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Meidest du den Tod der Schlachten,
Sieh, ob Falschheit dich umgarnt;
Freundlich Heucheln, tückisch Trachten,
Wo kein Schreckenszeichen warnt.
St. Schütze.
Dicht vor dem Kaiser zog der Siegesbote die Zügel des herbeistürmenden Pferdes an und es stand ruhig und unbeweglich, wie eine Mauer. Nur mit dem mittlern Finger der linken Hand berührte er leichthin den Sattel und wußte durch diese kleine Bewegung sich einen Schwung zu geben, der ihn sogleich zur Erde trug. Im nämlichen Augenblicke lag er auch auf einem Knie zu den Füßen des Kaisers, der mit Vergnügen die anmuthige Behendigkeit des jungen Mannes bemerkte. Ohne das gesenkte Haupt zu erheben, reichte dieser jetzt seinem kaiserlichen Herrn, in dessen Nähe sein Herz mächtiger und höher schlug, das offene Pergament dar, auf welchem der Bericht des alten Marschalk von Sonnenberg eingetragen stand.
»Wer bist Du und wer sendet Dich!« fragte Adolph von Nassau, mit dem so ungemein wohllautenden Tone seiner Stimme, der jeden entzückte. Aber seine Hand berührte nicht das dargebotene Pergament und sein Blick weilte mißtrauisch auf diesem.
»Es ist der Junker von Sonnenberg, der Sohn Herrn Ludwig's, Eueres Statthalters,« antwortete Ritter Mainhard, der die Befangenheit Friedmann's bemerkte, welche diesen an einer augenblicklichen Erwiederung verhinderte. Zugleich trat der alte Ritter neben den Jüngling und fuhr dann in ehrerbietiger, gebückter Stellung fort: »Gewiß bringt er meinem hohen Herrn und Kaiser nähere Kunde von der Belagerung von Schloß Sonnenberg durch die Epsteiner und, trügt mich nicht meine gute Ahnung, von dem schimpflichen Rückzuge der Feinde selbst.«
»So ist es!« stammelte Friedmann. »Das Pergament enthält die genaue Erzählung der ganzen Begebenheit.«
Des Kaisers Antlitz erheiterte sich. Mißtrauen und Argwohn verschwanden aus seinem Blicke und, indem er das Pergament aus der Hand des Junkers nahm, sagte er sehr freundlich:
»Stehe auf, junger Mann! Wir lieben es nicht, daß man vor uns kniee; nur vor Gott und seinen Heiligen geziemt eine solche Demuth.«
Der Junker von Sonnenberg folgte dem Gebote seines Kaisers, während dieser mit großer Aufmerksamkeit den Inhalt des empfangenen Pergaments erforschte. Jetzt erst gewann unser junger Freund seine gewöhnliche Unbefangenheit wieder und wagte es, seine Blicke im Kreise umherschweifen zu lassen. Da war der erste Gegenstand, der sich ihm zeigte, auch derjenige, von dem er sich nicht wieder losreißen mochte. Amalgundis, das liebreizende Wesen, stand dicht an der Seite Adolph's von Nassau. Ihr mildes Auge sank zur Erde, als der Blick des seinigen sie traf, dann flog es ängstlich forschend empor zum Kaiser, der ganz in Lesen vertieft, Alles, was ihn umgab, vergessen zu haben schien.
Dieser Blick, den das geliebte Mädchen auf den Monarchen warf, war hinreichend, die Seele des Junkers von Sonnenberg mit neuer Besorgniß zu erfüllen. Antonio Bandini's seltsame Aeußerung, des nürnberger Brautpaars unerklärliche Betroffenheit bei seiner Frage nach Amalgundis, traten wieder lebhaft vor seinen Geist und beängstigten ihn mit neu erwachenden Zweifeln, die er nicht zu lösen vermochte. Ach! wie durfte er hoffen, sie, die den Kaiser so nahe anzugehn schien, die wohl gar eine seiner Verwandten war, jemals zu erringen? Welche andere Enträthselung dieses Verhältnißes stand ihm vielleicht noch bevor, die alle Aussicht auf Erfüllung seiner Wünsche mit einemmale und auf immer vernichten konnte? Eine solche Himmelserscheinung in der Nähe eines Kaisers hatte nicht unbemerkt bleiben können. Kaum war es denkbar, daß nicht schon mehrere Bewerber um diesen hohen Preis sich gefunden hätten, die alle durch den Ruhm ihrer Thaten, durch ihr Verdienst um Adolph von Nassau, durch Geburt und Reichthum seiner würdiger waren, als der unbekannte, unbeachtete Junker von Sonnenberg. Hatte etwa gar der Kaiser schon einem seiner Günstlinge den Besitz der reizenden Jungfrau zugesagt? War sie vielleicht in diesem Augenblicke schon auf immer für ihn verloren? Diese Gedanken durchzuckten schmerzhaft die Brust des jungen Mannes und er würde sie zum Wahne einer für ihn betrübenden Ueberzeugung ausgesponnen haben, wenn nicht die plötzliche Anrede des Kaisers ihn dieser Selbstpeinigung entrissen und ihr Sinn das jugendliche Herz mit neuer Freude belebt und zu einem edeln Selbstbewußtsein erhoben hätte.
