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24.

Ich kenn euch wohl, ihr düstern Geister,
Die ihr aus dunkler Höle stöhnt,
Zu Zeiten sclavisch mich als Meister
Mit Grollen ehrt, zu Zeiten höhnt.

F. Kind.

»Die Feierlichkeit in der Liebfrauenkirche,« hob der Lombarde auf's neue an, »war vorüber, mein lieber Meister Heinrich hatte nach der Vesper einen herrlichen Gesang zum Preise Gottes angestimmt und ein süßes Lied zu Ehren der Frauen folgen lassen, ich hatte ihn noch einmal recht aufmerksam und mit inniger Liebe angeschaut, um mir sein theueres Bild tief ins Herz einzugraben, und eilte nun durch die Straßen der Stadt, welche die eintretende Abenddämmerung schon sehr düster machte, meiner Wohnung zu. Ich hatte schon Alles zu meiner Abreise vorbereitet, mein Bündel war geschnürt, mein wohl erworbenes Geld und Gut sorglich eingepackt, und ich wollte das Alles jetzt abholen, um noch an diesem Abende still und unbemerkt die Stadt zu verlassen und Rheinaufwärts nach der freien Stadt Worms hinzuwandern. Ich kann Euch nicht bergen, junger Herr, daß mich ein wehemüthiges Gefühl ergriff bei dem Gedanken, mich von Mainz, wo ich so viel Gutes erfahren, wo ich so viel Freundinnen und Freunde, und unter diesen den edeln Meister Heinrich Frauenlob, gefunden hatte, zu entfernen. Dieser Verstimmung war ich ganz hingegeben, als ich durch ein enges Gäßchen schritt, das an den hintern Bau des erzbischöflichen Pallastes stieß und gerade nach meiner Wohnung führte. Da hörte ich plötzlich Schritte hinter mir und fühlte mich nach wenigen Augenblicken am Arme festgehalten. Ich sah mich rasch um, allein ich konnte bei der in dem engen Raume herrschenden Dunkelheit nicht mehr entdecken, als daß ein Mönch in der gänzlich verhüllenden Kleidung des Ordens der weißen Büßenden hinter mir stand und daß dieser es war, der meinen Arm ergriffen hatte. »Ich irre nicht,« sagte der Mönch, »Ihr seid der kunsterfahrene Arzt, der den Meister Heinrich von seiner schweren Krankheit befreit hat. Kommt sogleich mit mir! Ganz hier in der Nähe liegt ein sehr angesehener und reicher Herr an einem gefährlichen Uebel darnieder. Ihr werdet ihn heilen, Ihr werdet große Ehre und großen Gewinn von dieser Sache tragen.« Die Stimme des Mönches schien mir bekannt, doch war mir es, als werde sie absichtlich verstellt, und ich vermochte nicht zu errathen, wem sie angehöre. Ich habe Euch schon gesagt, daß ich die Verfolgungen der Mönche mit Recht zu fürchten hatte und ich glaube auch, daß Ihr, nach dem was ich Euch mitgetheilt habe, selbst davon überzeugt seid. Ich fühlte also durchaus keinen Beruf, der Einladung des weißen Büßenden zu genügen, sondern riß mich vielmehr ohne ein Wort zu erwiedern, von ihm los und eilte mit verdoppelten Schritten meiner Wohnung zu. Aber ein Hohngelächter schallte hinter mir her und ich vernahm deutlich die Worte: »Gehe nur hin, Thörigter! Deinem Schicksale entrinnst Du doch nicht.« Mein ganzer Muth war in einem Augenblicke von mir gewichen. Jetzt hatte ich die Stimme erkannt, es war kein Zweifel: Erzbischof Gerhard selbst hatte unter der Kutte des weißen Büßenden mich angeredet.«

»Deshalb erkanntet Ihr den büßenden Mönch wieder, als wir auf der Brücke standen?« fiel der Junker hastig ein.

