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27.

Es schießt der Blitz herab aus heitern Höhn –

Schiller.

Der Junker von Sonnenberg hatte es nur mit Mühe über sich gewonnen, die Empfindungen des Zorns und des Abscheu's, die ihn bei dem Anblicke des Ritters von Nollingen ergriffen, nicht laut werden zu lassen. Sein Geschäft bei Herrn Schelm vom Berge war nach Wunsch vollbracht. Er konnte jetzt fest darauf rechnen, daß noch am heutigen Tage sein verehrter Herr und Kaiser von der Gesellschaft eines Verräthers befreit werden würde, der einen zu großen Einfluß auf ihn geübt und diesen zum Verderben seines Wohlthäters mißbraucht hatte. Indem er sich mit diesem Gedanken beschäftigte, hatte ihn der Zufall plötzlich in den Weg des Mannes geführt, den er hassen und verachten mußte. Wie ein Blitz durchzuckte es ihn, daß ein solcher Bube des Lebens nicht werth sei und eine Anwandlung der Wuth kam über ihn, die ihn drängte, nach dem Schwerte zu greifen und es dem niederträchtigen Hochverräther in die Brust zu stoßen. Er ahnte nicht, daß in diesem Augenblicke Ritter Günther ähnliche Gedanken gegen ihn hegte, und ging, indem er sich mit innerm Widerstreben dem Zwange des Augenblicks unterwarf, stolz an dem Verhaßten vorüber.

Der nahe Meßplatz mit seinen bunten Herrlichkeiten und seinem lebendigen Treiben erheiterte ihn wieder. Das Pfeffer-Rösel, das jetzt statt der wenig einträglichen Lebkuchen, eine gleißende Bänderpracht feil hielt, die es, vom Handelsgeist getrieben, mit Friedmann's Geld erkauft hatte, sah ihn gar freundlich an und rief ihm scherzend zu: »ob er wohl geschlafen habe auf den fröhlichen Hochzeitstanz?« An ihrer Seit stand sein Diener Stephan und schien gar dringende Dinge mit dem Mädchen zu bereden. Als er aber die Gegenwart seines Junkers wahrnahm, sprang er sogleich zu diesem und versicherte: er sei nur ausgegangen, um ihn aufzusuchen, da es ihn beunruhigt habe, daß er die ganze Nacht ausgeblieben sei.

»Der Gabriel und die Beata haben sich noch nicht blicken lassen am heutigen Morgen!« kicherte Rösel herüber. »Schaut nur dorthin, edler Junker, wie Meister Auffenthaler ganz allein da sitzt in seiner goldenen Pracht und wohl ein griesgramiges Gesicht macht über die ungewohnte Einsamkeit.«

Während Friedmann zu dem würdigen Augsburger Meister trat, um ihm einen guten Morgen zu bieten und den Freuden des gestrigen Tages zu gedenken, schlüpfte Stephan schnell wieder zu Rösel in den Bandladen und wußte sich den Blicken seines Herrn so geschickt zu entziehen, daß dieser, als er nach einer kurzen Unterredung mit Herrn Andreas sich wieder entfernte, seines Dieners vergessen hatte und ihm völlige Freiheit ließ, sich mit der gutherzigen Nürnbergerin ferner zu unterhalten. Der Junker wurde mehr von seinen Gefühlen, als durch eine bestimmte Absicht, vor die Wohnung des Stadtschultheißen, Herrn Heinrich von Praunheim, geleitet. Hier wohnte die schöne Amalgundis, und der Wunsch, sie zu sehen, hatte seit jener Jagd, wo er zum letztenmale in ihrer Gesellschaft gewesen, ihn schon öfters in diese Gegend geführt. Einigemale war es ihm gelungen, die reizende Jungfrau auf dem Balcon des Hauses zu erblicken und die anmuthige Weise, wie sie seinen ehrerbietigen Gruß erwiedert, würde ihn sehr erfreut haben, wenn nicht das stolze und wegwerfende Benehmen der Tochter des Stadtschultheißen, in deren Gesellschaft sich immer das geliebte Mädchen befand, ihm die Freude verbittert hätte.