»Bei meiner kaiserlichen Ehre,« sprach Adolph von Nassau, indem er mit wohlwollendem Blicke den kräftigen Jüngling betrachtete: »Du hast gethan wie ein erfahrner Kriegsmann, Du hast gekämpft, wie ein tüchtiger Ritter und Dich hoch verdient gemacht um uns und unser Erbland. Das hier, ihr Herrn und Freunde,« fuhr er fort, indem er sich zu den Umstehenden wandte: »das ist der wackere Sohn eines würdigen Vaters. Ihm haben wir die Erhaltung von Schloß Sonnenberg zu verdanken. Er hat nur mit geringen Streitkräften, aber mit einem Muthe und mit einer Verständigkeit, die seinen jungen Jahren vorausgeeilt ist, die Burg gegen die Uebermacht der Anhänger unseres erbittertsten Feindes, Gerhard von Mainz, in dem wir leider auch unsern Blutsverwandten nennen, behauptet und sich so ein Recht auf unsere volle Dankbarkeit begründet.«
Friedmann erröthete bei diesem Lobe aus kaiserlichem Munde. »Auf seine volle Dankbarkeit!« dachte er und sein sehnsüchtiges Auge suchte Amalgundis. Mochte er sich vielleicht täuschen, aber es schien ihm, als zeige ihr schönes Angesicht den Ausdruck freudiger Theilnahme an der Huld, welche ihm der Kaiser erwies. Da trat Herr Schelm vom Berge zu ihm hin, drückte ihm traulich die Hand und wünschte dem Sohne seines alten Freundes und Waffenbruders mit biedersinnigen Worten Glück zu seiner ersten so glänzenden Waffenthat. Der Jüngling wollte etwas erwiedern, aber als jetzt der Kaiser sich anschickte den Ort zu verlassen, gedachte er des von dem büßenden Mönche übernommenen Auftrags, und reichte, indem er sich von Ritter Meinhard abwendete, dem Monarchen die versiegelte Pergamentrolle dar, welche er bis dahin in seiner Schärpe bewahrt hatte.
»Was ist das?« fragte Adolph, indem er wiederum zögerte, das Pergament anzunehmen. »Ist das eine zweite Sendung unseres getreuen Herrn Ludwigs?«
»Mit nichten, hoher Herr!« versetzte der Junker von Sonnenberg, der nicht glaubte, die Art wie dieses Schreiben an ihn gekommen, verschweigen zu müssen. »Ein armer Mönch bat mich, diese Bittschrift seines Klosters in kaiserliche Hände niederzulegen.«
»Ein Mönch!« sagte der Monarch und seine Stirn verfinsterte sich. »Wir versehen uns keiner Freundschaftsdienste von den Geweihten des Herrn der Kirche. Aber wenn Du Bürge bist für den, welcher dieses Pergament Dir übergab, so getrauen wir uns wohl, es zu eröffnen.«
»Ich kannte ihn nicht!« entgegnete der Junker von Sonnenberg. »Er wußte mein Mitleid durch die Schilderung des Elends, mit welchem ihn und seine Brüder der Krieg heimgesucht habe, zu gewinnen. Er glaubte nicht hoffen zu dürfen, Euer Angesicht zu erschauen, mein kaiserlicher Herr, und deshalb gewährte ich ihm gern das mir unbedeutend scheinende Verlangen.«
»Diese Heiligen wissen, daß sie uns Gelegenheit gegeben haben, ihnen zu mißtrauen, und das Gewissen wird bei ihnen laut, ob sie gleich die Macht besitzen, zu binden und zu lösen!« rief Adolph von Nassau und ein bitteres Lächeln trat auf sein bleiches Antlitz. »Aber ich fürchte sehr, mein guter Junker von Sonnenberg, man hat auch Dich getäuscht, und Deinen Mangel an Welterfahrung benutzt, in Deine schuldlose Hand eine Schlinge zu legen zu unserm beabsichtigten Verderben. Dieser arme Mönch geht allzu listig zu Werke, um nicht verdächtig zu scheinen. Alessandro tritt herbei und prüfe dieses Pergament nach Deiner Art.«
Und aus dem dienenden Gefolge des Kaisers, das aus Falkenirern mit den verkappten Edelthieren auf der Hand, aus Jagdmeistern, welche die Lieblingshunde des Monarchen an Seidenstricken führten, aus Kriegsknechten und Hausbedienten bestand, schlich ein Greis am Stabe hervor, dessen tiefgefurchtes Antlitz von einem bis zur Brust herabreichenden Silberbarte umflossen war. Die Last der Jahre beugte sein Haupt und krümmte seinen Rücken. Die Ritter und Herren wichen ihm ehrfurchtsvoll aus und in den Zügen mancher sprach sich eine Scheu vor dem alten Manne aus, die sie vergebens zu verbergen suchten.