»Nicht allein deshalb!« nahm der Italiener wieder das Wort. »Hört nur weiter und Ihr werdet finden, daß ich Ursache habe, sein Gedächtniß wohl zu bewahren. Ich stürzte fast gedankenlos meiner Wohnung zu. Erst als ich in deren Nähe ein großes Getümmel wahrnahm und einen mächtigen Lärm hörte, gewann ich meine Fassung wieder. Ich drängte mich unter den dichten Haufen der Versammelten, ich fragte nach der Ursache des Auflaufs. »Den lombardischen Hexenmeister suchen wir!« war die Antwort, welche mir ein widriges altes Weib gab. »Er muß brennen, wie es die ehrwürdigen Patres wollen. Sein Hab und Gut ist vogelfrei und wer Lust hat, mag nur zugreifen. Seht die schöne goldene Kette, die mir mein Hansel schon aus dem bestürmten Hause geholt hat!« Ich sah hin. Die Kette war mein; ich hatte sie von einer hohen Gönnerin Meister Heinrichs zum Geschenk erhalten. So hatten der Haß und Neid ihre schändlichen Absichten erreicht, ehe es mir gelingen konnte, mich ihnen zu entziehen. Ich sah, wie der Pöbel sich um mein Eigenthum, um mein Geld und meine Kleinodien stritt und ich durfte nicht meine Rechte geltend machen, denn rings um mich wurde mein Name mit Flüchen und Verwünschungen genannt und die Wüthendsten schleppten Holz und andere brennbare Dinge zur Errichtung eines Scheiterhaufens herbei, dessen Gluth die Gebeine des Zauberers, der gewiß in einem Winkel des Hauses versteckt sein müsse, verzehren sollte. Entsetzen ergriff mich. Zur Rettung meines Lebens blieb mir nichts übrig, als die schleunigste Flucht. In jedem Augenblicke konnte ich erkannt werden. Flammende Kienfackeln und Pechkränze erleuchteten den Platz, das Volk wogte wild durcheinander und das Geschrei nach dem Schwarzkünstler wurde immer wüthender. »So fahre denn hin, mein wohl erworbenes Gut!« rief ich knirschend aus und stürzte mich in stürmischer Eile in die dunkelste der zunächst gelegenen Straßen. Ohne zu wissen wohin, rannte ich vorwärts. Aber ich war noch nicht weit gekommen, als mir plötzlich aus einem Seitengäßchen eine Schaar Bewaffneter in den Weg trat. Ihr Anführer hielt mir eine Leuchte entgegen und ein donnerndes: »Halt!« aus seinem Munde gebot mir zu stehen, während zugleich mehrere Hände, die mich ergriffen, mich dazu nöthigten. »Er ist es, den wir suchen!« rief der Anführer seinen Begleitern zu: »Ihr seid mein Gefangener,« wandte er sich dann an mich: »im Namen des heiligen Gerichtes!« Ich gab mich verloren, ich ließ mich in stummer Verzweiflung fortführen. Unser Weg ging in der Nähe des Platzes vorüber, wo der gereizte Pöbel mein Haus stürmte. »Seid froh, daß Ihr nicht in die Hände jener gefallen seid!« raunte hier der Mann, der mich gefangen genommen hatte, mir mit einer Stimme zu, die nicht drohend klang. »Ihr hättet sonst brennen müssen lichterloh, als ein arger Hexenmeister und Zauberer. Bejammert nicht das, was einmal verloren ist. Wer weiß, ob ich Euch nicht Euerm Glücke zuführe!« Der Sinn dieser Worte war ein Räthsel für mich. Ich blickte den Mann, der sie gesagt hatte, scharf an. Sein Gesicht trug gerade keinen besondern Ausdruck von Tücke, aber es lag eine große Rohheit und Gemeinheit darin. Doch was soll ich ihn Euch viel beschreiben? Ihr habt ihn und sein Wesen selbst kennen gelernt: es war Ralph Strichauer.«

»Ein ausgemachter Schurke!« fuhr Friedmann auf. »Ein Verräther, den mein Schwert tüchtiger hätte treffen sollen, wäre mir damals seine Niederträchtigkeit so bekannt gewesen, wie jetzt!«

