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12.

Wer ist der Gesell, so fein und jung?
Doch führt er das Eisen mit gutem Schwung.

Fr. Rückert.

Noch am Nachmittage desselben Tages wurde Friedmann durch einen Diener Herrn Mainhard's, welchem letztern er seinen Aufenthaltsort angegeben hatte, in die kaiserliche Pfalz entboten. Er hatte bis dahin sich ganz den Gedanken mancherlei Art überlassen, die das eben Erlebte und seine eigene Lage in ihm erwecken mußten, und in welche seine Phantasie immer das Engelsbild der geliebten Amalgundis verwebte. Jetzt zog die Sendung des väterlichen Freundes seine Betrachtungen von der Vergangenheit ab und richtete sie in die Zukunft.

»Was kann Ritter Schelm von mir wollen, da ich doch Alles berichtet und gethan habe in der Weise, wie der Vater mir geboten?« dachte er bei sich, während er von dem Diener begleitet nach der Kaiserwohnung eilte. »Hat vielleicht trotz meiner klar erwiesenen Unschuld an dem unglückseligen Handel mit der Pergamentrolle der Kaiser einen neuen Verdacht auf mich geworfen? Oder ist dieser gar durch Ritter Günther, der mir wegen des Mißgeschicks seines Waffenmeisters nicht wohl will, erweckt und zum Zorne gesteigert worden? – O wie hatte doch der lombardische Krämer Recht, als er mich vor dem büßenden Mönche warnte und warum habe ich mich doch durch ein thörigtes Mitleiden zu einem Schritte bewegen lassen, dessen ungeahnter Erfolg meine schönen Hoffnungen auf baldige Erlangung der Ritterwürde und auf kaiserliche Gunst in einer Zeit erschüttert, wo sie so nahe daran waren in Erfüllung zu gehn!«

Von Besorgnissen und bitterm Mißmuthe erfüllt, trat er in den Hof des Palatium's. Hier sah er sich mit einemmale von einem regen Treiben umgeben, das seine Aufmerksamkeit in einem hohen Grade in Anspruch nahm und ihn in seinem trüben Grübeln störte. In dem einen Theile des großen Hofraumes übten sich mehre Edelknaben im Kampfe mit stumpfen Schwertern, während dicht daneben andere mit der Armbrust nach einem ziemlich weit gesteckten Ziele schossen und an einem entferntern Platze wieder andere sich im Schleudern des Wurfspießes nach einem hölzernen Menschenkopfe, der auf einem Pfahle steckte, zu übertreffen suchten. Auf dem Raume vor dem großen, in die Wappenhalle führenden Thore standen einige Pferde von einer sehr hohen Gattung. Diese dienten den Jünglingen ihre Kraft und Gewandheit im Springen an den Tag zu legen. Einige sprangen, ohne sich der Hände zu bedienen, aus freien Füssen von hinten in den Sitz; andere zeigten eine noch größere Geschicklichkeit, indem sie mit einem gewaltigen Sprunge sich aus dem nämlichen Standpunkte und ebenfalls ohne die Hände zu gebrauchen, auf die Schultern eines ihrer Cameraden schwangen, der ruhig und ohne zu wanken im Sattel sitzen bleiben mußte.

Der Diener, welcher unsern jungen Freund herbeigeführt hatte, verließ ihn auf einige Augenblicke, um Herrn Schelm vom Berge von seiner Gegenwart zu unterrichten. Indessen sah der Junker von Sonnenberg mit wachsendem Vergnügen den kriegerischen Vorübungen zu, deren Anblick ihn in die Tage zurückversetzte, in denen er nach dem Unterrichte seines Vaters sich auf eine gleiche Weise zum Ritterstande vorbereitet hatte. Er blieb nicht lange ein müßiger Zuschauer. Einige der hier beschäftigten Jünglinge, welchen die von dem Kaiser unserm jungen Freunde ertheilten Lobsprüche nicht ganz verdient scheinen mochten, traten zu ihm und forderten ihn mit mehr spöttischen, als freundlichen Worten auf an ihren Spielen Theil zu nehmen.

Friedmann erwiederte nichts auf diese Rede, deren beleidigenden Sinn er wohl erkannte. Schweigend nahm er die Armbrust, welche ihm einer der Edelknaben bot, zur Hand, legte an und sandte, nach kurzem Zielen, den Pfeil in den Mittelpunkt der Scheibe. Das höhnische Flüstern, das ihn umgeben hatte, wurde leiser und leiser, und mehrere der ältern Junker näherten sich ihm mit theilnehmender Freundlichkeit. Er aber hatte sogleich die Armbrust von sich gelegt und den Wurfspieß ergriffen. Ein gewaltiger Schwung des Armes schleuderte diesen durch die Luft. Mit einem zischenden Pfeifen flog er so mächtig nach dem Mohrenkopfe, daß er diesen nicht allein durchbohrte, sondern von dem Pfahle herunterriß und in eine hinten befindliche Bretterwand nagelte. Die erwartungsvolle Stille, welche diesen Versuch begleitet hatte, löste sich in ein lautes Beifallsgeschrei auf, in das nur jene spöttischen Aufforderer nicht einstimmten, während sie beschämt bei Seite schlichen. Der Junker von Sonnenberg hatte jedoch kaum das Wurfgeschoß seiner Hand entsendet, als er schon mit einem ungeheuern Sprunge dem Edelknechte auf dem Nacken saß, den das riesigste der vorhandenen Rosse trug. In dieser Stellung hörte Friedmann ein überlautes Gelächter hinter sich und eine bekannte Stimme rief:

