etwas so Unheimliches in diesem Umstand, und die Verblichenheit des Anzugs, der, aus diesem neuen Gesichtspunkte betrachtet, von der Grabeserde entfärbt zu seyn schien, fand hiedurch eine so seltsame und grauenhafte Erklärung, daß es jetzt Herrn Tappertit plötzlich einfiel, er habe einen andern Weg zu machen; er hielt daher an und wünschte ihm auf's Herzlichste gute Nacht. Sie befanden sich gerade in der Nähe von Old Bailey, und da Herr Dennis wußte, es wären noch einige Schließer auf, mit denen er die Nacht verbringen und bei einem geselligen Gläschen neben einem lustigen Kaminfeuer Geschäftsangelegenheiten von allgemeinem Interesse besprechen konnte, so trennte er sich ohne großes Bedauern von seinen Kameraden, indem er zuvor noch Hugh mit Wärme die Hand drückte und ihn auf morgen früh nach dem Stiefel bestellte. Die Beiden gingen sofort ihres Weges weiter.

»Das ist ein sonderbarer Bursche,« sagte Herr Tappertit, indem er dem die Straße hinunterwackelnden Miethkutscherhut nachsah. »Ich weiß nicht, was ich aus ihm machen soll. Warum verschafft er sich nicht seine Beinkleider von dem Schneider, oder warum trägt er überhaupt keine lebendige Kleider?«

»Es ist ein glücklicher Mann, Capitän,« rief Hugh. »Ich möchte wohl auch solche Freunde, wie die seinigen, haben.«

»Hoffentlich veranlaßt er sie doch nicht, ihr Testament zu machen, und schlägt sie dann auf den Kopf,« sagte Herr Tappertit nachdenkend. »Doch kommt! Die vereinigten Bulldoggen erwarten mich. Vorwärts! – Nun, was gibt's?«

»Ich habe ganz vergessen,« sagte Hugh, der etwas stutzte, als er in der Nähe eine Kirchthurmuhr schlagen hörte. »Ich habe diese Nacht noch einen Besuch zu machen und muß augenblicklich umkehren. Das Trinken und Singen ließ mich nicht daran denken. 's ist gut, daß es mir noch einfiel.«

Herr Tappertit warf seinem Gefährten einen Blick zu, als hätte er gute Lust, in Bezug auf diesen Akt der Desertion einige sehr majestätische Ansichten preiszugeben; da er aber aus Hugh's hastigem Wesen ersah, sein Geschäft müsse sehr dringender Natur seyn, so hatte er gnädigste Nachsicht und gab ihm die Erlaubniß, sich unmittelbar zu entfernen, was von Hugh mit einem schallenden Gelächter anerkannt wurde.

»Gute Nacht, Capitän!« rief er. »Vergeßt nicht, ich gehöre zu den Eurigen bis in den Tod!«

»Lebt wohl,« sagte Herr Tappertit mit einer Handschwenkung. »Seyd kühn und wachsam!«

»Kein Pabstthum, Capitän!« brüllte Hugh.

»England muß zuerst im Blute schwimmen!« rief sein verzweifelter Führer.

Hugh erwiederte dieß mit einem Jubelruf und einem Gelächter, worauf er wie ein Windspiel davon rannte.

»Dieser Mensch wird meinem Corps Ehre machen,« sagte Simon, sich gedankenvoll umwendend. »Und laßt mich sehen. In einem veränderten Stand der Gesellschaft – der natürlich die Folge unseres Losbrechens und Sieges seyn muß – wenn die Schlosserstocher mein ist, muß ich mir, auf was immer für eine Weise, die Miggs vom Halse schaffen, sonst vergiftet sie mir eines Abends, wenn ich nicht zu Hause bin, den Theekessel. Er könnte die Miggs heirathen, wenn er betrunken genug ist. Ja, so wird's gehen. Ich will mir's notiren.«



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