Als er jetzt vorüberging, richteten sich seine Blicke auch sehnsüchtig auf den Balcon, aber es war dort niemand zu sehen, und die Blumenpracht, die dort aufgestellt war, ließ nicht etwa, wie sonst, das liebliche Köpfchen der holden Amalgundis durch ihre grünen und bunten Blätter hindurch erkennen. Er ging unmuthig weiter und seufzte tief auf, so daß einige der vor dem Hause aufgestellten Trabanten es vernahmen und lächelnd ihre Bemerkungen über den stattlichen Junker einander mittheilten, den sie schon öfters vorüberwandeln gesehen hatten und der, wie sie meinten, auf Minne zum stolzen Fräulein von Praunheim ausging, die jedoch eine so hoffärtige Minne zeige, als sei ihr der beste Ritter noch nicht gut genug.

Der Junker von Sonnenberg ahnete nicht, daß er der Gegenstand einer Unterhaltung sei, die auf seine Kosten geführt würde. In Gedanken an die verloren, deren Erscheinung sein Herz zum erstenmale mit der süßen und unwiderstehlichen Gewalt der Liebe bekannt gemacht hatte, schritt er in ein Seitengäßchen, das längs dem Hause des Stadtoberhauptes hinführte. Bald gelangte er auf einen kleinen offenen Platz. Hier zeigte sich weiter kein Ausgang; denn der enge Raum war, bis auf den Weg in das Gäßchen, mit Bretterwänden eingefaßt, über welchen Bäume und Gesträuche sichtbar waren. Indem Friedmann's Schritt hier gehemmt wurde, richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf äußere Gegenstände und er entriß sich den Träumereien, von denen er befangen gewesen. Die Stille des Ortes machte einen seltsamen Eindruck auf ihn. Aus den Wipfeln der Bäume und aus den Gesträuchen tönte Vögelgesang herab, der in der Mitte einer lebhaften Stadt etwas sehr Ungewöhnliches war. Eine Nachtigall, die im düstern Laubdache einer hochgewölbten Ulme ihr Klagelied hauchte, lockte den ohnehin weich gestimmten Junker näher an die Bretterwand. Da bemerkte er eine schmale Thüre, die nur angelehnt war. Eine unerklärliche Gewalt trieb ihn vorwärts. Er trat durch die Thüre, die sich auf einen leisen Druck seiner Hand ganz öffnete, und sah sich nun am Eingange eines Gartens, in dessen Inneres ein enger, zwischen den hohen Bäumen fortlaufender Weg zu führen schien. Es war, als wehe ihm ein verwandter liebevoller Geist entgegen, der ihn einlade, weiter in das schattige Dickigt vorzudringen. Seine Schritte folgten beinahe mechanisch der Einladung und brachten ihn bald zu einem einfachen grünen Rasenplatze, der damals für einen außerordentlichen Schmuck in einem Garten angesehen werden konnte. In der Mitte des Rasenplatzes aber zeigte sich ein Kunstwerk, das des Junkers ganze Aufmerksamkeit erregte. Es war ein steinerner Neptun, der von einem hohen Postamente herab mehrere Wasserstrahlen in ein unten befindliches Becken spie. Solche Brunnen wurden damals in Deutschland noch sehr selten gefunden, so wie dann überhaupt in jener Zeit der mühesam zu bearbeitende Stein wenig zum Bauen und zu rohen Kunstwerken dieser Art angewendet, sondern lieber das leichter zu behandelnde Holz benutzt wurde.

Der Junker wollte eben, nachdem er dieses ihm neue Schauspiel hinlänglich betrachtet, seine Blicke abwenden und wieder auf dem Wege, den er gekommen war, den Garten verlassen, als hinter dem großen Postamente des Neptun eine weißgekleidete, zarte Frauengestalt hervorschwebte, bei deren Anblick sein Herz in größerer Bewegung zu schlagen begann. Er stand fest auf einer Stelle, wie hingebannt, und seine Augen waren der holden Erscheinung zugekehrt. Sie kam immer näher, ohne jedoch, wie es schien, den jungen Mann zu bemerken. Eine glühende Röthe zog sich jetzt über sein Antlitz, seine Arme erhoben sich, als wollten sie einen theuern Gegenstand umfassen, sein ganzes Innere wurde von einer süßen Regung ergriffen: es war Amalgundis, die hier in stiller Einsamkeit lustwandelte. Jetzt wußte Friedmann, warum ihn der holde Laut der Nachtigall in den Garten gelockt, jetzt war ihm der verwandte, liebevolle Geist bekannt, der ihn in das schattige Dickicht eingeladen.