»Es lohnt der Mühe nicht!« sagte verächtlich Bandini. »Spart Euern Zorn für Höhere auf, für andere aus Euerer Bekanntschaft, die bald in dieser Geschichte auftreten werden. Meine Wächter,« sprach er hierauf erzählend weiter, »brachten mich in ein sehr enges und dunkles Gäßchen. Sie löschten ihre Leuchte aus und ich wurde, da ich weder vor mir, noch neben mir irgend etwas erkennen konnte und mir der Ort, wo wir uns befanden, gänzlich unbekannt war, mehr von ihnen fortgedrängt, als daß ich mich selbst meiner Füße zum weitern Gange bedienen konnte. Nachdem wir auf diese Weise nur eine kurze Strecke Weges zurückgelegt hatten, machten wir plötzlich Halt. Der Anführer that drei abgemessene Schläge an ein Pförtchen, deren Klang mich erkennen ließ, daß es von Eisen war. Die Thüre wurde geöffnet und ein matter Lichtschimmer ließ eine schmale, aufwärts führende Treppe wahrnehmen. Der Anführer deutete mir an, ihm diese Treppe hinan zu folgen: dicht hinter mir schritt nur noch ein Bewaffneter her, die übrigen blieben auf der Straße zurück. Ich erwartete nichts anderes, als in einen Kerker geführt zu werden; aber zu meinem Erstaunen brachte man mich in ein großes Zimmer, das mit fürstlicher Pracht ausgeschmückt war und von vielen, längs den Wänden befindlichen Kerzen erleuchtet wurde. Hier verließen mich sogar die letzten zwei Männer, die mich hierher begleitet hatten, indem mir jener Ralph noch zuflüsterte: »ich solle mich nur ruhig halten, es werde bald anders und viel besser kommen, als ich befürchte.« Ich war ein Spiel der verschiedenartigsten Empfindungen. Der Sturm auf meine Wohnung, der Raub meines Eigenthums, meine Verhaftung im Namen des heiligen Gerichtes mußten mich das Aergste befürchten lassen, und dennoch schien ich in diesem Augenblicke keineswegs als ein Angeklagter, als ein Verbrecher, als ein Gefangener betrachtet zu werden. Nach einiger Zeit hatte ich mich von meinem ersten Schrecken erholt, und konnte es nun über mich gewinnen, ruhig die Umgebungen, in denen ich mich befand, zu betrachten. Ich habe Euch schon gesagt, daß sich in dem Gemache eine fürstliche Pracht zeigte. Mehr aber, als diese, fiel mir ein chemischer Schmelzofen auf, der sich in einem Winkel des Zimmers befand. Ringsum lagen alle Geräthschaften, welche dazu gehörten. Ein Glasschrank in der Mauer enthielt mehrere Phiolen, die mit Flüssigkeiten von verschiedenen Farben angefüllt waren. Ich war eben im Begriffe, diese näher zu untersuchen, als sich eine Seitenthüre öffnete und ein Mann von hoher Gestalt in ritterlicher Kleidung eintrat. Ich kannte ihn damals nicht, später habe ich ihn aber auch als Herrn Günther von Nollingen kennen gelernt. Wir beide wissen, daß er ein Bube und Hochverräther ist.«

»Bei meiner Ehre!« rief der Junker von Sonnenberg heftig. »Er soll seiner Strafe nicht entgehn.«