»Brav, Sonnenberger! Das ist die rechte Art, seinen Einzug in die Kaiserpfalz zu halten. Sie haben Dich proben wollen und dachten Dich als ein unkundiges Landjunkerlein zu finden, aber ihr Meister ist ihnen geworden, von dem sie lernen können, alle wie sie da sind.«

Mit einem leichtem Niedersprunge stand Friedmann vor Herrn Schelm vom Berge, der in dem Thore der großen Halle erschienen war und von hier aus diese Worte an ihn gerichtet hatte. Die Jünglinge wußten was ihnen in Gegenwart eines so hohen Ritters zieme, und traten ehrfurchtsvoll zurück, indem sie sich, je nachdem sie früher mit verschiedenen Waffenübungen beschäftigt gewesen, in einzelne Haufen sammelten und sich geräuschlos an ihre Plätze begaben.

»Du bist ein guter Schütze, ein sicherer Schleuderer und ein gewandter Rossebändiger;« fuhr Ritter Mainhard zu Friedmann gewendet fort: »aber laß mich auch sehn, ob Du ein ebenso guter Fechter bist? Freilich möchte es Dir nicht schwer werden, mit den jungen Fanten fertig zu werden, die ihren Schwertern die Beulen beibringen, vor denen sie sich selbst hüten! Auch gilt mir Dein Sieg über den plumpen Gesellen Ralph Strichauer für kein besonderes Kunststück. Versuch es einmal mit Meister Freigang. Bringst Du dem eins bei, so sind Deine Lehrjahre nicht verloren und ich kann meinem alten Waffenbruder Glück wünschen zu einem solchen Sohn.«

Auf diese Worte des Ritters trat aus einem Haufen der versammelten Edeljunker ein ältlicher Mann hervor, von langer hagerer Gestalt und ernster Gesichtsbildung. Er war ganz schwarz gekleidet und trug, als Zeichen seines Amtes, zwei gekreuzte in Silber gestickte Schwerter auf der Brust! Mit gravitätischen Schritten näherte er sich dem Junker von Sonnenberg, und ersuchte diesen, von zwei stumpfen Schwertern, welche er ihm darbot, eins zu seinem Gebrauche auszuwählen. Seine Rede war in Worte gekleidet, wie sie ihm zu einer solchen Einladung die Regel seiner Kunst vorschrieb, und ebenso abgemessen, wie sein ganzes übriges Benehmen. Sobald Friedmann eins der beiden Schwerter angenommen hatte, stand ihm auch Meister Freigang schon in Fechterstellung gegenüber und zeigte hierbei eine körperliche Gewandtheit, welche der Junker dem bejahrten Manne nicht zugetraut hätte. Der Kampf begann und wurde von beiden Seiten mit außergewöhnlicher Geschicklichkeit geführt. Ritter Mainhards Lust an der kunstgerechten Weise, mit welcher Friedmann seinen Gegner angriff und sich wiederum gegen dessen Anfälle vertheidigte, stieg von Augenblick zu Augenblick. Mit glänzenden Augen trat er den Fechtenden langsam näher, so daß er zuletzt dicht vor ihnen stand, in ihren Mienen schon voraus den neuen Versuch zu erkennen glaubte, mit dem einer dem andern einen Schlag beizubringen gedachte, und voll gespannter Aufmerksamkeit jede ihrer Bewegungen verfolgte.

Meister Freigang hatte, so wie er die Fechterstellung angenommen, die ihm vorher eigene ernste Miene abgelegt und in ein freundliches, die ganze Dauer des Kampfspiels anhaltendes und sich gleichbleibendes Lächeln verwandelt. Während er mit Blitzesschnelle den Angriffen Friedmanns begegnete und mit dem Blicke eines Falken auf eine Blöße lauerte, die ihm sein Gegner bieten dürfte, konnte er nicht müde werden, diesen mit Lobsprüchen über das sichere Gefühl in seiner Hand, über sein scharfes Auge und seine ungemeine Behendigkeit zu überschütten.