»Ich freue mich mancher Blumen roth,
Die uns der Maye bringen will.«

sang mit lieblicher Stimme die Jungfrau, die sich allein wähnte; sie hatte aber kaum das schöne Lied König Konrad's angefangen, als der unvorsichtige Friedmann ein Geräusch erregte und das erschrockene Mädchen von der Gegenwart eines Mannes unterrichtete, dem sie hier nicht zu begegnen vermuthen konnte. Sie erkannte ihn und erröthete über und über. Ihr Fuß zögerte, ihm näher zu treten. Eine süße Verwirrung, die in ihrem ganzen Wesen sichtbar wurde, hätte einem erfahrenern jungen Mann die Ueberzeugung gegeben, daß seine Anwesenheit hier nicht mit Gleichgültigkeit betrachtet werde. Der Junker von Sonnenberg aber war jetzt nur seinen mächtig waltenden Empfindungen hingegeben und außer Stande, die Gefühle, welche das geliebte Mädchen bewegen mochten, zu unterscheiden. Er blickte sie nur immer schweigend, allein mit einem Ausdrucke in Gebehrde und Haltung an, welcher der reizenden Amalgundis keinen Zweifel über den Eindruck, den ihre Erscheinung hervorgebracht hatte, lassen konnte.

Die Jungfrau brach zuerst das Schweigen. Sie hatte bei öftern Besuchen des Kaiserhofes, bei dem mehrmaligen Aufenthalte in den Häusern der Großen, besser gelernt, sich selbst zu beherrschen und Meisterin ihrer Empfindungen zu bleiben, als Friedmann. Während dieser noch glühend und mit erhobenen Armen dastand, trat sie ihm unbefangen näher und fragte mit ruhiger Stimme:

»Was führt Euch hierher, Junker von Sonnenberg, in den Garten des Stadtschultheißen? Habt Ihr einen Auftrag auf diesen von Eurem kaiserlichen Herrn oder kommt Ihr in Euren eigenen Angelegenheiten?«

Diese kalte, seinem jetzigen Zustande so ganz fremde Frage, reichte hin, die leidenschaftliche Wallung des Ehrenjunkers zu mäßigen. Er nahm eine ehrerbietigere Stellung an, er bemühete sich das Feuer in seinen Blicken zu mildern und eine Ruhe im Aeußern zu zeigen, die seinem Innern in diesem Momente nicht eigen war.

»Beim Himmel!« erwiederte er, indem er sich umsah, in einiger Verwirrung: »ich wußte nicht, daß dieses der Garten des Herrn von Praunheim sei! Der Zufall hat mich an die Thüre geführt – eine Nachtigall sang so lieblich – dann kam es über mich, wie eine zauberische Gewalt, und ich mußte eintreten, obschon ich sehr wohl einsah, daß ich kein Recht dazu hatte.«

»Ich verstehe Euch;« erwiederte lächelnd Amalgundis. »Die Lieblichkeit des Ortes zog Euch an und Ihr konntet der Lust, in diesen grünen Laubgängen zu wandeln, nicht widerstehn.«

»Daheim um Sonnenberg,« versetzte Friedmann mit einem Seufzer, »sind auch herrliche Laubgänge in den Eichenwäldern, die sich hoch ins Gebirg hinaufziehn. Die Nachtigallen singen auch dort und, ich glaube, ebenso anmuthig wie hier. In den Wäldern herrscht eine wohlthätige Ruhe, die nur manchmal durch das Rauschen eines flüchtigen Wildes oder durch das Murmeln eines Quellwassers gestört wird. Hoch oben auf den Bergen ist es gar heiter und lustig. Da sieht man weit hinaus, den herrlichen Rheinstrom hinauf, bis in die Neckargegenden hin. Ich war oft auf den Bergen und in den Wäldern. Ich konnte stundenlang unter den laubigen Bäumen liegen und mich des schönen Waldfriedens erfreuen. So gern ich aber auch dort weilte, so hat mich doch nie eine so unwiederstehliche Gewalt in das Innere der Wälder gelockt, als es hier geschehen, da ich am Eingange dieses Gartens stand.«