»Er darf nicht!« versetzte mit Ingrimm der Italiener. »Er soll nicht, so lange in Bandini's Brust noch ein Herz für die Rache schlägt. Hört mich weiter! Mit einem widrigen, süßlichen Lächeln redete er mich an und ermahnte mich, keine Furcht zu hegen, denn die Art meiner Verhaftung sei nur ein Scherz gewesen, man wolle mir wohl, erwarte Dienste von mir und werde diese reichlich vergelten, so wie alles ersetzen, was mir bei dem Auflaufe geraubt worden sein könne. Ich solle mich nur ruhig verhalten, bis derjenige erscheine, der meine Gegenwart wünsche und in dem ich mit Vergnügen einen alten Bekannten und Gönner erblicken würde. Ohne meine Antwort zu erwarten, entfernte er sich wieder auf ein leises Geräusch, das in der Nähe entstand. Er verschwand durch einen verhängten Eingang, den ich bisher nicht bemerkt hatte. Das Räthselhafte der ganzen Sache versetzte mich in eine sehr unangenehme Gemüthsverfassung. Ich war noch höchst bewegt von dem stürmischen Auftritte, der mich meines ganzen Vermögens beraubt hatte, ich war kaum der Gefahr, ohne Richterspruch und Urtheil lebendig verbrannt zu werden, entgangen, und hier versprach man mir, nachdem man mich gewaltsam hergeführt, Ersatz für das Verlorene und Belohnung für Dienste, deren Natur ich nicht kannte. Da fielen mir die Worte des Erzbischofs ein, die er, als er seinen Besuch bei Meister Frauenlob geendet, zu mir sagte, da fiel mir der büßende Mönch ein und sein drohender Nachruf, und bald war kein Zweifel mehr in meiner Seele, daß ich mich in der Macht Gerhards befände. Der unüberwindliche Widerwillen, den ich gegen ihn empfand, das Grauen, das mich nur bei dem bloßen Gedanken an ihn ergriff, trieb mich sogleich an, jeden möglichen Versuch zur Flucht zu wagen. Die Fenster waren mit Eisenstäben verwahrt, die Thüre, durch die ich eingetreten war, fand ich verriegelt, die andere, welche dem Ritter zum Eingange gedient hatte, war ebenfalls wieder von Außen verschlossen worden. Es blieb mir nichts übrig, als meinen Weg durch dieselbe verhängte Thüre zu nehmen, durch welche sich der Ritter hinwegbegeben hatte. Ich kam in ein kleines, düster erleuchtetes Zimmer. Eine Türe zeigte sich mir gegenüber. Ich ging rasch darauf los, aber als ich eben versuchen wollte, sie zu öffnen, vernahm ich Stimmen in dem Gemache, zu dem sie führte. Ich hielt mich ruhig und lauschte. Eine Spalte in der Thüre erlaubte mir, in das hellerleuchtete Zimmer zu blicken und diejenigen zu sehen, die sich darin befanden. Ich sah meine Furcht bestätigt, ich sah den Erzbischof, wie er eben sich der Kutte des weißen Büßenden entledigte, in der er mir begegnet war. Vor ihm stand in ehrerbietiger Stellung der Ritter, dessen süße Worte mich hatten beruhigen sollen, aber eine ganz entgegengesetzte Wirkung in mir hervorgebracht hatten. »Ja, Nollingen!« sagte Gerhard und ein tückisches Lächeln zeigte sich in seinen Gesichtszügen. »Ich war bei der stolzen Imagina, die aus alter Gewohnheit ihren Adolph noch immer mehr liebt, als ihm zuträglich sein dürfte. Ich habe der abergläubischen Thörin versprochen, durch einen in geheimen Künsten wohl erfahrenen Mann einen Ring bereiten zu lassen, den sie demjenigen, der sich jetzt Deutschlands Kaiser nennt, als Zeichen der Versöhnung überschicken will und der, wie ich ihr vorgespiegelt habe, die Macht besitzen soll, ihr seine Liebe wieder zuzuwenden und zu erhalten. Nun,« lachte er höhnisch auf, »sie soll einen Ring bekommen, den der Verhaßte tragen mag! Aber ein nagendes Gift muß der Ring in seinem Innern enthalten, das die Lebenskraft des Undankbaren verzehrt, das ihn in wenigen Wochen zu einer wandelnden Leiche macht und vor der Zeit in's Grab streckt. Habt Ihr den Mann zur Hand, von dem ich glaube, daß er dieses Werk zu vollbringen im Stande ist?« – »Er ist da,« erwiederte der Ritter, indem er in französischer Sprache Einiges hinzufügte, das ich nicht verstand. »Gut!« sagte Gerhard. »Wir wollen sehen, ob seine Kunst im Vernichten ebenso groß ist, wie im Erhalten. Aber, Nollingen,« setzte er mit gedämpfter Stimme hinzu, doch so, daß ich seine Worte verstehen konnte: »wenn das Werk vollbracht ist, wenn wir das Mittel in Händen haben, den Thron von Deutschland für einen Würdigern zu erledigen, ist dann nicht dieser Mann, dieser Italiener, dessen wir jetzt bedürfen, uns ein Ueberlästiger? Kann er uns nicht selbst furchtbar werden?« »Ihr vergeßt, hochwürdiger Herr,« antwortete der Ritter mit einem höllischen Lächeln, »daß der Rhein tief genug ist, die Zunge eines gefährlichen Schwätzers zu begraben. Er ist ja ohnehin der Strafe des Säckens verfallen, wenn man ihm beweisen kann, Giftmischerei getrieben zu haben.« »Schändlich! Abscheulich!« rief Friedmann, indem eine edle Zornesgluth seine Wangen röthete. »Und ein solcher Bösewicht durfte sich in die Reihe der Kämpfer für Tugend und Recht stellen? Er ist dem Herzen des arglosen Kaisers so nahe, wie kein andrer, und dennoch – Armer, betrogener Adolph!«

»Ihr habt noch nicht das Aergste vernommen,« sagte Bandini, indem er in wilder Erregung sein Wamms aufriß und seine Arme entblößte: »Seht diese Narben hier! Die tiefen Furchen auf der Brust, die geschwollenen Wundmäler an den Armen! Mit solchen Zeichen jener unglücklichen Nacht ist mein ganzer Leib besäet. Doch ich will meine Erzählung nicht unterbrechen. Ich will Euch, wie sie sich begaben, die Schrecknisse vorführen, die mich damals betrafen.«



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