Lange schwankte der Kampf hin und her, ohne daß einer der beiden Fechter einen Vortheil über den andern gewonnen hätte. Da mit einemmale veränderte der Meister die Stellung, welche er bisher beibehalten hatte, und indem er sich niedrig machte und mit der ganzen Länge seines Körpers auslegte, suchte er dem Junker von Sonnenberg von unten beizukommen. Aber auch auf diese, ursprünglich aus Italien herstammende Kampfweise war Friedmann gefaßt, denn sein Vater, der in allen Ländern Europa's sich Erfahrungen in ritterlichen Werken gesammelt, war sein Lehrer gewesen und hatte es für gut gefunden, ihn in jeder gebräuchlichen Fechtart zu unterrichten. Statt jedoch dem Meister, wie dieser erwartet haben mochte, sich in gleicher Haltung gegenüber zu stellen, unternahm der Junker einen kühnen Versuch, den ihm der Augenblick eingab. Er trat schnell einen Schritt zurück, so daß der Streich, den sein Gegner nach ihm richtete, in die freie Luft fuhr, und traf sogleich den Meister mit einem so heftigen Schlage in die Beugung des rechten Armes, daß dieser schlaff herabsank und die Waffe, die er noch so eben kräftig und gewandt zu handhaben verstanden, auf den Boden fallen ließ.

»Das war ein Meisterstreich!« sprach Herr Schelm vom Berge, der seine Freude über Friedmanns Triumph nicht verheimlichen konnte und wollte. Sein Blick flog bei diesen Worten nach einem der obern Fenster des Pallastes. Das Auge unseres jungen Freundes folgte ihm und im Fluge sah er dort das Antlitz des Kaisers, der dem Kampfspiele zugesehen haben mochte, jetzt aber sogleich vom Fenster verschwand. Friedmann fühlte, daß eine glühende Röthe sein Antlitz übergoß, und sein Herz schlug höher bei dem Gedanken, unter den Augen Adolphs von Nassau einen Waffengang gemacht zu haben, der in seinem Erfolge für ihn so ehrenvoll ausgefallen war.

Ungeachtet des schmerzhaften Schlages, welchen Meister Freigang erhalten, wollte von seinem Angesichte jenes Lächeln nicht verschwinden, mit dem er dem Junker von Sonnenberg während des Kampfspieles gegenüber gestanden hatte. Er ergriff mit der Hand des gesunden linken Armes den gelähmten rechten und suchte diesem, indem er ihn aufhob und hin und her bewegte, wieder zu seinem gewöhnlichen Thätigkeitsvermögen zu verhelfen. Als er dieses aber nicht thunlich fand, begnügte er sich, ihn in seine Schärpe einzuhängen und so in eine ruhige Lage zu bringen, die ihm unter diesen Umständen und für den gegenwärtigen Augenblick das Nothwendigste schien. Dann sagte er noch immer lächelnd zu Friedmann:

»Ich sehe wohl, daß die Schläge Eueres Armes zu kräftig sind, um nur eine schnell vorübergehende Wirkung hervorzubringen, und daß ich Signor Alessandro um eine Heilsalbe ansprechen muß. Im Uebrigen, mein edler Junker, danke ich Euch für die gute Lehre, die Ihr heute einem Manne gegeben habt, der wahrlich keiner der Unerfahrensten in Waffenwerken ist, innerhalb den Grenzen des deutschen Landes. Ihr habt mir gezeigt, daß es Fälle gibt, in welchen es gut und nützlich ist, sich nicht streng an die Regeln der Kunst zu halten, um in einem rasch ausgeführten Entschluße den Gegner auf eine unerwartete Weise zu treffen.«

Mit fortwährend gleichbleibendem Lächeln verbeugte sich Meister Freigang vor Ritter Mainhard und Friedmann. Der Letztere war seltsam überrascht, dieses Lächeln, als der Meister sein Angesicht wieder erhob, gänzlich verschwunden und in jene Miene pedantischen Ernstes verwandelt zu sehen, die er vor dem Kampfe gezeigt hatte. Ebenso gravitätisch, wie der kaiserliche Waffenmeister sich früher genähert hatte, entfernte er sich wieder. Einige der anwesenden Edeljunker drängten sich zu ihm und glaubten ihn durch die Versicherung, Friedmanns wohl gelungener Streich sei nur ein Werk des Zufalls gewesen, über den erlittenen Unfall trösten zu müssen. Der Meister aber wandte ihnen unwillig den Rücken und entgegnete heftig:

»Schweigt, Ihr thörigten Knaben! Wollte Gott, einer von Euch, die ich seit Jahren mühesam und pflichtgemäß in der Lehre gehalten, wäre im Stande, mir einen solchen Schlag beizubringen! Was wisset Ihr von Absicht und Zufall? Bei Euch ist Alles Zufall und wenn Ihr einmal wo anders hin als daneben trefft, so hat die edle Kunst keinen Theil daran.«

Auf solche Weise brummend und scheltend verließ er den Ort, wo ihm, als einem Manne, der die Geschicklichkeit im Waffenwerke über Alles ehrte, die empfangene schmerzhafte Verletzung mehr Vergnügen gewährt hatte, als der wohlgemeinte Trostspruch seiner Freunde.

Friedmann, den Herr Schelm vom Berge durch die kleine Pforte in das Innere des Gebäudes führte, wurde theils von den neidischen, theils von den bewundernden Blicken der Edeljunker begleitet. Im Allgemeinen aber hatte seine bewiesene Geschicklichkeit ihm mehr Freunde als Feinde erworben, und das Mißfallen dieser letztern konnte ihm ziemlich gleichgültig sein, da es von solchen herrührte, deren Wohlwollen ihn wenig geehrt haben würde.



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