»Ich kenne Euere Heimath und Ihr habt Recht, sie zu rühmen,« sagte das Fräulein, indem sie weiter ging und es duldete, daß Friedmann ihr zur Seite blieb. »Oft bin ich an dem stolzen Schlosse Sonnenberg vorübergegangen durch das liebliche Thal, in dem mit wohltönendem Rauschen ein Bächlein am Wiesenrande hinströmt. Ich bin über die hohen Berge gestiegen, die hinter dem Schlosse sich erheben und sah herab auf die weite Pracht, welche dort die Natur zur Schau stellt. Mannichfache Gefühle wurden da in mir lebendig. Unter mir lag Wiesbaden, wo die stolze und kaltsinnige Imagina ihren glänzenden Hof hält, weiterhin Mainz, der Sitz des schrecklichen Gerhard von Epstein, die Höhle des Verderbens, aus der Verrath, Zwiespalt, Krieg und Meuchelmord emporsteigen gegen den edeln Kaiser Adolph. Dann schimmerten weiter links blaue Berge herüber, so zart wie Nebelduft, und ich sah mit sehnsüchtigen Empfindungen nach ihnen hin, dann weit, weit hinter ihnen weilte damals der Kaiser, in blutige Kriege verflochten mit den Thüringern, jeder Gefahr ausgesetzt, welche die wilden Kriegshändel mit sich bringen.«

»Ihr waret in meiner Heimath?« sprach froh bewegt und mit größerer Vertraulichkeit der junge Mann. »O dann habe ich Euch auch früher schon gesehen und ich weiß nun, warum mich, als ich Euch in der Bude des Italieners fand, bei Euerem Anblicke ein Gefühl ergriff, als sähe ich einen alten Freund wieder und als begegne mir nun endlich, was ich seit langer Zeit vergebens gesucht hätte. Es entstanden ähnliche dunkele Empfindungen in mir, wie in den Schatten jener heimathlichen Wälder oft in mir erwacht waren, nur dünkten sie mich gewaltiger und zugleich glücklicher, denn das, wonach ich damals mich gesehnt hatte, schien mir nun erfüllt. Aber, ach! aus der Erfüllung eines Wunsches entsteht immer ein neuer, und so mögen wir wohl fort wünschen bis in den Tod.«

Er schwieg und sah zu Boden, während Amalgundis, die Gefühle, von denen der Jüngling sprach, vielleicht erkennend, in einiger Verlegenheit eine Blume pflückte, die sie in der Hand hielt. Friedmanns Seele war von einer sehr weichen Stimmung ergriffen worden.

»Es ist sonderbar,« fuhr er nach einigen Augenblicken des Schweigens fort, »wie sich uns oft in unsern glücklichsten Stunden der Gedanke an den Tod störend aufdrängt, während wir da, wo er nahe steht, uns erhaben und selbst erheitert fühlen. Ich habe das erkannt im Kriegsgetümmel, ich habe noch kürzlich diese Bemerkung gemacht bei dem Unfalle, der den Kaiser auf der Jagd traf und wo ihr so kühn und besonnen das theuere Leben rettetet. Es war ein großes Werk von Euch. Ich bewundere nicht den mehr, als weiblichen Muth, der Euch dazu antrieb, nicht die Furchtlosigkeit, die ihr zeigtet, nein! ich bewundere die Kraft und Geschicklichkeit, mit der Ihr den leichten Jagdspieß gegen das gewaltige Thier zu gebrauchen wußtet. Zur Kühnheit kann auch ein schwaches Wesen in einem solchen Augenblicke begeistert werden. Ruhe und Besonnenheit aber können nur starke Seelen beibehalten.«

»Und hättet Ihr weniger gethan für den herrlichen Adolph?« fragte mit glänzenden Blicken Amalgundis.

»Bei meiner Ehre, nein!« erwiederte der Junker von Sonnenberg, ohne durch des Fräuleins hell an den Tag tretende Neigung zu dem Monarchen, die ihm nichts weiter als ein gebührender Tribut der Ehrfurcht schien, unangenehm berührt zu werden. »Ich hätte wahrscheinlich anders gehandelt, als Ihr, aber nicht so weise. Ich würde mich dem Thiere als Opfer vorgeworfen haben, um den geliebten Herrn zu retten, und wer kann sagen, ob ihm das zum Frommen gewesen wäre, da meinem Untergange auch vielleicht noch der des Waffenlosen gefolgt wäre!«