Als der Greis vor dem Kaiser stand, erhob er mühsam den Kopf und sah ihn starr und forschend einige Augenblicke lang an. Auf den Junker von Sonnenberg machte die Erscheinung des Alten, dessen Antlitz er nun betrachten konnte, einen wunderbaren Eindruck. Diese erdfahlen Wangen, diese starren runzelvollen Züge schienen dem Grabe anzugehören, während aus den kleinen blitzenden Augen ein geistiges Leben sprach und ein durchdringender Scharfsinn, wie er nur selten einzelnen hoch begünstigten Sterblichen verliehen ist. Dabei war auch die Kleidung des Greises ganz geeignet, die Aufmerksamkeit eines wenig weltkundigen Jünglings der damaligen Zeit zu erregen und die ehrfurchtsvolle Scheu, welche auch unsern Friedmann ergriffen hatte, zu vermehren. Der Alte trug einen weiten dunkelrothen Talar, auf dem sich in schwarzer Stickerei allerlei seltsame Charaktere zeigten, in denen der fast allgemein verbreitete Aberglaube jener Tage eine zauberische Bedeutung und Wirksamkeit suchte. Dreiecke, Quadrate und Kreise waren hier in sonderbaren Verschlingungen zusammengefügt. Dazwischen blickten wunderliche Thier- und Menschenantlitze, frazzenhaft verzerrt und mit eigener Kunst und Geschicklichkeit dargestellt, lauernd hervor, so daß jeder, der sie genau betrachtete, sich durch den lebendigen Ausdruck in ihnen sonderbar ergriffen fühlte. Ein schmaler glänzender Gürtel hielt diesen Talar zusammen. Bei näherer Beobachtung aber entdeckte der Junker von Sonnenberg, daß dieser Gürtel eine in vielen Farben schillernde Schlangenhaut sei, deren Kopf die eigenthümliche Gestalt beibehalten hatte und mit zwei leuchtenden Edelsteinen, statt der Augen versehen, vornen herabhing. Der Kopf des Greises war mit einem Barett von schwarzem Pelze bedeckt, um dessen untern Theil sich ein buntes Seidentuch turbanartig geschlungen fand und einen rothen, in einen breiten Büschel ausgehenden Federbusch befestigt hielt. Der Stab, auf welchen er sich stützte, war von schwarzer Farbe, aber ein goldnes Schlänglein wand sich um ihn und tauchte das gebogene Haupt, indem dieses zum Griffe diente, in eine kleine weiter unten befindliche Schaale von grünem Achat.
»Das ist der salernitanische Doctor Alessandro, der hundertjährige Leibarzt des Kaisers;« raunte Herr Schelm dem Junker zu. »Er hat schon den Hohenstaufen gedient, war mit Kaiser Friedrich in Palästina und soll gar wunderbare Geheimnisse und Wissenschaften aus dem heiligen Lande mit heimgebracht haben.«
In diesem Augenblicke bewegten sich die Lippen des seltsamen Greises und er sprach mit einer angenehmen und kräftigen Stimme, die derjenige, der ihn nicht zugleich gesehen hätte, für die eines Jünglings gehalten haben würde:
»Der Wille des Bösen geht in dieser Stunde unschädlich an Deinem Haupte vorüber, Monarch, und der Zahn des Tigers schlägt nicht in Dein Fleisch; denn das Gestirn, das Dir bei Deiner Geburt geleuchtet, waltet heute günstig über Dir und vergebens strebt die Macht feindlicher Dämone, es zu verdunkeln. Gieb her, Jüngling,« sagte er hierauf zu dem Junker von Sonnenberg, »gieb her das Werkzeug, welches die Bosheit mit Verderben geschwängert und der unwissenden Unschuld vertrauet hat, damit es desto sicherer sein Ziel erreiche und vernichte.«
Mit diesen Worten nahm der Greis die Pergamentrolle aus Friedmanns Hand, indem er sie vorsichtig nur mit zwei Fingerspitzen seiner Linken berührte. Hierauf schnitt er mit einer Scheere, die er unter seinem Gewande verborgen trug, rasch das obere Theil der Pergamentrolle, wo sich das Siegel befand, ab. Das Pergament wurde durch die trennende Berührung erschüttert und ein weißer Staub stieg aus der Rolle auf.
»Das ist der Odem des bösen Geistes!« sagte Alessandro und hielt die Rolle hoch in die Luft empor, bis der weißliche Dunst verflogen und verschwunden war.
Im Kreise war es so still, daß man die Odemzüge Einzelner hören konnte. Dieses Schweigen theilte sich auch dem Volke mit, welches zwar nicht erkennen konnte, was in der Nähe des Kaisers vorging, aber die Verhandlung irgend eines wichtigen Gegenstandes ahnte. Die schöne Amalgundis sah mit Zittern auf den Jüngling, der das verderbliche Pergament gebracht. Ihre Seele wurde mit ängstlicher Besorgniß um den erfüllt, der in dem Augenblicke der Gefahr sie mit kühnem Muthe beschützt und, wie sie sich nicht verhehlen konnte, durch die Anmuth seiner Gestalt und durch sein ritterlich edles Betragen einen tiefen Eindruck auf ihr Herz gemacht hatte.