»Ihr seid ein edler Mensch, Junker von Sonnenberg!« sprach in einer süßen, nicht ganz leidenschaftlosen Aufwallung Amalgundis, indem sie seine Rechte ergriff und ein sanfter Druck ihrer Hand eine Glut, die Friedmann noch unbekannt war, durch sein ganzes Wesen sandte. »Ihr verdient ganz die Huld und Achtung, die man Euch schenkte.«

Mit glänzenden Blicken blieb der Ehrenjunker bei diesen Worten vor dem Fräulein stehn. Er nahm auch ihre andere Hand und, fortwährend sie starr und freudig anblickend, rief er in einem Tone des Entzückens:

»Wie Amalgundis, Ihr sagt mir das? Ihr, von deren Lippen ein gütiges Wort mich glücklicher macht, als selbst aus dem Munde des großen Kaisers? O, wie preise ich nur genug den Zufall – nein! es war kein Zufall – wie preise ich genug die Himmelsmacht, die mich hierher führte in dieser Stunde! Amalgundis, Ihr wißt nicht, was Ihr mir seid. Ihr wißt nicht, wie ich Euch anbete, wie ich mein ganzes Dasein nur Euch gewidmet habe. Wo ich am Tage gehe, begleitet mich Euer reizendes Bild und Nachts, ja! Nachts, da ist es noch wunderbarer,« fuhr er in einem plötzlich ernst werdenden Tone fort und sah die erbleichende Jungfrau forschender an, denn es war in diesem Momente ein furchtbarer Argwohn in ihm erwacht, vor dem mit einemmale seine innere Beseligung erstarb. »Nachts meine ich selbst oft Euere Stimme zu hören. Euch und Adolph und den alten Alessandro, so deutlich, so vernehmlich! Ha! wenn das keine süße Täuschung meiner Einbildungskraft, wenn es Wahrheit wäre.« –

Er sah Amalgundis immer mehr erbleichen, ihre Hände sanken schlaff aus den seinigen, sie war nahe daran vor Schwäche zu Boden zu sinken.

»Entsetzlicher Verdacht!« stammelte sie mit mattem, hinsterbendem Tone.

»Amalgundis, ich beschwöre Euch!« rief Friedmann heftig und dringend. »War es Wahrheit, habe ich Euere Stimme um Mitternacht in dem Zimmer des Kaisers vernommen? Befreit mich von der schrecklichen Pein, die meine Seele zerreißt.«

Da fühlte er sich plötzlich durch eine starke Hand von hinten ergriffen und eine Stimme, die er als die seines verhaßten Feindes erkannte, sprach rauh und höhnisch:

»Im Namen des Kaisers! Ihr seid mein Gefangener.«

Amalgundis raffte sich auf und entfloh mit einem Ausrufe des Schreckens. Indem Friedmanns Rechte nach seinem Schwerte zuckte und er selbst sich rasch umwendete, sah er in das grinsende Antlitz Günthers von Nollingen.

»Schandbube!« donnerte er diesem entgegen; aber im gleichen Augenblicke sah er sich von Trabanten umringt, die ihn seiner Waffen beraubten und ihn mit Gewalt aus dem Garten drängten. Wie ein gemeiner Verbrecher wurde er durch die Straßen der Stadt geschleppt. Das Volk versammelte sich und folgte mit wildem Geschrei dem Zuge. Tausend Verwünschungen wurden gegen den jungen Bösewicht laut, der, wie einige sagten, die Gelder des Kaisers veruntreuet, der, wie andere behaupteten, dem Monarchen selbst nach dem Leben gestrebt habe. Man stieß und drängte sich, um ihn zu sehen. Er würde thätliche Beschimpfungen erlitten haben, wenn nicht die Trabanten eine undurchdringliche Scheidemauer zwischen ihm und dem wüthenden Haufen gebildet hätten. Er aber ging ruhig und stolz, als betrete er einen Weg des Ruhmes zwischen denen, die ihn gefangen genommen hatten. Seine ganze Besonnenheit war zurückgekehrt. Er wußte, daß in wenigen Stunden alle Macht des Ritters von Nollingen vernichtet sein, daß diesen dann mit Recht alle Verwünschungen und Flüche treffen würden, die sich jetzt gegen den Unschuldigen erhoben. Nur eins schmerzte ihn: es war der Gedanke an Amalgundis, der Zweifel an ihrer Würdigkeit, den kein beruhigendes Wort aus ihrem Munde gelöst hatte.



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